Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.10.2017, Az. VIII R 13/14

8. Senat | REWIS RS 2017, 4400

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Gegenstand

Einordnung von Einkünften aus einem Schneeballsystem zu einer ausländischen Kapitalgesellschaft


Leitsatz

1. NV: Bei der Entscheidung, ob einer der in § 20 EStG aufgeführten Tatbestände erfüllt ist, kommt es entscheidend darauf an, wie sich das jeweilige Rechtsgeschäft aus der Sicht des Kapitalanlegers als Leistungsempfänger bei objektiver Betrachtungsweise darstellt, da auf den nach außen erkennbaren Willen des Betreibers des Schneeballsystems abzustellen ist.

2. NV: Für die Einordnung eines ausländischen Rechtsverhältnisses als stille Beteiligung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG kommt es darauf an, was die Vertragsparteien auf Grundlage der getroffenen Vereinbarungen wirtschaftlich gewollt haben und ob der unter Heranziehung aller Umstände zu ermittelnde Vertragswille objektiv auf den Abschluss eines Gesellschaftsverhältnisses gerichtet ist, das den Merkmalen einer inländischen stillen Gesellschaft entspricht.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 19. März 2014  14 K 2824/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Nach den nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) wurde die [X.] ([X.]) im Jahr 2002 nach dem Recht des US-[X.]undesstaats ... als AG [X.] Rechts gegründet.

2

In den von den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) unterzeichneten [X.]eitrittserklärungen der [X.] wurde den Klägern jeweils der Abschluss eines Gesellschaftsvertrags angeboten. Die [X.]eteiligungen wurden als stille [X.]eteiligungen bezeichnet. Das [X.]eteiligungsverhältnis zur [X.] sollte nach Eingang der Anlagesumme auf einem [X.] begründet werden. Jede [X.]eteiligung war mit einer Mindestlaufzeit bis zu einem bestimmten Enddatum versehen und konnte sich verlängern.

3

Die Anlagegelder sollten nach den Angaben gegenüber den Klägern in einen Vermögenspool fließen, aus dem u.a. Großbanken Kapital für Finanzgeschäfte verzinslich zur Verfügung gestellt werden sollte.

4

Den Klägern wurde eine jährliche Rendite von 15,5 % ihrer Anlagesummen pro Jahr in Aussicht gestellt, gleichzeitig waren sie bis zur Höhe ihres Anlagekapitals an den Verlusten aus den Handelsgeschäften der [X.] beteiligt.

5

Die Kläger leisteten zwischen den Jahren 2002 und 2007 Anlagebeträge an die [X.]. Die erste Anlage zeichneten sie gemeinsam am 14. September 2002. Danach folgten gemeinsame Anlagen am 16. September 2003, am 21. Juni 2004, am 22. März 2005, am 4. April 2005. Die Klägerin allein tätigte Anlagen am 15. Dezember 2005, am 9. Februar 2006, am 9. August 2006, am 8. September 2006, am 15. Dezember 2006, am 28. Januar 2007, am 25. Juli 2007 und am 26. Oktober 2007.

6

Den Klägern wurden für die Streitjahre jährliche Abrechnungen von der [X.] erteilt, die Renditen von 15,5 % auf die jeweiligen Anlagebeträge auswiesen. [X.]ei Kündigung der Anlage wurden die Anlagebeträge samt der Renditen ausgezahlt. [X.]ei [X.] wurde der Anlagebetrag erhöht um den Renditebetrag neu angelegt. Tatsächliche Auszahlungen seitens der [X.] an die Anleger erfolgten zumindest bis Anfang des Jahres 2010.

7

Die Kläger reichten ihre Steuererklärungen für die Streitjahre zu folgenden Zeitpunkten ein: für das Streitjahr 2005 am 28. September 2007, für das Streitjahr 2006 am 4. Juli 2007, für das Streitjahr 2007 am 22. September 2008, für das Streitjahr 2008 am 2. September 2009 und für das Streitjahr 2009 am 23. August 2010. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen aus [X.]eteiligungen an der [X.] wurden hierin nicht erklärt. Die Steuerbescheide für die Streitjahre wurden bestandskräftig.

