Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.07.2014, Az. VII B 129/13

7. Senat | REWIS RS 2014, 4237

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zulässigkeit von "Erstgutachterbesprechungen" im Rahmen der Steuerberaterprüfung


Leitsatz

1. NV: Der Frage, unter welchen Voraussetzungen "Erstgutachterbesprechungen" zulässig sind, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

2. NV: Aus der Nichterwähnung solcher Besprechungen in der DVStB kann nicht auf ihre Unzulässigkeit geschlossen werden.

3. NV: Aus den Regelungen der DVStB kann kein Verbot abgeleitet werden, nach dem es den Prüfern und Dritten, wie z.B. Vertretern von Ministerien und Steuerberaterkammern, verwehrt ist, sich in allgemeiner Form über Probleme im Zusammenhang mit der Abnahme der Steuerberaterprüfung auszutauschen.

4. NV: Die Frage, welchen Anforderungen die Einwendungen des Prüflings gegen schriftliche Bewertungen genügen müssen, ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erzielte in ihrer zweiten Wiederholungsprüfung eine Gesamtnote von 5,33 und wurde deshalb gemäß § 25 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften ([X.]) nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen, so dass die Prüfung nicht bestanden war. Mit der Begründung, sämtliche Aufsichtsarbeiten seien fehlerhaft bewertet worden, leitete die Klägerin unter Vorlage eines Gutachtens ein Überdenkungsverfahren ein und erhob Klage, mit der sie sich zudem gegen die Durchführung einer "Erstgutachterbesprechung" wandte. Im Überdenkungsverfahren wurden von den Prüfern in den Aufsichtsarbeiten Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete sowie Ertragsteuern zusätzliche Punkte vergeben, die jedoch nicht zu besseren Noten führten. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) urteilte, die jeweiligen Prüfer hätten in den streitigen Aufsichtsarbeiten den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Fachspezifische Bewertungsfehler seien nicht ersichtlich. Auch die Durchführung einer Prüferbesprechung, bei der es sich lediglich um einen informellen Meinungsaustausch handele, sei verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Die [X.] werde dadurch nicht verletzt. Schließlich sei die in der "Erstgutachterbesprechung" erzielte Übereinkunft nicht zu beanstanden, aufgrund des Schwierigkeitsgrades bei der Bewertung der Ertragsteuerklausur vier Zusatzpunkte zu vergeben.

2

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) sowie zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O). Grundsätzlich bedeutsam sei die Rechtsfrage, was im Rahmen von "Erstgutachterbesprechungen" zulässig sei. Insbesondere sei zu klären, ob "Erstgutachterbesprechungen" unter Beteiligung Dritter und mit dem Ergebnis verbindlicher Vorgaben für die Prüfer zulässig seien. Zwar habe der [X.] ([X.]) die Durchführung von "Erstgutachterbesprechungen" für zulässig erachtet, doch sei die Entscheidung zur Praxis in [X.] ergangen. Vorliegend sei die [X.] Praxis zu beurteilen, die von dem [X.] Verfahren insbesondere dadurch abweiche, dass an den [X.] in [X.] verfahrensfehlerhaft auch Prüfer anderer Prüfungsausschüsse und fachfremde Dritte, wie z.B. Vertreter des [X.] und der Steuerberaterkammer, teilnähmen, die selbst keine Prüfer seien. Durch die Besprechungen finde eine rechtswidrige Ermessenslenkung der einzelnen Prüfungsausschüsse statt. Einen "Prüfungsausschuss aller Erstgutachter" mit der Befugnis, verbindliche Korrekturgrundsätze festzulegen und die Vergabe von [X.] festzulegen, sehe die [X.] nicht vor. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ihre Prüfungsarbeiten den Besprechungsteilnehmern bekannt gewesen seien und dass diese ohne die "Erstgutachterbesprechung" besser bewertet worden wären.

