Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.03.2023, Az. 6 StR 19/23

6. Strafsenat | REWIS RS 2023, 5657

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Gegenstand

Tatrichterliche Feststellungen im Rahmen der Zuwiderhandlung gegen Gewaltschutzanordnung; Entscheidung über Unterbringung in Entziehungsanstalt


Tenor

<[X.]iv class="st-wrapper">

1. Auf [X.]ie Revision [X.]es Angeklagten wir[X.] [X.]as Urteil [X.]es [X.] vom 20. September 2022 mit [X.]en zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

a) im Schul[X.]spruch betreffen[X.] [X.]ie Fälle III.2 [X.]er [X.],

b) im Strafausspruch betreffen[X.] [X.]ie Fälle [X.] un[X.] III.4 [X.]er [X.],

c) im [X.],

[X.]) soweit eine Entschei[X.]ung über [X.]ie Unterbringung [X.]es Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

Im Umfang [X.]er Aufhebung wir[X.] [X.]ie Sache zu neuer Verhan[X.]lung un[X.] Entschei[X.]ung, auch über [X.]ie Kosten [X.]es Rechtsmittels, an eine an[X.]ere Strafkammer [X.]es Lan[X.]gerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehen[X.]e Revision wir[X.] als unbegrün[X.]et verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung (Fall [X.]), wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz in vier Fällen ([X.]), wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit Körperverletzung (Fall III.4) und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, ihn im Übrigen freigesprochen und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Während die Verfahrensrüge aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] versagt, halten sowohl Schuld- als auch Strafausspruch der materiell-rechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

3

1. Das [X.] hat in den Fällen [X.] keine ausreichenden Feststellungen zur rechtlichen Wirksamkeit der einstweiligen Gewaltschutzanordnung getroffen.

4

a) Den Urteilsgründen lässt sich lediglich entnehmen, dass es dem Angeklagten durch einstweilige Anordnung vom 10. August 2018, ihm zugegangen am 14. August 2018, bis zum 10. Februar 2019 nach „§ 1 Abs. 1 Satz 1 oder [X.] jeweils auch in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 (GewSchG)“ untersagt war, unter Verwendung von „Ferntelekommunikationsmitteln“ Kontakt zu der Geschädigten aufzunehmen. Hiergegen verstieß der Angeklagte, indem er diese am 12., 16., 19. und 20. November 2018 über ihren Festnetzanschluss anrief und in zwei Fällen ehrverletzende Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterließ.

5

b) Die Verurteilung nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG setzt jedoch voraus, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen ohne Bindung an die amtsgerichtliche Entscheidung (vgl. [X.], Beschluss vom 28. November 2013 – 3 StR 40/13, [X.]St 59, 94) eigenständig feststellt (vgl. [X.], Beschluss vom 15. März 2017 – 2 StR 270/16). Dies ist nicht geschehen.

6

2. In den Fällen [X.] und III.4 hat das [X.] bei der Bestimmung des Strafrahmens zu Lasten des Angeklagten im Fall [X.] berücksichtigt, dass es „keine Anhaltspunkte dafür (gebe), dass der Angeklagte (…) bei der Tatbegehung aufgrund seines Drogenkonsums enthemmt war“, und im Fall III.4, dass nicht „von einer eingeschränkten Steuerungsfähigkeit aufgrund von [X.] (…) ausgegangen werden (könne).“ Hinsichtlich dieser Wendungen kann der Senat auch im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht ausschließen, dass die [X.] das bloße Fehlen eines Strafmilderungsgrundes straferschwerend berücksichtigt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 3. November 2021 – 6 [X.]/21).

7

3. Die teilweise Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs entzieht dem [X.] die Grundlage. Darüber hinaus kann der Senat aufgrund fehlender Feststellungen zu den [X.] betreffend das Urteil des [X.] vom 22. Oktober 2021 (vgl. zur Zäsurwirkung früherer Verurteilungen [X.], Beschluss vom 17. Juni 2009 – 2 [X.]/09) nicht überprüfen, ob eine Einbeziehung der hierdurch ausgeurteilten und noch nicht erledigten Freiheitsstrafen und die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe nach § 55 StGB jedenfalls mit der für die Tat III.4 verhängten Freiheitsstrafe rechtsfehlerfrei unterblieben ist (vgl. [X.], Beschluss vom 4. März 2021 – 2 StR 431/20 mwN).

II.

8

Das Urteil hat ferner keinen Bestand, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist.

9

Der [X.] hat hierzu ausgeführt:

„Nach den Feststellungen des [X.]s konsumierte der Angeklagte zu Beginn des Jahres 2017 erneut Betäubungsmittel (Crystal Meth und Heroin), nachdem er mehrere Jahre abstinent gelebt hatte ([X.], 28). Am Abend oder unmittelbar vor der Tat zu Ziffer III.4 hat er nach eigenen Angaben Heroin konsumiert und die Tat überdies begangen, um weitere Betäubungsmittel (zum Eigenverbrauch) zu erwerben ([X.], 26). Dies drängte zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Oktober 2008 – 3 [X.], [X.], 59 […]). Dem steht nicht entgegen, dass die Voraussetzungen des § 21 StGB für die Tat zu Ziffer III.4 rechtsfehlerfrei verneint wurden (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Juli 2000 – 2 StR 87/00, NStZ-RR 2001, 12). Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss – unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – neu verhandelt und entschieden werden.“

Dem schließt sich der Senat an.

Anhaltspunkte dafür, dass die weiteren Voraussetzungen der Maßregel nicht vorliegen, sind nicht ersichtlich. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO); er hat die [X.] des § 64 StGB durch das [X.] auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.

Der Strafausspruch, soweit er Bestand hat, bleibt hiervon unberührt. Denn der Senat kann angesichts der Zweispurigkeit von Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung (vgl. [X.], Urteil vom 31. Juli 2013 – 2 StR 620/12) ausschließen, dass die [X.] im Fall der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt auf niedrigere Freiheitsstrafen erkannt hätte.

Sander     

  

Tiemann     

  

Wenske

  

Fritsche     

  

Arnoldi     

  

Meta

6 StR 19/23

21.03.2023

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Halle (Saale), 20. September 2022, Az: 5 KLs 1/22

§ 1 Abs 1 S 1 GewSchG, § 4 S 1 GewSchG, § 46 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.03.2023, Az. 6 StR 19/23 (REWIS RS 2023, 5657)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5657

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 431/20

6 StR 405/21

2 StR 270/16

3 StR 40/13

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