8

Das Finanzamt für [X.] und Steuerfahndung forderte die Kläger jeweils mit Schreiben vom 19. Juli 2010 auf, Angaben zu ihren [X.]-[X.]eteiligungen zu machen. Mit Schreiben vom 23. November 2010 wurde ihnen jeweils die Einleitung des Steuerstrafverfahrens zur Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2009 mitgeteilt. In seinen abschließenden [X.]erichten vom 27. Juni 2012 zu den gesondert verfolgten Klägern gelangte das Finanzamt für [X.] und Steuerfahndung zu dem Ergebnis, die Kläger hätten aus den [X.]eteiligungen an der [X.] Einnahmen als stille [X.]eteiligte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes in den in den Streitjahren geltenden Fassungen (EStG) erzielt, die sie hätten erklären müssen.

9

Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erließ daraufhin am 22. Oktober 2012 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]) entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, in denen er die nicht erklärten Einkünfte von der [X.] als Vergütungen der Kläger aus stillen [X.]eteiligungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfasste.

Der Einspruch der Kläger und die anschließende Klage blieben erfolglos. Das [X.] hat die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2014, 1096 mitgeteilten Gründen mit Urteil vom 19. März 2014  14 K 2824/13 abgewiesen.

Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr [X.]egehren weiter.

Das Urteil des [X.] verletze materielles [X.]undesrecht. Es habe die [X.]eteiligungen der Kläger an der [X.] zu Unrecht als stille [X.]eteiligungen und nicht als Vorzugsaktien eingeordnet. Zudem habe das [X.] zu Unrecht einen Zufluss von Vergütungen aus stillen [X.]eteiligungen gemäß § 11 EStG bejaht. Nach der Entscheidung des [X.]undesfinanzhofs ([X.]FH) vom 11. Februar 2014 VIII R 25/12 ([X.]FHE 244, 406, [X.]St[X.]l II 2014, 461) könne von der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der [X.] zur Auszahlung der Renditen in den Streitjahren nicht ausgegangen werden, da aufgrund eines Verlustes der Anlagesummen objektiv nicht mehr sämtliche Anleger hätten befriedigt werden können. Das [X.] habe auch verkannt, dass nach der Rechtsprechung des [X.]FH ein Zufluss im Wege der Gutschrift oder Novation jedenfalls dann nicht mehr angenommen werden könne, wenn der [X.]etreiber des [X.] auf einen Auszahlungswunsch des Anlegers hin eine sofortige Auszahlung ablehne und über anderweitige Zahlungsmodalitäten verhandeln wolle.

Zudem rügen die Kläger einen Verfahrensfehler des [X.].

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2009, jeweils vom 22. Oktober 2012, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. August 2013 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen um Erträge aus der [X.]eteiligung an der [X.] in Höhe von

        

Kläger

Klägerin

2005   

3.883 €

3.883 €

2006   

5.951 €

6.912 €

2007   

6.671 €

25.342 €

2008   

7.709 €

57.021 €

2009   

8.899 €

61.284 €

gemindert werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es äußert Zweifel an der Zulässigkeit der Revision, weil nicht erkennbar sei, gegen welche Rechtsvorschriften die Entscheidung des [X.] nach Ansicht der Kläger verstoßen solle. Die bloße [X.]ezugnahme auf Schriftsätze im [X.]-Verfahren oder auf die Einspruchsentscheidung reiche zur Darlegung der [X.]egründetheit der Revision nicht aus.

Der Entscheidung des [X.] lasse sich auch keine Abweichung von dem zitierten Urteil des [X.]FH in [X.]FHE 244, 406, [X.]St[X.]l II 2014, 461 entnehmen. Das [X.] sei in der angefochtenen Entscheidung von denselben Rechtsgrundsätzen wie der [X.]FH ausgegangen.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der Senat hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die [X.]eteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

2. Der Senat sieht die Revision trotz der seitens des [X.] geäußerten Zweifel als zulässig an.

Der Revisionskläger muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 [X.]uchst. a [X.]O). Er muss neben der Rüge eines konkreten Rechtsverstoßes die Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art angeben, die nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Erforderlich ist eine zumindest kurze Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils, aus der zu erkennen ist, dass der Revisionskläger die [X.]egründung dieses Urteils und sein eigenes Vorbringen überprüft hat (ständige Rechtsprechung, s. z.[X.]. [X.] vom 20. August 2012 I R 3/12, [X.], 1990; vom 7. April 2010 I R 34/06, [X.], 1466; vom 9. März 2016 I R 79/14, [X.], 1039; vom 11. Januar 2017 VI R 26/15, [X.], 473).

