Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.04.2008, Az. 2 StR 529/07

2. Strafsenat | REWIS RS 2008, 4703

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] vom 2. April 2008 in der Strafsache gegen wegen Geiselnahme u.a. - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 2. April 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. Juni 2007 a) hinsichtlich [X.] 3 der Urteilsgründe im Schuld- und Straf-ausspruch, b) hinsichtlich [X.] 7 der Urteilsgründe im Strafausspruch, c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie d) im Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. - 3 - Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Geiselnahme, Vergewalti-gung in Tateinheit mit Körperverletzung in zwei Fällen, Freiheitsberaubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und Körperverletzung, versuchter gefährli-cher Körperverletzung sowie Körperverletzung in sechs Fällen zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und materiel-len Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor er-sichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie aus den vom Generalbundesan-walt in seiner Antragsschrift vom 26. Oktober 2007 ausgeführten Gründen un-begründet. 1 1. Nach den Feststellungen zu [X.] 3 der Urteilsgründe hat der Ange-klagte mit einem Hocker in Richtung des Kopfes der am Boden kauernden Ne-benklägerin geschlagen, die den Schlag aber mit Händen und Armen abwehren konnte, ohne Verletzungen davonzutragen. Das [X.] hat die Tat als ver-suchte gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB gewertet, ohne zu prüfen, ob der Angeklagte von dem Versuch nach § 24 Abs. 1 StGB mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist, indem er die weitere Ausfüh-rung der Tat freiwillig aufgegeben hat. Zudem hat das [X.] eine mögli-che Strafmilderung nach den §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB nicht erörtert. Das Urteil war deshalb im Schuld- und Strafausspruch aufzuheben. Die neu ent-scheidende Strafkammer wird zu prüfen haben, ob die Nebenklägerin bei der Abwehr des Schlages Schmerzen erlitten hat, so dass auch eine körperliche Misshandlung in Form einer üblen, unangemessenen Behandlung in Betracht kommt und der Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB deshalb sogar [X.] ist. 2 - 4 - 2. Nach den zu [X.] 7 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen be-fuhr der Angeklagte mit der Nebenklägerin, die er zuvor gewaltsam in sein Fahrzeug gezerrt hatte, nachts mit überhöhter Geschwindigkeit eine kurvenrei-che ländliche Strecke mit besonders steilen Böschungen rechts der [X.]. Der Angeklagte drohte damit, sie umzubringen, vollführte Vollbremsungen und [X.] mit der rechten Fahrzeugseite Leitplanken und [X.]. Unter der Drohung, sie werde die Fahrt sonst nicht überleben, forderte er die völlig verängstigte Nebenklägerin auf, ihm den wahren Vater des Kindes, das sie - tatsächlich von dem Angeklagten selbst - erwartete, zu nennen. Die Beteue-rungen der Nebenklägerin, er selbst sei der Vater, ignorierte er. Nach etwa zwei Stunden beendete der Angeklagte die wilde Fahrt und hielt unvermittelt an. Er stieß die Nebenklägerin mit einem Fußtritt aus dem Wagen. Sodann fuhr er [X.] in die gemeinsame Wohnung zurück. Die Nebenklägerin ging zu Fuß zu ihrem Wagen zurück und fuhr ebenfalls nach [X.]. 3 Das [X.] hat hierin - insoweit rechtlich nicht zu beanstanden - [X.] gemäß § 239 b Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. StGB gesehen. Es hat es jedoch versäumt, eine Strafmilderung nach § 239 b Abs. 2 i.V.m. § 239 a Abs. 4 Satz 1 StGB zu erörtern, deren Voraussetzungen nach den getroffenen [X.] nicht fern liegen, da der Angeklagte die Nebenklägerin durch ihre Freilassung unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in ihren Lebenskreis hat zurückgelangen lassen. Die für diese Tat verhängte [X.] von fünf [X.] und sechs Monaten Freiheitsstrafe war deshalb aufzuheben. 