Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.05.2012, Az. III B 166/11

3. Senat | REWIS RS 2012, 6042

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Gegenstand

Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Ablehnung der Änderung der Lohnsteuerklasse eingetragener Lebenspartner


Leitsatz

1. NV: Ein auf die Änderung der Lohnsteuerkarte gerichtetes Rechtsmittel wird unzulässig, sobald der Lohnsteuerabzug nicht mehr geändert werden kann .    

2. NV: Ein an das FG gerichteter Antrag auf Änderung der Lohnsteuerkarten im Wege der AdV ist unzulässig, wenn die Behörde nicht zuvor einen bei ihr gestellten Aussetzungsantrag abgelehnt hat .    

3. NV: Es fehlt an dem für eine einstweilige Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund, wenn durch die Ablehnung weder die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen bedroht wäre noch ähnlich gewichtige Gründe vorliegen .

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerinnen und Beschwerdeführerinnen (Antragstellerinnen) leben seit April 2007 im Inland als eingetragene Lebenspartnerinnen zusammen. Beide erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.

2

Im Februar 2011 beantragten sie unter Hinweis auf einen Zusammenveranlagungsantrag aus dem [X.], die Eintragungen auf ihren Lohnsteuerkarten für das [X.] dahingehend zu ändern, dass für die Antragstellerin zu 1. die [X.] und für die Antragstellerin zu 2. die [X.] eingetragen wird. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) lehnte dies mit Schreiben vom 10. März 2011 ab. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt das [X.] nicht.

3

Das Finanzgericht ([X.]) lehnte den daraufhin gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1619). Es führte aus, vorläufiger Rechtsschutz zur Abänderung der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklassen bei eingetragenen Lebenspartnern sei nicht durch einstweilige Anordnung, sondern durch Aussetzung der Vollziehung (AdV) zu gewähren. Eine Umdeutung in einen Antrag auf gerichtliche AdV führe jedoch nicht zum Erfolg, da kein Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid eingelegt worden sei. Der Antrag sei jedenfalls auch unbegründet. Weder sei ein Hauptsacheverfahren bezüglich der Eintragung anderer Lohnsteuerklassen anhängig noch der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwehr schwerwiegender Nachteile unumgänglich. Zu ihrer finanziellen Situation im [X.] hätten die Antragstellerinnen nichts vorgetragen; angesichts der für 2009 erklärten Einkünfte von insgesamt ca. 120.000 € sei nicht nachvollziehbar, dass die Mittel für eine Kinderfrau fehlten. Die Antragstellerinnen könnten ihr Begehren im Rahmen des späteren Veranlagungsverfahrens weiter verfolgen; ein etwaiger [X.] rechtfertige eine einstweilige Anordnung nicht.

4

Zur Begründung ihrer vom [X.] zugelassenen Beschwerde tragen die Antragstellerinnen vor, das [X.] verkenne, dass die Voraussetzungen für ihre Einstufung in die [X.] nicht vorlägen, da sie nicht ledig seien. Die verfassungsrechtliche Situation sei aufgrund der Beschlüsse des [X.] vom 7. Juli 2009  1 BvR 1164/07 ([X.] 124, 199, betr. Hinterbliebenenversorgung nach § 38 der Satzung der [X.] und der Länder) und vom 21. Juli 2010 1 BvR 2464/07 ([X.] 126, 400, betr. Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz) in ihrem Sinne geklärt. Die klare Rechtslage begründe auch einen wesentlichen Nachteil i.S. von § 114 Abs. 1 Satz 2 [X.]O.

Entscheidungsgründe

5

II. [X.] ist unzulässig, sie wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 FGO).

6

1. Gemäß § 52b Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), der durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 8. Dezember 2010 ([X.], 1768) mit Wirkung zum 1. Januar 2011 in das EStG eingefügt wurde, gilt die Lohnsteuerkarte 2010 mit den eingetragenen [X.] auch für den Steuerabzug vom Arbeitslohn ab dem 1. Januar 2011 bis zur erstmaligen Anwendung der elektronischen [X.]smerkmale. Danach hat die Eintragung der Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte 2010 (§§ 38b, 39 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG) auch für den [X.] im [X.] noch Bedeutung.

7

2. Die Voraussetzungen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für die Änderung der Eintragung der Steuerklasse in den Lohnsteuerkarten sind im Streitfall nicht gegeben, ohne dass es darauf ankäme, ob dieser durch AdV oder nach § 114 FGO durch eine einstweilige Anordnung erfolgen müsste.

