Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.12.2010, Az. 10 AZR 671/09

10. Senat | REWIS RS 2010, 659

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT

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Gegenstand

Weihnachtsgeld - betriebliche Übung - Kombination von Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt


Leitsatz

Bei einer Verknüpfung von Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt in einem Arbeitsvertrag wird für den Arbeitnehmer nicht hinreichend deutlich, dass trotz mehrfacher, ohne weitere Vorbehalte erfolgender Sonderzahlungen ein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers für die Zukunft ausgeschlossen bleiben soll.

Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 29. Juli 2009 - 2 [X.]/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. April 2009 - 5 [X.] - wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung eines [X.]es für das [X.].

2

Der Kläger ist seit dem 1. Februar 1996 bei der [X.], die ein Planungs- und Technologiebüro betreibt, als Diplomingenieur gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 3.350,00 Euro beschäftigt. Ziff. 6 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 3. Januar 1996 enthält folgende Regelung:

        

„Gratifikationen:

        

Soweit der Arbeitgeber gesetzlich oder durch Tarifvertrag nicht vorgeschriebene Leistungen, wie Prämien, Zulagen, Urlaubsgeld, Gratifikationen, [X.] gewährt, erfolgen sie freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung. Sie sind daher jederzeit ohne Wahrung einer besonderen Frist widerrufbar.“

3

Die Beklagte zahlte seit Beginn des Arbeitsverhältnisses jeweils im November ein [X.] an den Kläger. In den Gehaltsabrechnungen für November der Jahre 2005 bis 2007 wurde ein Monatsgehalt als „[X.]“ ohne Vorbehalt ausgewiesen. Für das [X.] leistete die Beklagte an den Kläger und die anderen Mitarbeiter unter Hinweis auf die Wirtschaftskrise keine Zahlung.

4

Der Kläger hat das [X.] in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes gerichtlich geltend gemacht und die Auffassung vertreten, aufgrund der jahrelangen vorbehaltlosen Zahlung stehe ihm dieses auch für das [X.] zu. Der im Arbeitsvertrag niedergelegte Freiwilligkeitsvorbehalt sei unbeachtlich. Er sei nicht eindeutig und wegen seiner Verknüpfung mit dem Widerrufsvorbehalt intransparent und unwirksam.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.350,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2008 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, der vereinbarte Freiwilligkeitsvorbehalt habe das Entstehen einer betrieblichen Übung und eines Anspruchs auf [X.] für 2008 verhindert. Der Hinweis auf die [X.] in der Vertragsklausel habe keine eigenständige Bedeutung, sondern stütze nur den Freiwilligkeitsvorbehalt. Das [X.] sei wegen der wirtschaftlichen Krise nicht gezahlt worden.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat sie abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist begründet.

9

Das [X.] hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung des [X.] für das [X.] in Höhe eines Monatsgehalts nebst Zinsen in dem zuerkannten Umfang.

I. Die Beklagte hat seit Beginn des Arbeitsverhältnisses jeweils im November ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts an die Belegschaft und den Kläger gezahlt. Dadurch ist eine betriebliche Übung begründet worden und ein vertraglicher Anspruch des [X.] auf diese Leistung entstanden. Dem steht der in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt nicht entgegen.

1. Bei Zahlung einer über das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt hinausgehenden Vergütung ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob sich der Arbeitgeber nur zu der konkreten Leistung (bspw. Gratifikation im Kalenderjahr) oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat. Eine dauerhafte Verpflichtung kann sich insbesondere aus einem Verhalten mit Erklärungswert wie einer betrieblichen Übung ergeben. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern regelmäßig stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen für die Zukunft. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Erklärende einen Verpflichtungswillen hatte, sondern ob der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) dahin verstehen konnte und durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu einer über seine gesetzlichen, tarifvertraglichen und vertraglichen Pflichten hinausgehenden Leistung verpflichten (st. Rspr., bspw. [X.] 24. März 2010 - 10 [X.] BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 90 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 13; 30. Juli 2008 - 10 [X.] - Rn. 27, [X.] 127, 185; [X.] 13. Juni 2007 - 5 [X.] - Rn. 15, [X.] § 242 Betriebliche Übung Nr. 78; [X.] 28. Juni 2006 - 10 [X.] - Rn. 35, [X.] 118, 360; 28. Juli 2004 - 10 [X.] 19/04 - zu [X.] 1 a der Gründe, [X.] § 611 Gratifikation Nr. 257 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 2; siehe auch [X.] 16. Januar 2002 - 5 [X.] I 1 der Gründe, [X.] § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37). Dies ist im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln. Die Anforderungen an den Erklärungswert bestimmen sich nach der Art des Verhaltens des Vertragspartners, das eine betriebliche Übung begründen soll. Eine vertragliche Bindung wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer begründen ([X.] 13. Juni 2007 - 5 [X.] - Rn. 15, aaO). Dabei kommt dem konkreten Verhalten des Arbeitgebers, insbesondere dessen Intensität und Regelmäßigkeit, entscheidendes Gewicht zu. Zwar hat der [X.] bisher keine allgemeinverbindliche Regel aufgestellt, ab welcher Zahl von Leistungen der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, er werde die Leistung auch zukünftig erhalten. Allerdings ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen die Regel aufgestellt worden, nach der eine zumindest dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, falls nicht besondere Umstände hiergegen sprechen oder der Arbeitgeber bei der Zahlung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat ([X.] 21. Januar 2009 - 10 [X.] - Rn. 13, [X.] 129, 164; 28. Juni 2006 - 10 [X.] - Rn. 36, aaO).

