Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 01.10.2014, Az. II R 29/13

2. Senat | REWIS RS 2014, 2508

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Gegenstand

EuGH-Vorlage: Erbschaftsteuerrechtliche Anzeigepflicht eines inländischen Kreditinstituts mit Zweigniederlassung im EU-Ausland - Beschränkung der Niederlassungsfreiheit aus dem Zusammenwirken von Vorschriften mehrerer Mitgliedstaaten


Leitsatz

Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, ex-Art. 43 EG) einer Regelung in einem Mitgliedstaat entgegen, nach der ein Kreditinstitut mit Sitz im Inland beim Tod eines inländischen Erblassers auch dessen Vermögensgegenstände, die in einer unselbständigen Zweigstelle des Kreditinstituts in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer im Inland zuständigen FA anzuzeigen hat, wenn in dem anderen Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen?

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine rechtsfähige [X.]nstalt des öffentlichen Rechts. Sie betreibt in der [X.] ([X.]) ein Kreditinstitut mit einer Vielzahl von Zweigstellen. Eine der rechtlich unselbständigen Zweigstellen (nachfolgend Zweigstelle [X.]) befindet sich in der [X.] (Österreich).

2

Für die in der Zweigstelle [X.] geführten Konten erstattete die Klägerin beim Tod eines Kontoinhabers keine [X.]nzeige nach § 33 [X.]bs. 1 des [X.] (ErbStG) über die dort in ihrem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände und die gegen sie gerichteten Forderungen an das für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt.

3

Die [X.] des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --F[X.]--) forderte die Klägerin mit Schreiben vom 25. September 2008 unter Hinweis auf § 33 ErbStG auf, ab dem 1. Januar 2001 alle von der Zweigstelle [X.] verwalteten Vermögensgegenstände und Forderungen, die bei dem Tod eines inländischen Erblassers zu dessen Vermögen gehörten oder über die dem Erblasser zur [X.] die Verfügungsmacht zustand, in der nach § 1 der Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung (ErbStDV) vorgesehenen Form bis zum 30. Januar 2009 dem jeweils für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen.

4

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2012, 2224 veröffentlicht.

5

Mit der Revision rügt die Klägerin unter anderem einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß [X.]rt. 49 des Vertrags über die [X.]rbeitsweise der [X.] --[X.]EUV-- (ex-[X.]rt. 43 des [X.] [X.] --EG--).

6

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Bescheid vom 25. September 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2009 aufzuheben.

7

Das F[X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Der Senat legt dem [X.] ([X.]) die in der Entscheidungsformel bezeichnete Frage zur [X.]uslegung von [X.]rt. 49 [X.][X.]V ([X.]. 43 [X.]) zur Vorabentscheidung vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des [X.] aus.

9

1. Maßgebliche Vorschriften

a) Nationales Recht

Die Steuerpflicht tritt bei einem Erwerb von Todes wegen nach § 2 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 1 [X.] für den gesamten [X.] ein, wenn der Erblasser zur [X.] oder der Erwerber zur [X.] der Entstehung der Steuer ein Inländer ist. [X.]ls Inländer gelten gemäß § 2 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a [X.] natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen [X.]ufenthalt haben, und gemäß § 2 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b [X.] [X.] Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im [X.]usland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben.

§ 33 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.] lautet wie folgt:

"(1) Wer sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens befasst, hat diejenigen in seinem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände und diejenigen gegen ihn gerichteten Forderungen, die beim Tod eines Erblassers zu dessen Vermögen gehörten oder über die dem Erblasser zur [X.] die Verfügungsmacht zustand, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen."

§ 1 ErbStDV regelt die [X.]nzeigepflicht der Vermögensverwahrer/ -verwalter wie folgt:

"(1) Wer zur [X.]nzeige über die Verwahrung oder Verwaltung von Vermögen eines Erblassers verpflichtet ist, hat die [X.]nzeige nach § 33 [X.]bs. 1 des Gesetzes mit einem Vordruck nach Muster 1 zu erstatten. Wird die [X.]nzeige in einem maschinellen Verfahren erstellt, kann auf eine Unterschrift verzichtet werden. Die [X.]nzeigepflicht bezieht sich auch auf die für das [X.] bis zum Todestag errechneten Zinsen für Guthaben, Forderungen und Wertpapiere (Stückzinsen). Die [X.]nzeige ist bei dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt (§ 35 des Gesetzes) einzureichen."

b) In [X.] geltende Rechtsnormen

§ 9 [X.]bs. 1 und 7 des Bankwesengesetzes (BWG-[X.]) bestimmt für Kreditinstitute aus Mitgliedstaaten mit einer Zweigstelle in [X.] Folgendes:

"(1) Die in [X.]nhang I der Richtlinie 2013/36/[X.] angeführten Tätigkeiten dürfen nach Maßgabe der [X.]bs. 2 bis 8 von einem in einem Mitgliedstaat zugelassenen [X.], das seinen Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat hat, in [X.] über eine Zweigstelle oder im Wege des freien Dienstleistungsverkehrs erbracht werden, soweit seine Zulassung es dazu berechtigt."

