Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2006, Az. 3 StR 429/05

3. Strafsenat | REWIS RS 2006, 3884

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[X.] vom 25. April 2006 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. April 2006 gemäß § 349 Abs. 2 [X.] einstimmig beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. Juni 2005 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendi-gen Auslagen zu tragen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 12 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten bleibt aus den Gründen der [X.] ohne Erfolg. 1 1. [X.] Erörterung bedarf allein die Beanstandung, das gegen die Vorsitzende gerichtete Ablehnungsgesuch sei mit Unrecht verworfen worden (§ 338 Nr. 3 [X.]). 2 a) Der [X.] liegt folgender Sachverhalt zugrunde: 3 Nach den [X.]n der St[X.]tsanwaltschaft und der Verteidigung machte die Vorsitzende eine Bemerkung zu dem Angeklagten, die sich auf den von der St[X.]tsanwaltschaft zuvor gestellten Antrag bezog, zugleich mit der 4 - 3 - Verurteilung des Angeklagten den Haftbefehl wieder in Vollzug zu setzen. Die Revision trägt hierzu vor, die Vorsitzende habe angekündigt, dass im Fall einer Verurteilung des Angeklagten auch der Haftbefehl sofort wieder in Vollzug ge-setzt werde, und angeordnet, dass sich der Angeklagte deshalb während der Urteilsberatung "in der Nähe" aufzuhalten habe. Im [X.] daran hatte der Angeklagte Gelegenheit zum letzten Wort. Während der darauf folgenden Ur-teilsberatung kündigte der Verteidiger einen Beweisantrag an und erreichte, dass die Kammer wieder in die Hauptverhandlung eintrat. Sodann stellte er ei-nen Beweisantrag und lehnte zugleich für den Angeklagten die Vorsitzende im Hinblick auf deren Bemerkung wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. [X.] Antrag verwarf die Kammer unter Mitwirkung der abgelehnten [X.]in als unzulässig, weil ein Grund zur Ablehnung nicht angegeben worden sei (§ 26 a Abs. 1 Nr. 2 [X.]). Sie begründete dies damit, dass in dem Gesuch die Äuße-rung der Vorsitzenden unzutreffend wiedergegeben worden sei; so, wie sie tat-sächlich gefallen sei, gebe die Bemerkung hingegen einem vernünftigen Ange-klagten keine Veranlassung, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der [X.] zu hegen. b) Die [X.] ist nicht begründet. Das [X.] hat das Ablehnungsge-such im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen. 5 [X.]) Auf § 26 a Abs. 1 Nr. 2 [X.] durfte das [X.] seine Entschei-dung allerdings nicht stützen: Nach dieser Vorschrift hat das Gericht die Ableh-nung eines [X.]s als unzulässig zu verwerfen, wenn - was hier nicht gege-ben ist - ein Grund zur Ablehnung nicht angegeben wird. Dem Fehlen einer Be-gründung wird in ständiger Rechtsprechung - verfassungsrechtlich unbedenk-lich, vgl. [X.] NJW 1995, 2912, 2913; 2005, 3410, 3412; [X.], [X.]. vom 24. Februar 2006 - 2 BvR 836/04 - der Fall gleichgestellt, dass die [X.] - 4 [X.] aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ableh-nungsgesuchs völlig ungeeignet ist ([X.], 311; NStZ-RR 2002, 66; BGHR [X.] § 26 a Unzulässigkeit 2, 3). Bei der Prüfung, ob die für eine Ableh-nung wegen Besorgnis der Befangenheit gegebene Begründung in dem ge-nannten Sinne völlig ungeeignet ist, muss im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG allerdings ein strenger Maßstab angelegt werden ([X.], 587 m. w. N.). Eine Begründung ist danach unter anderem dann nicht völlig ungeeig-net, wenn der [X.] zur Prüfung sein eigenes Verhalten beurteilen und somit eine Entscheidung in eigener Sache treffen muss. So liegt es hier. Denn der angegriffene [X.]uss stellt bereits den Inhalt der beanstandeten Äußerung der abgelehnten [X.]in abweichend dar, so dass diese gleichsam in eigener Sache den maßgeblichen Sachverhalt festgestellt hat. [X.]) Das [X.] hätte das Ablehnungsgesuch aber gemäß § 26 a Abs. 1 Nr. 1 [X.] wegen Verspätung als unzulässig verwerfen müssen. 7 [X.] war allerdings nicht schon deshalb verspätet, weil sie erst nach der erstmaligen Erteilung des letzten Wor-tes und damit dem in § 25 Abs. 2 Satz 2 [X.] bezeichneten Zeitpunkt, ab dem eine Ablehnung nicht mehr zulässig ist, angebracht worden war; denn dadurch, dass die Kammer erneut in die Beweisaufnahme eingetreten ist, haben die frü-heren [X.] und das frühere letzte Wort ihre bisherige Bedeutung verloren (vgl. BGHSt 20, 273, 275; [X.], 221; [X.], [X.] 48. Aufl. § 258 Rdn. 27). Das gilt auch im Hinblick auf die Präklusionswirkung des § 25 Abs. 2 Satz 2 [X.]