Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.09.2011, Az. VIII ZB 27/09

8. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3549

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Gegenstand

Erstattungsfähigkeit der Kosten der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil nach Abänderung des Urteils durch das Berufungsgericht


Leitsatz

Kosten der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil sind nicht erstattungsfähig, soweit der Verurteilung durch das Rechtsmittelgericht die materiell-rechtliche Grundlage entzogen wird .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des [X.] vom 23. Februar 2009 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

[X.]: bis 1.800 €

Gründe

I.

1

Der Kläger hat unter anderem den Beklagten auf Zahlung von 35.790,43 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das [X.] hat mit Urteil vom 7. April 2006 der Klage unter deren Abweisung im Übrigen in Höhe von 34.041,27 € nebst Zinsen stattgegeben und dem Beklagten auferlegt, 77 % der außergerichtlichen Kosten des [X.] zu erstatten; darüber hinaus hat es die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils angeordnet. Mit Beschluss vom 11. Juli 2006 hat die Rechtspflegerin des [X.]s die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 3.439,30 € festgesetzt. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Beklagten in der Hauptsache antragsgemäß zur Zahlung von 35.790,43 € verurteilt. Den geltend gemachten Zinsanspruch hat es erst ab 1. Januar 2007 für gerechtfertigt erachtet, da die Hauptforderung erst zum Ablauf des 31. Dezember 2006 fällig geworden sei. Nach der Kostengrundentscheidung dieses rechtskräftigen Urteils vom 11. Januar 2007 hat der Beklagte dem Kläger 80 % seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

2

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 14. August 2007 hat der Kläger Kosten der Zwangsvollstreckung in Höhe von 2.157,89 € geltend gemacht, die die Rechtspflegerin des Amtsgerichts mit Beschluss vom 11. Dezember 2008 lediglich in einer Höhe von 372,89 € für begründet erachtet hat. Die sofortige Beschwerde des [X.] gegen diesen Beschluss hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger sein über den festgesetzten Betrag hinausgehendes Festsetzungsbegehren abzüglich eines Betrages von 3,60 € weiter.

II.

3

Die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt:

5

Die Rechtspflegerin habe die Festsetzung der übrigen vom Kläger geltend gemachten Kosten der auf vorläufiger Grundlage betriebenen Zwangsvollstreckung zu Recht abgelehnt, da diese auf Vollstreckungsmaßnahmen zurückzuführen seien, die der Kläger vor dem 31. Dezember 2006 eingeleitet habe. Das [X.] habe in seinem rechtskräftigen Berufungsurteil vom 11. Januar 2007 entschieden, dass der dem Kläger zustehende Anspruch in Höhe von 35.790,43 € erst mit Ablauf des 31. Dezember 2006 zur Zahlung fällig geworden sei. Dies habe Auswirkungen sowohl auf die vor dem Fälligkeitsdatum betriebene Zwangsvollstreckung aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil des [X.]s als auch auf die Zwangsvollstreckung aus dem auf Grundlage dieses Urteils ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.]s vom 11. Juli 2006. Denn der Kläger könne nur diejenigen Kosten ersetzt bekommen, die ihm angefallen wären, wenn er die Zwangsvollstreckung in dem Rahmen betrieben hätte, der sich aus dem rechtskräftig gewordenen Zwangsvollstreckungstitel des [X.]s ergebe. Bei Zugrundelegung der dort festgestellten Rechtslage hätte das [X.] die Klage abweisen müssen oder den Beklagten allenfalls zur Zahlung ab 1. Januar 2007 verurteilen dürfen. In beiden Fällen hätte der Kläger vor Ablauf des 31. Dezember 2006 keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergreifen können und dürfen. Dies ergebe sich jedenfalls aus dem Rechtsgedanken des § 751 Abs. 1 ZPO, wonach die Zwangsvollstreckung nur beginnen dürfe, wenn der Kalendertag abgelaufen sei, sofern der Anspruch von dem Eintritt eines Kalendertags abhängig sei. Auch aus der Regelung des § 717 Abs. 2 ZPO werde deutlich, dass der Gläubiger aus einem lediglich für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil auf eigene Gefahr vollstrecke.

6

2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand.

7

Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht die Kosten für die vom Kläger vor dem Ablauf des 31. Dezember 2006 ergriffenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für nicht erstattungsfähig gehalten.

8

Inhalt und Umfang der Zahlungsverpflichtung des Beklagten ergab sich für die Parteien erst aus dem Tenor und den den Tenor tragenden Entscheidungsgründen des rechtskräftigen Urteils des Berufungsgerichts vom 11. Januar 2007. Dort ist unter anderem festgestellt, dass der vom Beklagten zu zahlende Betrag in Höhe von 35.790,43 € erst mit Ablauf des 31. Dezember 2006 zur Zahlung fällig wurde. Deshalb hat das Berufungsgericht dem Kläger auch Zinsen erst ab dem 1. Januar 2007 zugesprochen. Durch dieses Urteil ist die materiell-rechtliche Grundlage der im landgerichtlichen Urteil ausgesprochenen und für vorläufig vollstreckbar erklärten Leistungspflicht des Beklagten insoweit entfallen, als sie dessen Zahlungsverpflichtung vor Ablauf des 31. Dezember 2006 zum Inhalt hatte. Die vorliegende Fallgestaltung ist daher - soweit es die vom Kläger vor Ablauf des 31. Dezember 2006 ergriffenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anbetrifft - vergleichbar derjenigen, dass das Urteil, aus dem die (vorläufige angeordnete) Zwangsvollstreckung betrieben worden ist, aufgehoben wird. Für diesen Fall bestimmt § 788 Abs. 3 ZPO, dass die Kosten der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zu erstatten sind. Diese Vorschrift beruht, wie der vergleichbare § 717 Abs. 2 ZPO, auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Gläubiger aus einem noch nicht endgültigen Titel auf eigene Gefahr vollstreckt ([X.], Beschluss vom 5. Mai 2011 - [X.] 39/10, [X.], 1142 Rn. 10; vgl. [X.]/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 788 Rn. 22). Diesem Rechtsgedanken ist zu entnehmen, dass Kosten der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil nicht dem Schuldner zur Last fallen sollen, soweit der Verurteilung durch das Rechtsmittelgericht die materiell-rechtliche Grundlage entzogen wird. Derartige Kosten sind daher nicht nur zu erstatten, wenn sie bereits beigetrieben wurden; sie dürfen bereits im Kostenfestsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden.

[X.]                                       Dr. Frellesen                                   Dr. Schneider

                  [X.]                                        Dr. Bünger

Meta

VIII ZB 27/09

07.09.2011

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Berlin, 23. Februar 2009, Az: 82 T 110/09, Beschluss

§ 104 Abs 1 ZPO, § 717 Abs 2 ZPO, § 788 Abs 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.09.2011, Az. VIII ZB 27/09 (REWIS RS 2011, 3549)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3549

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