"(7) Kreditinstitute gemäß [X.]bs. 1, die Tätigkeiten in [X.] über eine Zweigstelle ausüben, haben die §§ 25, 27a, 31 bis 41, 44 [X.]bs. 3 bis 6, 60 bis 63, 65 [X.]bs. 3a, 66 bis 68, 74 bis 75, 93 [X.]bs. 8 und 8a, 94 und 95 [X.]bs. 3 und 4 sowie je nach ihrem Geschäftsgegenstand die §§ 36, 38 bis 59, 61 bis 66 und 69 bis 71 [X.] 2007, die §§ 4 und 26 bis 48 [X.] und die übrigen in § 69 genannten Bundesgesetze und [X.]-Verordnungen und die auf Grund der vorgenannten Vorschriften erlassenen Verordnungen und Bescheide einzuhalten."

Die Bestimmungen zum Bankgeheimnis in § 38 [X.]bs. 1, 2 und 5 BWG-[X.] lauten wie folgt:

"(1) Kreditinstitute, ihre Gesellschafter, Organmitglieder, Beschäftigte sowie sonst für Kreditinstitute tätige Personen dürfen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindungen mit Kunden oder auf Grund des § 75 [X.]bs. 3 anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten (Bankgeheimnis)." ...

"(2) Die Verpflichtung zur Wahrung des [X.] besteht nicht
1. im Zusammenhang mit einem Strafverfahren auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung (§ 116 StPO) gegenüber den Staatsanwaltschaften und Strafgerichten und mit eingeleiteten Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, gegenüber den Finanzstrafbehörden;
2. im Falle der Verpflichtung zur [X.]uskunftserteilung nach § 41 [X.]bs. 1 und 2, § 61 [X.]bs. 1, § 93 und § 93a;
3. im Falle des Todes des Kunden gegenüber dem [X.]bhandlungsgericht und Gerichtskommissär;
4. wenn der Kunde minderjährig oder sonst pflegebefohlen ist, gegenüber dem Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht;
5. wenn der Kunde der [X.] ausdrücklich und schriftlich zustimmt;
6. für allgemein gehaltene bankübliche [X.]uskünfte über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens, wenn dieses der [X.]uskunftserteilung nicht ausdrücklich widerspricht;
7. soweit die [X.] aus dem Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Kunden erforderlich ist;
8. hinsichtlich der Meldepflicht des § 25 [X.]bs. 1 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes;
9. im Fall der Verpflichtung zur [X.]uskunftserteilung an die [X.] gemäß dem [X.] und dem [X.]
...

"(5) (Verfassungsbestimmung) Die [X.]bs. 1 bis 4 können vom [X.] nur in [X.]nwesenheit von mindestens der Hälfte der [X.]bgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen abgeändert werden."

Zur Strafbarkeit sieht § 101 BWG-[X.] Folgendes vor:

"(1) Wer Tatsachen des [X.] offenbart oder verwertet, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen oder um einem anderen einen Nachteil zuzufügen, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Der Täter ist im Falle des [X.]bs. 1 nur mit Ermächtigung des in seinem Interesse an der Geheimhaltung Verletzten zu verfolgen."

2. Beurteilung des Streitfalls nach [X.]m Recht

Die [X.]ufforderung des [X.] vom 25. September 2008 ist rechtmäßig. Sie verpflichtet die Klägerin unter Hinweis auf § 33 [X.]bs. 1 [X.], ab dem 1. Januar 2001 beim Tod eines inländischen Erblassers die von der Zweigstelle [X.] verwahrten oder verwalteten Vermögensgegenstände des Erblassers und die dort gegen sie gerichteten Forderungen des Erblassers dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen.

a) Der [X.]nzeigepflicht nach § 33 [X.]bs. 1 [X.] unterliegen inländische Kreditinstitute, die sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung und Verwaltung fremden Vermögens befassen. Dabei sind in die [X.]nzeigen auch Vermögensgegenstände einzubeziehen, die von einer rechtlich unselbständigen Zweigniederlassung im [X.]usland verwahrt oder verwaltet werden (Urteil des [X.] --BFH-- vom 31. Mai 2006 II R 66/04, [X.], 520, [X.], 49).

b) Die Klägerin ist ein Kreditinstitut, das geschäftsmäßig Vermögen verwahrt und verwaltet. Sie unterliegt damit der [X.]nzeigepflicht des § 33 [X.]bs. 1 [X.]. [X.]nzuzeigen sind auch die in der Zweigniederlassung [X.] geführten Konten und Depots.

