Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.04.2014, Az. 5 C 16/13

5. Senat | REWIS RS 2014, 6216

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Gegenstand

Basistarifklausel in Berliner Beihilfeverordnung; Gleichbehandlungsgrundsatz


Leitsatz

Die Basistarifklausel des § 6 Abs. 5 der Beihilfeverordnung des Landes Berlin (juris: BhV BE) verstößt jedenfalls in den Fällen gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, in denen der Beihilfeberechtigte oder der berücksichtigungsfähige Angehörige unfreiwillig im Basistarif versichert ist. Dies ist der Fall, wenn er aufgrund der allgemeinen Krankenversicherungspflicht gehalten ist, eine private Krankenversicherung abzuschließen und er sich zu zumutbaren Bedingungen nur zum Basistarif versichern kann.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe von [X.] für im Basistarif versicherte Beamte.

2

Der Kläger ist Ruhestandsbeamter des beklagten [X.]. Er erhält grundsätzlich für 70 Prozent seiner krankheitsbedingten Aufwendungen Beihilfe. Für die übrigen 30 Prozent der Behandlungskosten ist er bei einer privaten Krankenversicherung zum Basistarif versichert. Nach der für den Rechtsstreit maßgeblichen Bestimmung der [X.] Landesbeihilfeverordnung orientiert sich die Höhe der staatlichen [X.] bei im Basistarif versicherten Beamten an den für die private Krankenversicherung geltenden gesetzlichen Leistungspflichten. Die privaten Krankenversicherer müssen für medizinische Leistungen im Basistarif geringere als die im privatärztlichen Bereich nach der Gebührenordnung für Ärzte vorgesehenen Schwellen- und Höchstwerte ([X.] bzw. 3,5facher Satz) erstatten.

3

Der Kläger beantragte für mehrere bis März 2010 durchgeführte ärztliche Behandlungen Beihilfe und reichte Arztrechnungen im Gesamtwert von 259,97 € ein. Die Beihilfestelle kürzte mit [X.] vom 16. September 2010 die [X.] unter Berufung auf die [X.] um 42,01 €, weil die behandelnden Ärzte bei den eingereichten Honorarrechnungen im Basistarif nicht vorgesehene [X.] bis zum 2,3fachen Satz angesetzt hätten. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit [X.] vom 9. März 2011 zurückgewiesen.

4

Das Verwaltungsgericht hat der Klage des Ruhestandsbeamten auf ungekürzte Beihilfe mit Urteil vom 12. Dezember 2012 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die [X.] in der Beihilfeverordnung des [X.] unwirksam sei. Ihr fehle schon die erforderliche Ermächtigungsgrundlage in einem Parlamentsgesetz. Das Landesbeamtengesetz lasse bei der [X.] nur die Einführung von absoluten Höchstbeträgen oder Pauschalbeträgen zu. Relative, von der Wahl des Gebührensatzes abhängige Erstattungsgrenzen sehe das Gesetz nicht vor. Die [X.] stelle auch keine zulässige Regelung von beihilferechtlichen Einzelheiten dar, sondern eine qualitativ neue Form der Leistungskürzung. Ferner führe die [X.] zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung von Beamten mit einer Basistarifversicherung gegenüber Beamten mit einem umfassenden Beihilfeergänzungstarif.

5

Die Revision des Beklagten begründet dieser im Wesentlichen damit, dass die [X.] eine im Landesbeamtengesetz ausdrücklich zugelassene Höchstbetragsregelung darstelle. Sie begrenze den beihilfefähigen Höchstbetrag auf das Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit werde eine ausreichende Absicherung im Krankheitsfall gewährleistet. Die Regelung verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Es stelle einen sachlichen Grund dar, bei dem Umfang der [X.] auf den Umfang der ergänzenden Krankenversicherung, die der Beamte selbst gewählt habe, abzustellen.

