Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2016, Az. XI ZB 32/15

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 4234

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:111016B[X.]32.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 32/15

vom

11.
Oktober 2016

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat
am 11.
Oktober 2016
durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Ellenberger,
die Richter
Dr.
Grüneberg
und
Maihold sowie
die Richterinnen Dr.
Menges
und
Dr.
[X.]

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des 17.
Zivilsenats des [X.] vom 6.
November 2015 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu 350.000

Gründe:
I.
Die Kläger begehren von der Beklagten mit Zahlungs-
und Feststel-lungsanträgen die Rückabwicklung von zwei im August 2005 und Juni 2006 abgeschlossenen Verbraucherdarlehensverträgen wegen eines
am 17.
April 2014 erklärten Widerrufs.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen, da der Widerruf der [X.] erst nach Ablauf der zweiwöchigen Widerrufsfrist erklärt worden und deswegen unwirksam sei. Der Beklagten komme hinsichtlich der erteilten Widerrufsbelehrung die Gesetzlichkeitsfiktion des §
14 [X.] zugute. [X.] der Widerrufsbelehrung der Beklagten von der [X.] seien so geringfügig, dass eine inhaltliche Textbearbeitung nicht vorliege.
1
2
-
3
-
Zudem stehe der Ausübung des Widerrufsrechts der Kläger der Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit (§
242 BGB) entgegen. Die Kläger hätten beide Verträge über einen langjährigen Zeitraum hinweg ordnungsgemäß erfüllt und nunmehr lediglich widerrufen, weil sie sich von den teilweise bis in das [X.] festgeschriebenen vertraglich vereinbarten Zinsen lösen wollten, um in den Genuss der am Markt inzwischen drastisch gesunkenen Zinsen zu [X.]. Das zeige sich auch daran, dass der Kläger noch in der mündlichen [X.] darauf bestanden habe, diejenigen Zinskonditionen in das Protokoll aufzunehmen, die ihm inzwischen aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Vermögensverwalter gewährt würden.
In der Berufungsbegründung vom 20.
Juli 2015 wenden sich die Kläger gegen die Auffassung des [X.]s, die Beklagte könne sich auf §
14 [X.] berufen. Dies widerspreche höchstrichterlicher Rechtsprechung, wonach die Schutzwirkung der [X.] nur in Anspruch genommen werden könne, wenn deren Wortlaut

anders als im vorliegenden Fall

ohne jegliche Änderung übernommen worden sei. Im Übrigen nehmen die Kläger auf ihren gesamten erstinstanzlichen Vortrag Bezug. Ausführungen zur Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, der Ausübung des Widerrufsrechts durch die Kläger stehe der Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit entgegen, enthält die [X.] nicht.
Das Berufungsgericht hat die Kläger auf die beabsichtigte Verwerfung der Berufung hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt, wovon die Kläger keinen Gebrauch gemacht haben. Deren Berufung ist sodann in dem mit der Rechtsbeschwerde angegriffenen Beschluss verworfen worden, da die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des §
520
Abs.
3 Satz
2
Nr.
2 ZPO genüge. Habe das erstinstanzliche Gericht sein Urteil auf mehrere vonei-nander unabhängige, tragende rechtliche Erwägungen gestützt, müsse die Be-3
4
5
-
4
-
rufungsbegründung das Urteil in all diesen Punkten angreifen. Die Kläger hätten lediglich gerügt, dass die Auffassung des [X.]s zur Widerrufsbelehrung in Widerspruch
zur Rechtsprechung des [X.] stehe. Den zwei-ten tragenden Gesichtspunkt der Entscheidung des [X.]s, den Einwand des Rechtsmissbrauchs, hätten die Kläger in der Berufungsbegründung nicht angesprochen.
Mit der Rechtsbeschwerde machen die Kläger geltend, sie seien auf die Hilfsbegründung des [X.]s in der Berufungsbegründung zwar nicht aus-drücklich eingegangen, es sei jedoch auch keine ausdrückliche Beschränkung auf die primär geltend gemachte Begründung des [X.]s erfolgt. Damit greife die Berufungsbegründung ersichtlich auch die Rechtsmissbräuchlich-keitsproblematik an. Zudem hätten die Kläger auf ihren erstinstanzlichen Vor-trag Bezug genommen. Schließlich ergebe auch die Formulierung der Kläger, das landgerichtliche Urteil werde "in vollem Umfang" zur Überprüfung gestellt, dass auch die Problematik der Rechtsmissbräuchlichkeit angegriffen werden sollte. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts verletze das [X.] der Kläger auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes ge-mäß Art.
2
Abs.
1, Art.
20
Abs.
3 GG.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Die Rechtsbeschwerde ist zwar kraft Gesetzes (§
574
Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522
Abs.
1 Satz
4 ZPO) statthaft, im Übrigen jedoch unzulässig. Entge-gen der
Ansicht der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer [X.] Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.] 6
7
8
-
5
-

574
Abs.
2
Nr.
2 Fall
2 ZPO), weil das Berufungsgericht §
520
Abs.
3 Satz
2
Nr.
2 ZPO rechtsfehlerfrei angewendet hat und die Kläger weder in ih-rem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2
Abs.
1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) noch in ihrem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103
Abs.
1 GG) verletzt sind.
1. Nach §
520
Abs.
3 Satz
2
Nr.
2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entschei-dung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entge-gensetzt ([X.], Beschlüsse vom 26.
Juli 2004