2. Die Beklagte hat seit Beginn des [X.] jeweils im November eine in den Gehaltsabrechnungen als Weihnachtsgeld bezeichnete Zuwendung in Höhe eines Bruttomonatsentgelts ohne weitere Einschränkungen oder auf Ziff. 6 des Arbeitsvertrags bezogene Zusätze an den Kläger gezahlt. Diese regelmäßigen Zahlungen konnten deshalb bei ihm die berechtigte Erwartung wecken, auch in den Folgejahren ein Weihnachtsgeld von der [X.] zu erhalten. Aus seiner Sicht konnte und durfte der Kläger die mehrfachen Zahlungen als ein Angebot verstehen, mit dem sich die Beklagte dauerhaft und auch für die Zukunft zur Zahlung eines [X.] verpflichten wollte. Dieses Angebot hat er ohne Weiteres nach § 151 BGB angenommen.

a) Die durchgängige und dauerhafte, einmal jährlich im November erfolgte Zahlung des [X.] konnte der Kläger unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände, wie der Häufigkeit der Leistung, der Art der kommentarlosen Auszahlung und der Höhe der Sonderzahlung (ein Monatsgehalt), und unter Beachtung von Treu und Glauben nur so auffassen, dass die Beklagte sich auch zur zukünftigen Zahlung dieses [X.] verpflichten wollte (vgl. zur Auslegung der Erklärungen insoweit: Preis/[X.] Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 47, 93, 112). Da die Beklagte bei den Zahlungen weder einen ausdrücklichen „Freiwilligkeitsvorbehalt“ erklärt noch auf einen vertraglich formulierten Vorbehalt Bezug genommen hatte, musste er auch nicht annehmen, die Sonderzahlung erfolge lediglich für das konkrete Jahr und ohne Rechtsbindungswillen für die Zukunft. Er durfte vielmehr berechtigterweise auf eine fortdauernde Leistungsgewährung für die Folgejahre vertrauen (zu diesem Vertrauensaspekt vgl. [X.] S. 861, 865).

b) Dem steht der Freiwilligkeitsvorbehalt aus Ziff. 6 des Arbeitsvertrags nicht entgegen. Entgegen der Auffassung des [X.]s schließt diese Klausel mit ihrer Formulierung, die Gewährung von Gratifikationen erfolge „freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung“, das Entstehen eines zukünftigen Anspruchs auf Zahlung eines [X.] nicht aus. Sie ist nicht geeignet, den Wert der späteren Erklärungen der [X.] im Zusammenhang mit den mehrfach geleisteten Weihnachtsgeldzahlungen hinreichend zu entwerten. Die Klausel enthält keinen klaren und unmissverständlichen Freiwilligkeitsvorbehalt iSd. Rechtsprechung des [X.]s.

aa) Bei der von der [X.] in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags vorformulierten Vertragsbedingung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung ([X.] 20. Januar 2010 - 10 [X.] - Rn. 12, [X.] § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 24. Oktober 2007 - 10 [X.] - Rn. 15, [X.] 124, 259). Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die [X.] des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der [X.] verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten ([X.] 20. Januar 2010 - 10 [X.] - Rn. 12, aaO; 10. Dezember 2008 - 10 [X.] - Rn. 14, [X.] § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40; 24. Oktober 2007 - 10 [X.] - Rn. 13, aaO).

