Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2005, Az. 5 StR 278/05

5. Strafsenat | REWIS RS 2005, 1349

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


5 [X.]/05
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 13. Oktober 2005 in der Strafsache gegen

wegen Mordes u. a.

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 13. Oktober 2005 beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 21. Januar 2005, soweit es den [X.]betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

[X.]e
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamt-strafe verurteilt. Seine Revision hat mit einer auf § 338 Nr. 3 StPO gestütz-ten, zulässig erhobenen Verfahrensrüge Erfolg, weil der Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden der Schwurgerichtskammer zu Unrecht verworfen worden ist.
1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils betrat der An-geklagte, der ebenso wie das spätere Opfer [X.]in einem Männerwohnheim lebte, in der Nacht vom 31. Juli zum 1. August 2004 mindestens zehnmal dessen Zimmer und versetzte [X.]eine Vielzahl von Faustschlägen, Tritten und Schlägen mit einem mit Eiswürfeln gefüllten Handtuch. Auch führte er drei- bis viermal eine Plastikflasche in den Anus des homosexuellen Opfers ein und zog heftig an dessen Penis. [X.] verstarb noch in derselben Nacht an den Folgen der erlittenen schweren Verletzungen. Der Angeklagte hat die - 3 - Tat im Wesentlichen eingeräumt, sich aber darauf berufen, betrunken gewe-sen zu sein.
2. Der Rüge nach § 338 Nr. 3 StPO liegt folgendes [X.] zugrunde:
Bereits vor Beginn der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger den Antrag gestellt, zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten ein psychiat-risches und ein ergänzendes psychologisches Gutachten einzuholen. Diesen von der Staatsanwaltschaft befürworteten Antrag lehnte der Vorsitzende un-ter Hinweis darauf ab, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, das dem Angeklagten zur Last gelegte Verhalten könne auf einem [X.] psychiat-risch relevanten [X.] psychopathologischen Ausnahmezustand beruhen. [X.] der Hauptverhandlung wiederholte der Verteidiger den Antrag und stell-te darüber hinaus noch fünf weitere Anträge, die im Wesentlichen die für den Angeklagten zentrale Frage seiner Schuldfähigkeit betrafen.
Der Vorsitzende ordnete die Unterbrechung der Hauptverhandlung für eine Stunde an, was den Verteidiger eines Mitangeklagten zu der Äuße-rung veranlasste, dass die Dauer der Unterbrechung nicht ausreiche, um seine Kanzlei aufzusuchen. Daraufhin fragte der Vorsitzende: —Meinen Sie, dass wir die Anträge noch schneller ablehnen [X.] Daraufhin lehnte der Verteidiger des Angeklagten in dessen Auftrag den Vorsitzenden wegen [X.] der Befangenheit ab. Mit seiner Äußerung zeige der abgelehnte [X.], dass er bereits vor der Beratung entschieden habe, dass den Anträ-gen nicht nachzugehen sein werde. Das Vertrauen des mit einer lebenslan-gen Freiheitsstrafe bedrohten Angeklagten in die Unparteilichkeit des [X.] sei auch deshalb zerstört, weil die Art und Weise der in Frage ste-henden Bemerkung [X.] spöttisch und überheblich [X.] besorgen lasse, dass der abgelehnte [X.] sich über die Schuldfähigkeit des Angeklagten bereits vor Abschluss der Beweisaufnahme ein festes Bild gemacht habe.
- 4 - Die Strafkammer lehnte den Befangenheitsantrag [X.] nach Einholung dienstlicher Erklärungen, welche die beanstandete Äußerung bestätigten [X.] ohne Mitwirkung des abgelehnten [X.]s ab. In den Gründen des zurück-weisenden Beschlusses führte das [X.] aus, schon aus dem [X.], dass der Vorsitzende eine [X.] von einer Stunde vorgese-hen hätte, ergebe sich, dass er nicht bereits vor der Beratung entschlossen gewesen sei, die Anträge abzulehnen. Die Bemerkung sei auch nicht in ei-nem spöttischen Tonfall geäußert worden, sondern sei eine spaßhafte Reak-tion auf den amüsierten Gesichtsausdruck desjenigen Verteidigers gewesen, der die Dauer der Beratungspause angesprochen habe.
3. Das Ablehnungsgesuch ist zu Unrecht verworfen worden.

Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO ist grundsätzlich vom Standpunkt des Angeklagten zu beurteilen. Miss-trauen gegen die Unparteilichkeit eines [X.]s ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachver-halts Grund zu der Annahme hat, der [X.] nehme ihm gegenüber eine Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. [X.], [X.] Aufl. § 24 Rdn. 6 und 8 m.w.[X.]).
So liegt der Fall hier. Auch aus der Sicht eines besonnenen Angeklag-ten gab die beanstandete Bemerkung begründeten Anlass zu der Befürch-tung, der Vorsitzende habe sich bereits vor der Beratung auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn es sich bei dem fraglichen Beweisbegehren um bloße Wiederholung bereits ab-gelehnter oder offensichtlich völlig unbegründeter Anträge gehandelt hätte. Der Antrag auf Einholung eines psychiatrischen und psychologischen Gut-achtens war zwar bereits einmal vor der Hauptverhandlung gestellt und ab-gelehnt worden. Jedoch war der erneut gestellte Antrag zusätzlich mit neuen Erkenntnissen aus der Beweisaufnahme begründet worden, die bei der ers-- 5 - ten ablehnenden Entscheidung noch nicht bedacht werden konnten. Die üb-rigen Anträge verfolgten im Wesentlichen das Ziel, das in der Hauptverhand-lung erstattete Gutachten des rechtsmedizinischen Sachverständigen zu [X.], wonach die zur Tatzeit nicht unerhebliche Alkoholisierung des [X.] seine Schuldfähigkeit nicht beeinträchtigt habe.
Angesichts der Tatsache, dass über sechs zum Teil umfangreich [X.] Beweisanträge zu entscheiden war, was gerade im Falle ihrer Zu-rückweisung einen nicht unerheblichen zeitlichen Aufwand erforderte, war entgegen der Auffassung im ablehnenden Beschluss auch nicht etwa die anberaumte [X.] von einer Stunde für sich geeignet, von [X.] das Misstrauen des Angeklagten in die Unvoreingenommenheit des abgelehnten [X.]s zu überwinden. Dasselbe gilt für den Inhalt der knap-pen dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden, die keinen ernsthaften Versuch erkennen lässt, den bei dem Angeklagten erweckten Eindruck der [X.] zu beseitigen (vgl. [X.], 632, 633). Dass seine be-anstandete Äußerung nur eine spaßhaft gemeinte Reaktion auf die mit amü-siertem Gesichtsausdruck vorgebrachte Bemerkung des Verteidigers eines Mitangeklagten sein sollte, ist ohnehin schwer nachvollziehbar und konnte sich in der gegebenen Situation auch einem verständigen Angeklagten nicht ohne weiteres erschließen. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer bei Ablehnung der fraglichen Beweisanträge mit einer lebenslangen Frei-heitsstrafe rechnen musste, die Behandlung der Anträge für ihn daher von besonderer Bedeutung war. In dieser Situation ist auch ein besonnener An-geklagter nicht darauf gefasst, dass sein Beweisbegehren Gegenstand von Scherzen des Gerichts wird. Die Relevanz eines in diesem Sinne unbedach-ten Verhaltens eines [X.]s kann dieser freilich unter Umständen durch Klarstellung und Entschuldigung beseitigen, spätestens im Rahmen der dienstlichen Erklärung nach § 26 Abs. 3 StPO (vgl. dazu BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 1). Eine solche Chance hat der abgelehnte Vorsitzende hier nicht genutzt. - 6 - 4. Für die neue Hauptverhandlung wird zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten auch ein psychiatrischer Sachverständiger anzuhören sein. Dies drängt sich namentlich im Hinblick auf die Intensität der Tat und ihre sexuellen Begleiterscheinungen auf. Der nunmehr zur Entscheidung [X.] Tatrichter wird darüber hinaus Gelegenheit haben, auf der Grundlage der Angaben des Angeklagten und der Zeugen eine Berechnung der [X.] des Beschwerdeführers zur Tatzeit vorzunehmen (vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 22, 23; BGH StV 1993, 519).
[X.] [X.] Raum Schaal

Meta

5 StR 278/05

13.10.2005

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2005, Az. 5 StR 278/05 (REWIS RS 2005, 1349)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1349

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.