Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2004, Az. IV ZR 429/02

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1651

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL IV ZR 429/02

Verkündet am:

15. September 2004

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2004

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der [X.] werden das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 29. November 2002 aufgehoben und das Urteil des [X.] vom 9. April 2002 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt im Wege der Feststellungsklage von der [X.] eine höhere Zusatzrente mit Wirkung ab 1. Januar 2001.

Sie ist am 5. August 1928 geboren und war im öffentlichen Dienst bei einem Dienstherrn beschäftigt, der an der beklagten [X.] beteiligt ist. Seit 1. September 1988 bezieht die Klägerin eine [X.] von der [X.]. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 - 3 -

Buchst. a Doppelbuchst. [X.] ihrer Satzung (im folgenden: [X.]) in der für die Berechnung der Rentenhöhe maßgebenden Fassung [X.] die Beklagte für den Faktor der gesamtversorgungsfähigen Zeit, von dem die Höhe ihrer Zusatzrente abhängt, außer den [X.], in denen ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Umlagezahlungen an die Beklagte für die Altersversorgung der bei ihm beschäftigten Klä-gerin beigetragen hat, darüber hinaus andere Zeiten, die (über die [X.] hinaus) der gesetzlichen Rente der Klägerin zugrunde liegen, nur zur Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz). Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der Versorgungs-rente grundsätzlich von der vollen Höhe der jeweils gezahlten gesetzli-chen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der [X.] lediglich insoweit aufgestockt, wie die gesetzli-che Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 [X.] a.F.). Das [X.] hat in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten bei voller Berücksichtigung der gesetzlichen Rente einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne ([X.], 835 = NJW 2000, 3341). Die Klägerin hat daher beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ab 1. Januar 2001 ihre vollen, nicht im öffentlichen Dienst zurückgelegten [X.] zu berücksichtigen, bis eine neue, die Regelung der Vordienstzei-ten ändernde Satzung in [X.] trete.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das [X.] die dagegen gerichtete Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der [X.] erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. - 4 -

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.

1. Das Berufungsgericht stützt sich auf die zitierte Entscheidung des [X.]s vom 22. März 2000 ([X.]O) und hält [X.] die in § 42 Abs. 2 [X.] a.F. vorgesehene Halbanrechnung als eine der richterlichen Inhaltskontrolle unterliegende Bestimmung im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß §§ 242 BGB, 9 [X.] für unwirksam. Die Beklagte sei aufgrund einer ergänzenden Vertragsausle-gung verpflichtet, die Vordienstzeiten bei der Berechnung der [X.] in vollem Umfang zu berücksichtigen, solange sie auch die vollen Ansprüche aus der gesetzlichen Rente auf die zu zahlende [X.].

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, wie der Senat be-reits in seinem Urteil vom 26. November 2003 ([X.], 183) entschieden hat.

a) Am 19. September 2002 hat die Beklagte ihre Satzung mit [X.] ab 1. Januar 2001 geändert. Nach der Übergangsregelung in § 75 Abs. 2 der Neufassung werden die nach bisherigem Satzungsrecht ge-zahlten Versorgungsrenten grundsätzlich als Besitzstandsrenten weiter-gezahlt und entsprechend § 39 der Neufassung jährlich um 1% vom [X.] an erhöht. Die von der Klägerin geforderte volle Anrechnung der Vordienstzeiten ist nach wie vor nicht vorgesehen.
- 5 -

b) Das [X.] hat in seinem Beschluß vom 22. März 2000, auf den sich die Klägerin stützt, die Verfassungsbe-schwerde einer 1921 geborenen Rentnerin, die seit Anfang 1983 Lei-stungen von der [X.] erhielt und im Ausgangsverfahren erfolglos deren Erhöhung wegen Unwirksamkeit von Satzungsbestimmungen [X.] hatte, nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit sich die Be-schwerdeführerin gegen die volle Berücksichtigung ihrer [X.] bei der Bestimmung der Höhe der Zusatzversorgung einer-seits, aber die nur halbe Berücksichtigung von Zeiten vor Aufnahme ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst bei der Bemessung der [X.] andererseits gewandt hatte, hat das Bundesverfas-sungsgericht die Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppel-buchst. [X.] [X.] a.F. zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG beanstandet, eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin aber "(noch) nicht" festgestellt. Die Ungleichbehandlung sei zwar gravierend, halte sich derzeit jedoch noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung. Der [X.] sei wegen der hochkomplizierten Materie zu gewis-sen Vereinfachungen gezwungen. Dabei dürfe er Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen, solange davon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei. Das treffe auf die Rentnergeneration der Beschwerde-führerin zu, wie das [X.] feststellt. Für die [X.] sei ein bruchloser Verlauf der Erwerbsbio-graphie im öffentlichen Dienst angesichts stark gestiegener Teilzeitarbeit und einer stärkeren Diskontinuität des Erwerbslebens allerdings nicht mehr in hinreichender Weise typisch. Angesichts dieser Entwicklung könne die Benachteiligung der Rentner durch volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei nur hälftiger [X.] -

sichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit im Rahmen der Berech-nung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Beklagte durch die Entscheidung [X.] 98, 365 = [X.], 600 ohnehin zu einer grundlegenden Änderung ihrer Satzung gezwun-gen.

