Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.08.2017, Az. VIII R 13/16

8. Senat | REWIS RS 2017, 6037

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Gegenstand

Einordnung von Einkünften aus einem Schneeballsystem zu einer ausländischen Kapitalgesellschaft


Leitsatz

1. NV: Bei der Entscheidung, ob einer der in § 20 EStG aufgeführten Tatbestände erfüllt ist, kommt es entscheidend darauf an, wie sich das jeweilige Rechtsgeschäft aus der Sicht des Kapitalanlegers als Leistungsempfänger bei objektiver Betrachtungsweise darstellt, da auf den nach außen erkennbaren Willen des Betreibers des Schneeballsystems abzustellen ist .

2. NV: Für die Einordnung eines ausländischen Rechtsverhältnisses als stille Beteiligung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG kommt es darauf an, was die Vertragsparteien auf Grundlage der getroffenen Vereinbarungen wirtschaftlich gewollt haben und ob der unter Heranziehung aller Umstände zu ermittelnde Vertragswille objektiv auf den Abschluss eines Gesellschaftsverhältnisses gerichtet ist, das den Merkmalen einer inländischen stillen Gesellschaft entspricht .

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 5. März 2015  11 K 21/13 E aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, in welcher Höhe die zusammenveranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) Einkünfte aus Kapitalvermögen im Streitjahr (2010) erzielten.

2

Die [X.] wurde am ... 2002 als [X.]ktiengesellschaft (Corporation) nach dem Gesellschaftsrecht des [X.] ... gegründet. Die [X.]nlagen [X.] Privatanleger bei der [X.] wurden über ein strukturiertes [X.]eratersystem vertrieben. [X.]ls Geschäftszweck der [X.] wurde den [X.]nlegern die [X.]ildung von [X.], aus denen [X.]anken gegen Entgelt Risikokapital abschöpfen konnten, die [X.]nlage in [X.]nleihen, anderweitige Geschäfte mit Schuldverschreibungen oder die [X.]etätigung im [X.]ereich alternativer Energien vorgetäuscht. Den potentiellen [X.]nlegern wurden Erträge in Höhe von 15,5 % der Einlage pro Jahr in [X.]ussicht gestellt. Renditen konnten auf Wunsch der [X.]nleger entweder ausgezahlt oder gutgeschrieben und wiederangelegt werden.

3

Die Klägerin unterzeichnete am ... November 2008 eine [X.]eitrittserklärung mit der [X.], in der sie dieser anbot, sie gegen eine Einlage in Höhe von 5.000 € als "Shareholder" aufzunehmen. Die [X.]eteiligung sollte auf mindestens ein Jahr abgeschlossen werden und war mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende kündbar. Die Verlustbeteiligung der Klägerin sollte auf den [X.]etrag der Einlage begrenzt sein.

4

Der Kläger stellte der [X.] mit Datum vom ... März des [X.] einen [X.]etrag in Höhe von 200.000 € als Darlehen zur Verfügung. Er sollte hierfür einen monatlich nachschüssig zu zahlenden Zins zwischen 1,5 % bis 3 % der Darlehenssumme beginnend ab Mai des [X.] erhalten. Er erhielt von Ende Juli bis Dezember des [X.] sechs Zahlungen in Höhe von je 3.000 €, insgesamt 18.000 €.

5

Die Kläger reichten die gemeinsame Einkommensteuererklärung für das Streitjahr Ende 2011 ein. Der Kläger erklärte neben weiteren Kapitaleinkünften vereinnahmte Zinsen in Höhe von 18.000 € als Kapitalerträge ohne inländischen Steuereinbehalt. Die Klägerin erklärte Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 1.004 €, die aus 111 € bescheinigten [X.] mit Steuerabzug und 893 € [X.] ohne inländischen Steuerabzug bestanden. Die Kläger beantragten jeweils sowohl die Günstigerprüfung als auch die Überprüfung des Kapitalertragsteuereinbehalts.

