Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2015, Az. I ZR 185/13

I. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 14490

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
I
[X.]
Verkündet am:

5. März 2015

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Patientenindividuell zusammengestellte [X.]
UWG § 4 Nr. 11; [X.] § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7; [X.] § 78 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1; GG Art. 12 Abs. 1
a)
Die Bestimmung des §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7 [X.], nach der für ver-schreibungspflichtige Arzneimittel keine Preisbindung gemäß §
78 Abs.
1 und 2 Satz
2 [X.] in Verbindung mit den Bestimmungen der Arzneimittel-preisverordnung bei der Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen besteht, wenn deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt, ist nicht im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschich-te dahingehend einschränkend auszulegen, dass eine ärztliche Verordnung für [X.] zusammengestellte Blister und für die Entnahme von Teilmengen vorliegen muss.
b)
Die in §
78 Abs.
3 Satz
1 Halbsatz
1 [X.] geregelte Pflicht des [X.] Unternehmers zur Sicherstellung eines einheitlichen [X.] dient der Gewährleistung einheitlicher [X.]abgabepreise für preisge-bundene Arzneimittel gemäß §
78 Abs.
2 Satz
2 [X.] und besteht nicht, wenn die Preise und Preisspannen der Arzneimittelpreisverordnung nach §
1 Abs.
3 oder 4 [X.] nicht eingehalten werden müssen.
[X.], Urteil vom 5. März 2015 -
I [X.] -
[X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom
5.
März 2015 durch [X.]
Dr.
Büscher, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Koch, [X.] und die Richterin Dr.
Schwonke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 2.
Zivilsenats
des Oberlandesgerichts [X.] vom 5.
September 2013 aufge-hoben.
Auf die Berufung der [X.] wird das Urteil der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 27.
August 2012 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beklagte ist ein Pharmaunternehmen, das Fertigarzneimittel in Form von Tabletten
und
Kapseln in unterschiedlichen Packungsgrößen vertreibt. Sie streitet mit der Klägerin, der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren [X.], darüber, ob sie den von ihr verlangten Abgabepreis für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel sicherzustellen hat, wenn
[X.] für Patienten aus Fer-tigarzneimittelpackungen individuelle Blister herstellen und dazu die einzelnen Tabletten oder Kapseln
aus den Packungen und, wenn
sie bereits in Blister verpackt
sind, aus diesen entnehmen,
entsprechend einem Einnahmeplan über Automaten oder von Hand neu zusammenstellen und anschließend
in Blistern 1
-
3
-
verpacken. Auch wenn dabei in den von
den [X.] hergestellten
Blistern nicht die Tabletten aus derselben Packung der [X.] verwendet werden, wird im Ergebnis
wenngleich
zeitlich gestaffelt
die Gesamtmenge des [X.] an den jeweiligen Patienten abgegeben. Die
Anfertigung
solcher [X.]
zusammengestellter Blister bietet sich vor allem bei Patien-ten, die unter Dauermedikation stehen, und
für Altenund Pflegeheime an, die andernfalls die jeweiligen Arzneimittel zu einnahmefertigen Tablettensets zu-sammenstellen müssten.
In einem von der [X.] im Jahr 2011 gegenüber [X.] verwen-deten Mustervertrag heißt es unter §
3 Nr.
1:
Die Preise für die von [X.] gelieferten Fertigarzneimittel zur Herstellung von [X.]en [X.]
sind entsprechend der Arzneimit-telpreisverordnung frei verhandelbar.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass bei individuell
für Patienten zusam-mengestellten
Blistern keine Abgabe von Teilmengen erfolgt. Die Beklagte ver-stoße durch die Verhandlung von Preisen in den in Rede stehenden Fällen
ge-gen die arzneimittelrechtliche Preisbindung und handele wettbewerbswidrig.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher [X.] Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
1.
im geschäftlichen Verkehr in Verträgen mit [X.] die nachstehende Klausel wörtlich oder inhaltsgleich zu verwenden:
(Es folgt der Text des §
3 Nr.
1 des von der [X.] im Jahr 2011 verwendeten Mustervertrags.)
und/oder
2.
verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel
zur Herstellung von patienten[X.]en [X.] an Apotheker zu Preisen unter Abweichung vom einheitlichen Herstellerabgabepreis zu liefern, die zuvor mit dem [X.] frei verhandelt wurden.
Darüber hinaus hat die Klägerin den Ersatz von pauschalen Abmahnkos-ten in Höhe von 219,35

2
3
4
5
-
4
-
Nach Ansicht der
[X.]
besteht
bei Fertigarzneimitteln, die für
Blister bestimmt sind,
die für Patienten individuell zusammengestellt sind,
keine Preis-bindung nach der Arzneimittelpreisverordnung, weil bei der Anfertigung von sol-chen Blistern
aus einem Fertigarzneimittel Teilmengen entnommen werden, deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt.

