Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2007, Az. XII ZA 11/07

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 2823

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[X.]BESCHLUSS [X.] 11/07
vom 18. Juli 2007 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 115 Abs. 3; 120 Abs. 4; [X.] § 90 Abs. 2 Nr. 3 und 8 Der bedürftigen [X.] ist es auch im Rahmen einer Änderung der Prozesskos-tenhilfebewilligung nach § 120 Abs. 4 ZPO zuzumuten, ein (durch den [X.]) erlangtes Vermögen für die Prozesskosten einzusetzen, selbst wenn sie damit ein angemessenes Hausgrundstück [X.] von § 90 Abs. 2 Nr. 8 [X.] erworben hat (Fortführung von [X.] Beschluss vom 21. September 2006 - [X.]/05 - NJW-RR 2007, 628). [X.], Beschluss vom 18. Juli 2007 - [X.] 11/07 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 18. Juli 2007 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.] und Prof. Dr. [X.], die Richterin [X.] und [X.] beschlossen: Der Klägerin wird die beantragte Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren versagt, weil die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht vorliegen. Gründe: Die [X.]en, die inzwischen rechtskräftig geschieden sind, stritten um Trennungs- und Kindesunterhalt. Mit Beschluss vom 29. Oktober 2003 wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr aufgegeben, ab Rechtskraft monatliche Raten in Höhe von 30 • zu zahlen. Der Rechtsstreit wurde mit [X.] vom 2. November 2006 beendet. 1 Nachdem der Beklagte in einem Parallelverfahren (1 F AG [X.]) einen Anspruch der Klägerin auf Zugewinnausgleich in Höhe von 16.055,28 • anerkannt hatte, verpflichtete er sich mit Vergleich vom 14. März 2006 zur Zahlung eines weiteren Betrages von 24.500 •, zahlbar bis zum 31. März 2006. 2 Daraufhin ordnete das Amtsgericht in dem [X.] mit [X.] vom 12. Januar 2007 unter Abänderung der Entscheidung über die 3 - 3 - Prozesskostenhilfe die sofortige volle Zahlung aller bereits fälligen Kosten an. Dagegen hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt, weil sie inzwischen zum Preis von 94.000 • eine Eigentumswohnung gekauft habe, wofür das im Zugewinnausgleich erhaltene Vermögen verwendet worden sei. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbe-schwerde zugelassen. Die Klägerin möchte gegen diese Entscheidung Rechts-beschwerde einlegen und begehrt dafür Prozesskostenhilfe.
II. Der Klägerin ist die begehrte Prozesskostenhilfe zu versagen. 4 1. Allerdings hat die Rechtsbeschwerde hinreichende Aussicht auf Erfolg [X.] von § 114 ZPO, weil die Entscheidung von der Beantwortung einer schwie-rigen Rechtsfrage abhängig ist (Senatsbeschluss vom 4. August 2004 - [X.] 6/04 - FamRZ 2004, 1633, 1634). 5 a) Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Zwar kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde im Verfahren der [X.] unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) oder der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (Senatsbeschluss vom 4. August 2004 - [X.] 6/04 - FamRZ 2004, 1633 f.). Um solche Fragen 6 - 4 - der persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe geht es hier allerdings. 7 b) Die Rechtsbeschwerde ist auch sonst zulässig, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung eine Entscheidung des [X.] erfordert. Denn die Rechtsfrage, ob ein während des Verfahrens erhaltener Zugewinnausgleich auch dann für die Prozesskosten einzusetzen ist, wenn davon eine selbst ge-nutzte Eigentumswohnung erworben wurde, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten und höchstrichterlich bislang noch nicht geklärt. 2. Der Klägerin ist die begehrte Prozesskostenhilfe aber gleichwohl zu versagen, weil sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung selbst aufbringen kann. 8 a) Nach § 115 ZPO hat die [X.] grundsätzlich ihr gesamtes Einkom-men (Abs. 1) und ihr Vermögen (Abs. 3) einzusetzen, soweit dessen Verwer-tung zumutbar ist. Auch unter Berücksichtigung des nach § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 [X.] zu belassenden Schonvermögens ist danach der überwie-gende Teil des während des Verfahrens erhaltenen Zugewinnausgleichs von mehr als 40.000 • für die Prozesskosten einzusetzen. 