6

Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --F[X.]--) erließ unter dem 10. Januar 2012 einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr. Im [X.]escheid wurden zur [X.]erechnung der Einkommensteuer für die dem gesonderten Tarif des § 32d [X.]bs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG) unterliegenden Kapitaleinkünfte für den Kläger u.a. die erklärten Zinsen in Höhe von 18.000 € und für die Klägerin Einkünfte in Höhe von 1.004 € erfasst.

7

Die Kläger erhoben Einspruch mit der [X.]egründung, der Klägerin seien nicht steuerbare Einkünfte aus Kapitalvermögen im Zusammenhang mit der [X.]nlage bei der [X.] entstanden. Sie habe [X.]ktien an der [X.] erworben und diese länger als ein Jahr bis zur Veräußerung gehalten.

8

Das F[X.] wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die anschließend erhobene Klage blieb erfolglos.

9

Die Kläger stützen die Revision maßgeblich auf eine Verletzung von [X.]undesrecht in Gestalt der §§ 20 [X.]bs. 1 Nr. 4, 11 [X.]bs. 1 EStG. Das Finanzgericht ([X.]) habe die Voraussetzungen eines Zuflusses von [X.] in einem Schneeballsystem verkannt.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des [X.] Düsseldorf vom 5. März 2015  11 K 21/13 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 10. Januar 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2012 dahingehend zu ändern, dass die erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen der Kläger von der [X.]/[X.] in Höhe von 18.973 € unberücksichtigt bleiben.

Das F[X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet.

Zwar hat das [X.] zutreffend entschieden, dass dem Kläger im Streitjahr 18.000 € als Zinseinkünfte von der [X.] zugeflossen sind (siehe unter 1.). Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] tragen jedoch nicht dessen Würdigung, dass der Klägerin im Streitjahr Einkünfte gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 4 EStG in Höhe von 973 € zugeflossen sind (siehe unter 2.). Die Sache ist nicht spruchreif. Der [X.] hebt die Vorentscheidung auf und verweist den Streitfall zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurück (§ 126 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Das [X.] hat zu Recht erkannt, dass der Kläger im Streitjahr steuerpflichtige Kapitalerträge von der [X.] in Höhe von 18.000 € erzielt hat.

a) [X.]ei der Entscheidung, ob einer der in § 20 EStG aufgeführten Tatbestände erfüllt ist, kommt es entscheidend darauf an, wie sich das jeweilige Rechtsgeschäft aus der Sicht des Kapitalanlegers als Leistungsempfänger bei objektiver [X.]etrachtungsweise darstellt, da auf den nach außen erkennbaren Willen des [X.]etreibers des [X.] abzustellen ist (Urteil des [X.]undesfinanzhofs --[X.]FH-- vom 14. Dezember 2004 VIII R 5/02, [X.]FHE 209, 423, [X.]St[X.]l II 2005, 739, unter II.3.b).

b) Das [X.] hat durch [X.]ezugnahme auf das in [X.] verfasste Schreiben der [X.] vom ... März 2010 dessen Inhalt festgestellt. Nach dem Schreiben hatte der Kläger an die [X.] einen [X.]etrag in Höhe von 200.000 € zu zahlen. Ihm sollten monatlich zu einem variablen Zinssatz von 1,5 % bis 3 % nachschüssig Einnahmen zufließen. Zur Laufzeit und Rückzahlung des [X.]etrags durch die [X.] enthält das Schreiben keine [X.]usführungen. Es wird dort noch ausgeführt, eine Garantie für einen bestimmten Erfolg könne nicht gegeben werden. Ob sich diese [X.]ussage auf den möglichen Totalverlust der [X.]nlage oder nur auf das Erreichen bestimmter Zinserträge innerhalb [X.] bezieht, hat das [X.] nicht festgestellt.

Der Kläger hat in der Klagebegründung die Rechtsbeziehung als Darlehen bezeichnet und geltend gemacht, die an ihn gezahlten Zinsen seien mangels einer geschäftlichen [X.]ktivität der [X.] als Rückzahlungen auf den [X.]nlagebetrag zu werten.

