Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.08.2015, Az. 5 B 14/15

5. Senat | REWIS RS 2015, 6357

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Gegenstand

Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde


Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung (1.), der Divergenz (2.) und eines [X.] (3.) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die [X.]eschwerde ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3

Grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung besteht. Die [X.]eschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Dem genügt die [X.]eschwerde nicht.

4

a) Die [X.]eschwerde hält die Frage für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob das [X.] die im Urteil vom 1. Oktober 1986 noch vorgenommene Unterscheidung zwischen qualifiziert beplanten Gebieten und unbeplanten Innenbereichen angesichts der inzwischen veränderten Rechtslage auch heute noch genauso treffen würde (vgl. Urteil v. 01.10.1986 - 8 C 155/81 - juris Rn. 16 a.E. unter Hinweis auf Urteil v. 02.12.1983)" (vgl. [X.]eschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 7).

5

Mit dieser Frage und ihrem weiteren Vorbringen wird die [X.]eschwerde den Anforderungen an die Darlegung einer Grundsatzrüge nicht gerecht. Damit wird nicht die Auslegung einer konkreten Rechtsnorm des revisiblen Rechts angesprochen, wie dies für die Grundsatzrüge erforderlich ist. Vielmehr ist die [X.]eschwerde darauf gerichtet, in Erfahrung zu bringen, ob das [X.] an der im Urteil vom 1. Oktober 1986 - 8 C 53.85 - ([X.] 454.51 [X.] Nr. 14) vertretenen, von der [X.]eschwerde nicht näher dargelegten Rechtsauffassung festhält. Die höchstrichterliche Rechtsprechung als solche gehört indessen nicht zum revisiblen Recht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 137 Abs. 1 VwGO.

6

b) Das Vorbringen der Klägerin,

"Abgesehen davon begegnet die vom [X.]hof - unausgesprochen unterstellte - generelle Zulässigkeit nicht akzessorischer Wohnnutzung im faktischen Kerngebiet grundsätzlichen [X.]edenken. Vielmehr wäre in Anbetracht der konkreten Umgebung (Feiermeile, verdichtete Ansiedlung von Diskos, Kneipen, [X.]) zu prüfen, ob eine Ausnahme (§ 34 Abs. 2 [X.]auG[X.] i.V.m. § 7 Abs. 3 Nr. 2 [X.]) hier nicht schon prinzipiell ausscheidet, ohne dass es noch auf eine Einzelfallbeurteilung anhand § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] ankommt" (vgl. [X.]eschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 8),

genügt ebenfalls schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn damit wird keine konkrete Rechtsfrage formuliert.

7

Der Sache nach rügt die Klägerin in der Art einer Revisionsbegründung die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Rechtsauffassung des [X.]hofs und setzt dieser ihre eigene, zu einem anderen Ergebnis führende Rechtsmeinung entgegen. Eine solche Kritik der vorinstanzlichen Entscheidung kann in der Regel und so auch hier die grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht begründen.

8

2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

9

Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt vor, wenn das vorinstanzliche Gericht in Anwendung derselben Vorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des [X.]s, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Die [X.]eschwerdebegründung muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der Rechtssätze, die das betreffende übergeordnete Gericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen nicht (stRspr, [X.]VerwG, vgl. [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26, vom 22. Februar 2011 - 2 [X.] 72.10 - juris Rn. 4 und vom 5. Juni 2013 - 5 [X.] 7.13 - juris Rn. 2 m.w.N.). Gemessen daran ist die [X.]eschwerde nicht ausreichend begründet.

a) Dies gilt zunächst, soweit die [X.]eschwerde geltend macht, die angefochtene Entscheidung weiche mit den Ausführungen zum "Postulat nach architektonischer Selbsthilfe (RdNr 31 des Urteils)" sowohl vom Urteil des [X.]s vom 1. Oktober 1986 - 8 C 53.85 - ([X.] 454.51 [X.] Nr. 14) als auch vom Urteil des [X.]s vom 29. November 2012 - 4 C 8.11 - ([X.]VerwGE 145, 145) ab. Die Ausführungen im angegriffenen [X.]eschluss stünden im Widerspruch zu dem Rechtssatz des [X.]s, dass das [X.] des § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht dadurch gewahrt werde, dass der [X.]auherr im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen habe (vgl. [X.]eschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 3 f.). Dies genügt schon deshalb nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz, weil die [X.]eschwerde dieser Rechtsansicht keinen vom [X.]hof in dem angefochtenen [X.]eschluss aufgestellten, abweichenden abstrakten Rechtssatz gegenüberstellt. Ein solcher Rechtssatz ist insbesondere den weiteren Ausführungen der [X.]eschwerde, "[g]erade das verlangt aber der [X.]ayVGH im Rahmen seiner Ausführungen zur Zulässigkeit der Ausnahme nach § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] vom Eigentümer für den Fall, dass bei der geforderten [X.]eweisaufnahme die Überschreitung der Grenzwerte festgestellt werden sollte" (vgl. [X.]eschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 4), nicht zu entnehmen. Ebenso wenig zeigt die [X.]eschwerde auf, inwiefern der angefochtene [X.]eschluss des [X.]hofs auf der behaupteten Abweichung beruht, zumal sie selbst davon ausgeht, dass die Forderung nach architektonischer Selbsthilfe nur für den Fall erhoben wird, dass bei der erst noch vom Verwaltungsgericht durchzuführenden [X.]eweisaufnahme die Überschreitung der Grenzwerte festgestellt werden sollte. Des Weiteren ist dem Urteil des [X.]s vom 1. Oktober 1986 - 8 C 53.85 - ([X.] 454.51 [X.] Nr. 14) der ihm von der [X.]eschwerde zugeschriebene Rechtssatz nicht zu entnehmen. Gleiches gilt für das Urteil des [X.]s vom 29. November 2012 - 4 C 8.11 - ([X.]VerwGE 145, 145). Soweit in diesem Urteil ausgeführt wird, "das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das [X.] des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 [X.] nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der [X.]eigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat" ([X.]VerwGE 145, 145 Rn. 14), handelt es sich um das Ergebnis der Subsumtion des Sachverhalts unter die nachfolgend formulierten Rechtssätze, das nicht in einen eigenständigen allgemeinen Rechtssatz umgedeutet werden kann.

