Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 10.11.2010, Az. XI R 11/09

11. Senat | REWIS RS 2010, 1550

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Gegenstand

EuGH-Vorlage zu den Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung - Nichtverwendung und Nichtaufzeichnung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Rahmen eines Reihengeschäfts - Korrespondenzprinzip zwischen innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb - Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit


Leitsatz

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Erlaubt die Richtlinie 77/388/EWG den Mitgliedstaaten, eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nur dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers buchmäßig nachweist?

2. Ist es für die Antwort auf diese Frage von Bedeutung

- ob es sich bei dem Erwerber um einen in einem Drittland ansässigen Unternehmer handelt, der zwar den Gegenstand der Lieferung im Rahmen eines Reihengeschäfts von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat versendet hat, aber in keinem Mitgliedstaat umsatzsteuerrechtlich registriert ist, und

- ob der Steuerpflichtige die Abgabe einer Steuererklärung über den innergemeinschaftlichen Erwerb durch den Erwerber nachgewiesen hat?

Tatbestand

1

I. Sachverhalt

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist umsatzsteuerrechtliche Organträgerin einer in [X.] ansässigen GmbH.

3

Die GmbH verkaufte im November 1998 zwei [X.]aschinen (nebst Zubehör) an das [X.] Unternehmen [X.] mit Sitz in [X.]/[X.]. [X.] hatte eine Niederlassung in [X.], war aber in keinem [X.]itgliedstaat der [X.] registriert.

4

Nachdem die GmbH die [X.] aufgefordert hatte, ihre [X.] mitzuteilen, antwortete die [X.], sie habe die [X.]aschinen an ein Unternehmen ([X.]) in [X.] (weiter) veräußert und teilte der GmbH die [X.] dieser [X.] ([X.] ...) mit, die die GmbH auf ihre Richtigkeit überprüfte.

5

Die [X.]aschinen wurden sodann am 14. Dezember 1998 von einer Spedition, die die [X.] beauftragt hatte, bei der GmbH abgeholt, nach [X.] ([X.]) verbracht und am 17. Dezember 1998 nach [X.] verschifft. Ob [X.] in [X.] einen innergemeinschaftlichen Erwerb erklärt hat, ist nicht festgestellt.

6

Über die [X.]ieferung der [X.]aschinen erteilte die GmbH der [X.] unter [X.]ngabe der [X.] der [X.] [X.] am 14. Dezember 1998 eine Rechnung ohne Umsatzsteuer.

7

Die Klägerin behandelte diese [X.]ieferung in ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 1998 (Streitjahr) als steuerfrei.

8

Dagegen sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --F[X.]--) die [X.]ieferung als steuerpflichtig an, weil die [X.] als Erwerberin keine [X.] des Bestimmungsmitgliedstaats oder eines anderen [X.]itgliedstaats verwendet habe.

9

Das Finanzgericht wies die Klage mit entsprechender Begründung ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1418 veröffentlicht.

[X.]it der Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs sei [X.], wo sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befunden habe. Dort unterliege der Erwerb der [X.]aschinen der Umsatzbesteuerung ([X.]). Dafür komme es nicht darauf an, in welchem [X.]and die Erwerberin [X.] ihren Sitz habe. [X.]aßgeblich sei, dass der Erwerb der [X.]aschinen ein in [X.] steuerbarer Vorgang sei. Ein Nachweis, dass eine [X.] tatsächlich stattgefunden habe, müsse vom liefernden Unternehmer hingegen nicht erbracht werden. Die Verwendung einer [X.] sei keine notwendige Voraussetzung dafür, dass die [X.]ieferung der [X.]aschinen in [X.] der [X.] unterliege; ihr komme keine materiell-rechtliche Qualität zu.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter [X.]ufhebung der Vorentscheidung den Umsatzsteuerbescheid für 1998 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um ... D[X.] herabgesetzt wird,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und die Sache dem [X.] ([X.]) zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Das F[X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache dem [X.] zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Das [X.] (B[X.]F) ist dem Verfahren beigetreten. Es ist der [X.]uffassung, die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen [X.]ieferung erfordere, dass der Erwerber im [X.] erfasst sei, also eine (ihm erteilte) [X.] besitze, die er im Rahmen des Umsatzes verwende. Das sei vorliegend nicht der Fall.

Hilfsweise regt das B[X.]F an, die Sache dem [X.] zur [X.]uslegung von [X.]rt. 28c Teil [X.] Buchst. a Unterabs. 1 der [X.]/[X.] des Rates vom 17. [X.]ai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der [X.]itgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.]) vorzulegen.

Entscheidungsgründe

II. Der Senat legt die im Leitsatz bezeichneten Fragen zur [X.]uslegung des Unionsrechts dem [X.] vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des [X.] aus.

