Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.07.2010, Az. 9 B 109/09

9. Senat | REWIS RS 2010, 4414

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Gegenstand

Vergnügungssteuer für das Halten von Spielgeräten; Zulässigkeit des Stückzahlmaßstabs; Feststellung der Unwirksamkeit


Gründe

1

1. Die [X.]eschwerde ist nicht begründet. Die von ihr geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.

2

Grundsätzliche [X.]edeutung hat eine Rechtssache dann, wenn für die Entscheidung des vorinstanzlichen Gerichts eine konkrete fallübergreifende Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) von [X.]edeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint (stRspr; vgl. [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91 f.>, vom 23. April 1996 - [X.]VerwG 11 [X.] - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 10 S. 15, vom 30. März 2005 - [X.]VerwG 1 [X.] 11.05 - NVwZ 2005, 709 und vom 2. August 2006 - [X.]VerwG 9 [X.] 9.06 - NVwZ 2006, 1290). An einer Klärungsbedürftigkeit in diesem Sinne fehlt es, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem Gesetz oder aufgrund in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannter Rechtsgrundsätze ergibt. So liegen die Dinge hier.

3

a) Die Frage:

Ist die Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts vom 4. Februar 2009 (1 [X.]vL 8/05) dahingehend auszulegen, dass auch unabhängig von den für die [X.] geltenden besonderen Verhältnissen und zeitlichen Vorgaben eine Anwendung des [X.] unter den Voraussetzungen, wie sie das [X.]undesverwaltungsgericht in den Entscheidungen vom 13. April 2005 ([X.]VerwG 10 [X.] 5.04, [X.]VerwG 10 [X.] 9.04 und [X.]VerwG 10 [X.] 8.04) vorgegeben hat, bis zur Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts vom 4. Februar 2009 zulässig sein soll?

ist nicht mehr klärungsbedürftig. Das [X.]undesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 9. Juni 2010 - [X.]VerwG 9 [X.]N 1.09 - im [X.] an die Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts vom 4. Februar 2009 und unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung klargestellt, dass der Stückzahlmaßstab das Gebot steuerlicher [X.]elastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) seit dem 1. Januar 1997 generell verletzt, ohne dass es auf die Schwankungsbreiten der Einspielergebnisse der Automaten im Satzungsgebiet ankommt. Eine Umdeutung der Grundsatzrüge in eine Divergenzrüge kommt hier nicht in [X.]etracht (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 10. April 1992 - [X.]VerwG 9 [X.] 142.91 - NVwZ 1992, 890 f.; vgl. auch [X.]VerfG, [X.] vom 21. Januar 2000 - 2 [X.]vR 2125/97 - DV[X.]l 2000, 407 f.). Das Oberverwaltungsgericht geht im [X.] an die Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts davon aus, dass der Stückzahlmaßstab im hier maßgeblichen Erhebungszeitraum 2006 generell unzulässig war. Dies deckt sich mit der oben genannten geänderten Rechtsprechung des Senats.

4

b) Die [X.]eschwerde hält ferner folgende Fragen für klärungsbedürftig:

Verbietet sich nach der Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts vom 4. Februar 2009 in [X.], in denen sich [X.] bislang auf die Anwendung des [X.] unter den Voraussetzungen der genannten Entscheidungen des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 13. April 2005 verlassen haben, eine Übergangsgerechtigkeit bis zur Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts vom 4. Februar 2009?

Ist eine Übergangsgerechtigkeit in Form einer solchermaßen zeitlich begrenzten Normerhaltung für die Anwendung des [X.] aus den allgemeinen, nicht auf die [X.] bezogenen Gründen, die das [X.]undesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 4. Februar 2009 aufgeführt hat, jedenfalls im Rahmen der Entscheidungskompetenz der Fachgerichte (vgl. [X.]SG, Urteil vom 4. Dezember 2007 - [X.] 2 U 36/06 R) in den [X.] geboten, in denen [X.] sich auf die Vorgaben verlassen haben, die das [X.]undesverwaltungsgericht in den genannten Entscheidungen vom 13. April 2005 zur [X.]eibehaltung des [X.] gemacht hat?

