Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2010, Az. VI ZR 241/09

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2262

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/09 Verkündet am: 19. Oktober 2010 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 823 Abs. 1 Aa, [X.] Ist dem behandelnden Arzt ein Risiko im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt und musste es ihm auch nicht bekannt sein, etwa weil es nur in ande-ren Spezialgebieten der medizinischen Wissenschaft aber nicht in seinem Fachgebiet diskutiert wird, entfällt die Haftung des Arztes mangels schuldhafter Pflichtverletzung. [X.], Urteil vom 19. Oktober 2010 - [X.]/09 - [X.]

LG Frankfurt (Oder) - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und [X.] sowie die Richterinnen [X.] und von [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 9. Juli 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben als zum Nachteil der Kläge-rin entschieden worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand:Die Klägerin nimmt die [X.] auf Zahlung von Schmerzensgeld so-wie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere immaterielle Schäden im Zusam-menhang mit einer am 8. Oktober 2003 von der [X.] zu 2 im Krankenhaus der [X.] zu 1 anlässlich einer Krampfadernoperation bei ihr durchgeführ-ten Spinalanästhesie in Anspruch. Nach dem Eingriff bildeten sich im Schädel der Klägerin subdurale [X.] (Flüssigkeitsergüsse). Diese wurden auf den am 13. Dezember 2003 in der Rettungsstelle der [X.] zu 1 gefertigten [X.] - 3 - Bildern nicht erkannt, sondern erst am 15. Dezember 2003 in der Notaufnahme eines anderen Krankenhauses. Die Klägerin wurde daraufhin am 16. Dezember 2003 am Kopf operiert. Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Beklagte zu 2 die Klägerin im Rahmen der Aufklärung über die Risiken der Spinalanästhesie auf die Möglichkeit der Bildung eines [X.]s hätte hinweisen müssen. 2 Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläge-rin hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Beru-fung in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu 1 wegen der Verzögerung der [X.] infolge fehlerhafter Auswertung der [X.] vom 13. Dezember 2003 verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 200 • zu zahlen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Re-vision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der Ausführungen des Ge-richtssachverständigen Prof. Dr. B. zu dem Ergebnis gelangt, dass eine schuld-hafte Verletzung der Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit der bei der Klä-gerin vorgenommenen Spinalanästhesie nicht vorliege. Zwar sei nach den [X.] grundsätzlich eine Aufklärung des Patienten über das Risiko eines subduralen [X.]s bzw. [X.] nach einer Spinalanäs-thesie erforderlich, weil die Entstehung von cerebralen [X.]n im Gefolge einer Spinalanästhesie ein eingriffsspezifisch-typisches Risiko dieser [X.] - 4 - siemethode sei. Durch eine Punktion der [X.] bei einer Rückenmarksnarkose oder einer Lumbalpunktion könne ein Liquorunterdrucksyndrom entstehen, das zu postspinalen Kopfschmerzen - wie sie auch bei der Klägerin aufgetreten [X.] - und in seltenen Fällen zu einem subduralen [X.] führe. Das Auftreten eines subduralen [X.]s mit dem Erfordernis einer Kopfoperation und der Gefahr von Dauerschäden führe zu einer erheblichen Belastung des Patienten, so dass dieser unabhängig von der geringen Häufigkeit des Auftretens dieser Komplikation über das entsprechende Risiko aufzuklären sei. Das Unterlassen einer entsprechenden Aufklärung der Klägerin sei einem im [X.] eingesetzten Anästhesisten im Oktober 2003 allerdings noch nicht vor-werfbar gewesen. Prof. Dr. B. habe dargelegt, dass die Problematik eines [X.] zwischen Spinalanästhesie und subduralen [X.]n bzw. Hämatomen im Oktober 2003 unter Anästhesisten nahezu unbekannt gewesen sei. Zwar habe der Sachverständige eingeräumt, dass in der medizinischen Li-teratur teilweise ein Zusammenhang zwischen Punktionen der [X.] und dem Auftreten subduraler [X.]