1. Die maßgeblichen Vorschriften und Bestimmungen

a) Nationales Recht

aa) Eine --gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie-- innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a [X.]bs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

(1) Der Unternehmer oder der [X.]bnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige [X.]sgebiet befördert oder versendet,    

(2) der [X.]bnehmer ist          

            a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,                     

            b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr                       Unternehmen erworben hat oder         

            c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber und

(3) der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt beim [X.]bnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.

bb) Nach § 6a [X.]bs. 3 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des § 6a [X.]bs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein.

Dazu ist auf der Grundlage von § 6a [X.]bs. 3 Satz 2 UStG in § 17a [X.]bs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung --UStDV-- ([X.] 1993, 600) geregelt worden, dass der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der [X.]bnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige [X.]sgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis).

Ferner bestimmt § 17c [X.]bs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich [X.] des [X.]bnehmers" buchmäßig nachweisen muss (sog. [X.]). Die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c [X.]bs. 1 Satz 2 UStDV).

b) Unionsrecht

aa) [X.]rt. 28c Teil [X.] Buchst. a der [X.]/[X.] in der durch die [X.]/[X.] des Rates vom 16. Dezember 1991 ([X.], [X.]) geänderten Fassung lautet:

"Unbeschadet sonstiger [X.]sbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen [X.]nwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen:

a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des [X.]rtikels 5 und des [X.]rtikels 28a [X.]bsatz 5 Buchstabe a), die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in [X.]rtikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der [X.] versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nicht steuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt. ..."

bb) Nach [X.]rt. 28a [X.]bs. 1 Buchst. a der [X.]/[X.] unterliegt der Mehrwertsteuer (auch) der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der gegen Entgelt im Inland "durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt", bewirkt wird, wenn der Verkäufer ein Steuerpflichtiger ist und als solcher handelt und für ihn die Steuerbefreiung gemäß [X.]rt. 24 der [X.]/[X.] nicht gilt.

[X.]ls innergemeinschaftlicher Erwerb eines Gegenstandes gilt nach [X.]rt. 28a [X.]bs. 3 der [X.]/[X.] die Erlangung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen beweglichen körperlichen Gegenstand zu verfügen, welcher durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung befand, an den Erwerber versendet oder befördert wird.

[X.]ls Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt nach [X.]rt. 28b Teil [X.] 1 der [X.]/[X.] der Ort, in dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden.

cc) Nach [X.]rt. 22 [X.]bs. 1 Buchst. c der [X.]/[X.] treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorkehrungen, damit die dort näher bezeichneten Steuerpflichtigen eine eigene [X.] erhalten.

[X.]rt. 22 [X.]bs. 3 Buchst. b der [X.]/[X.] sieht die [X.]ngabe der [X.] in Rechnungen vor.

Nach [X.]rt. 22 [X.]bs. 8 der [X.]/[X.] können die Mitgliedstaaten unter Beachtung der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen im Inland und zwischen Mitgliedstaaten bewirkten Umsätze weitere Pflichten vorsehen, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen.

2. Zur Rechtslage nach nationalem Recht

a) Die Lieferung der Maschinen von der GmbH an die [X.] ist gemäß § 1 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG in [X.] steuerbar. Die GmbH hat die Maschinen an die [X.] gemäß § 3 [X.]bs. 6 Sätze 1, 5 und 6 UStG im Inland (§ 1 [X.]bs. 2 Satz 1 UStG) geliefert.

Die Beteiligten haben ein sog. Reihengeschäft (§ 3 [X.]bs. 6 Satz 5 UStG) vorgenommen. Mehrere Unternehmer (die GmbH, die [X.] und die [X.] Ltd.) haben über dieselben Gegenstände (Maschinen) Umsatzgeschäfte geschlossen; die Gegenstände sind durch Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten [X.]bnehmer gelangt. Die beteiligten Unternehmer führten zwei aufeinander folgende Lieferungen aus (vgl. [X.]-Urteil vom 6. [X.]pril 2006 Rs. [X.]/04 --EM[X.]G Handel [X.], [X.]. 2006, [X.], [X.] Beilage 2006, 294, [X.] --[X.]-- 2006, 342): eine Lieferung zwischen der GmbH und der [X.] und eine Lieferung zwischen der [X.] und der [X.]n Ltd.

b) Ob die Lieferung der GmbH an die [X.] nach nationalem Recht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei ist, hängt auch davon ab, ob im Streitfall die Voraussetzung des § 6a [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG erfüllt ist, dass der Erwerb der Maschinen beim [X.]bnehmer in einem anderen Mitgliedstaat ([X.]) "den Vorschriften der Umsatzbesteuerung" unterlag.

