Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.07.2007, Az. 2 StR 209/07

2. Strafsenat | REWIS RS 2007, 2672

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 [X.] vom 25. Juli 2007 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 25. Juli 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] Dr. [X.], [X.] am [X.] [X.], [X.] am [X.] [X.], [X.]in am [X.] Roggenbuck, [X.] am [X.] Dr. Appl, Staatsanwalt als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das [X.]eil des Land-gerichts [X.] vom 9. November 2006 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen wurde. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an ei-ne andere [X.] des [X.]s [X.] zurückverwie-sen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in vier Fäl-len, wegen Bedrohung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vor-sätzlicher Körperverletzung und wegen Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung - jeweils zum Nachteil der Nebenklägerin [X.] - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verur-teilt und die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungs-verwahrung abgelehnt. Von dem Vorwurf dreier weiterer Vergewaltigungen - zum Nachteil der Nebenklägerin [X.]
- hat das [X.] den Angeklagten freigesprochen, weil es nicht ausschließen konnte, dass die Zeugin in die sexu-ellen Übergriffe des Angeklagten wirksam eingewilligt hatte. 1 - 4 - Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die [X.] der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beschränkt. Sie hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Entscheidung des [X.]s, die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abzulehnen, weil ein Hang des [X.] zur Begehung strafbarer sadistischer sexueller Handlungen nicht si-cher festzustellen sei, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. 2 1. a) Der Angeklagte hatte die Geschädigte [X.] Mitte des Jahres 2005 über das [X.] kennen gelernt. Die Zeugin offenbarte dem Angeklagten, [X.] Opfer einer Vergewaltigung geworden zu sein und war froh, in ihm einen verständnisvollen Gesprächspartner gefunden zu haben. Ab Ende September 2005 änderte sich das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Zeugin. Er wurde zunehmend einschüchternder und ängstigte sie. Die zur Aburteilung [X.] Taten fanden zwischen Ende Oktober und Ende Dezember 2005 statt. Der Angeklagte schuf ein [X.]ima der Gewalt und zwang die Geschädigte unter Ausnutzung desselben zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs, zur [X.] sadistischer Praktiken, zwang sie zur Eheschließung mit ihm und [X.] sie mit dem Tode. 3 b) Die [X.] hat die Anordnung der Unterbringung in der Siche-rungsverwahrung abgelehnt, weil "die Voraussetzungen für einen Hang zu [X.] Straftaten im Sinne der Norm aus juristischer Sicht" nicht vorlägen. Zwar ergebe die allgemeine Gefahrenprognose eine hohe Rückfallgefahr vor dem Hintergrund, dass bei dem Angeklagten die Manifestation eines ausge-prägten Sadismus und eine dissoziale Persönlichkeitsstörung zu konstatieren seien. Ein Hang im Sinne des § 66 StGB sei aber, obwohl der Sachverständige aus medizinisch-psychiatrischer Sicht die [X.] bejaht habe, zu ver-neinen. Die Praktizierung sadistischer sexueller Handlungen mit einwilligenden Partnern - wie der Zeugin [X.] - erfülle keinen Straftatbestand. Für eine sichere 4 - 5 - Feststellung, dass der Angeklagte ein eingeschliffenes Verhaltensmuster zur Begehung strafbarer sadistischer sexueller Handlungen - also einen gegenwär-tigen Zustand - entwickelt hat - reichten der hier zur Beurteilung gestellte Zeit-raum von wenigen Monaten und die in diesem Zeitraum begangenen [X.] zum Nachteil einer einzigen und in enger Beziehung zu ihm lebenden [X.] nicht aus. Der Angeklagte habe sich in anderen Beziehungen zu Frauen im sexuellen Bereich nicht über deren Willen hinweggesetzt. 