/Hämatome erwähnt worden sei, jedoch behandle nur eines von drei der vom Sachverständigen als Standardlehrbücher bezeich-neten Werke die Komplikation. Auch habe der Sachverständige überzeugend darauf verwiesen, dass das Risiko bei der im Fachbereich der Neurologie durchgeführten Lumbalpunktion wegen der dort verwendeten Nadeln mit we-sentlich größerem äußeren Durchmesser erheblich höher sei als bei der Spinal-anästhesie, so dass dies die entsprechende Sensibilisierung und literarische Aufbereitung des Risikos in diesem Fachbereich erkläre. Ob in einem anderen Fachbereich bei einer ähnlich gelagerten Problematik eine Kenntnis gefordert werden müsse, sei jedoch unerheblich, da von einem Arzt nicht verlangt werden könne, dass er sämtliche medizinischen Fachbereiche bis in ihre Feinheiten hinein beherrsche. Darüber hinaus sei auch der Nachweis der Kausalität der Spinalanästhesie für das Auftreten der subduralen [X.] bei der Klägerin - 5 - nicht geführt worden. Zwar wäre im Falle einer unzureichenden Aufklärung be-reits die Durchführung der Spinalanästhesie widerrechtlich erfolgt, mithin als [X.] die Punktion der [X.] der Klägerin anzusehen. Auch nach dem Beweismaß des § 287 ZPO stehe aber die Kausalität des Eingriffs für die Entstehung der subduralen [X.] bei der Klägerin nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest. [X.] Prof. Dr. B. habe im Rahmen seiner Anhörung angegeben, eine Kausalität sei nicht mit an Sicherheit gren-zender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, auch im Bereich darunter sei eine Kausalität rein spekulativ. Es komme auch eine zufällig zeitgleiche Bildung des [X.]s im Zusammenhang mit einer Spinalanästhesie in Betracht und werde in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben. Zudem habe nach den Anga-ben des Sachverständigen eine entsprechende Disposition bei der Klägerin [X.]. Auch aus dem Umstand, dass bei der Klägerin eine Liquorleckage an einer anderen Stelle der [X.] nicht festgestellt worden sei, lasse sich nicht auf eine Kausalität zwischen der Spinalanästhesie und dem subduralen [X.] schließen. [X.] habe ausdrücklich ausgeführt, dass sich eine spontan entstandene Leckage zumeist von selbst wieder verschließe. Eine an-dere Beurteilung lasse sich auch nicht den Ausführungen des weiteren Sach-verständigen Prof. Dr. R. entnehmen, da dieser (fälschlicherweise) davon aus-gegangen sei, die Kausalität sei zwischen den Parteien unstreitig. Was die feh-lerhafte Auswertung der [X.]omputertomographie vom 13. Dezember 2003 im Hause der [X.] zu 1 anbelange, habe der Sachverständige Prof. Dr. R. nachvollziehbar dargetan, dass die dadurch bedingte zeitliche Verzögerung der Kopfoperation um einen Zeitraum von zweieinhalb Tagen hinaus keine weiteren nachteiligen Folgen für die Klägerin gehabt habe. Für die Verzögerung als sol-che sei ein Schmerzensgeld von 200 • angemessen. - 6 - I[X.] Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtli-chen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Die bisherigen Feststellungen reichen nicht aus, um eine Haftung der [X.] wegen Verletzung der Pflicht zur Aufklärung über das Risiko des Entstehens eines subduralen [X.]s bzw. [X.] nach einer Spinalanästhesie zu verneinen. 5 1. Das Berufungsurteil entspricht in seinem rechtlichen Ausgangspunkt allerdings der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. zuletzt Senatsur-teil vom 6. Juli 2010 - [X.] ZR 198/09, [X.], 1220 Rn. 11 f.): 6 Danach muss der Patient "im Großen und Ganzen" wissen, worin er ein-willigt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern (vgl. Senatsurteile vom 7. Februar 1984 - [X.] ZR 174/82, [X.] 90, 103, 106, 108 und vom 15. Februar 2000 - [X.] ZR 48/99, [X.] 144, 1, 5). Die Notwendigkeit zur Aufklärung hängt bei einem spezifisch mit der The-rapie verbundenen Risiko nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplika-tion führt. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die [X.] haben kann. Bei einer möglichen besonders schwe-ren Belastung für seine Lebensführung ist deshalb die Information über ein Ri-siko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht (vgl. Senatsurteile vom 7. Februar 1984 - [X.] ZR 174/82, [X.] 90, 103, 107; vom 15. Februar 2000 - [X.] ZR 48/99, 7 - 7 - [X.] 144, 1, 5 f.; vom 2. November 1993 - [X.] ZR 245/92, [X.], 104, 105; vom 21. November 1995 - [X.] ZR 341/94, [X.], 330, 331 und vom 6. Juli 2010 - [X.] ZR 198/09, [X.], 1220 Rn. 11). [X.] ist nur über bekannte Risiken. War ein Risiko im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt, besteht keine Aufklärungspflicht. War es dem behandelnden Arzt nicht bekannt und musste es ihm auch nicht bekannt sein, etwa weil es nur in anderen Spezialgebieten der medizinischen Wissen-schaft aber nicht in seinem Fachgebiet diskutiert wurde, entfällt die Haftung des Arztes mangels schuldhafter Pflichtverletzung (vgl. Senatsurteile vom 12. Dezember 1989 - [X.] ZR 83/89, [X.], 522, 523; vom 21. November 1995 - [X.] ZR 329/94, [X.], 233; Kurzbegründung im Nichtannahmebe-schluss des Senats vom 26. September 1995 - [X.] ZR 295/94, zum Urteil des [X.] [X.], 377, 378; Geiß/[X.], [X.], 6. Aufl., [X.] Rn. 46; [X.] in Laufs/[X.]/[X.], Arztrecht, 6. Aufl., [X.] Rn. 24). 8 2. Das Berufungsgericht ist zwar nach den vorstehenden Grundsätzen ohne Rechtsfehler auf der Grundlage der Ausführungen des gerichtlich bestell-ten Sachverständigen Prof. Dr. B. zu der Überzeugung gelangt, dass die Ent-stehung eines subduralen [X.]s bzw. [X.] als Folge einer Spinal-anästhesie ein typisches, eingriffsspezifisches Risiko dieser [X.] ist, im Falle eines [X.]s oder [X.] eine Kopfoperation notwendig werden kann und die Gefahr von Dauerschäden besteht. Dies belastet die wei-tere Lebensführung des Patienten erheblich und stelle deshalb unabhängig von der relativ geringen Eintrittswahrscheinlichkeit ein aufklärungspflichtiges Risiko dar. Die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Aufklärungspflicht nicht verletzt worden ist, weil einem Anästhesisten im Krankenhausbereich das Risiko eines subduralen [X.]s bzw. [X.] im Oktober 2003 nicht hätte 9 - 8 - bekannt sein müssen, wird jedoch von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. a) Grundsätzlich ist die Beweiswürdigung dem Tatrichter vorbehalten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 ZPO gebunden ist. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entspre-chend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem [X.] und den Beweisergeb-nissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweis-würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkge-setze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Juni 2009 - [X.] ZR 261/08, [X.], 1406 Rn. 5 m.w.N.; und Senatsurteil vom 6. Juli 2010 - [X.] ZR 198/09, aaO Rn. 14). Die rechtliche Wertung, ob eine Aufklä-rungspflichtverletzung vorliegt, ist zwar Aufgabe des Richters, der sich hierzu in der Regel sachverständiger Hilfe bedienen muss. Das Gericht darf sich dabei aber nicht über Widersprüche oder Unklarheiten in den Ausführungen des me-dizinischen Sachverständigen hinwegsetzen. Unklarheiten und Zweifel bei den Bekundungen des Sachverständigen muss es durch eine gezielte Befragung klären. Andernfalls bietet der erhobene [X.] keine ausrei-chende Grundlage für die tatrichterliche Überzeugungsbildung (vgl. [X.] vom 27. März 2001 - [X.] ZR 18/00, [X.], 859, 860 m.w.N.; und vom 6. Juli 2010 - [X.] ZR 198/09, aaO). 10 b) Die Revision weist mit Recht darauf hin, dass im Streitfall die Ausfüh-rungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. teilweise unklar und nicht frei von Widersprüchen sind. 11 [X.] hat bei seiner Anhörung vor dem Berufungsgericht auf Vorhalt der von der Klägerin bezeichneten Literatur eingeräumt, dass "Lehr-bücher" - mithin nicht nur das von ihm zitierte - durchaus den Problembereich 12 - 9 - behandelten und dass man "möglicherweise" auch als Anästhesist, der im [X.] tätig sei, darüber informiert sein müsse. Die Frage sei für ihn nur, ob es sich dabei tatsächlich um ein eingriffsspezifisch-typisches Risiko einer Spi-nalanästhesie handele, weil die [X.] sehr gering sei. Diese Frage sei aber, wie er bereits in seinem schriftlichen Gutachten aus-geführt habe, aus seiner Sicht zu bejahen. Nach diesen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. bleibt letztlich unklar, ob einem mit einem solchen Eingriff befassten Anästhesisten das aufklärungspflichtige Risiko eines subduralen [X.]s bzw. [X.] im Oktober 2003 hätte bekannt sein müssen. Sie bilden mithin keine geeignete Grundlage für eine Verneinung des Verschuldens durch das Berufungsgericht. 13 c) Darüber hinaus hat sich das Berufungsgericht nicht vollständig mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. auseinandergesetzt. 