4 3. Die Aufhebung der [X.] im [X.] 7 der Urteilsgründe sowie der zu [X.] 3 der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafe von sechs Monaten zieht die Aufhebung des Gesamtstrafe nach sich. Die Aufhebung der [X.] nötigt nicht zur Aufhebung der übrigen sehr milde bemessenen Einzel-strafen. Der [X.] schließt ein Beruhen aus, zumal das [X.] im [X.] 9 5 - 5 - der Urteilsgründe eine besonders schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB rechtsfehlerhaft nicht geprüft hat. Es lag hier zumindest nicht fern, dass es sich bei der vom Angeklagten bei der Tat als Werkzeug verwendeten Salami aufgrund ihrer konkreten Beschaffenheit und Verwendung um ein [X.] Werkzeug handelte (vgl. [X.]St 46, 225, 228; NStZ-RR 2003, 202). Der Angeklagte ist zudem nicht dadurch beschwert, dass das [X.] ihn in [X.] 11 der Urteilsgründe lediglich nach § 223 StGB verurteilt und keine Ver-gewaltigung nach § 177 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 1 StGB angenommen hat. Das [X.] hat bei der Verneinung der schutzlosen Lage übersehen, dass die Nebenklägerin, die wegen der vorangegangenen Gewalthandlungen eine [X.] für aussichtslos hielt und nur noch darauf bedacht war, ihr ungebore-nes Kind vor Schaden zu bewahren, in der konkreten Situation, in der sie sich mit dem Angeklagten allein in dessen Wohnung befand und auf keine Hilfe von [X.] hoffen konnte, den drohenden Gewalthandlungen des Angeklagten schutzlos ausgeliefert war [X.], StGB 55. Auflage § 177 Rdn. 27 ff.). Schließlich beschwert es den Angeklagten auch nicht, dass das [X.] in [X.] 10 der Urteilsgründe nur § 223 StGB und § 239 StGB ausgeurteilt und nicht erörtert hat, ob die Voraussetzungen einer versuchten schweren Brandstif-tung nach § 306 a Abs. 2 StGB vorlagen. Dies lag unter dem Gesichtspunkt, dass das von dem Angeklagten gelegte Feuer von der Gardine auf das [X.] hätte übergreifen können, nicht fern. 4. Auch der [X.] hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Wie die Revision zu Recht rügt, hätte der Angeklagte in der Hauptverhandlung gemäß § 265 Abs. 2 StPO darauf hingewiesen werden müssen, dass die [X.] in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB in [X.] kommt, da weder die Anklageschrift noch der Eröffnungsbeschluss einen Hinweis auf die Möglichkeit einer solchen Anordnung enthielt (vgl. [X.]St 18, 288, 289; [X.], 329). Der Hinweis wurde auch nicht dadurch entbehrlich, 6 - 6 - dass der zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten in der Hauptverhand-lung gehörte Sachverständige die Anordnung der Maßregel ausdrücklich emp-fohlen hat; die Einführung allein durch eine Beweisperson reicht nicht aus ([X.], [X.], 271; 2004, 297 f.). Ebenso wenig kann die Pflicht des Gerichts zu einem rechtlichen Hinweis durch den Schlussantrag des Staatsan-walts oder durch die Erörterung der bloßen Möglichkeit einer Maßregelanord-nung erfüllt werden ([X.], [X.], 329; NStZ 1998, 529, 530). Der [X.] kann nicht ausschließen, dass sich der Angeklagte bei prozessordnungsmäßi-gem Verfahrensablauf anders verteidigt hätte. Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Ent-ziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf daher insgesamt der Prüfung und Ent-scheidung durch einen neuen Tatrichter. Dieser wird dabei die nunmehr nach dem Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Kran-kenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 ([X.]) geltende Rechtslage, insbesondere im Hinblick auf die Anordnung eines - ge-gebenenfalls teilweisen - [X.] der Freiheitsstrafe vor der Maßregel nach § 67 Abs. 2 StGB, zu berücksichtigen haben. 7 5. Damit ist die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die [X.] und Auslagenentscheidung gegenstandslos. 8 [X.] Fischer Appl Cierniak

Meta

2 StR 529/07

02.04.2008

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.04.2008, Az. 2 StR 529/07 (REWIS RS 2008, 4703)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 4703

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 573/12 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Vergewaltigung unter Alkoholeinfluss: Kumulative Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und in der …


1 StR 573/12 (Bundesgerichtshof)


2 StR 605/11 (Bundesgerichtshof)


5 StR 360/11 (Bundesgerichtshof)

Tötungsdelikt: Bedingter Tötungsvorsatz bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen; konkludenter gemeinsamer Tatplan bei Mittäterschaft; Erfolgszurechnung im Wege …


3 StR 115/10 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.