Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2013, Az. III ZR 339/12

III. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4433

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 339/12

Verkündet am:

4. Juli 2013

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche
Verhandlung vom
4. Juli 2013
durch den Vizepräsidenten [X.] sowie [X.]
[X.], [X.], [X.] und Seiters

für Recht erkannt:

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 9.
Zivilsenats des [X.]s vom 21.
September
2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom beklagten Land eine Entschädigung wegen des nach seiner Ansicht menschenunwürdigen Vollzugs der Strafhaft in der Teilan-stalt I der
[X.]anstalt T.

. Er war dort im Zeitraum vom 27.
Januar 2011
bis zum 7.
März
2011
in einem Einzelhaftraum mit einer räumlich nicht abgetrennten Toilette und einer Fläche von etwa 5,3
qm untergebracht. Das [X.] hat den Beklagten -
unter
Abweisung der weitergehenden Klage
-
zur Zahlung von 1.320

g-ten hat das [X.] unter Abänderung der erstinstanzlichen Entschei-dung und unter Zurückweisung der Berufung des [X.] die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Re-vision des [X.].
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-

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-

Entscheidungsgründe

I.

Nach Auffassung des
Berufungsgerichts
steht dem Kläger gegen den Beklagten weder ein Amtshaftungsanspruch aus §
839 Abs.
1 Satz
1
[X.], Art.
34 Satz
1 GG noch ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsan-spruch nach Art.
5 Abs.
5 [X.] zu.

Zwar habe der Beklagte die vom Kläger zu verbüßende Strafhaft [X.] unter Verletzung von Amtspflichten vollzogen. Die Haftbedingungen, über
die sich der Senat
anlässlich einer Ortsbesichtigung
in der inzwischen nicht mehr belegten [X.] der JVA T.

informiert habe, seien einem Häftling, wie vom [X.] in
der eine baugleiche Einzelzelle be-treffenden Entscheidung vom 3.
November 2009 ([X.], 374) festgestellt worden sei, nur für eine Übergangszeit -
diese bemesse der Senat mit einem Monat (bis 26. Februar 2011) -
zumutbar; darüber hinausgehend stellten sie
einen Eingriff
in das Recht auf Achtung der Menschenwürde dar. Ein diesbe-züglicher Amtshaftungsanspruch sei aber nach
§
839 Abs.
3 [X.] ausgeschlos-sen. Der Beklagte habe keinen [X.] gemäß §
108 Abs.
1 [X.] gestellt. Dies sei schuldhaft gewesen. Ein solcher [X.] hätte auch Erfolg gehabt, da der Kläger -
wie zur Überzeugung des Senats
feststehe
-
bei einem entsprechenden Antrag an die Anstaltsleitung sofort in einen größeren Haftraum verlegt worden wäre.

Art. 5 Abs. 5 [X.] sei nicht einschlägig. Die Garantie des Art. 5 [X.] beziehe sich nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitä-ten der Haft. Die streitgegenständlichen Haftbedingungen führten nicht zur 2
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-

4

-

Rechtswidrigkeit des mit der Vollstreckung der Strafhaft einhergehenden [X.].

II.

Die zulässige Revision ist unbegründet.

1.
Der im Bereich des [X.] tätige Hoheitsträger verletzt Amts-pflichten im Sinne von §
839 Abs.
1 Satz
1 [X.], wenn er die rechtmäßig ver-hängte Strafhaft unter Bedingungen vollzieht, die einen Eingriff in das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde nach Art.
1 Abs.
1 GG
-
oder auch, wie hier, nach Art. 6 der [X.] -
darstellen (vgl. nur [X.], [X.], 83; NJW-RR 2011, 1043 Rn.
29; Senat, Urteil vom 1.
Oktober 2009 -
III
ZR 18/09, [X.], 301 Rn.
11). Ob der Vollzug der Strafhaft als menschenunwürdig anzusehen ist, lässt sich dabei nicht abstrakt-generell klären; vielmehr bedarf es jeweils einer Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls (vgl. nur Senat, Beschluss vom 21. Dezember 2005 -
III ZR 33/05, [X.], 1289; Urteil vom 11.
März 2010 -
III
ZR 124/09, NJW-RR 2010, 1465 Rn.
7; VerfGH
Berlin, [X.], 374 f). Als erhebliche Umstände kommen insbesondere die Anzahl der in einem Haftraum [X.] Gefangenen, die
Größe der zur Verfügung stehenden [X.], die Ausgestaltung der sanitären Anlagen im Haftraum, die Gesamtdauer der Unterbringung sowie die täglichen Einschlusszeiten in Betracht (vgl. nur [X.], NJW-RR 2011, 1043 Rn.
30; [X.] aaO S.
375).
Die diesbe-zügliche tatrichterliche Würdigung unterliegt dabei nur einer beschränkten revi-sionsrechtlichen Überprüfung (vgl. nur Senat, Beschluss vom 21. Dezember 2005
aaO).