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der
[X.] ist ohne Erfolg geblieben ([X.], [X.], 1643). Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin [X.], verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat die Klage als aus §§
8, 3, 4 Nr.
11 UWG in Verbindung mit §
78
Abs.
3 Satz
1 Halbsatz
1, Abs.
2 Satz
2, Abs.
1
[X.] und §
1 Abs.
1 [X.]
begründet angesehen
und dazu ausgeführt:
Der Umstand, dass die Bestimmung des §
78 Abs.
1 Satz
3 [X.],
nach der die den Großhandel betreffenden Preisbindungen auch für die Hersteller gälten, erst am
1.
Januar 2012 in [X.] getreten
sei, habe auf den streitgegen-ständlichen Unterlassungsanspruch
keinen Einfluss.
Diese neue gesetzliche Regelung habe die bisherige Rechtslage nur bestätigt.
Die Vorschriften
der Arzneimittelpreisverordnung stünden der Annahme
eines Verstoßes der [X.] gegen die Preisbindung ebenfalls nicht entge-gen. Die Vorschrift des §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7 [X.] gelte nach ihrem Wortlaut nur für die Abgabe von Arzneimitteln durch den Apotheker. Ihre
ent-sprechende
Anwendung auf Verträge zwischen dem Hersteller und dem [X.] scheide aus systematischen Gründen aus. Der Verordnungsgeber habe bei der Einfügung der
Regelung des
§
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7 [X.] die Be-6
7
8
9
10
-
5
-
sonderheiten im Blick gehabt, die für den Apotheker bei der Abgabe von Teil-mengen wegen
ärztlicher Verordnungen entstünden, die auf individuell herge-stellte [X.] und
auf die Entnahme von Teilmengen von Fertigarz-neimitteln bezogen
seien.
Die Abweichung von der Preisbindung sei nicht zur Kompensation der den [X.] durch die individuell hergestellten [X.] entstehen-den zusätzlichen Kosten gerechtfertigt. Das Sozialversicherungssystem oder der Selbstzahler müssten den mit der Herstellung eines auf den individuellen Patienten zugeschnittenen Blisters verbundenen Aufwand in einem Alten-
oder Pflegeheim über die Pflegesätze mitbezahlen. Zudem ließen das [X.] und die Arzneimittelpreisverordnung die gesonderte Vergütung von Sonderleistungen des Apothekers zu, so dass ein Ausgleich der Zusatzkosten der [X.] durch den Hersteller der Fertigarzneimittel nicht zwingend gebo-ten sei. Die Beklagte habe nicht erklären können, welches wirtschaftliche [X.] sie über eine Kundenbindung hinaus daran habe, über individuelle Preis-verhandlungen Herstellerrabatte an die [X.] zu geben, die dort im Er-gebnis zu einer Doppelkompensation führten.
I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der [X.] ist [X.] und führt zur Abweisung der Klage. Die von der Klägerin auf der [X.] der §§
8, 3, 4 Nr.
11 UWG in Verbindung mit §
78 Abs.
3 Satz
1 Halb-satz
1, Abs.
2 Satz
2, Abs.
1 [X.], §
1 Abs.
1 [X.]
und §
12 Abs.
1 Satz
2 UWG geltend gemachten
Ansprüche stellen sich weder nach der Rechtslage, wie sie bis zum 31.
Dezember 2011 bestanden hat (dazu unter
II
1), noch nach der mit dem Inkrafttreten des §
78 Abs.
1 Satz
3 [X.] am 1.
Januar 2012 ge-änderten Rechtslage als
begründet dar (dazu unter
II
2).
1. Die Beklagte hat nach den
Bestimmungen, die bis zum 31.
Dezember 2011 gegolten haben, gegen keine der vorstehend genannten Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverordnung verstoßen.
11
12
13
-
6
-