b) Soweit die [X.]eschwerde in diesem Zusammenhang bemängelt, "[d]ie Forderung nach architektonischer Selbsthilfe [...] beinhaltet darüber hinaus einen zusätzlichen Eingriff in die eigentumsrechtliche Position" und "ist in keiner Weise mehr verfassungsrechtlich vertretbar" (vgl. [X.]eschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 4), benennt sie keine Entscheidung des [X.]verfassungsgerichts, von der abgewichen wird.

c) Soweit die [X.]eschwerde eine Abweichung von dem Urteil des [X.]gerichtshofs vom 14. Juni 2012 (NJW-RR 2012, 1207) beanstandet (vgl. [X.]eschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 6), erfüllt dies die [X.]egründungsanforderungen bereits deshalb nicht, weil Entscheidungen jenes Gerichts im Verfahren der verwaltungsgerichtlichen Nichtzulassungsbeschwerde nicht divergenzfähig sind.

3. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Damit sind Verstöße gegen Vorschriften gemeint, die den Verfahrensablauf bzw. den Weg zu dem Urteil bzw. [X.]eschluss und die Art und Weise des Urteils- bzw. [X.]eschlusserlasses regeln, nicht jedoch Vorschriften, die den Urteils- bzw. [X.]eschlussinhalt betreffen und deren Verletzung sich als Mangel der sachlichen Entscheidung darstellt (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 4. Februar 2015 - 5 [X.] 28.14 - juris Rn. 8 m.w.N.). Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 12. März 2014 - 5 [X.] 48.13 - [X.] 310 § 96 VwGO Nr. 62 Rn. 12 m.w.N.). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in [X.]etracht.

Die [X.]eschwerde sieht einen Verfahrensmangel darin, dass der [X.]hof unter Verkennung der Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO das Urteil des [X.] aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen habe. Denn die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hätten nicht vorgelegen. Das Verwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht verletzt. Es sei entgegen der Auffassung des [X.]hofs nicht verpflichtet gewesen, zur Klärung der Frage, ob die Wohnnutzung im Einzelfall vor allem unter [X.] ausnahmsweise baurechtlich zulässig sei, [X.]eweis zu erheben, und könne hierzu auch in dem angefochtenen [X.]eschluss nicht verpflichtet werden. Die [X.]eklagte hätte entsprechende Ermittlungen durchführen müssen. Sie trage die [X.]eweislast für die Zumutbarkeit der Wohnnutzung unter [X.]. Da sie derartige Ermittlungen unterlassen habe, hätte sie unter Aufhebung ihrer [X.]escheide zur Neubescheidung verpflichtet werden müssen (vgl. [X.]eschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 5 f.). Hiermit zeigt die [X.]eschwerde keinen Verfahrensfehler auf, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Der [X.]hof hat die Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht selbstständig tragend auch auf eine entsprechende Anwendung des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gestützt, weil das Verwaltungsgericht aufgrund der Annahme, im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbs. [X.] komme es lediglich auf eine typisierende [X.]etrachtung an, die Weichen seiner Entscheidung falsch gestellt und damit im Ergebnis nicht in der Sache selbst entschieden habe (vgl. [X.]A Rn. 25 und 30). Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s kann bei einer solchen Mehrfachbegründung die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der [X.]egründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. z.[X.]. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. Mai 2015 - 3 [X.] 6.14 - juris Rn. 6 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Gegen die Erwägungen des [X.]hofs zur entsprechenden Anwendung des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, insbesondere zur Notwendigkeit, im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbs. [X.] eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, hat die [X.]eschwerde keine durchgreifenden Zulassungsgründe erhoben.

4. Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

5 B 14/15

20.08.2015

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 14. Oktober 2014, Az: 12 BV 14.1629, Beschluss

§ 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 133 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.08.2015, Az. 5 B 14/15 (REWIS RS 2015, 6357)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6357

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