Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.09.2013, Az. X B 257/12

10. Senat | REWIS RS 2013, 2707

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Gegenstand

Einzelfallabhängige Beweiswürdigung bei Prüfung der Abziehbarkeit von Aufwendungen als Betriebsausgaben


Leitsatz

NV: Ob Aufwendungen als Betriebsausgaben abziehbar sind, bedarf --unabhängig vom vereinbarten Zahlungsweg-- stets einer Würdigung der Beweislage des konkreten Einzelfalles .

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts sind nicht gegeben.

3

a) Voraussetzung des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) ist, dass der Streitfall Veranlassung gibt, Leitsätze zur Auslegung des Gesetzes aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Das bedeutet auch, dass substantiiert vorgetragen werden muss, die Rechtsfortbildung liege über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse und die Frage nach dem "Ob" und gegebenenfalls "Wie" der Rechtsfortbildung sei klärungsbedürftig. Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O höchstrichterlich entwickelten Anforderungen (Senatsbeschluss vom 10. April 2013 X B 106/12, [X.], 1090).

4

b) Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind der Auffassung, höchstrichterlich sei zu klären, ob Betriebsausgaben unabhängig vom Zahlungsweg nach § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch den Betrieb veranlasst seien, soweit der Steuerpflichtige alle für die Dokumentation des [X.] ihm zumutbaren Belege anfordere und aufbewahre. Dieses Vorbringen kann nicht zur Zulassung der Revision führen, da es in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wäre. Zutreffend weist der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) darauf hin, dass die Frage, ob Aufwendungen als Betriebsausgaben abziehbar sind, stets einer Würdigung der Beweislage des konkreten Einzelfalls bedarf. Dies gilt unabhängig vom vereinbarten Zahlungsweg. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die Überlegung des Finanzgerichts ([X.]), angesichts der beträchtlichen Höhe der Provisionszahlungen sei der vom Kläger vorgetragene Geschehensablauf völlig unüblich, durchaus nachvollziehbar ist.

5

2. Die Revision ist auch nicht wegen einer die einheitliche Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O gefährdenden Divergenz zuzulassen.

6

a) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O setzt voraus, dass das [X.] bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der [X.] ([X.]), das [X.], der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.], ein anderes oberstes [X.]gericht oder ein anderes [X.]. Das [X.] muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zu Grunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt. Zur schlüssigen Darlegung einer [X.] nach § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist darzulegen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Mai 2012 X B 57/11, [X.]/NV 2012, 1307, m.w.N.).

7

b) Anders als die Kläger meinen, weicht das [X.]-Urteil nicht vom Urteil des [X.] München vom 11. März 2004  5 K 3038/01 (nicht veröffentlicht --n.v.--) ab. Zwar hat das [X.] im Streitfall den Abzug der geltend gemachten Provisionsaufwendungen mit der Begründung versagt, die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 4 Abs. 4 EStG lägen nicht vor und ausdrücklich offengelassen, ob § 160 der Abgabenordnung ([X.]) einschlägig sei, während das [X.] München im Urteil vom 11. März 2004  5 K 3038/01 die Abweisung der Klage auf § 160 [X.] gestützt hat. Eine die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gefährdende Divergenz liegt schon deshalb nicht vor, weil das [X.] München § 4 Abs. 4 EStG nicht einmal erwähnt, geschweige denn die Voraussetzungen eines Betriebsausgabenabzugs nach dieser Vorschrift bejaht hat. Das [X.] München hat ausschließlich geprüft, ob das Finanzamt zu Recht den Betriebsausgabenabzug im Hinblick auf § 160 [X.] versagt hat.

8

Im Übrigen ist die von den Klägern formulierte Rechtsfrage auch nicht entscheidungserheblich. Gleichgültig, ob das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 EStG verneint oder der Betriebsausgabenabzug im Hinblick auf das Benennungsverlangen nach § 160 [X.] versagt wird, können Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben in Abzug gebracht werden.

9

Für die von den Klägern behauptete Abweichung des [X.]-Urteils vom Beschluss des [X.] des Saarlandes vom 5. Oktober 1993  1 V 156/93 (n.v.) und vom Urteil des [X.] Köln vom 25. November 1993  7 K 438/90 (n.v.) gilt Entsprechendes.