6

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des [X.] schließt sich der Rechtsauffassung des Beklagten an.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.]n ist unbegründet. Die angegriffene [X.]ntscheidung des [X.] steht mit revisiblem Recht in [X.]inklang. Dabei lässt der Senat dahingestellt, ob die von dem [X.]n versagte [X.]rstattung von Aufwendungen schon deshalb zu beanstanden ist, weil es insoweit an einer dem verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt, der auch im Beihilferecht Geltung beansprucht, genügenden gesetzlichen [X.]rmächtigung fehlt (vgl. dazu Urteil vom 19. Juli 2012 - BVerwG 5 [X.] 1.12 - BVerwG[X.] 143, 363 = [X.] 271 [X.], jeweils Rn. 12 f. m.w.[X.]). Die streitige Versagung der [X.]rstattung von Aufwendungen verstößt jedenfalls gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

8

1. Die umstrittene Beschränkung des [X.] beruht auf § 6 Abs. 5 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und sonstigen Fällen (Landesbeihilfeverordnung - [X.]) in der im hier maßgeblichen Zeitraum des [X.]ntstehens der Aufwendungen (vgl. Urteil vom 8. November 2012 - BVerwG 5 [X.] 2.12 - [X.] 2013, 33 m.w.[X.]) geltenden Fassung vom 8. September 2009 ([X.]). Nach § 6 Abs. 5 Satz 1 [X.] beurteilt sich die Angemessenheit der Aufwendungen von Beihilfeberechtigten und ihrer berücksichtigungsfähigen Angehörigen, die unter anderem in einem Basistarif nach § 12 Abs. 1a des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz - [X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1992 ([X.] 1993 S. 2), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. November 2007 ([X.] S. 2631), versichert sind, nach den in den Verträgen nach § 75 Abs. 3b Satz 1 des [X.] vom 20. Dezember 1988 ([X.] S. 2477) - [X.] -, vor dem maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. März 2007 ([X.] S. 378), vereinbarten Gebührenregelungen. Solange keine vertraglichen Gebührenregelungen vorliegen - was für den entscheidungserheblichen Zeitraum der Fall ist - gelten nach § 6 Abs. 5 Satz 2 [X.] unter anderem die Maßgaben des § 75 Abs. 3a Satz 2 [X.]. Nach dieser Vorschrift werden ärztliche Leistungen wie folgt vergütet: Für die in Abschnitt M des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) genannten Leistungen sowie für die Leistung nach Nummer 437 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte nur bis zum 1,16fachen des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte, für die in den Abschnitten A, [X.] und O des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte genannten Leistungen nur bis zum [X.] des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte und für die übrigen Leistungen des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte nur bis zum 1,8fachen des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte. Damit steht die streitige Ablehnung der [X.]rstattung von Aufwendungen im [X.]inklang.

9

2. Die [X.] des § 6 Abs. 5 [X.] verstößt jedenfalls in den Fällen gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, in denen der Beihilfeberechtigte oder der berücksichtigungsfähige Angehörige unfreiwillig im Basistarif versichert ist. So liegt es, wenn er aufgrund des allgemeinen Krankenversicherungsrechts gehalten ist, eine private Krankenversicherung abzuschließen und er sich zu zumutbaren Bedingungen nur zum Basistarif versichern kann. Dies ist bei dem Kläger nach den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 137 Abs. 2 VwGO) der Fall.

a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, stellt es aber dem Normgeber frei, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Je nach Regelungsgegenstand und [X.] ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen [X.]kürverbot bis zu einer strengen Bindung an [X.] reichen können (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. März 2007 - 1 [X.] - [X.][X.] 118, 79 <100> und vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - [X.][X.] 129, 49 <68> m.w.[X.]). [X.] die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d.h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte an oder hängt sie von freiwilligen [X.]ntscheidungen der Betroffenen ab, hat der Normgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum. [X.]in Gleichheitsverstoß ist nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die [X.]igenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Normgeber dagegen regelmäßig engen rechtlichen Bindungen. Dies gilt auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt (vgl. [X.], Beschluss vom 13. März 2007 a.a.[X.] m.w.[X.]). [X.]in Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz kann in diesen Fällen schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Für beide Fallgruppen gilt, dass die vom Normgeber für eine Differenzierung im Beihilferecht angeführten Gründe auch vor der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn Bestand haben müssen, in der die Beihilfe ihre Grundlage hat (vgl. zu Vorstehendem insgesamt Urteile vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 [X.] 3.12 - [X.] 271 [X.] Rn. 29 und vom 5. Mai 2010 - BVerwG 2 [X.] 12.10 - [X.] 2011, 126 Rn. 10 f. jeweils m.w.[X.]). Zwar begründet die Durchbrechung einer vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit für sich genommen noch keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie kann jedoch ein Indiz für eine objektiv willkürliche Regelung oder das Fehlen eines nach Art und Gewicht hinreichenden Rechtfertigungsgrundes darstellen (vgl. [X.], Beschluss vom 16. September 2009 - 1 BvR 2275/07 - [X.] 2009, 291 <295> m.w.[X.]). Solange der Gesetzgeber am gegenwärtig praktizierten "Mischsystem" aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzender Beihilfe festhält, ist daher eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes indiziert, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit, dass notwendige und angemessene Aufwendungen beihilfefähig sind, ohne zureichenden Grund verlässt (Urteil vom 2. April 2014 - BVerwG 5 [X.] 40.12 - juris Rn. 16).