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-

Das Berufungsgericht ist im Wege der gebotenen Gesamtschau davon ausgegangen,
dass die Haftbedingungen für den Kläger nicht von Anfang an, sondern erst nach Ablauf eines Zeitraums von einem Monat (ab 27. Februar 2011) unzumutbar gewesen seien. Rechtsfehler dieser Bewertung werden mit der Revision nicht geltend gemacht und sind auch
nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger in seiner Revisionsbegründung unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 18.
Mai 2012 rügt, die Instanzgerichte hätten bei der [X.] nicht zusätzlich noch seinen Vortrag, die Zelle sei nicht ausreichend beheizt gewesen, wodurch seine [X.] ebenfalls verletzt worden sei, berücksichtigt und insoweit -
statt Beweis zu erheben
-
diese
Darstellung als nicht ausreichend substantiiert zurückgewiesen, hat der Senat das Vorliegen eines Verfahrensfehlers geprüft. Er hält die Verfah-rensrüge aber nicht für durchgreifend. Von einer näheren Begründung wird nach §
564 Satz
1 ZPO abgesehen.

2.
Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht
zu der Auffassung gelangt, dass für den festgestellten
Zeitraum menschenrechtswidriger Unterbringung ein Ersatzanspruch des [X.] nach §
839 Abs.
3 [X.] ausgeschlossen ist.

Nach dieser Bestimmung tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Ver-letzte fahrlässig oder vorsätzlich unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Rechtsmittel sind dabei alle Rechtsbehelfe im weitesten Sinne, die der Betroffene gegen das schädigende Verhalten des Amtsträgers ergreifen konnte. Sie müssen darauf abzielen und geeignet sein, das schädigende Verhalten des Amtsträgers zu beseitigen oder zu berichtigen und dadurch die Entstehung eines Schadens zu verhindern oder abzumildern (vgl. nur Senat, Urteile vom 20.
Februar 2003 -
III
ZR 224/01, [X.], 1308, 7
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1312, insoweit in [X.], 54 nicht abgedruckt, und vom 8.
Januar 2004
-
III
ZR 39/03, NJW-RR 2004, 706, 707; siehe auch [X.]/[X.],
[X.], Neubearbeitung 2013, § 839
Rn. 337 f mwN). Hierzu gehört auch ein Ver-legungsantrag an den Anstaltsleiter im Rahmen des §
108 Abs.
1 [X.].

Am Verschulden fehlt es dann, wenn die Erfolgsaussicht des Rechtsmit-tels so gering oder so zweifelhaft ist, dass dem Verletzten dessen Gebrauch nicht zugemutet werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 20.
Februar 2003 aaO S.
1313; Beschluss vom 29. Januar 2009 -
[X.], juris Rn. 2; Urteil vom 11. März 2010 -
III ZR 124/09, NJW-RR 2010, 1465 Rn. 16; siehe auch [X.]/[X.] aaO Rn. 347 mwN). Ob dies der Fall ist, obliegt der Bewer-tung des Tatrichters, die revisionsrechtlich nur eingeschränkt darauf überprüf-bar ist, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk-
oder Erfahrungssätze gewürdigt worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Januar 2009 aaO Rn. 3, 5;
Urteil vom 11. März 2010 aaO).

Auch unter Berücksichtigung der Revisionsbegründung lässt die Sach-verhaltsbewertung
des Berufungsgerichts keine nach diesem Prüfungsmaßstab bedeutsamen Rechtsfehler erkennen.