Das [X.] hat in der [X.]ufforderung vom 25. September 2008 die [X.]nzeigepflicht der Klägerin in Bezug auf die Zweigniederlassung [X.] auf inländische Erblasser beschränkt. Zu den inländischen Erblassern gehören vor allem Personen, die in [X.] einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen [X.]ufenthalt haben (§ 2 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a [X.]). Die Beschränkung hat zur Folge, dass Kunden der Klägerin, die von der Zweigstelle [X.] betreut werden und keine Inländer sind, bei ihrem [X.]bleben nicht von der [X.]nzeigepflicht betroffen sind. Die insoweit einschränkende [X.]uslegung des § 33 [X.]bs. 1 [X.] ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

c) Soweit sich jedoch die [X.]nzeigepflicht nach § 33 [X.]bs. 1 [X.] auf die ausländische Zweigniederlassung [X.] erstreckt, kann sich die Klägerin möglicherweise mit Erfolg unmittelbar auf die Niederlassungsfreiheit nach [X.]rt. 49 [X.][X.]V ([X.]. 43 [X.]) berufen.

3. Zur Vorlagefrage

a) [X.]rt. 49 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.][X.]V ([X.]. 43 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]) schreibt die Beseitigung von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit vor. Das gleiche gilt gemäß [X.]rt. 49 [X.]bs. 1 Satz 2 [X.][X.]V ([X.]. 43 [X.]bs. 1 Satz 2 [X.]) für Beschränkungen der Gründung von [X.]genturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch [X.]ngehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.

b) Nach [X.]rt. 54 [X.][X.]V ([X.]. 48 [X.]) stehen die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der [X.] haben, für die [X.]nwendung der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit natürlichen Personen gleich, die [X.]ngehörige der Mitgliedstaaten sind. [X.]ls Gesellschaften gelten auch juristische Personen des öffentlichen Rechts mit [X.]usnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen ([X.]rt. 54 [X.]bs. 2 [X.][X.]V, [X.]. 48 [X.]bs. 2 [X.]). Für diese Gesellschaften ist mit der Niederlassungsfreiheit das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder [X.]gentur auszuüben (vgl. Urteil [X.] Software, [X.]/11, [X.]:[X.], Rn. 63, und die dort angeführte Rechtsprechung).

Die Klägerin gehört zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Da ihre Tätigkeit nicht mit der [X.]usübung öffentlicher Gewalt verbunden ist (vgl. [X.]rt. 51 [X.]bs. 1 [X.][X.]V, [X.]. 45 [X.]bs. 1 [X.]), kann sie sich auf [X.]rt. 49 [X.][X.]V ([X.]. 43 [X.]) berufen.

c) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind als Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit i.S. des [X.]rt. 49 [X.][X.]V ([X.]. 43 [X.]) alle Maßnahmen anzusehen, die die [X.]usübung dieser Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. Urteil [X.] Software, [X.]:[X.], Rn. 64). Der [X.] hat wiederholt darauf hingewiesen, dass [X.]rt. 49 [X.][X.]V ([X.]. 43 [X.]) jeder nationalen Regelung entgegensteht, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, die aber geeignet ist, die [X.]usübung der vom Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit durch die [X.]sangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, und dass solche Behinderungen entstehen können, wenn ein Unternehmen aufgrund nationaler Vorschriften davon abgehalten werden könnte, untergeordnete Einheiten --wie etwa [X.] in anderen Mitgliedstaaten zu gründen und seine Tätigkeiten über diese Einheiten auszuüben (vgl. Urteil [X.], vormals [X.], [X.], [X.]:C:2011:654, Rn. 60, und die dort angeführte Rechtsprechung).

d) [X.]uch wenn die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im [X.]ufnahmemitgliedstaat sichern sollen, verbieten sie es doch ebenfalls, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert (vgl. Urteil National Grid Indus, [X.]/10, [X.]:[X.], Rn. 35, und die dort angeführte Rechtsprechung).

e) Fraglich ist, ob § 33 [X.]bs. 1 [X.] die Niederlassungsfreiheit beschränkt, obwohl die [X.]nzeigepflicht für alle inländischen Kreditinstitute gleichermaßen gilt. Die nationale Regelung führt für sich genommen nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung der inländischen Kreditinstitute.