5

Mit diesen Fragen will die [X.]eschwerde, in verschiedene Varianten gekleidet, geklärt wissen, ob die Verwaltungsgerichte bzw. Oberverwaltungsgerichte aus den in der Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts vom 4. Februar 2009 genannten Gründen für die weitere Anwendbarkeit des mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren [X.] nach § 4 Abs. 1 [X.] bis zu dessen Außerkrafttreten am 1. Oktober 2005 von der Anwendbarkeit satzungsrechtlicher Regelungen des [X.] bis zu dieser Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts auszugehen haben.

6

Zur Klärung dieser Fragen bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Sie sind auf der Grundlage der bisher ergangenen Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ohne Weiteres zu beantworten.

7

In seinen [X.]eschlüssen vom 26. Januar 1995 ([X.]VerwG 8 [X.] 193.94 - [X.] 310 § 113 VwGO Nr. 273 S. 7) und 10. Februar 2000 ([X.]VerwG 11 [X.] 54.99 - [X.] 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 9 S. 20) hat das [X.]undesverwaltungsgericht entschieden, dass es den Verwaltungsgerichten nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich nicht gestattet ist, bei [X.] von der inzidenten Feststellung der Unwirksamkeit einer Satzung oder der daraus resultierenden Aufhebung der auf ihrer Grundlage beruhenden Verwaltungsakte wegen der damit verbundenen mittelbaren Folgen abzusehen. Das [X.]undesverwaltungsgericht hat sich damit ausdrücklich gegen eine Übertragung der auf § 31 Abs. 2 und § 79 Abs. 1 [X.]VerfGG beruhenden Praxis des [X.]undesverfassungsgerichts, verfassungswidrige Gesetzesbestimmungen unter bestimmten Voraussetzungen für einen begrenzten Zeitraum für weiterhin anwendbar zu erklären, auf die [X.] von Satzungsrecht gewandt, weil die Verwaltungsgerichtsordnung hierfür keinen gesetzlichen Anknüpfungspunkt biete. Im Urteil vom 9. Juni 2010 ([X.]VerwG 9 [X.]N 1.09) hat der beschließende Senat nunmehr klargestellt, dass dies auch für Normenkontrollverfahren gilt.

8

Ob in besonderen Ausnahmefällen, in denen die Unwirksamkeitserklärung einen "Notstand" zur Folge hätte, etwas anderes gelten kann, bedarf vorliegend keiner Klärung (vgl. auch [X.]eschluss vom 26. Januar 1995 a.a.O.; [X.]SG, Urteil vom 4. Dezember 2007 - [X.] 2 U 36/06 R - juris Rn. 19 und 20). Wie das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat, folgt aus der Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheides kein "noch verfassungsfernerer Rechtszustand", weil der [X.]eklagten die konkrete Möglichkeit verbleibe, sich mit der Klägerin über das "Ob" und "Wie" einer Steuererstattung zu verständigen. Die Klägerin habe ersichtlich im Hinblick darauf, dass der in Rede stehende Satzungsmangel mit [X.] heilbar sei, bislang davon abgesehen, eine sofortige Rückzahlung der [X.] entrichteten Vergnügungssteuer im Wege der Folgenbeseitigung (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO) geltend zu machen. Diese Erwägungen greift die [X.]eschwerde nicht an. Im Übrigen hat der Senat im Urteil vom 9. Juni 2010 angenommen, dass eine verwaltungsgerichtliche Erklärung der weiteren Anwendbarkeit von seit dem 1. Januar 1997 gegen das Gebot steuerlicher [X.]elastungsgleichheit verstoßenden Regelungen des [X.] schon deshalb grundsätzlich nicht in [X.]etracht kommt, weil der Verfassungsverstoß dadurch rückwirkend geheilt werden kann, dass die bisher nach der Anzahl der Spielautomaten zu zahlenden Steuerbeträge für den Zeitraum der angeordneten Rückwirkung zur Wahrung des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes als Höchstbeträge einer ansonsten nach einem wirklichkeitsgerechten Maßstab (Spieleinsatz, Einspielergebnis) erfolgenden [X.]esteuerung festgesetzt werden (vgl. auch [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 3. September 2009 - 1 [X.]vR 2384/08 - NVwZ 2010, 313 <317>).

Meta

9 B 109/09

27.07.2010

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 15. September 2009, Az: 6 A 11273/07, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, § 4 SpStG HA, § 113 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.07.2010, Az. 9 B 109/09 (REWIS RS 2010, 4414)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4414

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvL 8/05

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