c) Dieser Beschluß des [X.]s mag bei den Rentenempfängern der [X.] die Erwartung geweckt haben, ihnen stehe vom [X.] an eine höhere Rente zu, wie sie sich bei voller Be-rücksichtigung der Vordienstzeiten aus der früher geltenden Fassung der [X.] ergeben würde. Die Klägerin des vorliegenden Verfahrens gehört jedoch nicht zu jenen jüngeren Versichertengenerationen, für die die [X.] Halbanrechnung nach Auffassung des Bundesverfassungsge-richts nicht mehr hinnehmbar ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 26. No-vember 2003 [X.]O). Das [X.] hat die Halbanrech-nung trotz verfassungsrechtlicher Bedenken noch als zulässige Typisie-rung und Generalisierung im Rahmen einer komplizierten Materie ange-sehen, weil ein bruchloser Verlauf der [X.] im öffentlichen Dienst erst für die jüngeren Versichertengenerationen nicht mehr hinrei-chend typisch sei. Bis zum Ablauf des Jahres 2000 könne die [X.] aber noch hingenommen werden. Mithin ist - anders als das [X.] meint - das [X.] davon ausgegangen, daß alle Versicherten, die vor Ablauf des Jahres 2000 Rentner bei der [X.] geworden sind, noch zu denjenigen Generationen zählen, für die ein bruchloser Verlauf der (bei Rentenbeginn abgeschlossenen) Er-werbsbiographie als typisch angesehen werden kann. Soweit die Versi-cherten im Revisionsverfahren diese Annahme des [X.] 7 -

gerichts mittels statistischen Materials und unter Berufung auf ein einzu-holendes Sachverständigengutachten in Zweifel gezogen haben, ist dies in bezug auf die rein wertende Abgrenzung der Versichertengeneratio-nen durch das [X.] unerheblich. Die Klägerin [X.] bereits seit einem vor Ablauf des Jahres 2000 liegenden Zeitpunkt eine Zusatzrente von der [X.]. Für sie und für die Generation, der sie angehört, ist die Halbanrechnung der Vordienstzeiten also noch hin-zunehmen.

Die Unterscheidung, die das [X.] zwischen der Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin einerseits und den jüngeren Versichertengenerationen andererseits trifft, verlöre ihren Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Rentner bei der [X.] waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren Versi-chertengeneration hätten gelten sollen. Daß auch die Beschwerdeführe-rin (und nicht nur die am Verfahren vor dem [X.] nicht beteiligten jüngeren Versichertengenerationen) vom Stichtag an ei-nen Anspruch auf Änderung der sie benachteiligenden, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Satzungsbestimmungen gehabt hätte, ist nicht ersichtlich.

d) Der Senat folgt dem [X.] darin, daß die Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] a.F. bei der Berechnung der Versorgungsrente für solche Versicherte, die - wie die Klägerin - bis zum 31. Dezember 2000 versorgungsberech-tigt geworden sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Damit liegt auch kein Verstoß gegen die §§ 9 [X.], 307 BGB vor. Dabei kann auf sich beruhen, ob den Erwägungen des [X.]s zur - 8 -

Ungleichbehandlung der von der Halbanrechnung betroffenen [X.] trotz der Kritik der [X.] in jedem Punkte zu folgen ist (vgl. auch Hebler, [X.], 337 ff.). Denn mit dem Bundesverfas-sungsgericht ist der Senat der Auffassung, daß - ist mit der Halbanrech-nung eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Versicherten [X.], die ihr ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht ha-ben - sich die Ungleichbehandlung jedenfalls im Rahmen einer zulässi-gen Typisierung und Generalisierung einer komplizierten, eine sehr gro-ße Gruppe von Versicherten betreffenden Materie hielt. Diese Ungleich-behandlung hat ein Versicherter, der bis zum Ablauf des Jahres 2000 [X.] geworden ist, nicht zuletzt auch im Interesse der Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versorgungsträgers hinzunehmen, selbst wenn für die Zukunft eine andere, eine die Un-gleichbehandlung für zukünftige Rentenempfänger vermeidende Rege-lung zu treffen ist.

e) Die Klägerin wird auch gegenüber Versicherten, deren Rente sich nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der [X.] richtet, nicht in rechtlich erheblicher Weise benachteiligt. Nach unwidersproche-nem Vortrag der [X.] ist das Niveau der von ihr in Zukunft aufgrund ihrer neuen Satzung zu leistenden Versorgungsrenten generell niedriger als bisher; den Berechtigten wird daneben eine ergänzende Altersvor-sorge angeboten, die aus eigenen Beiträgen aufgebaut werden muß. Daß die Klägerin trotz der dynamisierten Besitzstandsrente, die sie nach § 75 Abs. 2 [X.] n.F. erhält, wirtschaftlich im Ergebnis schlechter stehe als Berechtigte, deren Versorgungsrente nach neuem Satzungsrecht oh-ne Rücksicht auf Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes berechnet wird, ist weder dargetan noch ersichtlich. Der in der [X.] 9 -

rechnung von Vordienstzeiten vom [X.] gesehene Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist für die Zukunft ausgeräumt. Im Hinblick darauf stehen Rentenempfängern alten Rechts wie der Klägerin über die Wahrung ihres Besitzstandes hinaus auch nach dem 31. [X.] keine weitergehenden Ansprüche aus Gründen der Gleich-behandlung zu.

Terno [X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.]

Meta

IV ZR 429/02

15.09.2004

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2004, Az. IV ZR 429/02 (REWIS RS 2004, 1651)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1651

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