Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2018, Az. 1 StR 13/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 11196

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:060418B1STR13.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 [X.]/18

vom
6. April
2018
in der Strafsache
gegen

wegen
Betruges u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und des [X.]

zu 2. auf dessen Antrag

am 6.
April
2018
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.] beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24.
Oktober 2017 mit den zuge-hörigen Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte in den Fällen [X.] und [X.] der [X.] verurteilt worden ist;
b)
im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, sowie wegen [X.] in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Revision des Beschwerdeführers, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, erzielt den aus der Beschlussformel ersicht-1
-
3
-
lichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 [X.].
I.
Das [X.] hat hinsichtlich der Fälle [X.] und [X.] der Urteilsgründe folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Am 17. Dezember 2015 veräußerte der Angeklagte im Namen der
[X.]

GmbH &
Co. KG (im Folgenden: [X.]

) an die
[X.]

GmbH (im Folgenden: [X.]

) insgesamt neun Pkw der Marke
[X.] zu einem Gesamtkaufpreis von 145.900 Euro. Tatsächlich existierten fünf dieser Fahrzeuge nicht. Der Angeklagte täuschte den Geschäftsführer der
[X.]

, den Zeugen M.

, insoweit darüber, willens und in der Lage zu sein, der
[X.]

das Eigentum an diesen Fahrzeugen verschaffen zu können. Für die nicht
existierenden fünf [X.] war ein Kaufpreis von 81.000 Euro vereinbart. Nach der vertraglichen Vereinbarung sollten sämtliche Fahrzeuge bei der [X.]

verbleiben.
Die Kaufpreisforderung der [X.]

wurde

seitens des Zeugen
M.

im Vertrauen auf die Existenz und Werthaltigkeit der [X.]

durch eine
Verrechnung mit Gegenforderungen der [X.]

aus Autoverkäufen gegen die
[X.]

beglichen. Dazu veräußerte der Zeuge M.

seinerseits am
17.
Dezember 2015 im Namen der [X.]

zwei Pkw an die [X.]

zu
einem Gesamtpreis von 39.400 Euro und übergab diese. Neben dieser [X.]e-rung wurde ein Kaufpreisanspruch der [X.]

aus einem Fahrzeuggeschäft vom
21.
September 2015 verrechnet, welches den Verkauf von vier Pkw an die [X.]

zu einem Gesamtkaufpreis von 149.300 Euro zum Gegenstand hat-
te. Den

nach der Verrechnung zu Lasten der [X.]

verbleiben-
2
3
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4
-
den

Differenzbetrag in Höhe von 42.800 Euro überwies die [X.]

am 31.
Dezember 2015 an die [X.]

.
Das [X.] hat aufgrund der wertlosen Gegenleistung der [X.]

einen Vermögensschaden der [X.]

in Höhe von 81.000 Euro im Hin-

.

auf die Geltendmachung entsprechender
[X.]erungen angenommen.
2. Am 29. Januar 2016 veräußerte der Angeklagte im Namen der [X.]

an die [X.]

insgesamt acht nicht existierende Pkw der Marke [X.]
zu einem Gesamtkaufpreis von 191.000 Euro, wobei er wiederum vortäuschte, der [X.]

Eigentum an diesen Fahrzeugen verschaffen zu können. Um die Exis-
tenz der Fahrzeuge zu belegen, übergab er dem Zeugen M.

für die jeweili-
gen Fahrzeuge professionell hergestellte, fingierte Zulassungsbescheinigungen Teil II, die er zuvor von unbekannten Tätern erworben hatte. Der Kaufpreis wurde wiederum

seitens des Zeugen M.

im Vertrauen auf die Existenz der
Fahrzeuge und die Fähigkeit des Angeklagten zur Eigentumsverschaffung

durch Verrechnung mit einer Gegenforderung der [X.]

aus einem früheren
Verkauf von fünf Pkw an die [X.]