Die Schlussfolgerung des [X.], der [X.]etrag von 200.000 € sei der [X.] darlehensweise und verzinslich überlassen worden, ist daher nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens möglich und für den [X.] gemäß § 118 [X.]bs. 2 [X.]O bindend.

c) [X.]uf dieser Grundlage ist die rechtliche Würdigung des [X.], die Vereinbarung des [X.] mit der [X.] sei als Darlehen gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 7 EStG einzuordnen, nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die [X.]eurteilung des [X.], die an den Kläger ausgezahlten Erträge seien Zinsen gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 7 EStG und keine Rückzahlungen auf den Darlehensbetrag. Für die [X.]bgrenzung, ob eine Rückzahlung der [X.]nlagesumme oder eine Zinsauszahlung vorliegt, ist [X.] allein an die Tilgungsbestimmung des [X.]etreibers des [X.] bei [X.]uszahlung anzuknüpfen, selbst wenn diese [X.]uszahlung zivilrechtlich mangels eines entstandenen Zinsauszahlungsanspruchs unwirksam sein sollte ([X.]FH-Urteil vom 11. Februar 2014 VIII R 25/12, [X.]FHE 244, 406, [X.]St[X.]l II 2014, 461). Das [X.] hat seiner Entscheidung diese Rechtsprechung zugrunde gelegt und für den [X.] im Streitfall bindend festgestellt, die Einkünfte in Höhe von 18.000 € hätten auf sechs monatlichen Zahlungen zu je 3.000 €, mithin auf einem Zinssatz von 1,5 %, beruht und seien von der [X.] "als Zins" gezahlt worden.

d) Die Zinseinkünfte des unbeschränkt steuerpflichtigen [X.] sind gemäß § 1 [X.]bs. 1 Satz 1 EStG in der [X.]undesrepublik Deutschland steuerpflichtig. Ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Staat ..., welches das innerstaatliche [X.] [X.]esteuerungsrecht hätte beschränken können, bestand im Streitjahr nicht.

2. Die Revision ist jedoch begründet, soweit das [X.] der Klägerin Einkünfte gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 4 EStG in Höhe von 973 € im Streitjahr zugerechnet hat. Die Feststellungen des [X.] tragen nicht dessen Würdigung, dass der Klägerin ein [X.]etrag in dieser Höhe zugeflossen ist.

a) [X.]llerdings hält der [X.] die Würdigung des [X.] für zutreffend, dass die Klägerin aus dem Rechtsverhältnis zur [X.] grundsätzlich Einkünfte gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 4 EStG erzielt.

aa) Für die Einordnung eines ausländischen Rechtsverhältnisses als stille [X.]eteiligung i.S. des § 20 [X.]bs. 1 Nr. 4 EStG --hier zwischen der Klägerin und der [X.]-- kommt es darauf an, was die Vertragsparteien auf Grundlage der getroffenen Vereinbarungen wirtschaftlich gewollt haben und ob der unter Heranziehung aller Umstände zu ermittelnde [X.] objektiv auf den [X.]bschluss eines Gesellschaftsverhältnisses gerichtet ist (vgl. [X.]FH-Urteile vom 28. Oktober 2008 VIII R 36/04, [X.]FHE 223, 166, [X.]St[X.]l II 2009, 190, unter [X.], und vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95, [X.]FHE 184, 21, [X.]St[X.]l II 1997, 755, unter [X.]a bb), das den Merkmalen einer inländischen stillen Gesellschaft entspricht.

bb) [X.] ist dadurch gekennzeichnet, dass zwischen einem Unternehmensträger (dem "Inhaber eines Handelsgeschäfts") und einem anderen eine Vereinbarung getroffen wird, kraft dessen sich der andere mit einer Einlage ohne [X.]ildung eines Gesellschaftsvermögens an dem Unternehmen beteiligt und eine Gewinnbeteiligung erhält. Die Einlage muss dem Leitgedanken des § 230 des Handelsgesetzbuchs entsprechend so geleistet werden, dass sie in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts übergeht.