9 b) Dem steht auch nicht entgegen, dass der erhaltene Barbetrag nach dem Auszug aus dem gemeinsam genutzten Haus für den Erwerb einer Eigen-tumswohnung verwendet wurde. 10 aa) Allerdings ist die Rechtsfrage, ob eine [X.], der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, schon vor Einleitung einer Abänderung nach § 120 Abs. 4 ZPO in ihren wirtschaftlichen Dispositionen grundsätzlich frei ist oder ob sie ein neu 11 - 5 - erhaltenes Vermögen vorrangig für die Prozesskosten einsetzen muss, in Rechtsprechung und Literatur umstritten. 12 Teilweise wird vertreten, dass auch ein während oder nach Abschluss des Verfahrens erworbenes Vermögen grundsätzlich nicht mehr für die [X.] einzusetzen sei, wenn die [X.] dieses für den Erwerb eines an-gemessenen Hausgrundstücks im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 [X.] verwendet habe. Selbst wenn die arme [X.] um die Möglichkeit zur Abänderung der [X.] nach § 120 Abs. 4 ZPO wisse, sei sie bis zur Einleitung eines solchen Verfahrens in ihren wirtschaftlichen Dispositionen frei und brauche sich von Gesetzes wegen nicht darauf einzustellen, dass sie später eventuell doch zur Zahlung der Kosten he-rangezogen werden könnte. Insoweit unterscheide sich die Situation desjeni-gen, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei, ganz wesentlich von der [X.] dessen, der angesichts eines zu erwartenden oder bereits begonnenen Rechtsstreits mit einer daraus resultierenden Kostenlast rechnen müsse. Für die Gewährung von Prozesskostenhilfe gelte der Grundsatz, dass es unerheb-lich sei, ob eine [X.] ihre Mittellosigkeit im Allgemeinen oder ihr Unvermögen, gerade die Prozesskosten aufzubringen, durch früheres Verhalten verschuldet habe. [X.] hiervon seien nur die Fälle, in denen sich die [X.] als rechtsmissbräuchlich darstelle. Erst ab dem Zugang der Verfügung über eine Abänderung der bewilligten [X.] nach § 120 Abs. 4 ZPO müsse sich die [X.] darauf einstellen, die von der Staatskasse übernommenen Kosten zu zahlen. Ab dann dürfe sie einen zuge-flossenen Geldbetrag nur noch für solche Ausgaben verwenden, für die ein [X.] dringendes oder nachvollziehbares Bedürfnis bestehe ([X.] [2. [X.]] FamRZ 1995, 374; [X.] [7. [X.]] FamRZ 1995, 1590; [X.] MDR 1997, - 6 - 885; [X.] FamRZ 1997, 1543; [X.] 2001, 318 und [X.] - L 6 SF 121/05 - veröffentlicht bei Juris). 13 Nach anderer Auffassung muss eine [X.] einen angemessenen Teil des ihr zugeflossenen Kapitals schon dann zurückhalten, wenn ihr bekannt ist, dass Kosten für einen Rechtsstreit anfallen können. Das gelte auch, wenn der [X.] Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei, diese Entscheidung aber nach § 120 Abs. 4 ZPO infolge einer Änderung der Einkommens- oder [X.] wieder rückgängig gemacht werden könne. Nach § 120 Abs. 1 ZPO bestehe kein Vertrauensschutz darauf, dass die gewährte staatliche Sozi-alleistung Bestand habe, wenn sich die ausschlaggebenden Verhältnisse [X.] von [X.]n so änderten, dass die [X.] in der Lage wäre, die Kosten selbst zu tragen. Anderes gelte nur dann, wenn die [X.] bereits bei [X.] überschuldet gewesen sei und den Kapitalzufluss zur Deckung die-ser Schulden verwendet habe ([X.] [X.] 1984, 128; OLG Celle [X.] 1990, 1192; [X.] [7. [X.]] [X.] 1990, 760 und [X.] 1990, 1306; [X.] FamRZ 1999, 303; [X.] FamRZ 1999, 996, 997 und [X.] FamRZ 2000, 760). [X.]) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. 14 Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann einer [X.] Prozesskostenhilfe verweigert werden, wenn sie in Kenntnis eines bevorste-henden Prozesses ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeiführt ([X.] Urteil vom 8. Januar 1959 - [X.]