Das Berufungsgericht hat sich mit dem von der Revision angesproche-nen Vortrag des [X.] zu der Auskunft des "zuständigen Stationsbeamten"
befasst,
jedoch die Auffassung vertreten und näher begründet, dass es dem Kläger in dem hier fraglichen Zeitraum nach der Entscheidung des [X.] ungeachtet dessen zumutbar gewesen sei, einen Verle-gungsantrag bei der Anstaltsleitung zu stellen. Die Annahme, dass eine erfolg-lose Beschwerde über die Zelle beim Stationsbeamten einen [X.] an die für solche Entscheidungen zuständige Anstaltsleitung nicht erübrigt, liegt 11
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im Übrigen auf der Linie der Senatsrechtsprechung, wonach sich der [X.] regelmäßig nicht mit einem schwächeren und ineffektiveren "Rechtsmittel"
begnügen darf (vgl. bereits Urteil vom 21. März 1963 -
III ZR 8/62, [X.], 841, 842; siehe auch [X.]/[X.] aaO Rn. 344 a.E. mwN und Senat, Urteil vom 11. März 2010 aaO Rn. 16).
Dass das [X.], auf dessen Ent-scheidung der Kläger insoweit verweist, bei seiner tatrichterlichen Würdigung dies anders gesehen hat, besagt für das Vorliegen eines Rechtsfehlers nichts;
gleiches gilt für die in der Revisionsbegründung in Bezug genommenen Be-schlüsse des Senats vom 29. Januar und 12. März 2009 (beide [X.], juris), in denen der Senat eine auf menschenrechtswidrige Haftbedingungen in einer [X.]anstalt
in S.

bezogene
tatrichterliche Wür-digung des dortigen Berufungsgerichts zu gerichtlichen Rechtschutzmöglichkei-ten nach §§ 109, 114 Abs. 2 Satz 2 [X.] revisionsrechtlich nicht bean-standet hat.

Ergänzend verweist der Senat darauf, dass der Kläger ausweislich der von ihm am 14. Februar 2011 "wegen Strafvollzug"
erteilten Vollmacht anwalt-lich vertreten war; darüber hinaus hatte der Kläger ausweislich des Inhalts [X.] damals Kontakt zu seiner vormaligen Verteidigerin. So-weit das Berufungsgericht dem Kläger, falls ihm die Möglichkeit eines [X.] an die Anstaltsleitung unbekannt gewesen sei (dies wird mit der Revisionsbegründung allerdings nicht einmal vorgetragen), trotzdem Fahrläs-sigkeit angelastet hat, da insoweit eine Erkundigungspflicht durch Nachfrage bei fachkundigen Mitarbeitern der Anstalt (Sozialarbeiter,
Betreuungspersonal) [X.] habe und der Kläger notfalls auch die Hilfe eines Rechtsanwalts hätte in Anspruch nehmen müssen, wobei er dann auch auf die Entscheidung des [X.] hingewiesen worden wäre, ist dem nichts hin-zuzufügen.
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Die tatrichterliche und ausführlich begründete Annahme des Berufungs-gerichts, der Kläger wäre im Fall eines Antrags nach § 108 [X.] sofort in einen größeren Haftraum verlegt worden, wird mit der Revision schon nicht substantiiert in Frage gestellt. Der bloße Hinweis auf die gegenteilige Wertung des [X.]s ist schon deshalb unbehelflich, weil das Berufungsgericht maßgeblich auf den Inhalt der Berufungsbegründung des Beklagten und die dort aufgeführten Beispielsfälle abgestellt hat, in denen Abhilfe geschaffen wur-de. Dass es in diesem Zusammenhang unerheblich ist, ob die Anstaltsleitung seinerzeit in der Lage gewesen wäre, alle in
der [X.] der JVA T.

un-ter vergleichbaren Bedingungen Inhaftierten anderweitig unterzubringen, ent-spricht der Senatsrechtsprechung (vgl. Urteil vom 11. März 2010 aaO Rn.
14).

Hat ein Verletzter es aber auch nur fahrlässig versäumt, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, führt dies -
anders als bei §
254 [X.] -
ohne Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge zum vollständigen Haftungsausschluss nach § 839 Abs. 3 [X.]. Der Einwand des [X.], angesichts des seiner Meinung nach "vorsätzlichen"
Verhaltens des Beklagten verstoße der Einwand des Mitverschuldens gegen § 242 [X.], geht vor diesem Hintergrund ins Leere, abgesehen davon, dass nach Auffassung des Senats von einem treuwidrigen Verhalten auch keine Rede sein kann.

3.
Zutreffend hat das Berufungsgericht auch einen verschuldensunabhän-gigen Entschädigungsanspruch nach Art.
5 Abs.
5 [X.] verneint.