14 [X.] hat bestätigt, dass es sich bei der Lumbalpunktion und der Spinalanästhesie um praktisch identische Verfahren handele, wobei die Lumbalpunktion im Fachbereich der Neurologie lediglich mit Nadeln mit wesent-lich größeren äußeren Durchmessern durchgeführt werde. Die Verwendung dünnerer Nadeln zur Spinalanästhesie ändere jedoch an dem eigentlichen Problem nichts, weil auch in diesen Fällen eine Öffnung des [X.] mit den beschriebenen Nachteilen erfolge, nämlich u.a. des [X.]. Dadurch werde lediglich das Risiko von Komplikationen im Prinzip verringert. 15 Ist damit bereits aufgrund der anatomischen Verhältnisse davon auszu-gehen, dass bei Punktionen der [X.] die Gefahr entsprechender Komplikatio-nen besteht, dann durfte das Berufungsgericht mangels eigener Sachkunde nicht ohne weitere Klärung annehmen, dass es für die Frage der für den Fach-16 - 10 - bereich der Anästhesie zu fordernden Kenntnis von Risiken unerheblich sei, wie sich der Eingriff neurologisch auswirkt. 3. Weitere Feststellungen zu der Frage, ob ein Facharzt für Anästhesie im Oktober 2003 das entsprechende Risiko kennen musste, sind auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Berufungsgericht im Rahmen einer Hilfsbegrün-dung ausführt, dass seitens der Klägerin der Nachweis der Kausalität der bei ihr durchgeführten Spinalanästhesie für das Auftreten der subduralen [X.] nicht geführt worden sei. 17 a) Zwar gilt im Streitfall für die Überzeugungsbildung des Gerichts über den Kausalzusammenhang zwischen Spinalanästhesie und dem Auftreten sub-duraler [X.] - wie das Berufungsgericht zutreffend angedeutet, letztlich aber offen gelassen hat - der Beweismaßstab des § 287 ZPO, weil die [X.] bei fehlerhafter Aufklärung bereits in dem mangels wirksamer [X.] per se rechtswidrigen Eingriff als solchem liegt (vgl. Senatsurteile vom 29. September 2009 - [X.] ZR 251/08, [X.], 115; vom 15. März 2005 - [X.] ZR 313/03, [X.], 836; und vom 13. Januar 1987 - [X.] ZR 82/86, [X.], 667; Geiß/[X.], aaO Rn. [X.] 147, 149). 18 b) Das Berufungsgericht hat jedoch bei der Prüfung des Kausalzusam-menhangs für den Folgeschaden einen zu strengen Maßstab angelegt und ent-scheidungserhebliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt. 19 aa) Das Berufungsgericht hat im Streitfall letztlich offen gelassen, ob zu-gunsten der Klägerin das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO eingreift, weil es nach dem Ergebnis seiner Beweisaufnahme auf der Grundlage der Ausfüh-rungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. auch keine überwiegende Wahr-scheinlichkeit für eine Ursächlichkeit der Spinalanästhesie vom Oktober 2003 für die Bildung der [X.] sieht. [X.] habe im Rahmen [X.] - 11 - ner Anhörung hierzu angegeben, eine Kausalität sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, auch im Bereich darunter sei eine Kausalität rein spekulativ. Es komme auch eine zufällig zeitgleiche Bildung des [X.]s in Betracht und werde in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben. Auch aus dem Umstand, dass bei der Klägerin eine Liquorleckage an einer an-deren Stelle der [X.] nicht festgestellt worden sei, lasse sich nicht auf eine Kausalität zwischen der Spinalanästhesie und den subduralen [X.]n schließen. [X.] habe im Rahmen seiner Anhörung ausdrück-lich ausgeführt, dass sich eine spontan entstandene Leckage zumeist von selbst wieder verschließe. [X.]) Diese Ausführungen legen nahe, dass das Berufungsgericht die An-forderungen an die Überzeugungsbildung überspannt hat. Selbst nach dem strengen Maßstab des § 286 ZPO bedarf es keines naturwissenschaftlichen Kausalitätsnachweises und auch keiner "mit an Sicherheit grenzenden Wahr-scheinlichkeit", vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. [X.], Urteil vom 17. Februar 1970 - [X.], [X.] 53, 245, 256; Senatsurteile vom 9. Mai 1989 - [X.] ZR 268/88, [X.], 758, 759; vom 18. Januar 2000 - [X.] ZR 375/98, [X.], 503, 505; und vom 12. Februar 2008 - [X.] ZR 221/06, [X.], 644 Rn. 11). Für den Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität kann nach dem Beweismaß des § 287 ZPO eine überwiegende, Wahrscheinlichkeit genügen (Senatsurteil vom 12. Februar 2008 - [X.] ZR 221/06, [X.], 644 Rn. 9 m.w.N.). 