b) § 6 Abs. 5 [X.] bewirkt eine Ungleichbehandlung der Gruppe der basistarifversicherten Beihilfeberechtigten und berücksichtigungsfähigen Angehörigen gegenüber der Gruppe der Beihilfeberechtigten und berücksichtigungsfähigen Angehörigen, die im [X.] krankenversichert sind.

Die ungleiche Behandlung besteht zunächst darin, dass der [X.]rstattungsanspruch der zuerst genannten Gruppe für Aufwendungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen geringer ausfällt als derjenige des anderen Personenkreises. Für die nach § 6 Abs. 5 [X.] basistarifversicherten Beihilfeberechtigten und berücksichtigungsfähigen Angehörigen findet der für die Gruppe der anderen Beihilfeberechtigten geltende Grundsatz des § 6 Abs. 3 [X.] keine Anwendung, nach dem unter anderem Aufwendungen für ärztliche Leistungen grundsätzlich dann angemessen und erstattungsfähig sind, wenn sie den [X.] der einschlägigen Gebührenordnungen für Ärzte entsprechen. Während also der im [X.] versicherte Beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Angehörige etwa bei ärztlichen Leistungen durchschnittlicher Schwierigkeit in der Regel den nach § 5 Abs. 2 GOÄ festgelegten Schwellenwert des 2,3fachen Betrages (vgl. Urteil vom 17. Februar 1994 - BVerwG 2 [X.] 10.92 - BVerwG[X.] 95, 117 <122 f.> = [X.] 270 § 5 [X.]) und in Ausnahmefällen sogar den Höchstwert des 3,5fachen Betrages erstattet bekommt, erhielt der basistarifversicherte Beamte oder berücksichtigungsfähige Angehörige im hier maßgeblichen Behandlungszeitraum (Oktober 2009 bis März 2010) - wie aufgezeigt - höchstens den 1,8fachen Betrag ersetzt. Werden dem im Basistarif Versicherten für eine ärztliche Leistung etwa Gebühren nach dem 2,3fachen des Gebührensatzes berechnet, hat er die Differenz zu dem geringeren Gebührensatz nach § 75 Abs. 3a Satz 2 [X.] selbst zu tragen.

Die im Basistarif krankenversicherten Beihilfeberechtigten und berücksichtigungsfähigen Angehörigen vermögen dieser Ungleichbehandlung in finanzieller Hinsicht auch nicht auszuweichen, ohne dass dies mit einer anderen Ungleichheit einhergeht. Nimmt der im Basistarif Versicherte ärztliche Leistungen auf der Grundlage der Gebührensätze seines Tarifs in Anspruch, die erheblich unter dem liegen, was für Privatpatienten üblicherweise abgerechnet wird, muss er befürchten, dass er die Behandlung, die er als Privatpatient im [X.] erhalten würde, nicht erfährt (vgl. dazu [X.], Urteil vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 706, 814, 819, 832, 837/08 - [X.][X.] 123, 186 <240>). [X.] er dies vermeiden, ist er auf die Bereitschaft eines Arztes angewiesen, ihm trotz der im Basistarif geringeren Vergütungssätze die gleiche Behandlung zuteil werden zu lassen wie dem im [X.] Versicherten. Dies führt zu einer Beschränkung der freien Arztwahl. Soweit es sich um faktische Auswirkungen des § 6 Abs. 5 Satz 2 [X.] handelt, sind auch diese am allgemeinen Gleichheitssatz zu messen, weil diese ungleiche Auswirkung gerade auf die rechtliche Gestaltung zurückzuführen ist (vgl. [X.], Urteil vom 3. Dezember 1968 - 2 Bv[X.] 1, 3, 5/67 - [X.][X.] 24, 300 <358> und Beschluss vom 9. August 1978 - 2 BvR 831/76 - [X.][X.] 49, 148 <165>).

