Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.07.2016, Az. IV ZR 541/15

4. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 8253

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Gegenstand

Lebensversicherung im Policenmodell: Anforderungen an die ordnungsgemäße Zusendung der Verbraucherinformationen; treuwidrige Ausübung des Widerspruchsrechts eines Versicherungsnehmers


Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 27. November 2015 wird auf Kosten der Klägerseite zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 7.193,03 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. [X.]) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer kapitalbildenden Lebensversicherung.

2

Diese wurde aufgrund Antrags d. [X.] mit Versicherungsbeginn zum 1. Juli 1997 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a [X.] a.F.) abgeschlossen.

3

Nachdem d. [X.] den Versicherungsvertrag zum 31. Januar 2004 gekündigt hatte, zahlte der Versicherer den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 30. Juni 2011 erklärte d. [X.] unter anderem den Widerspruch nach § 5a [X.] a.F.

4

Mit der Klage verlangt d. [X.] - soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.

5

Nach Auffassung d. [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil die Verbraucherinformation nach § 10a [X.] nicht ordnungsgemäß erteilt worden und § 5a [X.] a.F. mit den [X.] der [X.] nicht vereinbar sei.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat keinen Erfolg.

8

I. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. [X.] [X.] sei sowohl formal als auch inhaltlich ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. belehrt worden. Die Übergabe einer gesonderten Verbraucherinformation sei auch unter Berücksichtigung von § 10a Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht erforderlich. [X.] [X.] hätte daher das Widerspruchsrecht innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Unterlagen ausüben müssen. Ob § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. gegen europäisches Recht verstoße, bedürfe keiner Entscheidung, denn die Ausübung des Widerspruchsrechts sei hier treuwidrig, weil [X.] die ihm bekannt gemachte Widerspruchsfrist beim Vertragsschluss im Jahr 1997 ungenutzt habe verstreichen lassen und jahrelang die Prämien gezahlt habe.

9

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

[X.] [X.] kann nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB Rückzahlung der Prämien verlangen.

1. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt [X.] mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation. Mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung hat das Berufungsgericht  entgegen der Ansicht der Revision  auch entschieden, dass [X.] ordnungsgemäß entsprechend den Anforderungen des § 10a [X.] die Verbraucherinformation erteilt wurde. Soweit § 10a Abs. 2 Satz 2 [X.] eine eindeutige Formulierung, übersichtliche Gliederung und verständliche Abfassung verlangt, folgt daraus nicht, wie die Revision meint, die Pflicht zur Erteilung der Information in einer gesonderten Urkunde oder einem zusammenhängenden Text. Die Verbraucherinformation ist hier zwar nicht mit dieser Bezeichnung überschrieben, im [X.] an die Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein erfolgt aber unter der Überschrift "Vertragsgrundlagen" eine Aufzählung der übersandten Unterlagen. Aus dem Zusammenhang damit und den tatsächlich übersandten Unterlagen, die jeweils in der Kopfzeile benannt sind, ergibt sich für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer aber unmissverständlich, welches die Verbraucherinformation ist (vgl. insoweit bereits Senatsurteil vom 14. Oktober 2015  IV ZR 359/13, [X.], 596 Rn. 11). Entgegen der Ansicht der Revision gibt auch die Entscheidung des [X.] vom 31. Januar 2001 ([X.], 1133 juris Rn. 24) keinen Anlass für eine andere Beurteilung. Denn dort handelte es sich nach den Feststellungen des [X.]anders als hier  nicht um eine Information in Textform, sondern um eine tabellarische Aufstellung. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte [X.] den Widerspruch nicht.

2. Ob solchermaßen nach dem [X.] geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a [X.] a.[X.] unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014  IV ZR 73/13, [X.], 102 Rn. 16 ff.; [X.], 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den [X.] scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das [X.] mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. [X.] [X.] ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des [X.]s nach [X.] und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die [X.]widrigkeit liegt darin, dass [X.] nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des [X.] durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; [X.] aaO Rn. 42 ff.).

[X.] [X.] verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 1997 ungenutzt verstreichen. [X.] [X.] zahlte über sechs Jahre die Versicherungsprämien, erklärte dann im [X.] die Kündigung des Versicherungsvertrages und erst im Jahr 2011 den Widerspruch. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits 1997 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten [X.] haben bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für [X.] auch erkennbar. Dass die von der Revision auch unter diesem Gesichtspunkt erstrebte Vorlage an den [X.] in Fällen der vorliegenden Art ausscheidet, hat der Senat bereits mehrfach entschieden und näher begründet (siehe zum Beispiel Senatsbeschluss vom 22. März 2016  IV ZR 130/15, [X.], 231 Rn. 2 ff.). Das gilt auch hier.

Die Frage einer möglichen Vorlage an den [X.] in einem Fall, in dem kein widersprüchliches Verhalten des Versicherungsnehmers festgestellt werden kann, stellt sich im Streitfall nicht.

[X.]                        [X.]                        Dr. Karczewski

              [X.] Brockmöller

Meta

IV ZR 541/15

13.07.2016

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 27. November 2015, Az: I-20 U 143/15, Urteil

§ 10a Abs 2 S 2 VAG vom 21.07.1994, § 5a Abs 1 S 1 VVG vom 21.07.1994, § 5a Abs 2 S 1 VVG vom 21.07.1994, § 242 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.07.2016, Az. IV ZR 541/15 (REWIS RS 2016, 8253)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8253


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IV ZR 541/15

Bundesgerichtshof, IV ZR 541/15, 13.07.2016.


Az. 20 U 143/15

Oberlandesgericht Köln, 20 U 143/15, 27.11.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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