21 cc) Die Revision rügt darüber hinaus mit Recht, dass das Berufungsge-richt bei seiner Würdigung unberücksichtigt gelassen hat, dass nach den Anga-ben des Sachverständigen Prof. Dr. B. in seinem schriftlichen Gutachten zwei Drittel aller weltweit beschriebenen cerebralen subduralen [X.] bzw. [X.] - [X.] ab dem [X.] aus einer Spinalanästhesie resultiert hätten. Diesen Widerspruch hätte das Berufungsgericht bei der Anhörung des Sachverständi-gen, bei der sich dieser hinsichtlich einer Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzu-sammenhangs offenbar nicht mehr festlegen wollte, aufklären müssen. Bei der tatrichterlichen Überzeugungsbildung kann im Streitfall neben der Tatsache, dass nach den Angaben des Sachverständigen cerebrale [X.] im Gefolge einer Spinalanästhesie ein eingriffsspezifisch-typisches Risiko dieser Anästhe-siemethode darstellen, auch der Umstand eine Rolle spielen, dass postspinale Kopfschmerzen - wie sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch bei der Klägerin nach dem Eingriff aufgetreten und im Übrigen auch im [X.] als Risiko erwähnt worden sind - aus einem Liquor-unterdrucksyndrom resultieren, dessen weitere Ausprägung ein subdurales [X.] sein kann. Auch die zeitliche Nähe der Komplikation zu dem Eingriff und das Fehlen möglicher anderer Ursachen können von [X.] Bedeutung sein. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die tatrichterliche Würdi-gung bei Berücksichtigung dieser Umstände unter zutreffender Anwendung des Beweismaßes des § 287 ZPO zu einem anderen, für die Klägerin günstigeren Ergebnis geführt hätte. 23 4. Demgegenüber ist die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf die Beurteilung der Behandlung vom 13. Dezember 2003 im Krankenhaus der [X.] zu 1 - entgegen der Auffassung der Revision - nicht von [X.] beeinflusst. 24 a) Das Berufungsgericht ist in tatrichterlicher Würdigung zu der Überzeu-gung gelangt, dass die zeitliche Verzögerung der Kopfoperation bei der Klägerin infolge der fehlerhaften Auswertung der am 13. Dezember 2003 durchgeführten 25 - 13 - [X.]omputertomographie um einen Zeitraum von zweieinhalb Tagen hinaus keine nachgewiesenen nachteiligen Folgen für die Klägerin hatte. Die Revisionserwi-derung macht mit Recht geltend, dass entgegen dem Verständnis der Revision das Berufungsgericht weder die Feststellung getroffen hat, die Beschwerden der Klägerin seien mit der [X.] im Januar 2004 ausgeheilt gewesen, noch die seitens der Klägerin als aktuell fortbestehend geschilderten [X.] Probleme negiert hat. Vielmehr hat das Berufungsgericht unter Verweis auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. ausschließlich die Kausa-lität zwischen diesen Beschwerden und der zeitlichen Verzögerung der operati-ven Therapie um zweieinhalb Tage verneint, nachdem er aufgrund eigener Un-tersuchung der Klägerin festgestellt hatte, dass der [X.] Be-fund bis auf Zeichen einer diabetischen Polyneuropathie im Untersuchungszeit-punkt regelgerecht war, so dass neurologische Folgen des [X.] nicht mehr nachweisbar gewesen seien. b) Soweit die Revision darüber hinaus meint, der Klägerin kämen im Zu-sammenhang mit der Behandlung vom 13. Dezember 2003 [X.] nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats im Zusammenhang mit unterlassenen Befunderhebungen zu Gute, kann dem nicht beigetreten werden. Denn nach den [X.] Feststellungen des Berufungsge-richts wurde am 13. Dezember 2003 die gebotene Befunderhebung in Form einer [X.]omputertomographie durchgeführt. Soweit bei dieser Befunderhebung die bestehenden [X.] nicht erkannt wurden, sondern erst am 26 - 14 - 15. Dezember 2003 bei einer Untersuchung in einem anderen Krankenhaus, handelt es sich lediglich um einen (einfachen) Diagnoseirrtum. [X.] Zoll [X.]
[X.] von [X.] Vorinstanzen: [X.] (Oder), Entscheidung vom 29.02.2008 - 17 O 29/06 - [X.], Entscheidung vom 09.07.2009 - 12 U 75/08 -

Meta

VI ZR 241/09

19.10.2010

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2010, Az. VI ZR 241/09 (REWIS RS 2010, 2262)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2262

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VI ZR 241/09

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III ZR 139/67

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