a) Nach §
78 Abs.
3 Satz
1 Halbsatz
1 [X.] haben pharmazeutische Un-ternehmer im Sinne von §
4 Abs.
18 [X.] für apothekenpflichtige Arzneimittel, für die nach §
78 Abs.
2 Satz
2 [X.] ein einheitlicher [X.]abgabepreis zu gewährleisten ist,
einen einheitlichen
Abgabepreis sicherzustellen, wenn für
sie durch die gemäß
§
78 Abs.
1 [X.] erlassene Arzneimittelpreisverordnung [X.] und Preisspannen bestimmt
sind.
Zu diesem Zweck werden im Humanarz-neimittelbereich bei Fertigarzneimitteln im Sinne von §
4 Abs.
1 [X.] gemäß §
1 Abs.
1 Nr.
1, §
2 [X.] die Preisspannen des Großhandels bei der [X.] im Wiederverkauf an [X.] und
gemäß §
1 Abs.
1 Nr.
2, §§
3, 6 und 7 [X.] die Preisspannen und Preise der [X.]
bei der Abgabe im Wiederverkauf festgelegt. Davon
ausgenommen sind nach §
1 Abs.
4 [X.] die Preisspannen und Preise für nicht verschreibungspflichtige Arz-neimittel und nach §
1 Abs.
3 Satz
1 [X.] die Preisspannen und Preise der [X.] in den dort aufgeführten Fällen der Arzneimittelabgabe.
Danach muss der pharmazeutische Unternehmer einen einheitlichen Abgabepreis nur sicherstellen, wenn das Arzneimittel der Arzneimittelpreisverordnung unterfällt. Das ist bei den individuell für Patienten hergestellten [X.] nicht der Fall. Diese
sind nach §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7 [X.] vom Anwendungs-bereich der Verordnung ausgenommen.
b) Keine Bindung der Preise der [X.]
besteht gemäß §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7 [X.] bei der Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnomme-nen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und [X.] unverändert bleibt. Diese Voraussetzungen sind nach dem Wortlaut der Norm vorliegend erfüllt. Die [X.] geben die Fertigarzneimittel in Teilmen-gen ab. Dass im Zeitablauf die Gesamtmenge einer Arzneimittelpackung aus-geliefert wird, schließt die Anwendung des §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7 [X.] nicht aus. Für einen entsprechenden Ausschluss gibt der Wortlaut der Norm nichts her. Die Vorschrift erfordert auch nicht, dass die Abgabe der Teilmenge auf einer
ärztlichen Verordnung beruht. Darreichungsform, Zusammensetzung 14
15
-
7
-
und Stärke der in den von den [X.] hergestellten Blistern abgegebenen Arzneimittel bleiben unverändert.
Eine einschränkende Auslegung des §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7 [X.] ist nicht im
Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihren Sinn und Zweck geboten. Anders als die Revisionserwiderung meint, ist die Bestim-mung weiter nicht einschränkend auszulegen, um Missbrauchsmöglichkeiten bei der Preisgestaltung zu begegnen.
Der Verordnungsgeber hatte bei der Fassung der Vorschrift zum einen [X.], die individuell für einen Patienten für einen bestimmten Zeit-raum aufgrund einer ärztlichen Verordnung hergestellt werden, und zum ande-ren für aus Fertigarzneimitteln entnommene Teilmengen (Auseinzelung) im Blick (vgl. Begründung des Entwurfs
der Fraktionen der [X.] und SPD
des GKV-[X.]stärkungsgesetzes, BTDrucks.
16/3100, S.
200; [X.] in [X.]/[X.][X.], [X.], 2012, §
78 Rn.
53; Kutlu in [X.], Medizinrecht, 2.
Aufl., §
1 [X.] Rn.
12; [X.]/[X.] in Dieners/[X.], Handbuch des [X.], 2010, §
9 Rn.
147; Grau/Kutlu, [X.], 153, 157).