. 8 [X.] ist aber nicht "unverzüglich" im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] angebracht worden. 9 - 5 - An die Auslegung des Begriffs "unverzüglich" im Sinne des § 26 a Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist im Interesse einer zügigen Durchführung des Verfahrens ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BGHSt 21, 334, 339; [X.], 141; [X.], 396). Die Ablehnung muss zwar nicht "sofort", aber "ohne schuldhaftes Verzögern", d. h. ohne unnötige, nicht durch die Sachlage begrün-dete Verzögerungen geltend gemacht werden. Durch die Sachlage begründet ist eine Verzögerung, die dadurch entsteht, dass der Antragsteller, nachdem er Kenntnis vom Ablehnungsgrund erlangt hat, eine gewisse Zeit zum Überlegen und zum Abfassen des Gesuchs benötigt. Welche Zeitspanne dafür zuzubilligen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der jeweiligen [X.] ab (vgl. BGHSt 45, 312, 315). 10 Hier erfolgte die vom Angeklagten beanstandete Äußerung der [X.], nachdem bereits die [X.] gehalten worden waren und nur noch das letzte Wort des Angeklagten ausstand. Das Verfahren befand sich damit bereits unmittelbar vor dem Zeitpunkt, ab welchem eine Ablehnung nach der gesetzgeberischen Entscheidung in § 25 Abs. 2 Satz 2 [X.] (zur Verfas-sungsmäßigkeit dieser zeitlichen Zäsur vgl. [X.] NJW 1988, 477) grundsätz-lich überhaupt nicht mehr möglich ist. In diesem Verfahrensstadium handelt der Angeklagte nur noch dann "unverzüglich" i. S. v. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.], wenn er seine Entschließung über die Ablehnung trifft und ggf. die Ablehnung erklärt, bevor er von dem Recht zum letzten Wort Gebrauch macht oder darauf verzichtet. Das bedeutet nicht, dass er die Ablehnung sofort erklären muss. Dem Angeklagten ist auch in dieser Situation eine angemessene Zeitspanne zum Überlegen und zur Beratung mit seinem Verteidiger einzuräumen. Erfor-derlich und zumutbar ist es aber, dass der Angeklagte nunmehr zumindest eine Unterbrechung der Hauptverhandlung beantragt, um sich sein weiteres [X.] zu überlegen und sich mit seinem Verteidiger zu beraten. Dies hat der [X.] - 6 - geklagte vorliegend versäumt und sein Ablehnungsgesuch gegen die Straf-kammervorsitzende somit nicht mehr unverzüglich i. S. v. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] angebracht. An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass das [X.] später wieder in die Hauptverhandlung eingetreten ist. Denn zu diesem Zeitpunkt war die "Frist" für eine unverzügliche Anbringung des [X.] bereits abgelaufen. 12 cc) Da das [X.] das Gesuch im Ergebnis - allerdings aus einem anderen Grund als geschehen - als unzulässig hätte verwerfen müssen, kann die Revisionsrüge keinen Erfolg haben. An einem Austausch des [X.] innerhalb des § 26 a Abs. 1 [X.] ist das Revisionsgericht nicht gehin-dert (vgl. [X.], [X.]. vom 24. Februar 2006 - 2 BvR 836/04 Rdn. 64). Den Grundsatz des gesetzlichen [X.]s hätte das [X.] unter den gegebe-nen Umständen allenfalls dann verletzt, wenn es das verspätet angebrachte Ablehnungsgesuch in anderer Besetzung der Strafkammer - ohne Mitwirkung der abgelehnten [X.]in - verworfen hätte. Dementsprechend stellt sich hier auch weder die Frage, ob das [X.] mit seiner Entscheidung den von § 26 a [X.] gesteckten Rahmen "willkürlich" überschritten hat, mit der Folge, dass allein deshalb eine Entscheidung des [X.] über die Begrün-detheit des Ablehnungsgesuchs nach [X.] ausgeschlossen wäre (vgl. hierzu [X.] NJW 2005, 3410, 3412), noch die, ob neben einer "willkürlichen Überschreitung" überhaupt noch ein Bereich schlicht rechtsfehler-hafter Beurteilung des Rahmens von § 26 a Abs. 1 [X.] durch den Tatrichter denkbar ist, bei dem Raum für eine Entscheidung des [X.] nach [X.] bleibt (so [X.], 587; möglicherweise anders - Willkür schon bei jeder vom Wortlaut des § 26 a Abs. 1 [X.] nicht gedeckten 13 - 7 - Ablehnung - [X.], [X.]. vom 24. Februar 2006 - 2 BvR 836/04 Rdn. 50 und 56). 2. Im Übrigen merkt der Senat an, dass das Vorgehen der Verteidigung am letzten Tag der achttägigen Hauptverhandlung durchaus Anlass gibt, die vom [X.] festgestellte Verschleppungsabsicht in Erwägung zu ziehen. Der Verteidiger hat die Unterbrechung der Urteilsberatung der Kammer und den Wiedereintritt in die Hauptverhandlung mit der durch Telefax [X.] Ankündigung, "weitere Beweisanträge" stellen zu wollen, erreicht. Sodann hat er beantragt, seinen Mitverteidiger Rechtsanwalt [X.]aus [X.]

