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PDF anzeigen[X.] DES VOLKESURTEIL[X.] 270/99Verkündet am:8. Dezember 2000K a n i k ,[X.] Geschäftsstellein dem [X.] 2 -Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 17. Mai 1999 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der Klägerinergangen ist.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Der [X.] ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebau-ten Grundstücks in [X.]. An diesem Grundstück wurde mit notarieller Ur-kunde vom 27. Juni 1933 zugunsten der Eheleute [X.]ein bis zum 31. [X.] 1999 befristetes Erbbaurecht zum Zwecke der Schaffung einer Klein-haussiedlung begründet.Die Beklagten sind die Erben der Eheleute [X.] . Mit notariellem [X.] vom 20. Juli 1994 verkauften sie der Klägerin das Erbbaurecht zum Preis- 3 -von 650.000 DM. Die Klägerin übernahm ausdrücklich das Risiko, daß [X.] möglicherweise nicht verlängert würde.Der [X.] verweigerte die Zustimmung zur Veräußerung des Erbbau-rechts. Seine Zustimmung wurde durch Beschluß des Amtsgerichts [X.] 14. Mai 1996 ersetzt.Die Klägerin zahlte auf den Kaufpreis insgesamt 83.335,68 DM. In [X.] 21.564,32 DM rechnete sie mit einer unstreitigen Gegenforderung auf.Gegen die von den Beklagten angedrohte Zwangsvollstreckung aus dernotariellen Urkunde hat die Klägerin [X.]. Sie ist aufgrund eines eingeholten Privatgutachtens der Auffassung, daßder Kaufvertrag sittenwidrig sei, weil der Verkehrswert des Erbbaurechts [X.] 105.000 DM betragen habe.Das [X.] hat der Klage nur in Höhe der erbrachten [X.], und sie im übrigen abgewiesen. Das [X.] hat [X.] für unwirksam erklärt, soweit mehr als 245.100 DM voll-streckt werden können. Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Ziel, daß [X.] insgesamt für unzulässig erklärt wird. Die Revision [X.], die Klageabweisung haben erreichen wollen, soweit die Unzuläs-sigkeit der Zwangsvollstreckung in Höhe von 545.100 DM begehrt wird, hat [X.] nicht angenommen.- 4 -Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht verneint eine Sittenwidrigkeit des [X.] das Erbbaurecht nach § 138 BGB. Es stellt nach sachverständiger Bera-tung den Verkehrswert des Erbbaurechts zum Zeitpunkt des [X.] 350.000 DM fest, meint aber, zwischen diesem Wert und dem [X.] bestehe kein besonders grobes Mißverhältnis, dasohne Hinzutreten weiterer Umstände zur Sittenwidrigkeit führe. Die Vorausset-zungen des § 138 Abs. 2 BGB habe die Klägerin nicht dargetan. Sie habe sichvielmehr in dem vollen Bewußtsein, daß das Erbbaurecht zum [X.] ablief, und eingedenk des Risikos, daß es nicht verlängert würde, in [X.] zu dem Kauf entschlossen.[X.] Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nichtstand.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] kannein Rechtsgeschäft, das den Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht inallen Punkten erfüllt, auch dann gegen die guten Sitten verstoßen und damitnach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn ein auffälliges Mißverhältnis zwi-schen Leistung und Gegenleistung besteht und weitere Umstände hinzutreten,insbesondere der Begünstigte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat. Dasist z.B. angenommen worden, wenn der begünstigte Vertragspartner die wirt-- 5 -schaftlich schwächere Lage des anderen Teils bewußt zu seinem Vorteil aus-nutzt oder wenn er sich leichtfertig der Einsicht verschließt, daß sich der [X.] nur unter Zwang der Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einläßt ([X.], Urt. v. 18. Januar 1980, [X.], [X.], 597; [X.], Urt. v.25. Oktober 1979, [X.], [X.], 10; Urt. v. 26. Mai 1982,VIII [X.], [X.], 839).Ist das Mißverhältnis besonders groß, so ist allein deswegen der Schlußauf bewußte oder grob fahrlässige Ausnutzung irgendeines den [X.] in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes und damitauf eine verwerfliche Gesinnung zulässig (Senatsurt. v. 18. Januar 1980,[X.], [X.], 597 m.w.[X.]; v. 30. Januar 1981, [X.], [X.] 1981,404, 405; v. 5. Juni 1981, [X.], [X.] 1981, 1050, 1051; [X.], Urt. v.26. November 1997, [X.], NJW-RR 1998, 1065, 1066 m.w.[X.]).2. Diese Grundsätze verkennt auch das Berufungsgericht nicht.[X.] ist indes die Annahme, ein besonders grobes Mißverhältnissei vorliegend nicht gegeben. Hiervon ist nach der ständigen Senatsrechtspre-chung auszugehen, wenn der Wert der Leistung "knapp doppelt so hoch" istwie der Wert der Gegenleistung (vgl. Urt. v. 8. November 1991, [X.]/90,NJW 1992, 899, 900; v. 25. Februar 1994, [X.], NJW 1994, 1344, 1347;ebenso [X.], Urt. v. 26. November 1997, [X.], NJW-RR 1998, 1065,1066 m.w.