Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.07.2010, Az. 3 AZR 615/08

3. Senat | REWIS RS 2010, 4429

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Gegenstand

Zulässigkeit der Klage - Bestimmtheit des Antrags - Vereinbarung einer Nettoabfindung


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 24. April 2008 - 15 Sa 1867/07 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die [X.]öhe der dem Kläger geschuldeten Abfindung. In diesem Zusammenhang sind sie rechtlich unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die Beklagte auch auf die Abfindung anfallende steuerliche Belastungen zu tragen hat.

2

Der Kläger ist am 1. Juli 1950 geboren. Er trat mit Wirkung vom 1. November 1978 in die Dienste der [X.] Das Arbeitsverhältnis ging auf die Beklagte, ein Versorgungsunternehmen auf [X.], über. Diese beschäftigte den Kläger bis zum 15. Dezember 2003 als Gaszählermonteur.

3

Das Ausscheiden des [X.] beruhte auf einem zwischen ihm, der [X.] und der [X.] (im Folgenden: Transfergesellschaft) abgeschlossenen dreiseitigen [X.] 2003. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

        

„…    

        

§ 1      

        

Ende des Anstellungsverhältnisses mit [X.]           

        

1.    

Die [X.] hat am 02.12.2003 den Anstellungsvertrag außerordentlich aus betrieblichen Gründen gekündigt. Das Arbeitsverhältnis wird als Folge dieser Kündigung zum 15.12.2003 beendet.

        

…       

        

§ 2      

        

Anstellungsverhältnis mit der Transfergesellschaft           

        

Der Arbeitnehmer wird unmittelbar nach der Beendigung des Anstellungsvertrags mit [X.] durch die Transfergesellschaft eingestellt. Der Arbeitsvertrag beginnt am [X.] Er ist befristet und endet mit dem Wegfall des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld, spätestens am 30.11.2005, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

        

…       

        

§ 5      

        

Bezüge           

        

1.    

Während der Verweildauer in der Transfergesellschaft hat der Arbeitnehmer - vorbehaltlich nachfolgend abweichender Regelung - Anspruch auf ein Bruttomonatsentgelt gem. § 4 II Ziff. 1, 2 des [X.]. Dieser Anspruch entfällt für den Fall der strukturellen Kurzarbeit, zu deren Einführung der Arbeitnehmer bereits heute sein Einverständnis erteilt. In der [X.] zahlt die Transfergesellschaft an den Arbeitnehmer indes einen [X.] und weitere Leistungen gemäß § 3 Ziff. 3 der [X.].

        

…       

        

§ 10        

        

Abfindung           

        

Endet das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Transfergesellschaft mit Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses, erhält der Arbeitnehmer von der Transfergesellschaft im Namen und im Auftrag der [X.] eine Abfindung gemäß § 3 Ziff. 6 der [X.]. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Betriebsvereinbarung verwiesen.

        

Wegen der Regelung zur Entstehung und Fälligkeit der Abfindung einschließlich der [X.]odalitäten ihrer Auszahlung findet § 4 Ziff. IV des [X.] entsprechende Anwendung.

        

…       

        

§ 12        

        

Nebenabreden ...           

        

1.    

Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für die Schriftformklausel selbst. [X.]ündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen.

        

…       

        

3.      

Losgelöst davon findet die [X.] ... Anwendung.“

4

Die in § 10 des dreiseitigen Vertrages in Bezug genommene „Betriebsvereinbarung Transfergesellschaft“ vom 2. Dezember 2003 (hiernach: [X.] 2003) lautet auszugsweise wie folgt:

        

„§ 3        

        

Leistungen der Transfergesellschaft           

        

…       

        

3.    

Die Transfergesellschaft ist verpflichtet, jedem [X.]itarbeiter im Rahmen der Transfergesellschaft folgende Leistungen zu erbringen:

                 

Dabei gelten folgende Begriffsbestimmungen:

                 

Basis A umfasst die monatliche Tabellenvergütung nebst der garantierten individuellen Zulage ([X.]) auf der Basis eines [X.]onatsbetrages und der 13. [X.]onatsvergütung./. 12, berechnet auf der Grundlage des [X.]onats August 2003 ... Außerdem sind Zulagen ... einzubeziehen. ...

                 

Basis B umfasst die monatliche Tabellenvergütung nebst [X.] auf der Basis eines [X.]onatsbetrages, berechnet auf der Grundlage des [X.]onats August 2003.