2. Die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsver-wahrung nach § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB ergeben sich aus dem [X.] [X.]eil, so dass es darauf ankommt, ob auch die materiellen Anord-nungsvoraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB gegeben sind. 5 3. Die Begründung, mit der das [X.] einen "Hang zu erheblichen Straftaten" im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB bei dem Angeklagten verneint hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil sie [X.] und Lücken aufweist. 6 a) Das Merkmal des Hangs verlangt einen eingeschliffenen inneren Zu-stand des [X.], der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. [X.] ist danach derjenige, der dauernd zu Straftaten entschlossen ist, oder der aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung, deren Ursache unerheblich ist, immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet (vgl. [X.], 265 f.; [X.]R StGB § 66 Abs. 1 Hang 1; [X.], [X.]. vom 20. Februar 2002 - 2 StR 486/01; jeweils m.w.N.). Das Vorliegen eines solchen Hanges hat der Tatrichter unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des [X.] und seiner Taten maßgebenden Umstände darzule-gen ([X.], 265; [X.]R StGB § 66 Abs. 1 Hang 8). 7 - 6 - b) Als [X.] ist es danach anzusehen, dass das [X.] bei der Verneinung eines Hangs den Umstand heranzieht, dass die zur [X.] führenden [X.] lediglich zum Nachteil einer einzelnen Person begangen wurden. Der Hang im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt nicht voraus, dass Straftaten zum Nachteil einer Mehrzahl von [X.] begangen wurden. Der Hang zur Begehung erheblicher Straftaten kann sich auch in meh-reren und wiederholten Straftaten gegen ein und dasselbe Tatopfer manifestie-ren. 8 Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet es auch, den bloßen Umstand, dass zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten eine enge persönliche Beziehung bestand, ohne nähere Begründung als Argument für das Fehlen eines Hangs heranzuziehen (vgl. [X.]R StGB § 66 Abs. 1 Hang 11). Insoweit bleibt schon außer Betracht, dass der Angeklagte die Nebenklägerin nur mit massiven Drohungen dazu gebracht hat, ihn zu heiraten und bei ihm zu bleiben und dass die enge Beziehung wesentlich durch das von dem Angeklag-ten herbeigeführte [X.]ima der Angst und Gewalt aufrechterhalten wurde. 9 Bedenklich ist ferner die Erwägung der [X.], dass der kurze Tatzeitraum (Ende Oktober bis Ende Dezember 2005) die Feststellung eines Hangs zur Begehung erheblicher Straftaten nicht zulasse. Dass die [X.] innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums begangen wurden, schließt das Bestehen eines Hangs nicht aus. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt keinen bestimmten zeitlichen Mindestabstand zwischen den [X.]. Vielmehr können gerade auch rasch aufeinanderfolgende Taten in ihrer Häufung Aus-druck eines eingeschliffenen inneren Zustands des [X.] sein, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Zudem können auch rasch [X.] Taten, die aufgrund eines einheitlichen Entschlusses begangen [X.], die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB 10 - 7 - erfüllen (vgl. [X.] NStZ 2002, 313 - mehrere Straftaten an einem Tag; [X.] NStZ 1989, 67 - mehrere Straftaten innerhalb einer Stunde). Es wäre wider-sprüchlich, wollte man derartige Begehungsmodalitäten für die Erfüllung der formellen Voraussetzungen ausreichen lassen, gleichzeitig aber zwingend die materiellen Voraussetzungen verneinen. Dies schließt allerdings nicht aus, dass bei rasch aufeinanderfolgenden Taten, die sich an der Grenze zur [X.] bewegen, dieser Umstand besonders beachtet werden muss. c) Die von der [X.] vorgenommene Gesamtwürdigung des [X.] und seiner Taten ist zudem lückenhaft. 