Dem lag die Erwägung zugrunde,
dass eine vorherige Einstellung von Listenpreisen für individuell für Patienten hergestellte [X.] oder die Aufstellung fester Berechnungsgrundlagen für die Abgabe von aus [X.] entnommenen Teilmengen nicht praktikabel ist (vgl. Begrün-dung des [X.], BT-Drucks.
16/3100, S.
200; Grau/Kutlu, [X.], 153, 157). Ohne die Vorschrift des §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7 [X.] müssten für unterschiedliche, individuell für Patienten hergestellte [X.] jeweils eigene Listenpreise oder Berechnungsgrundlagen eingestellt werden, wenn bei ihrer Zubereitung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt und sie gemäß §
4 Abs.
1 Satz
1 Fall
2 [X.] Fertigarzneimittel sind, die gemäß §
21 Abs.
2 Nr.
1b Buchst.
b [X.] von der grundsätzlichen Zulassungspflicht nach §
21 Abs.
1 Satz
1 [X.] ausgenommen sind.
16
17
18
-
8
-
Diese [X.] sprechen dafür, die Vorschrift nicht einengend auszulegen, um eine für Patienten sowie Alten-
und Pflegeheime individuelle Zusammenstellung von Arzneimitteln in Blistern, die Fehlmedikatio-nen durch falsche Arzneimitteleinnahme zu verhindern hilft, nicht zu behindern. Die dagegen von der Revisionserwiderung angeführten Missbrauchsmöglichkei-ten zur Umgehung der Arzneimittelpreisbindung rechtfertigen ebenfalls keine einschränkende Auslegung des §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7 [X.]. Das [X.] hat keine Feststellungen getroffen, die zu dem Ergebnis führen, die mit der Arzneimittelpreisbindung verfolgten Ziele, im öffentlichen Interesse die gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen und das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung abzusichern, erforderten eine einschrän-kende Auslegung des §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7
[X.]. Die Revisionserwide-rung
zeigt ebenfalls keine entsprechenden Gesichtspunkte auf. Dass eine [X.] in neue Blister für individuelle Patienten mit dem Ziel erfolgt, Preisvor-schriften zu umgehen, hat das Berufungsgericht nicht angenommen. Für eine ernstzunehmende Gefahr eines solchen Verhaltens ist auch nichts ersichtlich.
c) Soweit danach
bei Fertigarzneimitteln, die dazu bestimmt sind, in [X.] zusammengestellten Blistern
abgegeben
zu werden, gemäß
§
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7 [X.] im Verhältnis zwischen den [X.] und den [X.] keine Preisbindung besteht, kann
auch im Verhältnis der pharmazeu-tischen Unternehmer
zu den [X.] kein Verbot der Gewährung von Rabat-ten
bestehen, da die in §
78 Abs.
3 Satz
1 Halbsatz
1 [X.] geregelte Pflicht der pharmazeutischen Unternehmer zur Sicherstellung eines einheitlichen Abgabe-preises an das Bestehen einer solchen Preisbindung anknüpft
(Grau/Kutlu, [X.], 153, 157).
aa) In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die in §
78 Abs.
3 Satz
1 Halbsatz
1 [X.] geregelte
Verpflichtung der pharmazeutischen Unternehmer, für Arzneimittel nach §
78 Abs.
2 Satz
2 [X.], für die durch die Arzneimittelpreisverordnung Preise und Preisspannen bestimmt sind, einen 19
20
21
-
9
-
einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen, eine Beschränkung der durch Art.
12 Abs.
1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit darstellt, die einer [X.] Rechtfertigung bedarf
(vgl. [X.], Beschluss
vom 15.
Dezember 1999 -
1
BvR 1126/94, [X.]E 101, 331, 346
f., zur früheren [X.] für Berufsbetreuer; [X.] vom 19.
März 2004

