Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.08.2015, Az. 4 BN 24/15

4. Senat | REWIS RS 2015, 6454

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Gegenstand

Orientierungswert für Lärmbelastung in Kleingartenanlage


Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 19. März 2015 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr der Antragsgegner beimisst.

3

a) Die Frage, welche Lärmwerte bzw. rechtlichen Vorschriften für Lärmwerte für eine [X.] gelten ([X.]eschwerdebegründung S. 5), stellt der Antragsgegner, weil ihm das [X.] vorgehalten hat, er habe bei der [X.]eurteilung der für die [X.] zu erwartenden Verkehrslärmbelastung die [X.]edeutung der betroffenen [X.]elange nicht zutreffend erkannt. Er habe sich ohne hinreichende [X.]egründung an einem Zielwert von 65 d[X.](A) orientiert und hingenommen, dass ein 15 m breiter Teil der [X.] mit Verkehrsimmissionen von 65 bis 70 d[X.](A) belastet werde, ohne sich eingehender mit möglichen Schutzmaßnahmen oder Planungsalternativen zu befassen.

4

Auf die Frage lässt sich antworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Nach der Rechtsprechung des Senats hat eine Gemeinde bei der Überplanung eines Gebiets mit einer Wohnbebauung die Lärmbelastung durch vorhandene Verkehrswege als gewichtigen [X.]elang in ihre Abwägung (§ 1 Abs. 7 [X.]auG[X.]) einzustellen ([X.], Urteil vom 22. März 2007 - 4 CN 2.06 - [X.]E 128, 238 Rn. 14). Welche Lärmbelastung einem Wohngebiet unterhalb der Grenze zu [X.] zugemutet werden darf, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Orientierungswerte der [X.] 18005-1 können zur [X.]estimmung der zumutbaren Lärmbelastung eines Wohngebiets im Rahmen einer gerechten Abwägung als Orientierungshilfe herangezogen werden. Je weiter die Orientierungswerte überschritten werden, desto gewichtiger müssen die für die Planung sprechenden städtebaulichen Gründe sein und umso mehr hat die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr zu Gebote stehen, um die Auswirkungen zu verhindern ([X.], Urteil vom 22. März 2007 a.a.[X.] Rn. 15; [X.]eschluss vom 17. Februar 2010 - 4 [X.] 59.09 - [X.]auR 2010, 1180 Rn. 4). Diese Rechtsprechung lässt sich auf die Planung eines Kleingartengeländes übertragen. Die Lärmbelastung durch Verkehrswege spielt auch hier eine Rolle, weil Kleingärten eine Erholungsfunktion haben, die, wie das [X.] zutreffend erkannt hat, schutzwürdig ist (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 17. März 1992 - 4 [X.] 230.91 - [X.] 406.25 § 43 [X.]ImSchG Nr. 3 = juris Rn. 6). Für sie sieht das [X.]eiblatt 1 zu [X.] 18005 Teil 1 deshalb einen Orientierungswert von 55 d[X.](A) vor. Die Werte des § 2 der 16. [X.]ImSchV sind nicht maßgeblich, weil die 16. Verordnung zur Durchführung des [X.] nach ihrem § 1 Abs. 1 für den [X.]au oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen gilt und nicht für den Fall der Überplanung eines Gebiets neben einer Straße. Mehr ist zu dem Thema verallgemeinernd nicht zu sagen.

5

b) Mit der Frage, ob das Normenkontrollgericht selbst Planungsalternativen vorschlagen bzw. darlegen darf ([X.]eschwerdebegründung S. 8), will der Antragsgegner offensichtlich klären lassen, ob das Gericht an die Stelle des [X.] treten darf. Die Frage wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren schon nicht klärungsfähig. Das [X.] hat keine eigene [X.] getroffen, sondern Defizite in der [X.] des Antragsgegners benannt. [X.] kann eine Planungsentscheidung auch sein, wenn sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen nicht erwogen worden sind ([X.]/[X.]önker/Grotefels, Öffentliches [X.]aurecht, 4. Aufl. 2010, § 7 Rn. 71). Der Antragsgegner stellt in Abrede, dass es sich aufdrängende Planungsalternativen gab ([X.]eschwerdebegründung S. 9). Seine Kritik an der vorinstanzlichen Entscheidung ist insoweit aber auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles zugeschnitten und enthält keine grundsätzlich klärungsbedürftige Fragestellung.