11 Das [X.] stellt nach den bisher getroffenen Feststellungen bei der Würdigung des bisherigen Verhaltens des Angeklagten unzulässig einengend auf sexuelle Gewalt ab. Nicht berücksichtigt wird dagegen, dass es auch in an-deren Beziehungen des Angeklagten zu erheblichen Gewaltausbrüchen ge-kommen ist. Die Nebenklägerin [X.] hat er mit einem Hammer in den Bauch ge-schlagen ([X.]). Als die Gewalttätigkeiten und Bedrohungen des aus der Strafhaft entwichenen Angeklagten im [X.] 2002 zunahmen und die Neben-klägerin die Gewaltausbrüche des Angeklagten nicht mehr ertragen konnte, informierte sie die Polizei von seinem Aufenthaltsort, so dass er festgenommen wurde. Nach einer körperlichen Attacke und Auseinandersetzung im Juli 2004, die zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Körperverletzung führte, flüchtete die Nebenklägerin vorübergehend in ein Frauenhaus. Nachdem der Angeklagte im Oktober 2004 in einem Streit vor Wut einen schweren Tesafilm-roller nach ihr geworfen und dieser nur knapp den Kopf der gemeinsamen ein-jährigen Tochter verfehlt hatte, beendete die Nebenklägerin [X.] die Beziehung zu dem Angeklagten ([X.]). Auch gegenüber der Zeugin [X.]. , mit der der Angeklagte vom [X.] 2004 bis zum [X.] 2005 eine Beziehung un-terhielt, wurde er gewalttätig. Er trat sie derart, dass sie gegen einen Schrank 12 - 8 - fiel und ließ erst von ihr ab, als ihre Eltern eingriffen ([X.]). Auch diese Verhaltensweisen hätten bei der Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten berücksichtigt werden müssen. Denn der Hang als "eingeschliffenes Verhal-tensmuster" bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrach-tung festgestellten Zustand ([X.]St 50, 188, 196), so dass das gesamte Verhal-ten des [X.] in der Vergangenheit berücksichtigt werden muss. Deshalb ist auch zu besorgen, dass das [X.] von einer unvollständigen [X.] ausgeht, weil es sich bei seiner Prüfung des Hangs zu sehr "auf den zur Beurteilung gestellten Zeitraum von wenigen Monaten und die in [X.] Zeitraum begangenen [X.]" stützt und dem Verlauf der früheren Beziehungen des Angeklagten danach keine genügende Beachtung schenkt. Die [X.] hätte insoweit erörtern müssen, ob der Umstand, dass der Angeklagte sich nicht über den Willen der Zeugin [X.]. hinweggesetzt hat, möglicherweise allein darauf beruht, dass er bei ihr nur wegen der [X.] Einwilligung in sadistische Sexualpraktiken nicht zu deren gewaltsamer Durchsetzung - wie bei der Geschädigten - gezwungen war. Insbesondere fehlt in diesem Zusammenhang auch eine nähere Erörterung des Verlaufs der Be-ziehung zur Zeugin [X.] . Sie hat angegeben, sie habe zu Beginn der Beziehung einzelne von dem Angeklagten bevorzugte Praktiken, wie den Einsatz eines Messers und von Hosenträgern ausdrücklich abgelehnt, sich dann aber nicht mehr gegen sie gewehrt und diese - aus Resignation - über sich ergehen [X.] ([X.] f.). d) Schließlich lässt die vom [X.] eingehaltene Prüfungsreihenfol-ge besorgen, dass es das Verhältnis von Hang und Gefährlichkeitsprognose verkannt hat. Der Hang ist ein wesentliches Kriterium der Gefährlichkeitsprog-nose ([X.] aaO). Das [X.] hat sich jedoch der erheblich ungünstigen Gefährlichkeitsprognose des Sachverständigen angeschlossen, gleichwohl an-schließend einen Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Straftaten 13 - 9 - verneint. Damit ist auch die Gefährlichkeitsprognose fehlerhaft, dass der Täter infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist. e) Das [X.]eil beruht auf den Fehlern der Gesamtwürdigung des Landge-richts. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die [X.] bei lückenlo-ser Würdigung zu der Bejahung eines Hangs und dann - bei pflichtgemäßer Ausübung des ihr zustehenden Ermessens - auch zur Bejahung der Vorausset-zungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 2 StGB gelangt wäre. 14 [X.] Bode [X.] Roggenbuck Appl

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2 StR 209/07

25.07.2007

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.07.2007, Az. 2 StR 209/07 (REWIS RS 2007, 2672)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 2672

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