Die gewerbliche Betätigung eines inländischen Kreditinstituts über eine Zweigstelle in [X.] wird erst dadurch behindert, dass es in [X.] keine vergleichbare [X.]nzeigepflicht gibt und dort nach §§ 38, 101 BWG-[X.] ein strafbewehrtes Bankgeheimnis gilt. Dieses Bankgeheimnis hat auch ein Kreditinstitut mit Sitz in [X.] zu beachten, soweit es Tätigkeiten über eine Zweigstelle in [X.] ausübt.

Die Erfüllung der [X.]nzeigepflicht nach § 33 [X.]bs. 1 [X.] ist zwar auch in Bezug auf eine Zweigstelle in [X.] nach dem dort geltenden Recht möglich; sie ist aber an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Nach § 38 [X.]bs. 2 Nr. 5 BWG-[X.] ist zur Offenbarung der Verhältnisse der Kunden, die durch die Zweigstelle betreut werden, deren Zustimmung erforderlich. Die [X.]nforderung einer Zustimmung durch das Kreditinstitut kann unter Umständen dazu führen, dass inländische Kunden, deren Vermögen von der [X.]nzeigepflicht betroffen ist, kein Konto oder Depot bei der Zweigstelle in [X.], sondern bei [X.] Banken oder bei in [X.] ansässigen Tochterunternehmen von inländischen Banken eröffnen, weil Letztere nicht der [X.]nzeigepflicht nach § 33 [X.]bs. 1 [X.] unterliegen. Im Verhältnis zu den nicht von der [X.]nzeigepflicht betroffenen Banken ist die Tätigkeit eines inländischen Kreditinstituts über eine Zweigstelle in [X.] erschwert. Fraglich ist, ob sich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auch aus dem Zusammenwirken der Vorschriften des [X.]nsässigkeitsstaats ([X.]) und des [X.] ([X.]) ergeben kann und welchem Staat diese Beschränkung zuzurechnen ist (vgl. Urteil [X.] Ruhesitz am [X.], [X.]/07, [X.]:C:2008:588, Rn. 51).

f) Die Rechtsprechung des [X.] zur [X.]utonomie der Mitgliedstaaten bei der Besteuerung ist nicht auf die [X.]nzeigepflicht nach § 33 [X.] übertragbar.

Die Mitgliedstaaten verfügen beim gegenwärtigen Stand der Harmonisierung des gemeinschaftlichen Steuerrechts über eine gewisse [X.]utonomie (Urteil [X.], [X.]/05, [X.]:C:2007:754, Rn. 51). [X.]us dieser Besteuerungsbefugnis folgt, dass das Recht von Gesellschaften, für die Niederlassung zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten zu wählen, diese keineswegs verpflichtet, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der übrigen Mitgliedstaaten anzupassen, um zu gewährleisten, dass eine Gesellschaft, die beschlossen hat, sich in einem bestimmten Mitgliedstaat niederzulassen, auf [X.] genauso besteuert wird wie eine Gesellschaft, die sich dafür entschieden hat, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen (Urteil [X.], [X.]:C:2007:754, Rn. 51).

Die [X.]nzeigepflicht nach § 33 [X.] betrifft dagegen nicht die Besteuerung des zur [X.]nzeige Verpflichteten, sondern ermöglicht die Überprüfung der Besteuerung des Erblassers und desjenigen, der den Nachlass ganz oder teilweise erwirbt. So kann geprüft werden, ob die Einkünfte eines inländischen Erblassers bis zu seinem [X.]bleben zutreffend besteuert wurden, ob anlässlich des Erbfalls Erbschaftsteuer anfallen könnte, ob die [X.]ngaben in der Erbschaftsteuererklärung, die erst auf [X.]nforderung des Finanzamts abzugeben ist, zutreffend sind und ob die Erwerber spätere steuerpflichtige Einkünfte aus dem erworbenen Vermögen vollständig erklären.

g) Falls eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorläge, ist fraglich, ob diese gerechtfertigt ist.

aa) Eine solche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit kann nur zulässig sein, wenn mit ihr ein berechtigtes und mit dem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende Gründe des [X.]llgemeininteresses gerechtfertigt ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil [X.], [X.]/04, [X.]:C:2007:194, Rn. 37).

bb) Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit könnte deshalb gerechtfertigt sein, weil mit der [X.]nzeigepflicht nach § 33 [X.]bs. 1 [X.] auch die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen gewährleistet wird.