Diese Voraussetzungen sieht der Senat im Streitfall noch als erfüllt an, da die Kläger im Hinblick auf die vom [X.] bejahte Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der [X.] in den Streitjahren geltend machen, das [X.] habe die im Senatsurteil in [X.]FHE 244, 406, [X.]St[X.]l II 2014, 461 enthaltenen rechtlichen Maßstäbe verkannt und zu Unrecht einen Zufluss der streitigen Vergütungen aus stillen [X.]eteiligungen angenommen.

3. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O).

Die Rechtsbeziehung der Kläger zur [X.] war als stille [X.]eteiligung der Kläger gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG einzuordnen (s. unter 3.a). Das [X.] hat zu Recht einen Zufluss der streitigen Vergütungen bei den Klägern in den Streitjahren angenommen (s. unter 3.b). Auch konnten die Einkommensteuerbescheide für sämtliche Streitjahre zu Lasten der Kläger gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] geändert werden (s. unter [X.]). Der geltend gemachte Verfahrensfehler wird nicht hinreichend dargelegt (s. unter 3.d).

a) Das [X.] hat die Rechtsbeziehungen zwischen den Klägern und der [X.] zutreffend als unter § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG fallende stille [X.]eteiligungen beurteilt.

aa) Es hat in rechtlicher Hinsicht zutreffend darauf abgestellt, dass für die Einordnung einer Rechtsbeziehung unter einen der Tatbestände des § 20 EStG maßgeblich ist, wie sie sich aus Sicht des Kapitalanlegers als Leistungsempfänger bei objektiver [X.]etrachtungsweise darstellt, da auf den nach außen erkennbaren Willen des [X.]etreibers des [X.] abzustellen ist ([X.]FH-Urteil vom 14. Dezember 2004 VIII R 5/02, [X.]FHE 209, 423, [X.]St[X.]l II 2005, 739, Rz 25; zur stillen [X.]eteiligung [X.]FH-Urteile vom 28. Oktober 2008 VIII R 36/04, [X.]FHE 223, 166, [X.]St[X.]l II 2009, 190, unter [X.]; vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95, [X.]FHE 184, 21, [X.]St[X.]l II 1997, 755, unter [X.]a bb).

Für die Einordnung eines (auch ausländischen) Rechtsverhältnisses unter § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist die [X.]ildung einer Risikogemeinschaft, vor allem die Vereinbarung einer Erfolgs- und Verlustbeteiligung, die ein typisches Merkmal eines Gesellschaftsverhältnisses bildet, prägend (ständige [X.]FH-Rechtsprechung, vgl. Urteile vom 22. Juli 1997 VIII R 12/96, [X.]FHE 184, 34, [X.]St[X.]l II 1997, 761; vom 7. Oktober 1997 VIII R 40/97, [X.]FH/NV 1998, 958; in [X.]FHE 184, 21, [X.]St[X.]l II 1997, 755; vom 10. Juli 2001 VIII R 35/00, [X.]FHE 196, 112, [X.]St[X.]l II 2001, 646; in [X.]FHE 223, 166, [X.]St[X.]l II 2009, 190, unter II.2.). Unerheblich ist hingegen, ob im Wortlaut der getroffenen Vereinbarungen der [X.]egriff "stille Gesellschaft" erwähnt wird und ob die Vereinbarungen zwischen Anleger und [X.]etreiber des [X.] ausdrückliche Regelungen über Kontrollrechte der Anleger enthalten ([X.]FH-Urteil in [X.]FHE 223, 166, [X.]St[X.]l II 2009, 190, unter II.2.).