als Zeugen zu vernehmen; dieser werde bekunden, er habe dem Angeklag-ten am ersten Verhandlungstag geschildert, dass der St[X.]tsanwalt "ein konsen-suales Vorgehen angeregt" und für diesen Fall einen Strafantrag zwischen zwei und drei Jahren angekündigt habe, und ihm weiter mitgeteilt, dass nach seiner Einschätzung (der des [X.]) für den Fall streitiger Verhandlung mit einem Strafantrag der St[X.]tsanwaltschaft von mindestens fünf Jahren, unter Umständen sogar von sechs bis sieben Jahren, zu rechnen sei. Dieser Beweis-antrag, der jede Begründung für die Erheblichkeit der behaupteten, offensicht-lich bedeutungslosen Tatsachen schuldig bleibt, lässt - zumal unter Berücksich-tigung des gleichzeitigen, ebenfalls erkennbar unbegründeten [X.] und der Umstände der Anbringung beider Anträge - die 14 - 8 - Annahme einer Verschleppungsabsicht nicht fern liegend erscheinen und be-sorgen, dass ihm ein Verständnis von Verteidigung zugrunde liegt, die sich dem traditionellen Ziel des Strafprozesses, der Wahrheitsfindung in einem [X.] Verfahren, nicht mehr verpflichtet fühlt (vgl. [X.], 341). [X.] [X.] von [X.] ist im Urlaub und deswegen an der Unter-

zeichnung gehindert. [X.] [X.] [X.] befindet sich auf einer Dienstreise und ist [X.] an der Unterzeichnung gehindert.

[X.]

Meta

3 StR 429/05

25.04.2006

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2006, Az. 3 StR 429/05 (REWIS RS 2006, 3884)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3884

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