zu einem Gesamtkaufpreis von
ebenfalls 191.000 Euro beglichen. Der [X.]

sei dadurch ein Vermögensscha-
den in Höhe von 191.000 Euro entstanden.
[X.]
1. Der Schuldspruch wegen Betruges in den Fällen [X.] und [X.] der [X.] hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Urteilsfeststel-lungen belegen den von der [X.] angenommenen Vermögensschaden der [X.]

nicht hinreichend.
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-
5
-
a) Ein Vermögensschaden im Sinne des §
263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des [X.] unmittelbar zu einer nicht
durch Zuwachs ausgeglichenen Minde-rung des [X.] seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 9.
März 2017

1 StR 350/16, [X.], 413, 414 mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung,
also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfü-gung (vgl. nur [X.], Urteil vom 16. Juni 2016

1
StR 20/16, [X.], 3543, 3544
Rn.
33; Beschluss vom 9.
März 2017

1 StR 350/16, [X.], 413, 414 jeweils mwN).
Wurde der Getäuschte zum Abschluss eines Vertrages verleitet, sind bei der für die Schadensbestimmung erforderlichen Gesamtsaldierung der Geld-wert des erworbenen Anspruchs gegen den Vertragspartner und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen ([X.]). Der Getäuschte ist geschädigt, wenn sich dabei ein [X.] zu seinem Nachteil ergibt ([X.], Urteil vom 8. Oktober 2014

1 [X.], [X.]St 60, 1, 9
f. Rn. 31 mwN). Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung
der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der [X.] Leistung des Tatopfers ([X.]) und bemisst sich nach deren vollem wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt bzw. nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird ([X.], Urteil vom 8. Oktober 2014

1 [X.], [X.]St 60, 1, 10 Rn. 31 mwN).

b) Diesen Maßstab hat auch das [X.] zugrunde gelegt. Im An-satz ist es weiter zutreffend davon ausgegangen, dass bei der gebotenen wirt-8
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schaftlichen Betrachtung die erbrachten Leistungen miteinander zu vergleichen sind, da es vorliegend zum Leistungsaustausch gekommen ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Wirtschafts-
und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., §
263 StGB Rn.
104 mwN; [X.], StGB, 65. Aufl., §
263 Rn. 175 ff., 178). Das [X.] hat jedoch rechtsfehlerhaft den eingetretenen Schaden mit dem vollen wirtschaftlichen Wert der nicht existierenden Fahrzeuge in Höhe des vereinbar-ten Kaufpreises für die Fahrzeuge von 81.000 Euro bzw. 191.000 Euro ange-setzt. Dabei hat es nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Leistung der
[X.]

und damit die Vermögensverfügung in der

rechtlich als Aufrechnungs-
erklärung zu qualifizierenden

Verrechnung mit offenen Gegenforderungen gegen die [X.]

liegt.
Insoweit ist anerkannt, dass ein Vermögensschaden auch darin liegen kann, dass der Gläubiger durch Täuschung dazu veranlasst wird, eine ihm zu-stehende [X.]erung nicht oder nicht alsbald geltend zu machen ([X.] in [X.]/[X.], StGB, 29. Aufl., §
263 Rn. 144; [X.] in [X.] [X.], StGB, 10. Aufl., §
263 Rn. 245; RG, Urteile
vom 26.
Januar 1931

III 730/30, [X.], 99, 100
und vom 14.
Mai 1936

2 [X.]/35, [X.], 225, 227; [X.], Urteil vom 30.
April 1969

1 Ss 166/69, NJW 1969, 1975). Nichts anderes gilt aber für den Fall, dass durch eine ins Leere gehende [X.] der Gläubiger von der alsbaldigen Beitreibung absieht, weil er vom Bestehen der wegen Unmöglichkeit erloschenen (§§
326 Abs.
1, 275 Abs.
1 BGB) [X.]erung ausgeht. Erforderlich ist jedoch, dass sein
Anspruch rechtli-chen Bestand hatte und die [X.]erung bei sofortiger Geltendmachung reali-sierbar gewesen wäre (vgl. RG, Urteil vom 26.
Januar 1931

