Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2011, Az. 4 StR 500/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 661

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil
4 StR 500/11
vom
8. Dezember
2011
in der Strafsache
gegen

wegen gewerbsmäßiger
[X.]ei

-
2
-
Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 8. Dezember 2011, an der teilgenommen
haben:

[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],

[X.] am Bundesgerichtshof
Cierniak,
[X.],
[X.],
Dr. [X.]

als [X.],

Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1.
Auf die Revision des Angeklagten
wird das Urteil des Landge-richts [X.]
vom 14. Juni 2011
mit den zugehörigen [X.] aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte in den Fällen II.
9 (Fallakte 491) und II.
10 (Fallakte 131) verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger [X.]ei in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Mona-ten verurteilt. Gegen dieses
Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revi-sion
und rügt die Verletzung materiellen Rechts; ferner erhebt er eine Verfah-rensrüge. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge den aus der Urteilsfor-mel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

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-
I.

Nach den Feststellungen kaufte der Angeklagte zwischen Dezember 2007 und Dezember 2008 von dem gesondert verfolgten

[X.]

so-wie von einer anderen, unbekannten Person zahlreiche hochwertige Elek-trowerkzeuge, wobei er wusste, dass diese zuvor gestohlen worden waren,
und verkaufte sie
nahezu vollständig an die ebenfalls gesondert verfolgten M.

und A.

V.

M.

V.

ist der Vater des A.

V.

weiter, um mit den auf diese Weise erlangten Gewinnen seinen Lebensunterhalt zu be-streiten.
In den Fällen II.
1 bis II.
8 der Urteilsgründe übernahm der Angeklagte die Elektrogeräte jeweils unmittelbar nach deren Entwendung von [X.]

, der den Angeklagten zum Zweck der Übergabe
regelmäßig nach vorheriger [X.] per [X.] an dessen Wohnort aufsuchte und nach der Übergabe un-verzüglich wieder zurückfuhr.
Der Angeklagte seinerseits informierte M.

und A.

V.

von zwei abwechselnd benutzten
Mobiltelefonen aus über die Preise für die zum Verkauf stehenden Geräte und stellte das Diebesgut nach telefonisch
erklärtem Einverständnis von M.

und A.

V.

in eine von diesem
gemietete Garage.
Dort holten M.

und A.

V.

die Geräte ab, nachdem sich der Angeklagte entfernt hatte. Das [X.] hat sich in den Fällen II.
1 bis II.
8 seine Überzeugung von der objektiven und subjektiven Tat-seite des [X.] in der Tatmodalität des Ankaufs auf der [X.] der weitgehend geständigen Angaben des als Zeugen vernommenen

[X.]

sowie der in die Hauptverhandlung eingeführten Verbindungsda-ten des von [X.]

zu den jeweiligen [X.] genutzten und ihm von dem Angeklagten zur Verfügung gestellten Mobiltelefons gestützt. Ferner hat es die
Protokolle der Überwachung beider
vom Angeklagten bei seinen [X.] mit M.

und A.

V.

verwendeten Mobiltelefone herangezogen. In den Fällen II.
9 und II.
10 sind
die jeweils von Unbekannten entwendeten, 2
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5
-
vom Angeklagten gekauften und an M.

und A.

V.

weiterverkauften Gegenstände in deren Garage sichergestellt
worden. M.

und A.

V.

haben, in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommen, diese Gegenstände
ihren
Geschäften mit dem Angeklagten zugeordnet.

II.

Die von dem Angeklagten erhobene Verfahrensrüge der Verletzung von § 52 Abs. 3 StPO, weil die in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten als Zeugen vernommenen
früheren Mitbeschuldigten M.

und A.

V.

nicht über das ihnen wegen des zwischen ihnen bestehenden [X.] wechselseitig als Angehörige eines früheren Mitbeschuldigten zustehende Zeugnisverweigerungsrecht
belehrt worden seien, greift durch, so-weit der Angeklagte in den Fällen II.
9 und II.
10 verurteilt worden ist. [X.] der Fälle II.
1 bis II.
8 bleibt ihr der Erfolg im Ergebnis versagt. Insoweit hat auch die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der
vom Angeklag-ten erhobenen
Sachrüge keinen Rechtsfehler zu dessen Nachteil ergeben.

1. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zu Grunde:

Ausgangspunkt des vorliegenden Strafverfahrens war ein von der Staatsanwaltschaft [X.] im Jahr 2008 wegen des Verdachts der ge-werbsmäßigen [X.]ei durch den Ankauf hochwertiger Elektrowerkzeuge ge-führtes Ermittlungsverfahren gegen
eine Tätergruppierung, der u. a. auch M.

und A.