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Nach Art.
5 Abs.
5 [X.] hat jede Person einen Anspruch auf [X.], die unter Verletzung dieses Artikels
von Festnahme und Freiheits-entziehung betroffen ist. In den vorstehenden Absätzen werden die Vorausset-zungen näher beschrieben, unter denen die Freiheit entzogen werden darf.

a) Art.
5 Abs.
5 [X.] gewährt dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsbeschränkungen durch die öffentliche Hand (vgl. nur Senat, Urteil vom 10. Januar 1966 -
III
ZR 70/64, [X.], 46, 49 ff), der vom Verschulden der handelnden Amtsträger [X.] ist (vgl. nur Senat, Urteil vom 31. Januar 1966 -
III
ZR 118/64, [X.], 58, 65
ff) und auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasst (vgl. nur Senat, Urteil vom 29. April 1993 -
III
ZR 3/92, [X.], 268, 279 ff). Dabei ist bei innerstaatlicher Rechtswidrigkeit der Inhaftierung der Freiheitsentzug auch dann (mittelbar) konventionswidrig, wenn die Anforderungen der Konvention an die Voraussetzungen, unter denen (Untersuchungs-)Haft angeordnet werden kann, geringer sind als die der [X.] Strafprozessordnung (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juli 1971

[X.], [X.], 33, 38; Urteil vom 29. April 1993 aaO [X.]).

b) Ob bei Haftbedingungen, die gegen die Menschenwürde verstoßen, ein Schadensersatzanspruch nach Art.
5 Abs.
5 [X.] gegeben ist, ist in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung umstritten (bejahend etwa [X.], [X.], 2463
f, NJW-RR 2004, 380, 381; KG,
[X.], 813; [X.], Beschluss vom 21. Januar 2011 -
4 [X.], nv. Abdruck S. 4; wohl auch [X.], NJW 2005, 514, 515; [X.], Beschluss vom 11. Mai 2009 -
1
O 343/08, juris Rn.
5; verneinend etwa [X.], Beschluss vom 30. Januar 2006 -
2
W 25/05, juris Rn.
10; [X.], Beschluss vom 13.
Juni 2008 -
11
W 78/07, juris Rn.
26).
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-

Die Frage ist zu verneinen. Die Garantie des Art.
5 [X.] bezieht sich grundsätzlich nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitä-ten des Vollzugs der Haft; daher ergeben sich aus ihr keine Rechte von in Haft befindlichen Personen in Bezug auf ihre Behandlung in der Haft (vgl. Senat, Urteil vom 29. April 1993 aaO [X.]). Dementsprechend wird in der Recht-sprechung des [X.] (im Folgenden: [X.]; vgl. nur Urteile vom 15. Juli 2002, [X.]. 47095/99, NVwZ 2005, 303
f, vom 12. Juli 2007 aaO und vom 21.
Januar 2011, [X.]. 30696/09, [X.], 243 ff; vgl. auch die Nachweise im Senatsurteil vom 4.
November 2004 -
III ZR 361/03, [X.], 33, 37) im Zusammenhang mit der Frage menschenrechtswidriger Haftbedingungen nicht auf Art.
5, sondern auf Art.
3 [X.] abgestellt (siehe auch [X.] in Löwe/[X.], aaO Art.
3 Rn.
78 ff, 86 ff, Art.
5 Rn.
3; [X.]/[X.], [X.], 3.
Aufl., Art.
3 Rn.
12, Art.
5 Rn.
9; [X.]/[X.], aaO Art.
3 Rn.
12, Art.
5 Rn.
12; [X.] aaO Art.
3 Rn.
29, 31). Art.
3 [X.] enthält aber -
anders als Art.
5 [X.] im Absatz
5
-
keine unmittelbare Schadensersatzregelung. Vielmehr richten sich die Rechtsfolgen im Falle eines Verstoßes zunächst nach [X.] Recht, in [X.] also nach §§ 839, 249 ff [X.]. Erst und nur dann, wenn das innerstaatliche Recht lediglich eine unvollkommene Wiedergutma-chung für die Folgen einer Konventionsverletzung gewährt -
was für [X.] schon deshalb ausscheidet, weil die Anforderungen an eine menschen-würdige Unterbringung von Strafgefangenen nach Maßgabe des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG höher sind als die Anforderungen nach Art. 3 [X.] im Lichte der Rechtsprechung des [X.] -, kommt eine gerechte Entschädigung nach Maß-

21
-

11

-

gabe des Art. 41 [X.] in Betracht, für deren Ausspruch ausschließlich der [X.] im Verfahren einer Individualbeschwerde zuständig ist.