bb) Das [X.] hat für den Senat in tatsächlicher Hinsicht bindend gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O festgestellt, die Kläger seien in ihren [X.]eitrittserklärungen auf das Zustandekommen stiller Gesellschaften mit der [X.] hingewiesen worden. Ihnen sei vorgetäuscht worden, die Anlagegelder sollten seitens der [X.] zur verzinslichen Refinanzierung von Großbanken zur Verfügung gestellt werden. Zudem hat das [X.] festgestellt, den Klägern sei eine jährliche Rendite von 15,5 % der jeweiligen Anlage zugesagt worden und dass sie mit der Anlagesumme für Verluste haften müssten. Schließlich hat es auf von den Klägern nicht vorgelegte Nachweise für eine Stellung als Aktionär der [X.] (Fehlen von [X.] oder Nachweisen zur [X.]erechtigung an sammelverwahrten Aktien, fehlende Auszüge aus einem Gesellschafterbuch, fehlende Nachweise zu Kapitalerhöhungen der [X.]) abgestellt, aus denen es ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze abgeleitet hat, die [X.]eteiligungen der Kläger hätten nach den für die Kläger erkennbaren objektiven Umständen nicht als Erwerb von (Vorzugs-)Aktien an der [X.] ausgelegt werden können.

cc) Auf dieser tatsächlichen Grundlage ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] das Rechtsverhältnis der Kläger zur [X.] unter § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG eingeordnet hat. Die Würdigung des [X.], gegen eine [X.]eteiligung der Kläger an der [X.] in Form von Vorzugsaktien spreche die [X.]efristung der jeweiligen Anlagen und die Mitteilung abrufbarer oder wiederanzulegender Renditebeträge, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auch die weitere rechtliche Würdigung, die [X.] habe den [X.]etrieb eines Handelsgewerbes i.S. des § 1 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs im [X.]ereich der Finanzanlagen vorgetäuscht, es sei jeweils eine Risikogemeinschaft zwischen der [X.] und den Klägern gewollt gewesen und begründet worden und die Kläger hätten in Form ihrer auf [X.]-Konten gezahlten [X.] (Einlagen) getätigt, sodass typisch stille [X.]eteiligungen am Handelsgewerbe der [X.] gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG begründet worden seien, ist nicht zu beanstanden.

b) Zutreffend ist das [X.] auch von einem Zufluss der gutgeschriebenen und wiederangelegten Erträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 11 EStG in den Streitjahren ausgegangen.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]FH führen Gutschriften oder die Wiederanlage von Renditen in [X.] zu Einnahmen aus Kapitalvermögen, hier i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG, wenn der [X.]etreiber des [X.] bei Erteilung der Gutschriften oder der Wiederanlage leistungsbereit und leistungsfähig ist (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.]FHE 244, 406, [X.]St[X.]l II 2014, 461, Rz 23 ff.). Der Anleger muss bei beiden "Zuflusstatbeständen" im Zeitpunkt der Novation oder der Gutschrift in den [X.]üchern des [X.]etreibers des [X.] tatsächlich in der Lage gewesen sein, die Auszahlung ohne weiteres Zutun herbeizuführen (vgl. [X.]FH-Urteile in [X.]FHE 196, 112, [X.]St[X.]l II 2001, 646; in [X.]FHE 223, 166, [X.]St[X.]l II 2009, 190; in [X.]FHE 244, 406, [X.]St[X.]l II 2014, 461, Rz 27).

bb) Von einem nicht mehr leistungsbereiten und -fähigen [X.]etreiber eines [X.] kann vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen erst ausgegangen werden, wenn dieser auf einen [X.] des Anlegers hin eine sofortige Auszahlung ablehnt und stattdessen über anderweitige Zahlungsmodalitäten verhandelt ([X.]FH-Urteil in [X.]FHE 244, 406, [X.]St[X.]l II 2014, 461, Rz 35). Ob eine Deckungslücke zwischen den dem [X.]etreiber des [X.] tatsächlich zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und den tatsächlich bestehenden Forderungen aller Anleger, wenn diese hypothetisch auf einen Schlag zu befriedigen wären, im Zeitpunkt der Novation oder Gutschrifterteilung bestanden hat, ist hingegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats --entgegen der Auffassung der [X.] unbeachtlich. Aus einer solchen Deckungslücke lässt sich für die Frage des Zuflusses von Erträgen jedenfalls so lange nichts herleiten, wie das Schneeballsystem als solches funktioniert, d.h. die Auszahlungsverlangen der Anleger ohne Einschränkung bedient werden ([X.]FH-Urteil in [X.]FHE 244, 406, [X.]St[X.]l II 2014, 461, Rz 36).

cc) Die Würdigung des [X.], die von der [X.] in den Streitjahren mitgeteilten Renditen seien den Klägern aufgrund von Gutschriften oder der Entscheidung zur Wiederanlage als Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 11 EStG zugeflossen, ist nach den vorstehenden Maßstäben und auf Grundlage der bindenden Feststellungen des [X.] nicht zu beanstanden.