bb) Das [X.] ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt nach der Rechtsprechung des [X.]s regelmäßig das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung wirksam verhindern kann ([X.] 20. Januar 2010 - 10 [X.] - Rn. 14, [X.] § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 30. Juli 2008 - 10 [X.] - Rn. 12, [X.] 127, 185; 12. Januar 2000 - 10 [X.] 840/98 - zu [X.] 1 b der Gründe, [X.] § 611 Gratifikation Nr. 223 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 158; 5. Juni 1996 - 10 [X.] 883/95 - zu [X.] 1 der Gründe, [X.] § 611 Gratifikation Nr. 193 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 141). Der Arbeitgeber kann - außer bei laufendem Arbeitsentgelt (vgl. [X.] 25. April 2007 - 5 [X.] 627/06 - [X.] 122, 182) - einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ausschließen und sich eine Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen gewährt (st. Rspr. des [X.]s 21. Januar 2009 - 10 [X.] - Rn. 14, [X.] 129, 164; 30. Juli 2008 - 10 [X.] - Rn. 17, aaO; 24. Oktober 2007 - 10 [X.] - Rn. 17, [X.] 124, 259). Er bleibt grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung erbringen will. Allerdings muss ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt klar und verständlich iSd. § 307 Abs. 1 [X.]tz 2 BGB formuliert worden sein, um den Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung eindeutig auszuschließen ([X.] 20. Januar 2010 - 10 [X.] - [X.], aaO; 21. Januar 2009 - 10 [X.] - Rn. 14, aaO; 10. Dezember 2008 - 10 [X.] - [X.] § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40; 30. Juli 2008 - 10 [X.] - Rn. 12, aaO; 24. Oktober 2007 - 10 [X.] - Rn. 17, aaO).

cc) Ein Freiwilligkeitsvorbehalt darf nicht mehrdeutig sein. Er darf insbesondere nicht in Widerspruch zu anderen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien stehen ([X.] 30. Juli 2008 - 10 [X.] - Rn. 39, [X.] 127, 185; 24. Oktober 2007 - 10 [X.] - Rn. 18, [X.] 124, 259; Preis [X.], 281, 285). Gibt es einen solchen klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung ausschließt, fehlt es an einer versprochenen Leistung iSd. § 308 Nr. 4 BGB ([X.] 20. Januar 2010 - 10 [X.] - Rn. 14, [X.] § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 21. Januar 2009 - 10 [X.] - Rn. 15, [X.] 129, 164 und - 10 [X.] 221/08 - Rn. 15; 10. Dezember 2008 - 10 [X.] - Rn. 12, [X.] § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). In diesen Fällen wird eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung der Sonderzahlung unabhängig von dem mit der Sonderzuwendung verfolgten Zweck von vornherein nicht begründet. Der Arbeitnehmer, der den Hinweis im Arbeitsvertrag ernst nehmen muss, darf das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung verstehen. Es mangelt dann an einem Angebot des Arbeitgebers, das der Arbeitnehmer annehmen könnte ([X.] 10. Dezember 2008 - 10 [X.] - Rn. 12, aaO; 30. Juli 2008 - 10 [X.] - Rn. 17, aaO). Eine besondere Eindeutigkeit und Klarheit des Vorbehalts ist aber schon deshalb erforderlich, weil die Bedeutung einer (etwaigen) späteren Erklärung vorab verbindlich festgeschrieben werden soll. Der Vorbehalt darf nur die Auslegung des künftigen Erklärungsverhaltens betreffen und nicht zu diesem in Widerspruch stehen.

dd) Entgegen der Auffassung des [X.]s fehlt es im Streitfall an einem klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt.

(1) Die Klausel in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags enthält lediglich den Hinweis, dass es sich bei den von ihr erfassten „Gratifikationen“ um nicht durch Gesetz oder Tarifvertrag vorgeschriebene Leistungen handele, deren Leistung „freiwillig“ erfolge. Einen weitergehenden Hinweis, bspw. dass auch bei einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet werde, enthält die Klausel nicht. Allein ein solcher Vorbehalt könnte aber einen Rechtsanspruch auf zukünftige Zahlung des begehrten [X.] ausschließen (vgl. [X.] 21. Januar 2009 - 10 [X.] - [X.] 129, 164; 18. März 2009 - 10 [X.] 289/08 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 43; 1. März 2006 - 5 [X.] 363/05 - Rn. 24 f., [X.] 117, 155). Soweit eine Vertragsklausel einen derartigen Vorbehalt nicht ausdrücklich vorsieht, wird eine Bestimmung, nach der die Sonderzahlung „freiwillig“ und „ohne jede rechtliche Verpflichtung“ erfolgt, von einem um Verständnis bemühten Arbeitnehmer im Zweifel nur als Hinweis zu verstehen sein, dass sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Gratifikation bereit erklärt, ohne dazu durch andere Regelungen gezwungen zu sein (vgl. [X.] 24. Oktober 2007 - 10 [X.] - Rn. 17, [X.] 124, 259; 1. März 2006 - 5 [X.] 363/05 - Rn. 24 f., aaO; 23. Oktober 2002 - 10 [X.] 48/02 - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.] 103, 151; siehe auch [X.] 11. April 2000 - 9 [X.] 255/99 - zu I 1 d der Gründe, [X.] 94, 204). Insbesondere kommt dem Nachsatz („ohne jede rechtliche Verpflichtung“) keine eigenständige Bedeutung für einen zukünftigen Ausschluss einer vertraglichen Bindung durch spätere Erklärungen der [X.] zu. Die Klausel verstärkt nur die Aussage der Freiwilligkeit und betont die fehlende rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer entsprechenden Zahlung.