3

Darüber hinaus komme der Frage grundsätzliche Bedeutung zu, welchen Anforderungen die substantiierten Einwendungen des Prüflings gegen schriftliche Bewertungen genügen müssten. Sie habe sich im Rahmen ihrer Klage drei Gutachten eines Professors zu eigen gemacht, der auf dem Gebiet der Steuerberaterprüfung eine Kapazität sei. Die Ausführungen des [X.] belegten, dass es diese Ausführungen verkannt habe. Eine Entscheidung des [X.] sei insbesondere im Hinblick auf die vom Prüfling zu beachtenden Darlegungserfordernisse sowie die Prüfungskompetenz und die Grenzen der [X.] durch das [X.] geboten.

4

Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen seien nicht klärungsbedürftig. Der [X.] habe die Durchführung von "Erstgutachterbesprechungen" grundsätzlich für zulässig erachtet. Im Streitfall sei keine inhaltliche Auseinandersetzung mit einzelnen Klausuren der Klägerin erfolgt. Über die Besprechung, die einen allgemeinen und unverbindlichen Charakter habe, werde kein Protokoll erstellt. Der Vertreter des [X.]n [X.] fungiere lediglich als Moderator der Besprechung. Dritte würden an der Besprechung teilnehmen, um organisatorische Fragen, wie z.B. die Zustellung der Klausuren durch Kurierdienste, die Heftung der Klausuren sowie die Anforderungen an die Papierqualität, zu klären.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Den von der Klägerin aufgeworfenen Fragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

6

1. Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie klärungsbedürftig ist; das ist sie, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, so dass mehrere Lösungen vertretbar sind. An der zu fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das [X.] in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, [X.], 559, [X.] 1999, 231, und vom 31. Mai 2000 X B 111/99, [X.], 1461). Darüber hinaus ist eine Rechtsfrage auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung des [X.] hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den [X.] geboten erscheinen lassen ([X.]-Beschluss vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, [X.]E 188, 395, [X.] 1999, 587).

7

a) Wie der [X.] bereits entschieden hat, kann aus dem Umstand, dass "Erstgutachterbesprechungen" in der [X.] nicht erwähnt sind, nicht auf ihre Unzulässigkeit geschlossen werden (Beschluss vom 28. August 2012 VII B 15/12, [X.]/NV 2013, 265). Es steht den Prüfern frei, unabhängig von der Bewertung einer bestimmten Klausur allgemeine Fragen und Probleme, die sich mit der Bewertung der [X.]en stellen, mit anderen Prüfern zu besprechen. Ein Verbot, sich unter den Prüfern auszutauschen, bevor die [X.]en vom jeweils zuständigen Prüfer durchgesehen und bewertet werden, enthalten die Vorschriften der [X.] nicht. Die Verpflichtung des Prüfers, die ihm zugeteilte [X.] persönlich zu bewerten (§ 24 Abs. 2 Satz 1 [X.]), wird durch einen solchen Meinungsaustausch über allgemeine, die Prüfungsarbeit betreffende Fragen nicht tangiert. Soweit die Beschwerde die Beteiligung fachfremder Dritter an der Besprechung beanstandet, hat das [X.] keine Feststellungen über eine solche Teilnahme getroffen. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung hat die Klägerin Beweisanträge nicht gestellt. Infolgedessen hat sich das [X.] auch nicht mit der Frage befasst, ob unter den besonderen Umständen des Streitfalls die Prüferbesprechung unter diesem Gesichtspunkt gegen § 24 [X.] verstößt. Aus der maßgeblichen Sicht des [X.] kam es auf diesen Umstand nicht an. Im Übrigen handelt es sich bei einer "Erstgutachterbesprechung" um einen allgemeinen Meinungs- und Erfahrungsaustausch, der das Prüferermessen nicht in unzulässiger Weise einschränkt. Daran kann der Umstand nichts ändern, dass Vertreter von Ministerien oder der zuständigen Steuerberaterkammer an solchen Besprechungen teilnehmen, die nicht zu Prüfern bestellt worden sind. Denn es geht in diesen Besprechungen nicht um die Bewertung einzelner Prüfungsleistungen bestimmter Kandidaten. Auch ist der [X.] kein Verbot zu entnehmen, nach dem es den für die fachliche Bewertung der Klausuren und den für die Organisation der Steuerberaterprüfung Verantwortlichen verwehrt sein soll, sich in allgemeiner Form über Probleme im Zusammenhang mit der Abnahme solcher Prüfungen auszutauschen. Auch im Interesse der Prüfungsteilnehmer erscheint es vielmehr sinnvoll, dass alle Beteiligten im Rahmen einer gemeinsamen Besprechung über organisatorische bzw. praktische Schwierigkeiten informiert werden, so dass sie gemeinsam über Maßnahmen zur Verbesserung der [X.] und der Verfahrensabläufe beraten können.

