Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.01.2011, Az. 4 ARs 27/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 10406

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Gegenstand

Antwort des 4. Strafsenats auf die Anfrage des 5. Strafsenats zur rückwirkenden Anwendung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


Tenor

Die beabsichtigte Entscheidung des 5. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des 4. Strafsenats, der an dieser fest hält.

Gründe

1

Der 5. Strafsenat beabsichtigt zu entscheiden:

2

Aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in ihrer Auslegung durch den [X.] ergibt sich für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keine die Rückwirkung generell hindernde andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB.

3

Er hat daher mit Beschluss vom 9. November 2010 beim 4. Strafsenat angefragt, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird, bei den anderen Strafsenaten, ob dieser Rechtsauffassung zugestimmt wird.

4

Der beabsichtigten Entscheidung des 5. Strafsenats steht Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegen (Beschluss vom 12. Mai 2010 – 4 [X.], [X.], 359 = NStZ 2010, 567). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest und bemerkt ergänzend:

5

1. Die Ausführungen im [X.] zur Beachtlichkeit des Willens des innerstaatlichen Gesetzgebers vermögen nicht zu überzeugen.

6

Ohne eine entsprechende, ausdrückliche Aussage des Bundesgesetzgebers ist die Annahme, dass sich dieser mit neuem innerstaatlichem Recht über die durch Ratifizierung der [X.] übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen der [X.] hinwegsetzen wollte, nicht gerechtfertigt. Nur wenn feststehen würde, dass insoweit eine eindeutige Abweichung gewollt war, würde einer Konventionsregelung eine abweichende, innerstaatliche Regelung trotz Verstoßes gegen Völkerrecht vorgehen (vgl. dazu [X.] in Löwe/[X.], [X.], 25. Aufl., Einf. [X.]/[X.] Rn. 43 m.w.N.). Abgesehen davon, dass eine solche Annahme schon im Hinblick auf die verfassungsrechtlich verankerte Völkerrechtsfreundlichkeit der [X.] Rechts- und Verfassungsordnung fern liegt (vgl. dazu [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., Art. 24 Rn. 6; Art. 25 Rn. 9 sowie Art. 59 Rn. 65a), ergeben die vom anfragenden Senat in Bezug genommenen Gesetzesmaterialien aus den Beratungen zum 2. Strafrechtsreformgesetz dafür keinen Anhalt. Der Gesetzgeber war lediglich der Auffassung, die getroffene Regelung verstoße im Ergebnis nicht gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 [X.]; der Wille zur bewussten Missachtung dieser Gewährleistung der Konvention kann den Materialien nicht entnommen werden. Dies widerspräche im Übrigen Art. 27 Satz 1 des Gesetzes zu dem [X.] vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge ([X.]), wonach kein Vertragsstaat völkervertragsrechtlich übernommene Verpflichtungen unter Berufung auf innerstaatliches Recht missachten darf. Ein abweichender Wille des historischen Gesetzgebers wäre außerdem spätestens durch das Inkrafttreten des [X.] und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 ([X.]) als überholt anzusehen.

7

Abschließend verweist der Senat in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen in der jüngst ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs zur Reichweite des [X.] im Recht der Sicherungsverwahrung, in denen auf die Verpflichtung der einzelnen [X.] zur Beseitigung von [X.] hingewiesen wird ([X.], Urteil vom 13. Januar 2011, [X.] gegen [X.], Individualbeschwerde Nr. 17792/07, [X.]. 78 – 83).

8

2. Eine Entscheidung über die Vereinbarkeit der eine Rückwirkung enthaltenden Regelungen zur Sicherungsverwahrung in ihrer hier anzuwendenden Fassung mit dem Grundgesetz bleibt dem [X.] vorbehalten.

[X.]                               Solin-Stojanović                                Roggenbuck

                        [X.]Bender

Meta

4 ARs 27/10

18.01.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

vorgehend BGH, 9. November 2010, Az: 5 StR 394/10, Beschluss

Art 103 Abs 2 GG, Art 5 Abs 1 S 2 MRK, Art 7 Abs 1 S 2 MRK, § 46 Abs 1 MRK, § 2 Abs 6 StGB, § 67d Abs 1 S 1 StGB, § 67d Abs 3 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.01.2011, Az. 4 ARs 27/10 (REWIS RS 2011, 10406)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10406

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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