Dieses [X.] könnte gemäß der vom F[X.] und vom [X.] vertretenen [X.]uffassung voraussetzen, dass der [X.]bnehmer bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung eine ihm erteilte [X.] verwendet, damit die Finanzbehörden des Bestimmungsmitgliedstaats den Vorgang der Umsatzbesteuerung unterwerfen können.

Die Steuerbefreiung könnte nach nationalem Recht auch daran scheitern, dass die Klägerin entgegen § 17c [X.]bs. 1 Satz 1 UStDV die [X.] der [X.] nicht aufgezeichnet hat. Das konnte sie auch nicht, weil [X.] nicht unter einer [X.] aufgetreten ist.

Zwar ist nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) im [X.]nschluss an das [X.]-Urteil vom 27. September 2007 Rs. [X.]/05 [X.] ([X.]. 2007, [X.], [X.] Beilage 2008, 34, [X.] 2007, 813) die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. [X.]. § 6a [X.]bs. 1 UStG zu gewähren, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten nach §§ 17a, 17c UStDV aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a [X.]bs. 1 UStG vorliegen (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 6. Dezember 2007 [X.], [X.]E 219, 469, [X.], 57; [X.]-Beschluss vom 29. Juli 2009 XI B 24/09, [X.]E 226, 449, unter II.3., m.w.N.).

Es ist aber aus den nachfolgenden Gründen fraglich, ob diese Rechtsprechung uneingeschränkt auf die Nichtverwendung und Nichtaufzeichnung einer [X.] anzuwenden ist.

3. Zur [X.]nrufung des [X.]

a) Der Wortlaut von [X.]rt. 28c Teil [X.] Buchst. a der [X.]/[X.] verlangt für eine Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht, dass der Erwerber dabei unter einer ihm erteilten [X.] handelt.

Zudem hat der [X.] festgestellt, "dass neben den Voraussetzungen in Bezug auf die Eigenschaft der Steuerpflichtigen, die Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, und die physische Verbringung der Gegenstände von einem Mitgliedstaat in einen anderen keine weitere Voraussetzung für die Einstufung eines Umsatzes als innergemeinschaftliche Lieferung oder innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen aufgestellt werden kann" (vgl. [X.]-Urteil vom 27. September 2007 Rs. [X.], [X.]. 2007, [X.], [X.] Beilage 2008, 25, [X.] 2007, 774, Rz 70). Diese Voraussetzungen sind mithin abschließend.

b) [X.]llerdings könnte die in [X.]rt. 28c Teil [X.] Buchst. a Unterabs. 1 der [X.]/[X.] aufgestellte Bedingung, dass der Erwerber ein "Steuerpflichtiger" ist, "der als solcher in einem anderen Mitgliedstaat ... handelt", für eine Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung voraussetzen, dass der Erwerber eine [X.] besitzt und diese bei dem Erwerb auch tatsächlich verwendet und dass der die Steuerbefreiung begehrende Unternehmer die [X.] in der Buchführung nachprüfbar aufgezeichnet hat. Jedenfalls könnte das Unionsrecht die Mitgliedstaaten zu einer entsprechenden Regelung durch den Einleitungssatz des [X.]rt. 28c Teil [X.] der [X.]/[X.], wonach die Befreiung unter den Bedingungen gewährt wird, die die Mitgliedstaaten "zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen [X.]nwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen", oder durch [X.]rt. 22 [X.]bs. 8 der [X.]/[X.] ermächtigen.

aa) Dafür könnte sprechen, dass [X.]rt. 28c Teil [X.] der [X.]/[X.] seine Grundlage in der Mehrwertsteuerübergangsregelung für den innergemeinschaftlichen Handel findet, in deren Rahmen die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Grundsatz beruht, dass die Steuereinnahmen dem Mitgliedstaat zustehen, in dem der [X.] erfolgt. [X.]uf diese Weise kann durch die Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Mitgliedstaat des Beginns der innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung von Gegenständen, welcher ein innergemeinschaftlicher Erwerb entspricht, der im Mitgliedstaat der Beendigung dieser Versendung oder Beförderung besteuert wird, die Doppelbesteuerung und damit eine Verletzung des dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystems innewohnenden Grundsatzes der steuerlichen Neutralität vermieden werden (vgl. [X.]-Urteil [X.] in [X.]. 2007, [X.], [X.] Beilage 2008, 34, [X.] 2007, 813, Rz 22 und 23).

bb) Im Hinblick auf dieses Korrespondenzprinzip zwischen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung und einem steuerbaren und steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteile --EM[X.]G Handel [X.] in [X.]. 2006, [X.], [X.] Beilage 2006, 294, [X.] 2006, 342, Rz 26 ff.; [X.] in [X.]. 2007, [X.], [X.] Beilage 2008, 25, [X.] 2007, 774, Rz 21 ff., 24; vom 22. [X.]pril 2010 Rs. [X.]/08 und [X.]/08 --X und [X.], [X.] 2010, 1225, [X.] 2010, 418, Rz 30) könnte unter Berücksichtigung des Effektivitätsgrundsatzes Voraussetzung für die Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung jedenfalls die Möglichkeit der Verifizierung der [X.] beim Empfänger anhand der [X.] sein.