III 730/30, [X.], 99, 100; [X.] in [X.]/[X.], StGB, 29. Aufl., §
263 Rn. 144; [X.] in [X.] Kommentar, StGB, 10. Aufl., §
263 Rn. 247; [X.], Urteil vom 13.
Januar 1967

[X.], NJW 1967, 836; [X.], Urteil vom 5.
Dezember 1957

2 Ss 1352/57, [X.] 1958, 250). Eine wirtschaftliche 11
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Einbuße liegt daher nur dann vor, wenn die Vermögensverfügung die zuvor noch gegebene Realisierbarkeit des Anspruchs vereitelt, in ihren Aussichten vermindert oder in höherem Maße als das vorher der Fall war, gefährdet hat ([X.] in [X.] Kommentar, StGB, 10. Aufl., §
263 Rn. 247 mwN).
Das [X.] hätte daher für den Zeitpunkt der jeweiligen Vermö-gensverfügung prüfen müssen, ob und inwieweit die [X.]erungen der [X.]

ge-
gen die [X.]

in Höhe von 81.000 Euro und 191.000 Euro auch tat-
sächlich realisierbar waren. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der [X.]

im Zeitpunkt der Verrechnungen hat das [X.] keine konkreten
Feststellungen getroffen. Das Urteil leidet insoweit an einem durchgreifenden Erörterungsmangel. Auf der Grundlage der bisherigen Urteilsfeststellungen ist auch keineswegs sicher, dass die [X.]erungen der [X.]

zum Zeitpunkt der hier
maßgeblichen Vermögensverfügung überhaupt (noch) werthaltig waren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach den Urteilsfeststellungen am 25.
Mai 2016 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.]

eröffnet wurde und der Angeklagte angegeben hat, es habe im Zeitpunkt der jeweiligen Veräußerungen die Insolvenz der [X.]

-Firmen gedroht und er habe
gehofft, durch die Taten die Zahlungsfähigkeit der Firmen aufrechterhalten zu können und später

quasi im Rahmen einer Schadensersatzleistung

die nichtexistenten Fahrzeuge von der Firma [X.]

dass deren Nichtexistenz aufgefallen wäre ([X.]).
2. Dieser Rechtsfehler führt im Fall B. [X.] der Urteilsgründe zur Aufhe-bung des

für sich gesehen [X.]

tateinheitlichen Schuldspruchs wegen Urkundenfälschung (vgl. [X.], Urteile
vom 17. Juli 2014

4 [X.]/14
Rn.
8 [insoweit nicht abgedruckt in [X.], 569 f.]
und vom 20. Februar 1997

4 [X.], [X.]R [X.] §
353 Aufhebung 1). Angesichts der Aufhe-bung der Verurteilung des Angeklagten in den Fällen [X.] und [X.] der Urteils-12
13
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8
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gründe kann auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe nicht bestehen blei-ben.
3. Die Feststellungen in den Fällen [X.] und [X.] der Urteilsgründe und die der Gesamtstrafenbildung zugrunde liegenden Feststellungen waren gemäß §
353 Abs. 2 [X.] aufzuheben, um dem neuen Tatgericht insoweit in sich wi-derspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
4. Darüber hinaus gibt die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe [X.] darauf hinzuweisen, dass Bezugnahmen auf den Anklagesatz in den [X.]n unzulässig sind, da jedes Strafurteil grundsätzlich aus sich selbst heraus verständlich sein muss (vgl. nur [X.] in [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., §
267 Rn. 2 mwN).
Raum [X.] Bellay

[X.] Hohoff
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Meta

1 StR 13/18

06.04.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2018, Az. 1 StR 13/18 (REWIS RS 2018, 11196)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11196

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1 StR 13/18

1 StR 350/16

1 StR 359/13

4 StR 158/14

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