V.

angehörten.
Aus der Überwachung der von beiden geführten Telefongespräche ergab sich gegen eine namentlich zunächst nicht identifizier-te Person, die für die Kontaktaufnahme zu M.

und A.

V.

zwei für nicht existierende Personen registrierte Mobilfunknummern
nutzte, der Ver-3
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-
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-
dacht, Lieferant für die gestohlenen Werkzeuge zu sein.
Im Fortgang der [X.] konnte durch gerichtlich angeordnete Observationsmaßnahmen festgestellt werden, dass es sich bei der unbekannten Person um den Ange-klagten handelte; das bei der Staatsanwaltschaft [X.] geführte Ermitt-lungsverfahren wurde auch auf ihn erstreckt. Im Dezember wurden M.

und A.

V.

festgenommen und belasteten den Angeklagten als Lieferanten der gestohlenen Gegenstände.

Mit Verfügung vom 28. Februar 2009 wurde das Ermittlungsverfahren, soweit es den Angeklagten betraf, vom Ursprungsverfahren abgetrennt und zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft [X.] abgegeben, die Anklage erhob. In der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten machten die als [X.] geladenen M.

und A.

V.
, deren Strafverfahren zu diesem Zeit-punkt noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, Angaben zur Sache, ohne zuvor gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO belehrt worden zu sein.

2. Mit Recht sieht die Revision in der unterbliebenen Belehrung einen Verstoß gegen § 52 Abs. 3 StPO. Die Belehrung des Zeugen M.

V.

und seines Sohnes A.

V.

über das ihnen wechselseitig zustehende Zeug-nisverweigerungsrecht gemäß
§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO als frühere Mitbeschul-digte des Angeklagten
ist rechtsfehlerhaft unterblieben.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] kann in einem Verfahren gegen mehrere Beschuldigte der Angehörige eines Beschul-digten im Hinblick auf die Zwangslage, in der er sich befindet, das Zeugnis in vollem Umfang verweigern, wenn die Aussage auch seinen Angehörigen be-trifft. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass in irgendeinem [X.], also auch im Ermittlungsverfahren, ein gegen die mehreren Beschul-6
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8
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7
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digten gerichtetes zusammenhängendes einheitliches Verfahren in Bezug auf dieselbe Tat im Sinne des historischen Geschehens anhängig war ([X.], Urteil vom 29. Juni 1983

2
StR 150/83, [X.]St 32, 25, 29; [X.], Urteil vom 23. Juli 1986

3 [X.], [X.]St 34, 138, 141). Für diesen Zusammenhang im Sinne einer prozessualen Gemeinsamkeit reicht die Gleichzeitigkeit der Ermitt-lungen im Sinne eines bloß faktisch gemeinsamen Vorgangs nicht aus. Sie kann nur durch eine ausdrückliche Willensentscheidung der Staatsanwaltschaft begründet werden ([X.], Urteil vom 4. November 1986 -
1 [X.], [X.]St 34, 215, 217;
[X.], Beschluss vom 4. Januar 1993

StB 18/92, [X.]R StPO §
52 Abs. 1 Nr. 3 [X.] 8).
Das
Zeugnisverweigerungsrecht erlischt grundsätzlich erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des gegen den Mitbe-schuldigten
gerichteten Verfahrens oder mit dessen Tod ([X.], Beschluss vom 30. April 2009

1 [X.], [X.]St 54, 1, 4
m.w.N.).
Diese Grundsätze [X.] auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, der als Zeuge vernommene Angehörige eines früheren Mitbeschuldigten damals ebenfalls [X.] war ([X.], Urteil vom 3. Juli 1979

1 [X.], [X.] 1979, 952).

b) Nach diesen Grundsätzen hätte im vorliegenden Fall eine Belehrung des M.

V.

und seines Sohnes A.

V.

über das [X.] nach § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO erfolgen müssen.

Durch das bei der Staatsanwaltschaft [X.] geführte Ermittlungsver-fahren bestand bis zur Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten die dafür erforderliche prozessuale Gemeinsamkeit. Denn die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren nach Bekanntwerden eines möglichen Abnehmers auch auf diesen erstreckt, indem sie Gerichtsbeschlüsse zur Überwachung des [X.] und zur Observation des Angeklagten erwirkte. Selbst wenn bis zu diesem Zeitpunkt die Ermittlungen gegen die Tätergruppe um M.

9
10
-
8
-
und A.