Zu Unrecht beruft sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf das [X.] vom 29. April 1993 (aaO [X.]). Diesem lag ein Fall zugrunde, in dem die im Vollzug -
einschließlich der Unterbringung in einem Anstalts-
oder in einem externen Krankenhaus
-
zur Verfügung stehenden ärztlichen [X.] nicht ausreichten, um von der Haft ausgehende schwerwie-gende Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahren für den Häftling abzuwenden. Insoweit ging es um die persönliche Vollzugstauglichkeit als Vor-aussetzung für die Rechtmäßigkeit der Haft. Solange die vorhandenen [X.] genügten, blieb die Haft rechtmäßig; soweit dies nicht (mehr) der Fall war und der Geschädigte bei rechtmäßigem Verhalten der zuständigen Amtsträger vom weiteren Haftvollzug hätte verschont werden müssen, war die [X.] der Haft selbst betroffen. In einem solchen Ausnahmefall stellen die Umstände des Vollzugs auch die Rechtmäßigkeit der Haft
im Sinne von Art.
5 [X.] in Frage. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier nicht vor.

Zwar muss -
wie der Senat in seinem Urteil vom 11. März 2010 (III
ZR 124/09, NJW-RR 2010, 1465 Rn.
15) entschieden hat -
dann, wenn die [X.] in einer Zelle menschenunwürdig sind und die Vollzugsanstalt auch unter Berücksichtigung aller ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (ein-schließlich der Verlegung in eine andere Haftanstalt, gegebenenfalls auch in einem anderen Bundesland; vgl. zur Verlegung auch [X.], Beschluss vom 13. November 2007 -
2 BvR 2201/05, juris Rn. 13; [X.], 83) die Haftsi-tuation nicht ändern kann, notfalls die Strafvollstreckung unterbrochen werden.

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Die Aufrechterhaltung eines gegen Art.
1 Abs.
1 GG verstoßenden Zustands ist verboten. Eine Abwägung der unantastbaren Menschenwürde mit anderen
-
selbst verfassungsrechtlichen
-
Belangen ist nicht möglich (vgl. [X.], [X.], 1580, 1581 Rn.
18). Die Vollzugsanstalt hat deshalb in letzter Konse-quenz den Strafvollzug zu unterbrechen, wenn und solange eine weitere Unter-bringung nur unter menschenunwürdigen Bedingungen in Betracht kommt (vgl. auch [X.], NJW-RR 2011, 1043 Rn. 49). Auch in einem solchen Fall -
für dessen Vorliegen
hier allerdings nichts ersichtlich ist -
wird
jedoch der Anwen-dungsbereich des Art. 5 [X.] nicht berührt. Denn nach der Systematik der Konvention und der Rechtsprechung des [X.] werden unzumutbare [X.] ausschließlich von Art. 3 [X.] erfasst.

Da mithin bereits dem Grunde nach kein Anspruch aus Art.
5 Abs.
5 [X.] gegeben ist, kann dahinstehen, ob §
839 Abs.
3 [X.] oder §
254 [X.]
-
der ebenfalls gebieten kann, einen belastenden hoheitlichen Akt durch geeig-nete Rechtsbehelfe abzuwehren (vgl. nur Senat, Urteil vom 26. Januar 1984 -
III
ZR 216/82, [X.], 17, 31 ff) -
auf einen Anspruch aus Art.
5 [X.] an-wendbar sind (bejahend etwa [X.], NJW 2005, 514, 515; Beschluss vom 30. Januar 2006, aaO Rn.
11; [X.],
[X.], 1986, 1987; [X.] aaO; [X.] in [X.]/[X.], Internationaler Kommentar zur [X.], Art.
5 Rn.
330; offen gelassen im Senatsurteil vom 29. April 1993 aaO [X.]; verneinend für unterlassene Rechtsbehelfe nach §
2 Abs.
2

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13

-

des
österreichischen Amtshaftungsgesetzes: [X.], Urteil vom 15. November 1989 -
1
Ob 43/89, S.
4).

[X.]
[X.]

[X.]

[X.]
Seiters
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.05.2012 -
86 [X.]/11 -

KG Berlin, Entscheidung vom 21.09.2012 -
9 [X.] -

Meta

III ZR 339/12

04.07.2013

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2013, Az. III ZR 339/12 (REWIS RS 2013, 4433)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4433

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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