c) Die Ungleichbehandlung ist nicht durch hinreichende Differenzierungsgründe gerechtfertigt. Der Senat ist insoweit nicht auf eine Überprüfung am [X.]kürmaßstab beschränkt. Da eine Ungleichbehandlung von Personengruppen vorliegt und diese auch nicht auf einer freiwilligen [X.]ntscheidung des [X.] beruht, wäre die ungleiche Behandlung nur gerechtfertigt, wenn für sie Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die verschiedenen Rechtsfolgen legitimieren können. Solche Gründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

aa) Bei dem Kläger kann die Unterscheidung nicht damit gerechtfertigt werden, dass sich die Betroffenen bei der Wahl des Basistarifs freiwillig für ein niedrigeres Krankenbehandlungsniveau entschieden hätten und in der Konsequenz dieser autonomen [X.]ntscheidung im Krankheitsfall auch vom Dienstherr nur entsprechend niedrigere [X.]rstattungsleistungen erwarten könnten. Dies gilt gleichermaßen für die [X.]rwägung, die Beamten und Versorgungsempfänger sollten in ihrem eigenen Interesse dazu angehalten werden, sich für eine über den Basistarif hinausgehende umfassendere Krankheitsvorsorge zu entscheiden. Denn die unfreiwillig im Basistarif versicherten Beihilfeberechtigten haben gerade keine autonome [X.]ntscheidung getroffen, und ihnen fehlt die Möglichkeit, sich zu zumutbaren Bedingungen in einem umfassenderen privaten [X.] zu versichern.

Die Unterscheidung kann auch nicht damit begründet werden, dass es sich bei den unfreiwillig im Basistarif versicherten Personen um eine vergleichsweise kleine Personengruppe handele, die der Normgeber in Ausübung seiner Pauschalierungsbefugnis beim [X.]rlass der Beihilfeverordnung hätte vernachlässigen dürfen. Denn die Basistarifversicherung ist gerade für Personen eingeführt worden, die bislang in zulässiger Weise nicht krankenversichert waren und aufgrund ihres Alters oder ihrer Vorerkrankungen keine Möglichkeit zum Abschluss einer bezahlbaren Krankenversicherung hatten (vgl. § 12 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 [X.], vgl. auch BTDrucks 16/3100 S. 207).

bb) Die Differenzierung nach dem vom Beihilfeberechtigten oder berücksichtigungsfähigen Angehörigen abgeschlossenen Versicherungstarif kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie eine bereits im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit wahre. Über Jahrzehnte ist im Hinblick darauf, dass der Beamte nicht gesetzlich verpflichtet gewesen ist, eine private Krankenversicherung abzuschließen, die Beihilfe unabhängig vom Nachweis einer Versicherung in vollem Umfang gewährt worden. Art und Umfang der die Beihilfe ergänzenden privaten Krankenversicherung blieben als Teil der privaten Lebensführung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Vertragsfreiheit) des Beamten überlassen (vgl. Urteile vom 25. Juni 1987 - BVerwG 2 [X.] 57.85 - BVerwG[X.] 77, 331 <336> = [X.] 271 [X.] und vom 24. November 1988 - BVerwG 2 [X.] 17.88 - [X.] 270 § 15 [X.]). Dies entspricht dem beamtenrechtlichen Grundsatz der Vorsorgefreiheit (vgl. [X.], [X.] vom 13. Februar 2008 - 2 BvR 613/06 - [X.] 2008, 318 <320> m.w.[X.]), so dass eine Leistungskürzung aufgrund des vom Beamten gewählten Versicherungstarifs nicht als im derzeitigen Beihilfesystem bereits angelegt anzusehen ist (vgl. auch Urteil vom 19. Juli 2012 - BVerwG 5 [X.] 1.12 - BVerwG[X.] 143, 363 = [X.] 271 [X.], jeweils Rn. 14). § 76 Abs. 3 Satz 5 des [X.] - [X.] - vom 19. März 2009 ([X.]) lässt eine Kürzung der Beihilfe im Hinblick auf die privaten Versicherungsleistungen nur zu, wenn die Beihilfe zusammen mit den von dritter Seite zustehenden [X.]rstattungen die beihilfefähigen Aufwendungen überschreitet.

cc) Ferner sind für die beihilferechtliche Benachteiligung basistarifversicherter Beamter und berücksichtigungsfähiger Angehöriger auch keine Differenzierungsgründe von solcher Art und solchem Gewicht erkennbar, die zwar nicht im bestehenden Beihilfesystem angelegt sind, aber die Unterscheidung gleichwohl ausnahmsweise rechtfertigen können. Insbesondere kann die Beschränkung der [X.] nicht mit den Gründen gerechtfertigt werden, die zur Festlegung einer niedrigeren Vergütungspflicht der privaten Krankenversicherungen in § 73 Abs. 3a Satz 2 und 3 [X.] bei Basistarifversicherten geführt haben.