8

a) [X.] ist wegen Zeitablaufs unzulässig.

9

Bei Beendigung des Dienstverhältnisses oder am Ende des Kalenderjahres hat der Arbeitgeber das Lohnkonto des Arbeitnehmers --nach einem eventuellen Lohnsteuer-Jahresausgleich (§ 42b EStG)-- abzuschließen und die Eintragungen bis zum 28. Februar des Folgejahres der Steuerverwaltung zu übermitteln (elektronische Lohnsteuerbescheinigung). Damit wird gemäß § 41b EStG der [X.] --auch hinsichtlich der danach zu bemessenden [X.] abgeschlossen. Die Bescheinigung enthält die für eine etwaige Einkommensteuerveranlagung erforderlichen Angaben. Nach der Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung ist eine Änderung des [X.]s sowie der danach zu bemessenden Zuschlagsteuern nicht mehr zulässig; der Lohnsteuer-Jahresausgleich ist nach § 42b Abs. 3 EStG spätestens bei der Lohnabrechnung für den im März des Folgejahres endenden Lohnzahlungszeitraum durchzuführen. Etwaige Fehler beim [X.] können dann nur noch im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung berichtigt werden; für eine Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung besteht nach diesem Zeitpunkt kein Rechtsschutzbedürfnis mehr (Urteil des [X.] --BFH-- vom 19. Oktober 2001 VI R 36/96, [X.], 340; [X.] vom 7. Februar 2008 VI B 110/07, [X.], 944).

Kann der [X.] nicht mehr geändert werden, so verliert auch die Änderung der Lohnsteuerkarte ihre rechtliche Bedeutung. Für einen auf Änderung der Lohnsteuerkarte gerichteten Antrag entfällt daher ebenfalls das Rechtsschutzbedürfnis. Der Arbeitnehmer wird dadurch nicht rechtlos gestellt, denn etwaige Fehler beim [X.] können im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung berichtigt werden, bei der keine Bindung an den Inhalt der Lohnsteuerbescheinigung besteht (BFH-Urteil in [X.], 340).

b) Der Senat weist darauf hin, dass der Antrag auch bei einer früheren Beschlussfassung keine Aussichten auf Erfolg gehabt hätte.

aa) Eine Änderung der Lohnsteuerkarten im Wege der AdV (§ 69 Abs. 3 FGO) kam nicht in Betracht, denn ein Antrag auf AdV an das Gericht ist nur zulässig, wenn die Finanzbehörde zuvor einen bei ihr gestellten Aussetzungsantrag abgelehnt hat (§ 69 Abs. 4 Satz 1 FGO). Bei dieser sog. Zugangsvoraussetzung ist eine nachträgliche Heilung nicht möglich (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.] vom 28. Mai 2008 IX S 4/08 (PKH), [X.], 1489). Einen entsprechenden vorherigen Antrag bei dem [X.] haben die Antragstellerinnen jedoch nicht gestellt.

bb) Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung stand entgegen, dass es an einem Anordnungsgrund fehlte. Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis setzt nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO voraus, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Der Antragsteller hat daher sowohl einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) als auch den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig darzulegen und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft zu machen (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist. Die für den Erlass einer Anordnung geltend gemachten Gründe müssen jedenfalls ähnlich gewichtig und bedeutsam sein wie die im Gesetz ausdrücklich genannten ("wesentliche Nachteile" und "drohende Gewalt") und so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (z.B. [X.] vom 22. Dezember 2006 VII B 121/06, [X.], 38, [X.], 839). Derartige Gründe haben die Antragstellerinnen indessen weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund liegt insbesondere auch nicht in einem möglichen [X.], wenn einbehaltene [X.] --hier die [X.] erst im Veranlagungsverfahren angerechnet werden können (z.B. [X.] vom 27. Juli 1994 I B 246/93, [X.], 205, [X.] 1994, 899; Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 114 FGO Rz 80).

Meta

III B 166/11

25.05.2012

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 8. Juni 2011, Az: 12 V 1468/11, Beschluss

§ 26b EStG 2009, § 38b S 2 Nr 1 EStG 2009, § 41b EStG 2009, § 42b Abs 3 EStG 2009, § 69 Abs 3 FGO, § 114 FGO, § 69 Abs 4 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.05.2012, Az. III B 166/11 (REWIS RS 2012, 6042)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6042

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