VIII
ZB 29/04, NJW-RR 2004, 1716, vom 27.
Mai 2008

XI
ZB 41/06, [X.], 1810 Rn.
11, vom 12.
Mai 2009

XI
ZB 21/08, juris Rn.
13 und vom 1.
März 2011

XI
ZB 26/08, juris Rn.
11, jeweils mwN).
Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen. [X.] ist das Rechtsmittel unzulässig ([X.], Beschluss vom 25.
November 1999

III
ZB 50/99, [X.]Z
143, 169, 171, Urteil vom 27.
November 2003

IX
ZR
250/00, [X.], 442, Beschlüsse vom 18.
Oktober 2005

VI
ZB 81/04, NJW-RR 2006, 285 und
vom 12.
Mai 2009

XI
ZB 21/08, juris Rn.
13, jeweils mwN).
Dabei reicht es nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formular-mäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf 9
10
11
-
6
-
das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (Senatsbeschluss vom 23.
Oktober 2012

XI
ZB 25/11, [X.], 174 Rn. 10 mwN).
2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Kläger nicht.
a) Die Berufungsbegründung erfüllt zwar die Voraussetzungen von §
520
Abs.
3 Satz
2
Nr.
2 ZPO, soweit sie sich gegen die [X.] des [X.]s zum Ablauf der Widerrufsfrist wendet.
b) Mit der Berufungsbegründung ist aber nicht die selbstständig tragende Hilfsbegründung des [X.]s angegriffen worden, der Ausübung der [X.] der Kläger stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach §
242 BGB entgegen.
aa) Die Berufungsbegründung geht mit keinem Wort auf diese Hilfsbe-gründung des [X.]s ein. Das zieht auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel.
bb) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdebegründung ist auch die Argumentation der Kläger in der Berufungsbegründung zur Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung nicht geeignet, zugleich der Hilfsbegründung des Landge-richts die Grundlage zu entziehen. Es handelt sich bei der Haupt-
und Hilfsbe-gründung des landgerichtlichen Urteils vielmehr um zwei voneinander unab-hängige [X.]. Die in der Berufungsbegründung
von den Klägern thematisierte Frage, ob die beklagte Bank sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion
der Musterwiderrufsbelehrung nach §
14 [X.] berufen kann, erfasst aus-schließlich die streitige Rechtsfrage, ob die Widerrufsfrist vor Erklärung des [X.] verstrichen war. Das ist aber für die Hilfsbegründung bedeutungslos. Unabhängig davon, ob der Widerruf fristgerecht erklärt worden ist, sieht das 12
13
14
15
16
-
7
-
[X.] nämlich dessen Ausübung aufgrund der konkret vorliegenden Um-stände als rechtsmissbräuchlich an.
Ohne Bedeutung sind Erwägungen der Rechtsbeschwerde, ob eine Be-rufungsbegründung mit anderem Inhalt ausreichend gewesen wäre, weil damit ein Umstandsmoment im Rahmen der Prüfung des Rechtsmissbrauchs ange-sprochen worden wäre. Die dabei von der Rechtsbeschwerde unterstellten [X.] enthält nämlich die Berufungsbegründung nicht.
cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde reicht es auch nicht aus, dass in der Berufungsbegründung das Urteil des [X.]s "in vollem Umfang" zur Überprüfung gestellt und auf den "gesamten erstinstanzlichen Vor-trag" verwiesen wird. Die Berufungsbegründung muss vielmehr auf den konkre-ten Streitfall zugeschnitten sein (Senat, Beschlüsse vom 27.
Mai 2008

XI
ZB 41/06, [X.], 1810 Rn.
11, vom 12.
Mai 2009

XI
ZB 21/08, juris Rn.
13, vom 1.
März 2011

XI
ZB 26/08, juris Rn.
11 und vom 23.
Oktober 2012

XI
ZB 25/11, [X.], 174 Rn.
10). Deswegen erfüllen allgemeine Redewendungen

wie hier von der Überprüfung des Urteils "in vollem Umfang"

ebenso wenig wie ein pauschaler Verweis auf das Vorbringen erster Instanz die Vorausset-zungen des §
520
Abs.
3
Satz
2
Nr.
2 ZPO (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 20.
Oktober 2015

VI
ZB 18/15, [X.], 616 Rn.
8 und vom 23.
Oktober 2012

XI
ZB 25/11, [X.], 174 Rn.
10;
jeweils mwN).
dd) Diese Anforderungen an die Berufungsbegründung verletzen die Kläger weder in ihrem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2
Abs.
1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) noch in ihrem verfassungs-rechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103
Abs.
1 GG). Das Begründungserfordernis des §
520
Abs.
3
Satz
2
Nr.
2 ZPO ist sachlich ge-rechtfertigt, da es der Verfahrenskonzentration dient, indem es den Berufungs-17
18
19
-
8
-
führer anhält, die angegriffene Entscheidung nicht
nur im Ergebnis, sondern in der konkreten Begründung zu überprüfen und im Einzelnen darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für un-richtig gehalten wird. Dies stellt anwaltlich vertretene Parteien

wie hier die Kläger

vor keine erheblichen oder gar unzumutbaren Anforderungen (vgl. [X.], NJW-RR 2002, 135
f. zu der Vorgängerregelung §
519
Abs.
3
Nr.
2 ZPO; Senatsbeschluss vom 23.
Oktober 2012

XI
ZB 25/11, [X.], 174 Rn. 18).

Ellenberger

Grüneberg

Maihold

Menges

[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.06.2015 -
2-21 O 142/14 -

O[X.], Entscheidung vom 06.11.2015 -
17 [X.] -

Meta

XI ZB 32/15

11.10.2016

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2016, Az. XI ZB 32/15 (REWIS RS 2016, 4234)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4234

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