Diese Regelungen stehen im Zusammenhang mit der [X.]inführung der allgemeinen Krankenversicherungspflicht. Da die Zahl der nicht krankenversicherten Personen in [X.] stark zugenommen hatte und diese Personen im Falle einer schwerwiegenden [X.]rkrankung letztlich auf staatliche Hilfe angewiesen waren, entschloss sich der Gesetzgeber im Zuge des [X.] des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007 ([X.] S. 378) zur [X.]inführung einer Krankenversicherungsoption für alle im [X.] dauerhaft lebenden Personen. Durch eine Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes ([X.]) wurden die privaten Versicherungsunternehmen verpflichtet, allen Personen mit Wohnsitz in [X.], die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig waren, eine private Krankenversicherung zum Basistarif anzubieten (§ 12 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 [X.]). Dieser Basistarif sollte in Bezug auf seine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sein (§ 12 Abs. 1a [X.]; BTDrucks 16/3100 S. 81). Der maximale Beitrag sollte - unabhängig von Alter und Vorerkrankungen - dem Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen (vgl. § 12 Abs. 1c [X.]). Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 wurden alle nicht gesetzlich krankenversicherungspflichtigen Personen durch eine Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes zudem gesetzlich verpflichtet, mindestens eine Krankenversicherung zum Basistarif abzuschließen. Der Kontrahierungszwang der privaten Krankenversicherung wurde damit durch die jetzt in § 193 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 23. November 2007 ([X.] S. 2631), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. September 2013 ([X.] S. 3642), verankerte Krankenversicherungspflicht ergänzt (zur [X.]ntstehungsgeschichte [X.], Urteil vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 706, 814, 819, 832, 837/08 - [X.][X.] 123, 186 <193>; [X.], NJW 2007, 1313 f.).

Die Beschränkung der Vergütungspflicht der privaten Krankenversicherer dient dazu, diesen die Refinanzierung des Basistarifs zu erleichtern. Die privaten Krankenversicherer können die Mehrkosten, die bislang nicht versicherte, häufig ältere und kranke Neukunden mit sich bringen, systembedingt nicht wie die gesetzliche Krankenversicherung durch Umlagen abdecken. Ihnen fehlen auch die Rückstellungen, die bei der Versicherung von jungen und gesunden Neukunden bis zum [X.]intritt schwerer [X.]rkrankungen typischerweise gebildet werden. Wären sie verpflichtet, die im [X.] üblichen [X.]ntgelte für Krankenbehandlungen zu erbringen, hätte die [X.]inführung der Krankenversicherungspflicht hohe Verluste bei den privaten Krankenversicherungen erwarten lassen. Um dies zu verhindern, hat der Gesetzgeber nicht nur neue Risiko-Umlageverfahren für [X.] geschaffen (vgl. § 12g [X.]; [X.], Urteil vom 10. Juni 2009 a.a.[X.] <239>), sondern auch die Vergütungspflicht der privaten Krankenversicherer durch § 75 Abs. 3a [X.] im Bereich des Basistarifs auf ein aus seiner Sicht auch den behandelnden Ärzten [X.] reduziert. Dabei wurde der ursprüngliche [X.], dass die ärztlichen Leistungen mindestens auf dem [X.]rsatzkassenniveau zu vergüten sind (BTDrucks 16/3100 S. 16, 116), im Gesetzgebungsverfahren aufgegeben. Die vom Gesetzgeber vorgegebenen Vergütungssätze wurden ausgehend von dem im bisherigen [X.] üblichen Niveau im zahnärztlichen Bereich leicht erhöht, aber nach oben wie nach unten disponibel ausgestaltet (vgl. BTDrucks 16/4200 S. 36 f.; BTDrucks 16/4247 S. 37).