8

b) Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist ein Revisionsverfahren auch nicht deshalb geboten, weil "Erstgutachterbesprechungen" in den einzelnen Bundesländern in unterschiedlicher Weise abgehalten werden und weil "feste Grenzen" für die Zulässigkeit solcher Besprechungen zu schaffen sind. Der [X.] hat keine einheitlichen Regeln für solche Prüfertreffen aufzustellen, sondern lediglich zu entscheiden, ob derartige Treffen und Besprechungen nach den Prüfungsvorschriften unzulässig sind ([X.]-Beschluss vom 14. Januar 2013 VII B 110/12, nicht veröffentlicht). Im Streitfall ist dies nach den vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht der Fall.

9

c) Der Frage, welchen Anforderungen die Einwendungen des Prüflings gegen schriftliche Bewertungen genügen müssen, kommt deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nur aufgrund der Art und der Bewertung der jeweils betroffenen [X.] beantwortet werden kann und somit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist. Soweit die Klägerin rügt, das [X.] habe die Ausführungen des Gutachters verkannt und die konkreten Einwendungen nicht zum Anlass genommen, jeden einzelnen der in den Gutachten gerügten Prüfungspunkte einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, greift sie mit ihrem Vorbringen die Tatsachenwürdigung des [X.] an und macht lediglich materielle Mängel der Entscheidung geltend. Gründe i.S. des § 115 Abs. 2 [X.]O für die Zulassung der Revision werden damit nicht dargelegt.

2. Zu den hilfsweise geltend gemachten Zulassungsgründen der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O) fehlen substantiierte Darlegungen. Der bloße Hinweis auf die als klärungsbedürftig erachteten Rechtsfragen und auf eine mögliche unterschiedliche Entscheidungspraxis der Instanzgerichte reicht zur schlüssigen Darlegung der genannten Zulassungsgründe nicht aus.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII B 129/13

08.07.2014

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 29. April 2013, Az: 13 K 2394/11, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 24 Abs 2 S 1 StBDV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.07.2014, Az. VII B 129/13 (REWIS RS 2014, 4237)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4237

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII B 15/12 (Bundesfinanzhof)

Steuerberaterprüfung: Zulässigkeit einer sog. "Erstgutachterbesprechung" - Entscheidungserheblichkeit eines Beweisantrages


VII R 15/21 (Bundesfinanzhof)

Unzulässigkeit einer gemeinsam abgestimmten Überdenkung durch mehrere Prüfer im Überdenkungsverfahren


VII R 10/20 (Bundesfinanzhof)

Anonymitätsgrundsatz und Überdenkungsverfahren in der schriftlichen Steuerberaterprüfung


VII R 24/22 (Bundesfinanzhof)

Anonymitätsgrundsatz und Überdenkungsverfahren in der Steuerberaterprüfung


4 K 743/13 (FG München)

(Verfahrensrechtliche Besonderheiten im Verlauf des mündlichen Teils der Steuerberaterprüfung - Ausschluss der Öffentlichkeit während der …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.