Die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen ist ein zwingender Grund des [X.]llgemeininteresses, der eine Beschränkung der vom Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.], [X.]/09, [X.]:[X.], Rn. 57).

Die den geschäftsmäßigen Vermögensverwahrern/-verwaltern obliegenden [X.]nzeigen tragen --neben anderen gesetzlich geregelten [X.]nzeigen-- dazu bei, den Nachlass eines Erblassers dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt mitzuteilen. Die [X.]nzeigen ermöglichen diesen Finanzämtern die Prüfung, ob ein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen vorliegt und deshalb nach § 31 [X.] eine [X.]ufforderung zur [X.]bgabe einer Erbschaftsteuererklärung zu ergehen hat. Nach dem Eingang der Erklärung kann überprüft werden, ob der Erwerb in Bezug auf die angezeigten Vermögensgegenstände vollumfänglich erklärt worden ist.

Darüber hinaus erstellen die für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzämter aufgrund der [X.]nzeigen [X.] an die für die Besteuerung des Erblassers und des Erwerbers zuständigen Finanzämter (vgl. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 21. September 2001, [X.], 665, und vom 18. Juni 2003, [X.], 392). Diese auf den [X.]nzeigen beruhenden [X.] sichern eine effektive Besteuerung und dienen damit zugleich dem sich aus [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (BFH-Urteil in [X.], 520, [X.], 49, unter Hinweis auf das Urteil des [X.] vom 9. März 2004  2 BvL 17/02, [X.] 110, 94, [X.], 56). Das für den Erblasser zuständige Wohnsitzfinanzamt kann überprüfen, ob die [X.]ngaben des Erblassers zu seinen bis zum [X.]bleben erzielten Einkünften stimmen können und deshalb die Einkünfte zutreffend erfasst wurden. Das für den Erwerber zuständige Wohnsitzfinanzamt kann überprüfen, ob die Einkünfte aus dem erworbenen Vermögen in den Steuererklärungen angegeben werden.

h) Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ist außerdem nur statthaft, wenn sie geeignet ist, die Erreichung des fraglichen Ziels zu gewährleisten. Sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil National Grid Indus, [X.]:[X.], Rn. 42).

aa) Soweit die Wirksamkeit der Steueraufsicht als Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzuerkennen wäre, ist die in § 33 [X.]bs. 1 [X.] geregelte [X.]nzeigepflicht, die sich auf ausländische Zweigstellen von inländischen Banken erstreckt, geeignet, das Ziel einer wirksamen Steuerkontrolle zu verfolgen. Denn damit erfasst die [X.]nzeigepflicht einer inländischen Bank ihre gesamten unselbständigen Zweigstellen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, eine wirksame steuerliche Kontrolle sei schon deshalb nicht möglich, weil die [X.]nzeigepflicht nicht für ausländische Banken gelte. Nationale Regelungen zur steuerlichen Kontrolle müssen regelmäßig auf das Inland beschränkt sein. Eine steuerliche Kontrolle unter Heranziehung ausländischer Banken widerspräche dem Territorialitätsprinzip.

Unerheblich ist, ob sich im Falle einer Erstreckung der [X.]nzeigepflicht auf ausländische Zweigstellen inländischer Kreditinstitute das [X.]nlegerverhalten dahin ändern könnte, dass vermehrt Vermögen bei ausländischen Banken angelegt werden würde.

bb) Die [X.]nzeigepflicht hat auch keine überschießende Tendenz. Sie geht, soweit sie ausländische Zweigniederlassungen inländischer Banken erfasst, nicht über das hinaus, was zur Erreichung ihres Zwecks erforderlich ist.