/57 - NJW 1959, 884, 885). Ebenso kann der [X.] im Rahmen einer Änderungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO Vermögen zugerechnet werden, das sie inzwischen erworben, aber in Kenntnis der Abän-derungsmöglichkeit wieder ausgegeben hat, womit sie ihre zeitweilig entfallene Leistungsunfähigkeit böswillig wieder herbeigeführt hat ([X.] Beschluss vom 15 - 7 - 21. September 2006 - [X.]/05 - NJW-RR 2007, 628). Das gilt wegen der im Gesetz normierten Möglichkeit zur Abänderung der Prozesskostenhilfeent-scheidung innerhalb der nächsten [X.] (§ 120 Abs. 4 ZPO) generell und ist - entgegen der abweichenden Auffassung - nicht vom Zugang einer [X.] Verfügung des Gerichts abhängig. Die [X.] muss also auch schon vor Einleitung des Verfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO mit der Verpflichtung zum Einsatz eines neu erlangten Vermögens für die Prozesskosten rechnen. Nur wenn schon berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten vorhanden waren, als der Rechtsstreit absehbar wurde, darf ein Vermögenszufluss vorrangig zum Abtrag dieser Verbindlichkeiten verwendet werden und führt erst im Übrigen zu einem für die Prozesskosten einsetzbaren Vermögen [X.] von § 115 Abs. 3 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin von dem hier im Zugewinn-ausgleich erhaltenen Vermögen eine Eigentumswohnung erworben hat, die - wenn sie schon bei Beginn des Rechtsstreits vorhanden gewesen wäre - als privilegiertes angemessenes Hausgrundstück nach § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Ziff. 8 [X.] unberücksichtigt bleiben müsste. Denn der Sinn der Privilegierung in § 90 Abs. 2 Ziff. 8 [X.] liegt darin, der bedürftigen [X.] den Mittelpunkt ihres bisherigen [X.] Lebens zu erhalten und sie davor zu bewahren, ein schon vorhandenes privilegiertes Eigenheim zur Finanzierung der Verfahrenskosten veräußern zu müssen. Ein sonstiges Vermögen will das Gesetz im Regelfall gerade nicht schützen, auch wenn dieses dazu bestimmt ist, später ein privilegiertes Hausgrundstück zu erwerben. Das ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 90 Abs. 2 Nr. 3 [X.]. Danach bleibt ein sonsti-ges Vermögen nur berücksichtigungsfrei, soweit es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 8 [X.] bestimmt ist, wenn dieses Wohnzwecken behinderter oder pfle-gebedürftiger Menschen dient oder dienen soll. Ist das Hausgrundstück [X.] - 8 - dings - wie hier von der Klägerin - nach Beginn des Verfahrens von einem nicht behinderten und nicht pflegebedürftigen Menschen erworben worden, war das dafür eingesetzte Vermögen nicht privilegiert. Diese Qualifikation behält es dann auch weiter, weil der beabsichtigte Erwerb eines Hausgrundstücks in Kenntnis der Abänderungsmöglichkeit nach § 120 Abs. 4 ZPO daran nichts [X.]. Im Einklang damit sind grundsätzlich auch Guthaben aus zuteilungsreifen Bausparverträgen als einzusetzendes Vermögen zu behandeln und nicht we-gen ihrer Zweckbindung privilegiert ([X.]NV 2006, 1690; vgl. auch [X.] 2006, 1440). Dieses Ergebnis widerspricht auch nicht dem Sinn und Zweck der Pro-zesskostenhilfe und benachteiligt die arme [X.] nicht in unangemessener Weise. Die Prozesskostenhilfe will der armen [X.] im Rahmen der Vorausset-zungen nach § 114 ZPO einen Rechtsstreit ermöglichen, ihr aber nicht die durch Urteil oder Vergleich erstrittene Zahlung ungeschmälert belassen. Denn damit würde sie letztlich besser stehen als eine [X.], die keine Prozesskos-tenhilfe bekommen hat und insoweit als finanziellen Erfolg des Rechtsstreits 17 - 9 - ebenfalls nur den Reingewinn, also das erzielte Vermögen abzüglich der dafür aufgewendeten Kosten, für sich verbuchen kann (vgl. [X.], 335, 336). Hahne [X.] [X.] Vézina Dose
Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 12.01.2007 - 2 F 1252/03 - [X.], Entscheidung vom 22.03.2007 - 8 WF 20/07 -

Meta

XII ZA 11/07

18.07.2007

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZA

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2007, Az. XII ZA 11/07 (REWIS RS 2007, 2823)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 2823

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