Es ist bindend festgestellt, dass den Klägern in den Streitjahren "Renditen" per Abrechnung mitgeteilt und gutgeschrieben wurden, sich der Kläger oder die Klägerin zur Wiederanlage stets aufgrund ihres eigenen freien Entschlusses entschieden haben und die [X.] bis Anfang 2010 die [X.] aller Anleger generell bedienen konnte.

Die von den Klägern angeführten Gesichtspunkte für eine fehlende Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der [X.] in den Streitjahren greifen nicht durch. Ihre [X.]ehauptungen, die [X.] habe für den Fall der Kündigung der Anleger mit dem Totalverlust gedroht, sich für nicht leistungsfähig erklärt und sie hätten --nach den [X.] im Jahr 2010 sämtliche Anlagen gekündigt und erfolglos von der [X.] die Auszahlung ihrer Anlagen und Erträge verlangt, sind vom [X.] nicht als Tatsachen festgestellt worden und damit gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O als neuer Sachvortrag im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen. Überdies stünde eine Kündigung der Anlagen mit einem gescheiterten [X.] im Jahr 2010 auch nicht der Annahme eines Zuflusses der gutgeschriebenen oder wiederangelegten Kapitalerträge in den früheren Streitjahren entgegen, da es auf die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit im Zeitpunkt der Gutschrifterteilung oder der Wiederanlage ankommt. Gleiches gilt für die von den Klägern geltend gemachten Kündigungen ihrer Anlagen aus dem Jahr 2010.

Eine fehlende Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der [X.] im Streitjahr ist auch nicht aufgrund des Vorbringens in den Schriftsätzen vom 17. und 19. Juli 2017 zu bejahen. Es handelt sich bei den dargelegten Tatsachen und vorgelegten Unterlagen um neuen Sachvortrag im Revisionsverfahren, der gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O unbeachtlich ist. Zudem stellt die im Urteil des [X.] ... wiedergegebene interne Äußerung des Directors der [X.] gegenüber seinen Vertriebsleitern von Anfang März 2008, "die [X.] habe weder in der Vergangenheit noch aktuell über das notwendige Kapital verfügt, erfolgreiche Geschäfte zu tätigen", --selbst wenn sie zu berücksichtigen wäre--, die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der [X.] in den Streitjahren nicht in Frage. Denn maßgeblich hierfür ist --wie unter [X.] allein das Verhalten der [X.] zu den Anlegern im Außenverhältnis.

dd) Das [X.] hat zu Recht auch keine [X.]eschränkung des deutschen [X.]esteuerungsrechts für die den Klägern durch Gutschrift und Novation zugeflossenen Vergütungen aus den stillen [X.]eteiligungen durch das Abkommen zwischen der [X.]undesrepublik Deutschland  und den [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 in seiner Fassung des Protokolls zur Änderung des am 29. August 1989 unterzeichneten Abkommens zwischen der [X.]undesrepublik Deutschland und den [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern (Änderungsprotokoll) vom 1. Juni 2006 ([X.]G[X.]l II 2006, 1186, [X.]St[X.]l I 2008, 767) --D[X.]A [X.] 1989/2008-- bejaht. Aus [X.] Sicht liegen in den Streitjahren von den Klägern vereinnahmte Vergütungen aus stillen [X.]eteiligungen zur [X.] als [X.] Kapitalgesellschaft gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG vor. Die unbeschränkt steuerpflichtigen Kläger sind in den Streitjahren mit ihrem Welteinkommen im Inland steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG). Es besteht aufgrund des Vortrags der Kläger kein Anhaltspunkt dafür, dass das innerstaatliche [X.]esteuerungsrecht der [X.]undesrepublik Deutschland durch die Anwendung der Freistellungsmethode gemäß Art. 23 Abs. 2 Satz 1 [X.]uchst. a Satz 1 D[X.]A [X.] 1989 (Streitjahre 2005 bis 2007) oder gemäß Art. 23 Abs. 3 Satz 1 [X.]uchst. a D[X.]A [X.] 2008 (Streitjahre 2008 und 2009) beschränkt sein könnte.

c) Schließlich ist die Würdigung des [X.], das [X.] habe für sämtliche Streitjahre noch gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] Änderungsbescheide erlassen können, ohne durch die Festsetzungsverjährung gehindert zu sein, frei von Rechtsfehlern.