Ferner ist ein gemeinsamer Zweck erforderlich, was bedeutet, dass das gemeinsame Streben zur Erreichung gemeinsamer Ziele im Vordergrund stehen muss. Mit der Einigung auf den gemeinsamen Zweck werden die gemeinsamen Vorstellungen der Parteien über Grundlagen und Ziele des Vertrags zum Vertragsinhalt erhoben; letztlich unterscheidet die "Gemeinsamkeit des Zwecks" die Gesellschaft von den schuldrechtlichen [X.]ustauschverhältnissen ([X.]FH-Urteil vom 27. [X.]ugust 2014 VIII R 41/13, [X.]FH/NV 2015, 187, Rz 29). Die [X.]ildung einer Risikogemeinschaft, vor allem die Vereinbarung einer Erfolgs- und Verlustbeteiligung, bildet ein typisches Merkmal eines Gesellschaftsverhältnisses (ständige [X.]FH-Rechtsprechung, vgl. Urteile vom 22. Juli 1997 VIII R 12/96, [X.]FHE 184, 34, [X.]St[X.]l II 1997, 761; vom 7. Oktober 1997 VIII R 40/97, [X.]FH/NV 1998, 958; in [X.]FHE 184, 21, [X.]St[X.]l II 1997, 755; vom 10. Juli 2001 VIII R 35/00, [X.]FHE 196, 112, [X.]St[X.]l II 2001, 646; in [X.]FHE 223, 166, [X.]St[X.]l II 2009, 190, Rz 36). Unerheblich ist hingegen, ob im Wortlaut der getroffenen Vereinbarungen der [X.]egriff "stille Gesellschaft" ausdrücklich erwähnt wird und ob die Vereinbarungen zwischen [X.]nleger und [X.]etreiber des [X.] ausdrückliche Regelungen über Kontrollrechte der [X.]nleger enthalten ([X.]FH-Urteil in [X.]FHE 223, 166, [X.]St[X.]l II 2009, 190, unter II.2.).

aaa) Die Klägerin hat in einem Formular vom ... November 2008, das in [X.] verfasst war, der [X.] angeboten, "Gesellschafterin" gegen eine "Einlage" von 5.000 € zu werden. Zudem hat das [X.] festgestellt, der Klägerin sei eine jährliche Rendite von 15,5 % der jeweiligen [X.]nlagesumme zugesagt worden und dass sie mit der [X.]nlagesumme für Verluste haften müsse. Schließlich hat es darauf abgestellt, dass die Klägerin keine Nachweise dafür habe vorlegen können, dass sie (Vorzugs-)[X.]ktionärin der [X.] geworden sei.

bbb) [X.]nknüpfend daran ist die rechtliche Würdigung des [X.] nicht zu beanstanden, die Klägerin habe eine Risikogemeinschaft und damit ein Gesellschaftsverhältnis zur [X.] begründen wollen, die an die [X.] gezahlte [X.]nlagesumme stelle ihre Einlage dar und das Rechtsverhältnis sei aus inländischer Sicht als typisch stille [X.]eteiligung i.S. des § 20 [X.]bs. 1 Nr. 4 EStG zu behandeln.

b) Die Vorentscheidung ist jedoch rechtsfehlerhaft, soweit das [X.] im Streitjahr einen Zufluss von [X.] gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 11 [X.]bs. 1 EStG in Höhe von 973 € als zutreffend erachtet hat.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung führen Gutschriften über wiederangelegte Renditen in [X.] zu Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 EStG, wenn der Schuldner der Erträge leistungsbereit und leistungsfähig ist (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.]FHE 244, 406, [X.]St[X.]l II 2014, 461). Es muss bei beiden "Zuflusstatbeständen" jeweils die weitere Voraussetzung erfüllt sein, dass der Gläubiger (der [X.]nleger) im Zeitpunkt der Novation oder der Gutschrift in den [X.]üchern des [X.]etreibers des [X.] tatsächlich in der Lage gewesen ist, die [X.]uszahlung ohne weiteres Zutun des leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen (vgl. [X.]FH-Urteile in [X.]FHE 196, 112, [X.]St[X.]l II 2001, 646; in [X.]FHE 223, 166, [X.]St[X.]l II 2009, 190; in [X.]FHE 244, 406, [X.]St[X.]l II 2014, 461, Rz 27).