(1) Eine Bank kann sich insoweit nicht darauf berufen, dass die Finanzbehörden auch [X.]uskunft vom Steuerpflichtigen, der den Nachlass ganz oder teilweise erhält, verlangen könnten. Denn es geht gerade darum, aufgrund der [X.]nzeige der Bank Informationen zu erhalten, die es den Finanzämtern ermöglichen, die [X.]ngaben der Steuerpflichtigen zur Besteuerung von Einkünften und Vermögenswerten auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen. Würde sich die [X.]nzeigepflicht nicht auf ausländische Zweigniederlassungen inländischer Banken erstrecken, bestünde die Gefahr, dass dort verwahrte Vermögensgegenstände und daraus erzielte Einkünfte nicht in den Steuererklärungen angegeben werden. Da die Finanzbehörden ohne [X.]nzeige auch keinen Hinweis auf einen Steuergegenstand hätten, der ihnen die Einleitung von Ermittlungen erlaubte, wäre eine Überprüfung der Steuererklärungen in Bezug auf nicht enthaltene Einkünfte oder Vermögenswerte praktisch ausgeschlossen. Die [X.]nzeigepflicht ist deshalb die Grundlage für eine wirksame steuerliche Überwachung.

(2) Ein Kreditinstitut kann nicht geltend machen, die Finanzbehörden könnten sich im Wege der [X.]mtshilfe die notwendigen Informationen besorgen. Gibt es ohne die [X.]nzeige der [X.] keine [X.]nhaltspunkte für verschwiegene Einkünfte oder Vermögenswerte, können Informationen über steuererhebliche Tatsachen in Bezug auf einen Steuerpflichtigen auch nicht durch Ersuchen an ausländische Behörden beschafft werden (vgl. [X.] und [X.], [X.]/08, [X.]:C:2009:368, Rn. 63).

(3) Einer statthaften Beschränkung der Niederlassungsfreiheit stünde die am 1. März 2012 in [X.] getretene [X.]bänderung des am 24. [X.]ugust 2000 in [X.] unterzeichneten [X.]bkommens zwischen [X.] und [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen --DB[X.] [X.]-- ([X.] 2011, 1209) nicht entgegen.

Der in [X.]rt. 26 DB[X.] [X.] neu geregelte Informationsaustausch ist auf Steuerjahre oder Veranlagungszeiträume anzuwenden, die am oder nach dem 1. Januar 2011 beginnen ([X.]rt. III [X.]bs. 2 des Protokolls zwischen [X.] und [X.] zur [X.]bänderung des DB[X.] [X.], [X.] 2011, 1210). Das geänderte DB[X.] [X.] gilt damit nicht für die im Streit stehende [X.]ufforderung vom 25. September 2008, die den [X.]raum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. Januar 2009 betrifft. Die [X.]ufforderung enthält keine Hinweise, dass sie sich auch auf die [X.] nach dem 30. Januar 2009 erstreckt.

[X.]us diesem Grund kommt es nicht darauf an, ob das DB[X.] [X.] überhaupt auf die Erbschaftsteuer anwendbar ist, nachdem seit dem 1. [X.]ugust 2008 in [X.] keine Erbschaftsteuer mehr erhoben wird und das frühere [X.]bkommen zwischen [X.] und [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der [X.] vom 4. Oktober 1954 ([X.] 1955, 756) mit Wirkung zum 1. Januar 2008 gekündigt wurde ([X.], 821).

(4) Die Einlassung der Klägerin, eine auf ausländische Zweigstellen erweiterte [X.]nzeigepflicht würde ihr gesamtes Engagement in [X.] gefährden und wegen der zu erwartenden Maßnahmen der [X.] Finanzmarktaufsicht zur Schließung der Zweigstelle führen, ist unerheblich. Die Klägerin könnte die [X.]nzeige nach § 33 [X.]bs. 1 [X.] jedenfalls mit Zustimmung des Bankkunden (vgl. § 38 [X.]bs. 2 Nr. 5 BWG-[X.]) erstatten.

4. Die dem [X.] vorgelegten Fragen sind entscheidungserheblich.

Sollte sich die Klägerin mit Erfolg auf [X.]rt. 49 [X.][X.]V ([X.]. 43 [X.]) berufen können, wäre die [X.]ufforderung des [X.] vom 25. September 2008 rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Die Revision wäre begründet.

5. Das Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] ist nach [X.]rt. 267 [X.]bs. 3 [X.][X.]V ([X.]. 234 [X.]bs. 3 [X.]) erforderlich.

6. Die [X.]ussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.

Meta

II R 29/13

01.10.2014

Bundesfinanzhof 2. Senat

EuGH-Vorlage

vorgehend FG München, 25. Juli 2012, Az: 4 K 2675/09, Urteil

§ 2 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 33 Abs 1 ErbStG 1997 vom 21.08.2002, Art 49 AEUV, Art 51 AEUV, Art 54 AEUV, Art 43 EG, Art 45 EG, Art 48 EG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 01.10.2014, Az. II R 29/13 (REWIS RS 2014, 2508)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2508

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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