Für die Streitjahre 2007 bis 2009 war im Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsbescheide die reguläre vierjährige Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] noch nicht abgelaufen. Für die Streitjahre 2005 und 2006 hat das [X.] aufgrund von Ermittlungen des Finanzamts für [X.] und Steuerfahndung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 [X.] zutreffend eine Ablaufhemmung bejaht, da Ermittlungen vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist für diese Streitjahre (für 2005 und 2006 jeweils mit Ablauf des Jahres 2011) eingeleitet wurden, die zu geänderten Steuerfestsetzungen geführt haben. Ausreichende "Ermittlungen" i.S. des § 171 Abs. 5 Satz 1 [X.] im Sinne der Vorschrift hat das [X.] zu Recht in der Aufforderung an die Kläger durch das Schreiben der Steuerfahndung vom 19. Juli 2010 gesehen, sich zu Dauer und Höhe ihrer [X.]-[X.]eteiligungen zu äußern ([X.]FH-Urteil vom 8. Juli 2009 VIII R 5/07, [X.]FHE 226, 198, [X.]St[X.]l II 2010, 583, unter [X.]). Die weitere [X.]eurteilung des [X.], für die Kläger sei auch erkennbar gewesen (s. zu dieser Voraussetzung [X.]FH-Urteil vom 17. November 2015 VIII R 68/13, [X.]FHE 252, 210, [X.]St[X.]l II 2016, 571, Rz 13), dass in ihren Steuerangelegenheiten für die Streitjahre 2005 und 2006 ermittelt worden sei, lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.

d) Die Rüge, das [X.] habe Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft trotz Antrags nicht beigezogen und damit gegen seine Verpflichtung zur Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 [X.]O verstoßen, hat keinen Erfolg. Der behauptete Verfahrensfehler des [X.] wird entgegen der Vorgaben aus § 120 Abs. 3 Nr. 2 [X.]uchst. b [X.]O nicht hinreichend dargelegt.

Es sind bei einer Verfahrensrüge in der Revisionsbegründung die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben sollen ([X.]FH-[X.]eschluss vom 11. Oktober 2013 III R 69/11, [X.]FH/NV 2014, 67). Kann auf die [X.]eachtung verfahrensrechtlicher Vorschriften --hier auf eine unterlassene Aktenbeiziehung des [X.] trotz Antrags gemäß § 155 [X.]O i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung-- verzichtet werden (s. z.[X.]. [X.]FH-[X.]eschluss vom 6. Dezember 2012 I [X.] 8/12, [X.]FH/NV 2013, 703, Rz 10), so gehört zur ordnungsgemäßen Rüge eines [X.] mit der Revision auch der Vortrag, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift vor dem [X.] ordnungsgemäß gerügt worden ist, sofern sich dies nicht aus dem Urteil oder den in [X.]ezug genommenen Unterlagen, insbesondere aus der Sitzungsniederschrift, ergibt, oder es ist darzulegen, weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen ist ([X.]FH-[X.]eschluss vom 30. Oktober 2003 III R 4/03, juris, m.w.N.).

Es fehlt aber jeglicher Vortrag der Kläger dazu, ob die Nichtbeiziehung der Akten vor dem [X.] gerügt wurde oder warum eine solche Rüge nicht möglich gewesen sein soll. Die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung enthält keinen Hinweis auf einen wiederholenden Antrag zur [X.]eiziehung der Ermittlungsakten durch die in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretenen Kläger.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 13/14

05.10.2017

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 19. März 2014, Az: 14 K 2824/13, Urteil

§ 11 Abs 1 EStG 2002, § 11 Abs 1 EStG 2009, § 20 Abs 1 Nr 4 EStG 2002, § 20 Abs 1 Nr 4 EStG 2009, § 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2002, § 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2009, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007, EStG VZ 2008, EStG VZ 2009, § 120 Abs 3 Nr 2 Buchst b FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.10.2017, Az. VIII R 13/14 (REWIS RS 2017, 4400)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4400

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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