[X.]). So hat der Senat ein solches Mißverhältnis z.B. bei folgendenRelationen bejaht: 45.000 DM zu 80.000 DM (Urt. v. 18. Januar 1980,[X.], [X.], 597), ca. 165.000 DM zu 300.000 DM (Urt. v. [X.], [X.], [X.] 1984, 874), 220.000 DM zu 400.000 DM (Urt. [X.] Januar 1991, [X.] 171/89, NJW-RR 1991, 589). Gemessen daran ist hier- 6 -ein besonders grobes Mißverhältnis zu bejahen, und zwar schon dann, [X.] zugrunde legt, daß der Wert des Erbbaurechts zum Zeitpunkt des [X.] betrug. Diese Wertfeststellung, die das Berufungsge-richt mit Hilfe des Sachverständigen getroffen hat, leidet im übrigen darunter,daß sie von der unzutreffenden, vom Berufungsgericht dem Sachverständigenvorgegebenen Annahme ausgeht, daß der [X.] ein konkretes [X.] auf Verlängerung des Erbbaurechts bis 2056 abgegeben habe. Ein [X.] Angebot hat der [X.] erst zu einem späteren, nach dem Vertrags-schluß liegenden Zeitpunkt gemacht. Die Unsicherheit hinsichtlich der Laufzeit,die bei Vertragsschluß noch bestand, läßt erwarten, daß der Wert zu hoch be-messen wurde, so daß das Mißverhältnis in Wahrheit noch krasser ausfällt.Im Falle eines besonders groben Mißverhältnisses ist der Schluß aufeine bewußte oder doch grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragsgeg-ner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes allerdingsnicht unumstößlich, sondern nur im Rahmen tatrichterlicher Würdigung zuläs-sig. Ob es sich dabei um einen Anscheinsbeweis handelt, worauf hindeutet,daß in der höchstrichterlichen Rechtsprechung häufig von einem "zwingendnaheliegenden" Schluß die Rede ist (z.B. [X.], 1, 6; Senat, Urt. v. 14. [X.], [X.], NJW 1969, 1255, 1256; [X.]/[X.], BGB,59. Aufl., § 138 Rdn. 34 a, spricht von einer tatsächlichen Vermutung, die [X.] dem Anscheinsbeweis entsprechen kann, vgl. MünchKomm-ZPO/Prütting, § 292 Rdn. 23; [X.], ZPO, 21. Aufl., § 286 Rdn. 97 mitFn. 271), oder ob das besonders grobe Mißverhältnis lediglich ein - allerdingsgewichtiges - Indiz darstellt (so wohl Senat, Urt. v. 30. Januar 1981, [X.],[X.] 1981, 404, 405), spielt keine Rolle. Jedenfalls beruht der Schluß auf einerLebenserfahrung, daß in der Regel außergewöhnliche Leistungen nicht [X.] zugestanden werden und daß der Begünstigte diese Erfahrung teilt ([X.], Urt. v. 21. März 1997, [X.] 355/95, [X.] 1997, 1155). Infolgedessen [X.] besondere Umstände des Geschäfts, die einer solchen Lebenserfahrungentgegenstehen, dazu führen, daß trotz eines besonders groben [X.] zwischen Leistung und Gegenleistung eine verwerfliche Gesinnung [X.] zu verneinen ist (Senat aaO).a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein solcher [X.] Umstand allerdings nicht darin zu sehen, daß sich die Klägerin indem Bewußtsein, daß das Erbbaurecht Ende 1999 ablief und seine Verlänge-rung ungewiß war, "in spekulativer Absicht" zu dem Kauf entschlossen hätte.Der spekulative Charakter des Geschäfts hat Einfluß auf die [X.] hätte der Klägerin Rechte versperrt, wenn sich ihre Hoffnung auf eineVerlängerung des Erbbaurechts nicht erfüllt hätte. Er ändert aber nichts andem groben Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung und der Le-benserfahrung, daß im Regelfall niemand ohne Grund bereit ist, ein für ihnderart ungünstiges Geschäft zu tätigen. Daß eine "spekulative Erwartung" dieKlägerin dazu veranlaßt haben könnte, einen "[X.]" zu zahlen, [X.] der Grundlage. Wer spekuliert, hofft darauf, wenigstens den Wert zu [X.], den der Gegenstand im Falle einer günstigen Entwicklung hat. Hier wardas Erbbaurecht nach der vom Berufungsgericht übernommenen [X.] des Sachverständigen aber auch unter Berücksichtigung einer Verlänge-rung nur 350.000 DM wert.b) Ob sich aus anderen Umständen, etwa aus den subjektiven [X.], Zweifel an der [X.] im konkreten Fall ergeben, unterliegt der [X.] -durch den Tatrichter. Feststellungen dazu sind nicht getroffen. Der Vortrag [X.] - wie er sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt - ist dazu wider-sprüchlich. Einerseits sieht sich die Klägerin übervorteilt, was eine Kenntnisder Beklagten von den wahren Wertverhältnissen bedingt; andererseits hat [X.], beide Kaufvertragsparteien, also auch die Beklagten, seien [X.] davon ausgegangen, daß der Wert des [X.] DM betrage. Das wiederum haben aber gerade die Beklagten bestrit-ten.[X.]Schneider [X.]
Meta
08.12.2000
Bundesgerichtshof V. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2000, Az. V ZR 270/99 (REWIS RS 2000, 203)
Papierfundstellen: REWIS RS 2000, 203
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