Auch eine Divergenz zum Urteil des [X.] Berlin vom 8. Mai 2001  7 K 8092/00 (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2001, 1255) ist nicht gegeben. Bereits der Sachverhalt, über den das [X.] Berlin im Urteil in E[X.] 2001, 1255 zu befinden hatte, unterscheidet sich erheblich vom Sachverhalt, den das [X.] im Streitfall zu beurteilen hatte. Im Urteil des [X.] Berlin war Klägerin ein alteingesessenes Unternehmen, das zur Abwicklung verschiedener Großprojekte Leiharbeiter eingesetzt hat. Deren Einsatz und die Durchführung der Bauvorhaben zu den üblichen Konditionen waren unstreitig. In der Entscheidung des [X.] Berlin zahlte die Klägerin nicht wie im Streitfall in bar, sondern mit Scheck und die Empfängerin hatte ihren Sitz im Raum der [X.]. Wie der Leitsatz der Entscheidung des [X.] Berlin deutlich macht, hat das [X.] hierauf mitentscheidend abgestellt.

3. Die Zulassung der Revision ist auch nicht deshalb zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, weil die angefochtene Entscheidung greifbar gesetzwidrig wäre.

a) Die Revision ist nur dann nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O wegen eines qualifizierten [X.]s zuzulassen, wenn die Entscheidung des [X.] sich in einem solchen Maße als fehlerhaft darstellt, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur wiederhergestellt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Beschluss vom 28. August 2007 VII B 357/06, [X.]/NV 2008, 113, m.w.N.). Diese Voraussetzung kann zwar etwa vorliegen, wenn das [X.] eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat (vgl. [X.]-Beschluss vom 28. Juli 2003 V B 72/02, [X.]/NV 2003, 1597) oder sein Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt bzw. auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (vgl. [X.]-Beschluss vom 8. Februar 2006 III B 128/04, [X.]/NV 2006, 1116). Allerdings reichen unterhalb dieser Schwelle liegende, auch erhebliche Rechtsfehler nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen (vgl. zusammenfassend [X.]-Beschluss vom 16. Mai 2012 IV B 48/11, [X.]/NV 2012, 1462, unter [X.], m.w.N.).

b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Kläger sehen einen gravierenden [X.] in der Tatsache, dass das [X.] im Streitfall die betriebliche Veranlassung der Ausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG geprüft und verneint hat und nicht die Abziehbarkeit der Ausgaben an § 160 [X.] gemessen hat. Bei diesem Vorbringen übersehen die Kläger, dass ein Betriebsausgabenabzug nur möglich ist, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 EStG vorliegen und § 160 [X.] nicht entgegensteht. Dass das [X.] im Streitfall --systematisch im Übrigen korrekt-- den Betriebsausgabenabzug nach § 4 Abs. 4 EStG geprüft und verneint hat, kann einen qualifizierten [X.] nicht begründen.

4. Das angefochtene Urteil leidet auch nicht an dem gerügten Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 [X.]O). Die Kläger haben es bereits versäumt darzulegen, welche Beweisanträge das [X.] übergangen hat und wann sie welchen Beweisantrag gestellt haben. Zudem haben die im finanzgerichtlichen Verfahren sachkundig vertretenen Kläger ausweislich des [X.] vom 8. Oktober 2012 das Übergehen von Beweisanträgen weder gerügt noch dargelegt, warum sie entschuldbar an der Rüge gehindert waren. Bei der Verletzung der Sachaufklärungspflicht handelt es sich um einen verzichtbaren Verfahrensmangel (§ 155 [X.]O i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), bei dem das [X.] nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem [X.] verloren geht, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 25. März 2013 IX B 180/12, [X.], 968).

5. Falls die Kläger mit ihrem Vortrag, den Gerichtsakten sei zu entnehmen, dass

-       

sich der Bevollmächtigte der [X.], [X.], mit dem Pass Nummer … ausweisen musste,

        

-       

der Kläger eine Kopie dieses Ausweises zu seinen Unterlagen genommen habe,

        

-       

der Kläger die in den Streitjahren gültige Adresse des [X.] ermittelt

        

-       

und ein ehemaliger Mitarbeiter der [X.] bestätigt habe, dass [X.] bei der [X.] beschäftigt gewesen sei,

        

einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O geltend machen wollen, liegt ein zur Zulassung der Revision führender Verfahrensfehler ebenfalls nicht vor. Angesichts der Tatsache, dass das Gericht seine Entscheidung auf den fehlenden Nachweis der betrieblichen Veranlassung der geltend gemachten Ausgaben gestützt hat, waren die vom Kläger vorgelegten Unterlagen nicht entscheidungserheblich.

Meta

X B 257/12

18.09.2013

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 8. Oktober 2012, Az: 2 K 148/09, Urteil

§ 160 AO, § 4 Abs 4 EStG 2002, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.09.2013, Az. X B 257/12 (REWIS RS 2013, 2707)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2707

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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