[X.]s liegt auf der Hand, dass die auf eine finanzielle Schonung der privaten Krankenversicherer abzielenden Überlegungen bei der [X.]inführung der Basistarifversicherungspflicht einer speziellen Problemlage geschuldet sind und dass die [X.] der privaten Krankenversicherer bei der Aufnahme von bislang unversicherten Risikopatienten in keiner Weise mit den Finanzierungsproblemen der öffentlichen Hand bei der [X.] vergleichbar sind. Dies folgt schon daraus, dass der Staat die Kosten der Beihilfe aus Steuern und damit über eine Umlage finanziert, also anders als private Krankenversicherer gerade keine Rückstellungen aus Versicherungsbeiträgen bildet. Außerdem mögen bislang nicht krankenversicherte Beamte für die privaten Krankenversicherungen Neukunden sein, für die jedwede Risikorückstellungen fehlen. Sie sind aber für den Staat keine "Neukunden", sondern stehen - wie der Fall des hier klagenden Ruhestandsbeamten zeigt - häufig seit Jahren in einem gegenseitigen Treueverhältnis zum Staat, so dass ein geringerer Beihilfebemessungssatz nicht unter dem Gesichtspunkt unerwarteten [X.] gerechtfertigt werden kann.

dd) Soweit der [X.] in der mündlichen Verhandlung die niedrigeren beihilferechtlichen [X.]rstattungen damit begründet hat, dass der basistarifversicherte Beamte oder berücksichtigungsfähige Angehörige geringere Krankenkassenbeiträge zu entrichten habe, überzeugt dies ebenfalls nicht. Denn den niedrigeren Krankenversicherungsbeiträge der basistarifversicherten Beamten stehen entsprechend geringere Krankenversicherungsleistungen gegenüber, so dass der basistarifversicherte Beamte den "Vorteil" niedrigerer Beiträge bereits mit dem "Nachteil" gekürzter [X.]rstattungsleistungen der privaten Krankenversicherung erkauft. Für eine doppelte Anrechnung dieses "Vorteils" bei der [X.] ist damit kein Raum.

ee) [X.]benso wenig kann die geringere [X.]rstattungshöhe mit der vom [X.] (Urteil vom 15. März 2013 - 10 A 11153/12.OVG - juris Rn. 30) angeführten [X.]rwägung begründet werden, der Basistarifversicherte habe auf einfache Weise die Möglichkeit, durch einen Hinweis auf sein geringeres Versicherungsniveau eine Absenkung der [X.] zu erwirken und damit beim Dienstherrn eine [X.]rsparnis zu erzielen. Diese Argumentation vermag schon deswegen nicht zu überzeugen, weil es auch der "normal" versicherte Beamte jederzeit in der Hand hat, durch Hinnahme von [X.]inschränkungen des gewohnten medizinischen [X.] in einen Basistarif zu wechseln und auf diese Weise [X.]insparungen beim Dienstherrn zu bewirken. [X.]s leuchtet aber nicht ein, dass nur diejenigen zur Leistung eines solchen [X.]rsparnisbeitrags verpflichtet sein sollen, die aufgrund ihrer Vorerkrankungen oder ihres Alters von den privaten Krankenversicherern gegen ihren [X.]en nur zum Basistarif versichert werden. Damit wird im [X.]rgebnis einer Beamtengruppe ein Sonderopfer allein deswegen abverlangt, weil sie auf dem Markt der privaten Krankenversicherungen aufgrund ihres Alters oder ihrer Vorerkrankungen bereits benachteiligt ist. Dies ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

3. Da die Regelung des § 6 Abs. 5 [X.] jedenfalls bei unfreiwillig im Basistarif versicherten Beihilfeberechtigten und berücksichtigungsfähigen Angehörigen gegen den Gleichheitssatz verstößt und zumindest in diesem Teilbereich unwirksam ist, kann der zu diesem Personenkreis zählende Kläger - wie vom Verwaltungsgericht entschieden - nach § 6 Abs. 3 [X.] die [X.]rstattung der nach den einschlägigen Gebührenordnungen üblichen [X.]ntgelte verlangen.

Meta

5 C 16/13

17.04.2014

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Berlin, 12. Dezember 2012, Az: 7 K 91.11, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, § 75 Abs 3a S 2 SGB 5, § 75 Abs 3a S 3 SGB 5, § 6 Abs 3 BhV BE, § 6 Abs 5 S 1 BhV BE, § 12 Abs 1a VAG, § 12 Abs 1b S 1 Nr 2 VAG, § 12 Abs 1c VAG, § 12g VAG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.04.2014, Az. 5 C 16/13 (REWIS RS 2014, 6216)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6216

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1 BvF 1/05

1 BvR 2035/07

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