1
BvR
1319/02, NJW 2004, 3172, 3173, zur GOÄ; [X.] vom 26.
September 2005 -
1
BvR 82/03, [X.], 495, zur [X.]; Beschluss vom 12.
Dezember 2006 -
1
BvR 2576/04, [X.]E
117, 163, 181, zu §
49b Abs.
2 [X.]; [X.] vom 15.
Juni 2009 -
1
BvR 1342/07, NJW-RR 2010, 259, 260, zur früheren BRAGO).
bb) Eine solche Rechtfertigung besteht, soweit
die Sicherstellung einheit-licher Abgabepreise der pharmazeutischen Unternehmer gemäß §
78 Abs.
3 Satz
1 Halbsatz
1 [X.] notwendige Voraussetzung für die Gewährleistung ein-heitlicher
[X.]abgabepreise
für Arzneimittel nach §
78 Abs.
2 Satz
2 [X.] ist. Mit der Gewährleistung einheitlicher [X.]abgabepreise soll im Hinblick auf die Beratungs-
und Schlüsselfunktion der [X.] ein Preiswett-bewerb auf der Handelsstufe der [X.] ausgeschlossen oder jedenfalls vermindert und dadurch im öffentlichen Interesse die gebotene [X.] und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherge-stellt und zudem das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung abgesichert werden ([X.], Beschluss vom 22.
Au-gust 2012 -
[X.]
1/10, [X.]Z 194, 354 Rn.
25 mwN).
cc) Keine solche Rechtfertigung besteht dagegen
dort,
wo
die Preise und Preisspannen der Arzneimittelpreisverordnung für [X.] bei bestimmten
Arzneimitteln
oder bei der Abgabe von Arzneimitteln durch oder an bestimmte Personen
oder zu bestimmten Zwecken
nach §
1 Abs.
3 und
4 [X.] nicht eingehalten werden müssen. In diesen Fällen hat
der Gesetzgeber aus [X.] Gründen (vgl. dazu Kutlu in [X.] aaO §
1 [X.] Rn.
6 bis 14) darauf verzichtet, einheitliche [X.]abgabepreise für Arzneimittel durch die Festlegung der Preisspannen des Großhandels und der Preisspan-22
23
-
10
-
nen und Preise bei der Abgabe im Wiederverkauf zu gewährleisten. [X.] besteht in solchen Fällen weder eine Verpflichtung der [X.], einen einheitlichen [X.]abgabepreis zu verlangen, noch
eine Verpflich-tung der pharmazeutischen Unternehmer, ihrerseits einen einheitlichen Preis zu verlangen.
Es macht
dabei keinen Unterschied, ob der einzelne in §
1 Abs.
3 und 4 [X.]
geregelte Ausnahmetatbestand an eine bestimmte Stellung oder Funktion des Abgebenden oder Empfängers (vgl. §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 bis 3a und 5 [X.]),
an eine bestimmte Beschaffenheit des Arzneimittels (vgl. §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
3, 3a, 4, 6 und 8 und insbesondere
§
1 Abs.
4 [X.]) oder an eine besondere Zweckbestimmung anknüpft, wie das außer in den Fällen des §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
3 bis 6 [X.] auch im Fall des §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7 [X.] gegeben
ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.
Oktober 2009
B
1
KR
7/09
R, [X.] §
130a Nr.
4, juris Rn.
19 und 21 bis 28, zu §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
3 und §
1 Abs.
4 [X.]; Urteil vom 29.
April 2010