(2) Die Klausel in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags ist auch deshalb unklar und missverständlich, weil [X.]tz 2 eine Widerrufsmöglichkeit vorsieht. Die Beklagte hat eine freiwillige Leistung unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt. Bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt entsteht aber schon gar kein Anspruch auf die Leistung, bei einem Widerrufsvorbehalt hingegen hat der Arbeitnehmer einen Anspruch, der Arbeitgeber behält sich aber vor, die versprochene Leistung einseitig zu ändern (vgl. bspw. [X.] 12. Januar 2005 - 5 [X.] 364/04 - [X.] 113, 140). Ob in einer solchen Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel führender Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 [X.]tz 2 BGB liegt (so [X.] 27. Juli 2005 - 6 [X.] 29/05 - zu [X.] 1.2.4 der Gründe, [X.] 2006, 125; [X.] 13. Oktober 2005 - 9 [X.]/05 - zu A [X.] 2 b der Gründe, LAGE BGB 2002 § 611 Gratifikation Nr. 5; [X.] 19. August 2005 - 6 [X.] 1106/05 - [X.] 2006, 68; [X.] 5. November 2009 - 15 [X.] 794/09 - Rn. 47, juris; [X.] 26. Juli 2010 - 7 [X.] 1881/09 - Rn. 26, juris; [X.] 9. September 2008 - 10 [X.]/08 - LAGE BGB 2002 § 611 Gratifikation Nr. 12; [X.] 31. Januar 2006 - 6 [X.] 1441/05 - zu [X.] 2 c der Gründe, LAGE BGB 2002 § 611 Gratifikation Nr. 7), kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls führt die Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt dazu, dass für einen um Verständnis bemühten Vertragspartner nicht deutlich wird, dass auch bei mehrfachen, ohne weitere Vorbehalte erfolgten Zahlungen des [X.] ein Rechtsbindungswille für die Zukunft weiterhin ausgeschlossen bleiben soll (so auch [X.] 27. Juli 2005 - 6 [X.] 29/05 - zu [X.] 1.2.4 der Gründe, aaO; [X.] 2. November 2007 - 11 [X.] 550/07 - Rn. 57, juris; Preis [X.]. [X.] [X.] Rn. 113). Für den Vertragspartner erschließt sich nicht hinreichend, ob nun jegliche zukünftige Bindung ausgeschlossen oder lediglich eine Möglichkeit eröffnet werden soll, sich später wieder von einer vertraglichen Bindung loszusagen. Entgegen der Auffassung der [X.] liegt dementsprechend im Widerrufsvorbehalt auch nicht nur eine „Verstärkung“ des Freiwilligkeitsvorbehalts.

(3) Die vertragliche Formulierung in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags ist somit nicht deutlich genug, um die mit der Zahlung des [X.] verbundenen Erklärungen zu relativieren und zu entwerten. Sie ist nicht klar und unmissverständlich und deshalb nicht geeignet, das Entstehen künftiger Ansprüche eindeutig auszuschließen.

[X.]. Der Anspruch ist nicht durch eine wirksame Erklärung der [X.] eingeschränkt oder beseitigt worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Parteien einen wirksamen Widerrufsvorbehalt vereinbart haben (vgl. [X.] 12. Januar 2005 - 5 [X.] 364/04 - [X.] 113, 140). Jedenfalls hat die Beklagte nicht dargelegt, dass sie einen Widerruf wirksam ausgeübt hat und die Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf vorgelegen haben. Eine ggf. notwendige Änderungskündigung hat die Beklagte nicht erklärt.

[X.]I. Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Eylert    

        

        

        

    Simon    

        

    [X.]    

                 

Meta

10 AZR 671/09

08.12.2010

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Mönchengladbach, 6. April 2009, Az: 5 Ca 3995/08, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB, § 305 Abs 1 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 308 Nr 4 BGB, § 151 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.12.2010, Az. 10 AZR 671/09 (REWIS RS 2010, 659)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 659

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