bb) Maßgeblich für die Prüfung der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des [X.] ist der Zeitpunkt der [X.] oder der Vereinbarung, Renditen wiederanzulegen ([X.]FH-Urteil vom 2. [X.]pril 2014 VIII R 38/13, [X.]FHE 245, 295, [X.]St[X.]l II 2014, 698). Dieser Zeitpunkt ist auch relevant für den Zufluss der Erträge gemäß § 11 EStG.

cc) Eine fehlende Leistungsfähigkeit und –bereitschaft der [X.] im Streitjahr ist nicht aufgrund des Vorbringens in den Schriftsätzen vom 19. Juli 2017 und 27. Juli 2017 zu bejahen. Es handelt sich hierbei um neuen Sachvortrag im Revisionsverfahren, der gemäß § 118 [X.]bs. 2 [X.]O unbeachtlich ist. Zudem stellt die im Urteil des [X.] ... vom ... wiedergegebene interne Äußerung des Directors der [X.] gegenüber seinen Vertriebsleitern von [X.]nfang März 2008, die [X.] habe "weder in der Vergangenheit noch aktuell über das notwendige Kapital verfügt, erfolgreiche Geschäfte zu tätigen", die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der [X.] im Streitjahr nicht in Frage. Denn maßgeblich hierfür ist allein das Verhalten der [X.] im [X.]ußenverhältnis. Von einem nicht mehr leistungsbereiten und -fähigen [X.]etreiber des [X.] kann vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen erst ausgegangen werden, wenn dieser auf einen [X.]uszahlungswunsch des [X.]nlegers hin eine sofortige [X.]uszahlung ablehnt und stattdessen über anderweitige Zahlungsmodalitäten verhandelt ([X.]FH-Urteil in [X.]FHE 244, 406, [X.]St[X.]l II 2014, 461, Rz 35). Ob eine Deckungslücke zwischen den dem [X.]etreiber des [X.] tatsächlich zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und den tatsächlich bestehenden Forderungen aller [X.]nleger, wenn diese hypothetisch auf einen Schlag zu befriedigen wären, im Zeitpunkt der Novation oder Gutschrifterteilung bestanden hat, ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s kein Hindernis für die [X.]nnahme eines Zuflusses gutgeschriebener oder wiederangelegter Kapitalerträge, solange das Schneeballsystem als solches funktioniert, d.h. die [X.]uszahlungsverlangen der [X.]nleger ohne Einschränkung bedient werden ([X.]FH-Urteil in [X.]FHE 244, 406, [X.]St[X.]l II 2014, 461, Rz 36). Feststellungen zum Verhalten der [X.] im [X.]ußenverhältnis, die auf eine fehlende Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der [X.] im Streitjahr schließen lassen könnten, hat das [X.] nicht getroffen.

dd) Die Feststellungen des [X.] tragen aber nicht dessen Würdigung, der Klägerin sei im Streitjahr eine Rendite in Höhe von 973 € durch Gutschrift und Wiederanlage des [X.]etrags zugeflossen. Diese Würdigung des [X.] ist angesichts des Gesamtergebnisses des Verfahrens widersprüchlich und nicht von ausreichenden Feststellungen getragen. Hierbei handelt es sich um einen materiell-rechtlichen Fehler des [X.] bei der Urteilsfindung, den der [X.] gemäß § 118 [X.]bs. 3 Satz 2 [X.]O auch ohne Rüge zu beachten hat ([X.]FH-Urteil vom 27. [X.]pril 1999 III R 21/96, [X.]FHE 189, 255, [X.]St[X.]l II 1999, 670, m.w.N.) und der zur [X.]ufhebung der Vorentscheidung führt.