6

2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Das Urteil des [X.]s weicht nicht von Entscheidungen der in der Vorschrift genannten Gerichte ab.

7

Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts widerspricht (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 [X.] - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9; stRspr). Das ist hier nicht der Fall.

8

a) Das [X.] hat den höchstrichterlichen Rechtssätzen aus den Entscheidungen vom 22. Mai 1987 - 4 C 33-35.83 - ([X.]E 77, 285), vom 30. September 1996 - 4 [X.] 175.96 - ([X.] 445.4 § 18b [X.]), vom 22. März 2007 - 4 CN 2.06 - ([X.]E 128, 238) und vom 5. Juli 2010 - 4 [X.] 27.10 - (juris), dass das [X.] keine Rechtssetzungsbefugnis habe und die Werte der [X.] 18005-1 zur [X.]estimmung der zumutbaren Lärmbelastung eines [X.]augebiets im Rahmen einer gerechten Abwägung lediglich als Orientierungshilfe herangezogen werden dürften, nicht die Gefolgschaft verweigert. Es hat den für [X.]n im [X.]eiblatt 1 zu [X.] 18005 Teil 1 ausgewiesenen Wert nicht als gesetzlich festgelegten Grenzwert, sondern als Orientierungswert bezeichnet ([X.], 9). Einen Rechtssatz des Inhalts, dass die Werte der [X.] 18005-1 nur zur [X.]estimmung der zumutbaren Lärmbelastung eines [X.]augebiets als Orientierungshilfe herangezogen werden dürften, nicht aber zur [X.]estimmung der zumutbaren Lärmbelastung einer Grünfläche mit dem textlichen Zusatz "private Dauerkleingärten", enthalten die Senatsentscheidungen nicht.

9

b) Den Rechtssätzen aus dem [X.]eschluss vom 29. Januar 2013 - 4 [X.] 18.12 - (juris), dass

- zum notwendigen Abwägungsmaterial nur solche [X.]etroffenheiten gehören, die mehr als geringfügig, in ihrem Eintritt hinreichend wahrscheinlich und für den Plangeber bei der Entscheidung über den [X.]ebauungsplan als abwägungsbeachtlich erkennbar sind, und

- mögliche Interessen bzw. [X.]etroffenheiten, die von dem [X.]etroffenen im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht vorgetragen worden sind, nur dann abwägungsbeachtlich sind, wenn sie sich der planenden Gemeinde aufdrängen mussten,

hat sich das [X.] ebenfalls nicht widersetzt. Sollte es, wie der Antragsgegner meint, die Rechtssätze fehlerhaft angewandt oder aus ihnen nicht die rechtlichen Folgerungen gezogen haben, die etwa für die Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung geboten sind, läge darin keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26).

c) Der Satz aus dem [X.]eschluss des Senats vom 30. November 1992 - 4 N[X.] 41.92 - (juris Rn. 18), das Normenkontrollgericht habe der Antragsgegnerin nicht vorgeschrieben, in welcher Weise der entstehende Konflikt planerisch zu bewältigen sei, ist kein Rechtssatz, sondern enthält eine tatsächliche Feststellung.

d) Ob das [X.] eigenen oder Rechtssätzen anderer [X.]e widersprochen hat, braucht nicht geklärt zu werden. Entscheidungen von [X.]en sind nicht divergenzfähig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 24/15

19.08.2015

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 19. März 2015, Az: 2 A 4.15, Urteil

§ 1 Abs 7 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.08.2015, Az. 4 BN 24/15 (REWIS RS 2015, 6454)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6454

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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