V.

sowie den Angeklagten lediglich faktisch parallel geführt worden sein sollten, ist spätestens in dieser Verfahrenshandlung die für die Gemeinsamkeit erforderliche ausdrückliche Willensentscheidung der [X.] zu sehen. Dass die Identität des Angeklagten erst im Zuge der weiteren Ermittlungen aufgedeckt werden konnte, ändert daran, wie die [X.] mit Recht hervorhebt, nichts, zumal die gegen den Angeklagten gerichteten Überwachungsmaßnahmen auch danach noch weitergeführt wurden.
Da die Belehrung unterblieben und dieser [X.] auch nicht anderweitig geheilt worden ist, bestand für die zeugenschaftlichen Angaben von M.

und A.

V.

ein Verwertungsverbot ([X.],
StPO,
54. Aufl.,
§
52 Rn.
32 m.w.N.).

c) Entgegen der Auffassung des [X.] beruht das Ur-teil auf diesem [X.] jedoch nicht (§ 337 StPO), soweit
der Ange-klagte in den Fällen II.
1 bis II.
8 verurteilt worden ist.

Der Senat kann vor dem
Hintergrund der in den Urteilsgründen
getroffe-nen Feststellungen und Wertungen sicher ausschließen, dass das [X.], hätten die Zeugen M.

und A.

V.

nach ordnungsgemäßer Belehrung gemäß § 52 Abs. 3 StPO von ihrem nach § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO bestehenden Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, in diesen Fällen zu einer dem Angeklagten günstigeren Bewertung des Beweisergebnisses
gekommen wäre.

Die vom [X.] angenommene Tatmodalität des [X.] im Sinne des § 259 Abs. 1 StGB setzt in objektiver Hinsicht das Einvernehmen
zwischen Vortäter und [X.] im Sinne einer vertraglichen Vereinbarung sowie die Übertragung der
Verfügungsgewalt an den jeweiligen Gegenständen voraus (SSW-StGB/[X.] § 259
Rn. 19). Die erforderliche Überzeugung vom Vorliegen 11
12
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-
9
-
dieser Merkmale des objektiven Tatbestandes konnte sich das [X.] rechtsfehlerfrei bereits auf der Grundlage der Angaben des als Zeuge vernom-menen

[X.]

, der die Verkäufe an den Angeklagten eingeräumt hat, und durch die Auswertung der erhobenen [X.]
([X.])
verschaffen. Damit sind
die
nächtlichen Fahrten des gesondert verfolgten [X.]

zum Wohnort des Angeklagten unmittelbar nach den jeweils von ihm verübten [X.] bis in die Einzelheiten belegt. Dass der Angeklagte nach den Besuchen des [X.]

in [X.] über die gestohlenen Elektrowerkzeuge auch tatsächlich verfügte, konnte die [X.] den Inhalten der überwachten Telefonate entnehmen, in denen sich M.

und A.

V.

über die entwendeten Gegenstände nach Art, Typ und Anzahl unterhielten. Von besonderer, nahezu geständnisgleicher
Beweis-kraft war dabei der auch in den Urteilsgründen mehrfach hervorgehobene [X.], dass die [X.] von M.

und A.

V.

zur Zuordnung der Telefone ([X.]) an-gesichts dieser erdrückenden Beweislage einen messbaren Einfluss auf die Beweiswürdigung gehabt hätten, ist danach vernünftigerweise auszuschließen. Für die eingehend und rechtsfehlerfrei begründete subjektive Tatseite waren die Bekundungen von M.

und A.

V.

ohne jede Bedeutung.

c) Anders verhält es sich indes in den Fällen II.
9 und II.
10 der Urteils-gründe.

Dass der Angeklagte die in diesen Fällen von einem oder mehreren un-bekannten [X.] entwendeten Elektrowerkzeuge ankaufte und an M.

und A.

V.

weiterveräußerte, ergibt sich maßgeblich aus deren Bekundun-gen als Zeugen in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten. Beide Zeu-14
15
-
10
-
gen, die über Kontakte zu mindestens einem weiteren
Lieferanten verfügten, haben die laut den Tatortbefundberichten in diesen Fällen gestohlenen Werk-zeuge, die alle in der von A.

V.

gemieteten Garage sichergestellt [X.], ihren Geschäften gerade mit dem Angeklagten zugeordnet.

III.

Mit der Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II.
9 und II.
10 entfällt auch
der Ausspruch über die Gesamtstrafe.

[X.] Cierniak Franke

Mutzbauer [X.]

16

Meta

4 StR 500/11

08.12.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2011, Az. 4 StR 500/11 (REWIS RS 2011, 661)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 661

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