Die [X.]nnahme von Einkünften gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 4 EStG in Höhe von 973 € widerspricht dem Inhalt der Einkommensteuererklärung und des angefochtenen [X.]escheids. Die Klägerin hat in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr gemäß § 32d [X.]bs. 3 EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem inländischen Steuerabzug nicht unterlegen haben, in Höhe von 893 € erklärt. Nur in dieser Höhe sind die Einkünfte nach [X.]bzug des [X.] auch im angefochtenen [X.]escheid enthalten.

Nach den Feststellungen des [X.] erhielt die Klägerin zu "[X.]eginn jeden Jahres" eine Mitteilung über die Rendite sowie darüber, dass sich ihre [X.]eteiligung (in Höhe der Einlage und der wiederangelegten Rendite) um ein Jahr verlängere. [X.]uf ein bestimmtes Schreiben zur Höhe der Einkünfte für das Streitjahr hat sich das [X.] in der Vorentscheidung nicht bezogen.

Die einzige Gutschrift einer Rendite durch die [X.], die in der Gerichtsakte des [X.] enthalten ist und auf die sich das [X.] bezogen hat, datiert vom 1. Dezember 2009. [X.]uch wenn der [X.] den Inhalt dieses Schreibens durch das [X.] als festgestellt ansehen würde, lässt sich aus dessen Inhalt nicht der in der Einkommensteuererklärung und dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid angesetzte [X.]etrag von Einkünften in Höhe von 893 € für die Klägerin ableiten.

Der Klägerin wird in diesem Schreiben mitgeteilt, ihre [X.]eteiligung verlängere sich "zum 31. Dezember 2009" mit einem [X.]nlagebetrag von 5.793 € um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2010, es sei denn, es ergehe noch vor dem 31. Dezember 2009 eine anderweitige Mitteilung zur Höhe des [X.]nlagebetrags. Dass der [X.]nlagebetrag zum 31. Dezember 2009 nicht dem zum 1. Dezember 2009 bescheinigten [X.]etrag entsprach, ist nicht festgestellt worden und auch sonst nicht ersichtlich. Der [X.]nlagebetrag der Klägerin betrug auf dieser Grundlage somit zum 31. Dezember 2009 5.793 € und enthielt eine gutgeschriebene Rendite in Höhe von 973 €. Diese Rendite ist der Klägerin im Wege der Gutschrift und Wiederanlage aber dann auch "zum 31. Dezember 2009" und damit noch im Veranlagungszeitraum 2009 und somit nicht im Streitjahr zugeflossen.

Worauf der von der Klägerin in der Einkommensteuererklärung angegebene [X.]etrag von nicht dem inländischen Kapitalertragsteuerabzug unterliegenden Einkünften in Höhe von 893 € beruht, ist daher weder festgestellt und auch sonst nicht ersichtlich.

3. Die Sache ist nicht spruchreif und an das [X.] zurückzuverweisen. Der [X.] kann nicht abschließend beurteilen, in welcher Höhe der Klägerin aus der Vereinbarung mit der [X.] Einkünfte gemäß § 20 [X.]bs. 1 Nr. 4 EStG im Streitjahr zugeflossen sind.

4. Über die von den Klägern erhobene Verfahrensrüge ist nicht zu entscheiden, da das Urteil des [X.] schon aus anderen Gründen aufzuheben ist (vgl. z.[X.]. [X.]FH-Urteil vom 4. Februar 2004 [X.], [X.]FH/NV 2004, 949, unter [X.]).

5. [X.] beruht auf § 143 [X.]bs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 13/16

29.08.2017

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 5. März 2015, Az: 11 K 21/13 E, Urteil

§ 11 Abs 1 EStG 2009, § 20 Abs 1 Nr 4 EStG 2009, § 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2009, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.08.2017, Az. VIII R 13/16 (REWIS RS 2017, 6037)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6037

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