B
3
KR
3/09
R, [X.] §
130a Nr.
6, juris Rn.
19
f. und 22 bis 25, zu §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
3 [X.]; [X.]/[X.]/Ulshöfer, [X.] 2009, 421, 427
und Kutlu in [X.] aaO §
1 [X.] Rn.
14, jeweils zu §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
8 [X.]; [X.], [X.], 19, 22).
dd) Es sprechen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber der Regelung des §
78 Abs.
3 Satz
1 Halbsatz
1 [X.] über die Gewährleistung einheitlicher [X.]abgabepreise für Arzneimittel hinaus eine weitere Funktion zugewiesen hat. Selbst wenn dies der Fall wäre, spräche im Blick auf Art.
12 Abs.
1 GG
(vgl. oben Rn.
21)
-
nichts dafür, dass eine sol-che weitere Funktion in den in §
1 Abs.
3 und 4 [X.] geregelten Fällen, in denen die [X.] keinen einheitlichen [X.]abgabepreis zu [X.] haben, für sich allein die Verpflichtung der pharmazeutischen [X.] rechtfertigen könnte, gemäß §
78 Abs.
3 Satz
1 Halbsatz
1 [X.] einen einheitlichen Abgabepreis einzuhalten.
ee) Im Schrifttum wird allerdings teilweise die Ansicht vertreten, die [X.] des §
78 Abs.
3 Satz
1 Halbsatz
1 [X.] verpflichte den pharmazeuti-24
25
-
11
-
schen Unternehmer im Ergebnis dazu, jedes apothekenpflichtige Arzneimittel bei jedem Inverkehrbringen
in jeder Darreichungsform, jeder Stärke und jeder Packungsgröße stets zum gleichen Preis in Rechnung zu stellen (Kloesel/[X.], [X.], 125.
Lief. 2013, §
78 [X.] Rn.
38 mwN; vgl. auch [X.]/Wesser, [X.], 19, 20 und [X.] in [X.]/[X.][X.] aaO §
78
Rn.
40). Dabei wird allerdings nicht genügend berücksichtigt, dass die Bestimmung des §
78 Abs.
3 Satz
1 Halbsatz
1 [X.] nicht nur auf die in §
78 Abs.
2 Satz
2 [X.] enthaltene Regelung ("Arzneimittel nach Absatz
2 Satz
2") bezogen ist, sondern die Anwendung der
Arzneimittelpreisverordnung voraus-setzt tz
1 Preise und Preisspannen bestimmt sind").
An diesem letzten Erfordernis fehlt es, wenn §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7 [X.] eingreift.
2. Die mit Wirkung vom 1.
Januar 2012 neu eingeführte Vorschrift des §
78 Abs.
1 Satz
3 [X.], wonach die Preisvorschriften für den Großhandel auf-grund von §
78 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 [X.] für pharmazeutische Unternehmer bei der Abgabe an [X.] gelten, die die Arzneimittel zur Abgabe an den [X.] beziehen, hat
an der vorstehend dargestellten Rechtslage nichts ge-ändert. Die
Bestimmung
stellt lediglich klar,
dass die [X.] nach der Arzneimittelpreisverordnung einschließlich der Vorschriften zu den Möglichkeiten der Rabattgewährung an [X.] im Direktvertrieb von phar-mazeutischen Unternehmern an [X.] oder durch andere natürliche oder juristische Personen gelten (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] [14.
Ausschuss] zum Entwurf des GKV-Versor-gungsstrukturgesetzes, BT-Drucks.
17/8005, S.
135).
Die Regelung des
§
78 Abs.
1 Satz
3 [X.] knüpft damit an die Bestimmung des
§
2 [X.] über die [X.] für Fertigarzneimittel an.
Diese Bestimmung ist
ihrer-seits auf die Regelung des §
1 Abs.
1 Nr.
1 [X.] über die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln im Wiederverkauf an [X.] bezogen.
Die dortige Regelung gilt jedoch nicht für die Preisspan-nen in den in §
1 Abs.
3 und 4 [X.] genannten Fällen. §
78 Abs.
1 Satz
3 26
-
12
-
[X.] und §
2 [X.] sind deshalb nicht einschlägig, wenn der Anwen-dungsbereich der Arzneimittelpreisverordnung nach §
1 Abs.
3 Satz
1 Nr.
7 [X.] nicht eröffnet ist.
II[X.] Nach den vorstehenden Ausführungen kann das Urteil des [X.]s keinen Bestand haben;
es
ist daher
aufzuheben

562 Abs.
1 ZPO). Da der
Rechtsstreit
zur Endentscheidung reif ist, ist in der Sache selbst zu entscheiden (§
563 Abs.
3 ZPO). Die Klage ist unter Abänderung des Urteils
des [X.]s abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
91 Abs.
1 ZPO.
Büscher
Schaffert
Koch

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.08.2012 -
4 O 53/12 -

[X.], Entscheidung vom 05.09.2013 -
2 U 155/12 -

27
28

Meta

I ZR 185/13

05.03.2015

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2015, Az. I ZR 185/13 (REWIS RS 2015, 14490)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14490

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 185/13 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß: Abweichung von der Preisbindung bei Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen - Patientenindividuell zusammengestellte …


I ZR 172/16 (Bundesgerichtshof)


5 StR 405/13 (Bundesgerichtshof)


I ZR 172/16 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß: Verzicht eines pharmazeutischen Großhandelsunternehmens auf den Festzuschlag von 70 Cent bei der Abgabe von …


5 StR 405/13 (Bundesgerichtshof)

Strafbarkeit eines Apothekers wegen Betruges: Täuschungshandlung durch Verwendung von Importarzneimitteln bei patientenindividuellen Zytostatika-Zubereitungen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

I ZR 185/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.