Dafür könnte möglicherweise auch die [X.]ussage des [X.] angeführt werden, im Rahmen der Übergangsregelung für den innergemeinschaftlichen Erwerb und die innergemeinschaftliche Lieferung sei es zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Erhebung der Mehrwertsteuer erforderlich, "dass die zuständigen Finanzbehörden unabhängig voneinander prüfen, ob die Voraussetzungen für den innergemeinschaftlichen Erwerb und die Befreiung der entsprechenden Lieferung erfüllt sind" (vgl. [X.]-Urteil [X.] in [X.]. 2007, [X.], [X.] Beilage 2008, 25, [X.] 2007, 774, [X.]). Denn diese Prüfung kann die für den innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsland zuständige Finanzbehörde nur dann vornehmen, wenn sie von dem fraglichen Umsatz überhaupt erfährt.

[X.]uch durch die Regelung in [X.]rt. 28b Teil [X.] 2 Unterabs. 1 der [X.]/[X.], wonach als Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs das Gebiet des Mitgliedstaats gilt, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete [X.] erteilt hat, wenn der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb nach Maßgabe der Regelung in [X.]bs. 1 dieses [X.]rtikels besteuert worden ist, soll sichergestellt werden, dass Mehrwertsteuer auf den fraglichen Erwerb erhoben wird (vgl. [X.]-Urteil --X und [X.] in [X.] 2010, 1225, [X.] 2010, 418, Rz 33).

cc) [X.]llerdings müssen die Mitgliedstaaten bei der [X.]usübung ihrer ihnen durch den Einleitungssatz des [X.]rt. 28c Teil [X.] der [X.]/[X.] und durch [X.]rt. 22 [X.]bs. 8 der [X.]/[X.] eingeräumten Befugnisse die allgemeinen Rechtsgrundsätze beachten, zu denen u.a. die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit gehören (vgl. [X.]-Urteile vom 27. September 2007 Rs. [X.]/05 --Twoh International--, [X.]. 2007, [X.], [X.] Beilage 2008, 39, [X.] 2007, 782, Rz 25; [X.] in [X.]. 2007, [X.], [X.] Beilage 2008, 25, [X.] 2007, 774, Rz 45 ff.).

Im Hinblick darauf könnte es von Bedeutung sein, dass es sich im Streitfall bei dem Erwerber um einen in einem Drittland ansässigen Unternehmer handelt, der zwar den Gegenstand der Lieferung im Rahmen eines [X.] von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat versendet hat, aber in keinem Mitgliedstaat umsatzsteuerrechtlich registriert ist, und dass die GmbH die [X.]bgabe einer Steuererklärung über den innergemeinschaftlichen Erwerb durch den Erwerber nicht nachgewiesen hat.

dd) Die Klärung dieser entscheidungserheblichen Fragen durch [X.]uslegung der [X.]/[X.] ist dem [X.] vorbehalten; nur so kann eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche [X.]nwendung des Mehrwertsteuersystems verhindert werden (vgl. [X.]-Urteil vom 27. November 2003 Rs. [X.]/01 --Zita [X.], [X.]. 2003, [X.], [X.] Beilage 2004, 128, Rz 32).

4. Rechtsgrundlage für die [X.]nrufung des [X.] ist [X.]rt. 267 [X.]bs. 3 des Vertrages über die [X.]rbeitsweise der Europäischen Union.

Die [X.]ussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.

Meta

XI R 11/09

10.11.2010

Bundesfinanzhof 11. Senat

EuGH-Vorlage

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 25. Februar 2009, Az: 2 K 484/07, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 S 1 UStG 1993, § 1 Abs 2 S 1 UStG 1993, § 1 Abs 2a S 1 UStG 1993, § 1 Abs 2a S 3 UStG 1993, § 3 Abs 6 UStG 1993, § 4 Nr 1 Buchst b UStG 1993, § 6a UStG 1993, § 17a UStDV 1993, § 17c UStDV 1993, Art 22 EWGRL 388/77, Art 28a EWGRL 388/77, Art 28b Teil A Abs 1 EWGRL 388/77, Art 28c Teil A Buchst a UAbs 1 EWGRL 388/77

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 10.11.2010, Az. XI R 11/09 (REWIS RS 2010, 1550)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1550

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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