        

…       

        
        

6.    

Endet das Arbeitsverhältnis zwischen [X.]itarbeiter und Transfergesellschaft, erhält der [X.]itarbeiter von der Transfergesellschaft im Namen und für Auftrag der [X.] nach [X.]aßgabe der folgenden Regelungen. ...

                 

a)    

Der Grundbetrag der Abfindung berechnet sich wie folgt:

                          

0,9 x Basis B x Dauer der Betriebszugehörigkeit           

                          

Der [X.]indestbetrag der Abfindung beträgt 10.000 [X.] (brutto).

                          

Sofern der [X.]itarbeiter noch nicht das 53. Lebensjahr vollendet hat, erhält er mit Ausscheiden aus der Transfergesellschaft eine Abfindung in [X.]öhe von 0,9 x Basis B x Dauer der Betriebszugehörigkeit abzüglich des für die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft insgesamt gezahlten Kurzarbeitergeldes, der Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld (Aufstockungsbeträge), der Leistungen gemäß Ziff. 3 f) sowie der Vergütungsansprüche bei Urlaub und an Feiertagen.

                          

…       

                          

Sofern der [X.]itarbeiter erst mit Ablauf der Befristung bei der Transfergesellschaft ausscheidet und das 53. Lebensjahr vollendet hat und einen Anspruch auf Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres hat, erhält er mit Ausscheiden aus der Transfergesellschaft eine Abfindung, die bis zum frühest möglichen Zeitpunkt für die [X.]öglichkeit einer Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente die Differenz zwischen 85 % der Nettobeträge von Basis A und dem Arbeitslosengeld, sowie 15 % der anteiligen Abschläge auf den Zugangsfaktor der gesetzlichen Altersrente wegen vorzeitiger Inanspruchnahme sowie 20 % der wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Werkspension bzw. der [X.] auf Basis einer fiktiven [X.]ochrechnung beim Rentenbeginn mit 60 eintretenden Nachteile, jeweils bezogen auf einen Zeitraum bis zum 80. Lebensjahr und mit 3 % als [X.] abgezinst, ausgleichen soll. Der Ausgleich der vorstehend genannten Nachteile wird abschließend zum Zeitpunkt des Abschlusses des dreiseitigen Vertrages und auf der Basis des zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechts unter Bezugnahme auf die Steuerkarte, die [X.] am 01.08.2003 vorgelegen hat, berechnet. Dabei erfolgt die Berechnung nach [X.]aßgabe einer Prognose auf der Grundlage der am Tage der Unterzeichnung dieser Betriebsvereinbarung geltenden Vorschriften und ihrer [X.]andhabe durch die Verwaltung unter Berücksichtigung der Grundsätze, die in der Betriebsvereinbarung über vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsleben vom 23.09.2003 festgelegt wurden. Spätere Anpassungen erfolgen nicht. Etwaige auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Steuerfreibeträge oder ein Wechsel der Steuerklasse finden bei der Berechnung der Nettobeträge keine Berücksichtigung. Wegen der Kennzeichnung des Anspruchs auf Altersrente wird auf § 4 II 4 des [X.] abgestellt.

                 

b)    

Zuschläge zur Abfindung

                          

[X.]itarbeiter, die das 53. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und gegenüber schwerbehinderten Kindern oder Kindern bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, die auf der [X.] im [X.]onat der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegenden Steuerkarte eingetragen sind, erhalten einen [X.] zur Abfindung in [X.]öhe von 3.500 [X.] pro unterhaltsberechtigtem Kind.

                          

…“    

5

Die ebenfalls in § 10 des dreiseitigen Vertrages in Bezug genommene Regelung des § 4 Nr. IV des Sozialplans vom 2. Dezember 2003 hat folgenden Wortlaut:

        

„Entstehung, Fälligkeit und Abtretung der Abfindung           

        

1.    

[X.] entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. für den Fall einer Klage gegen die außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen oder den Aufhebungsvertrag mit dem Wirksamwerden einer Klagerücknahme oder der rechtskräftigen Abweisung der Klage.

        

2.    

Der Anspruch ist vier Wochen nach seiner Entstehung zur Zahlung fällig und wird nach den dann geltenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften bargeldlos ausgezahlt.

        

…“    

6

Das Arbeitsverhältnis des [X.] mit der Transfergesellschaft endete am 30. November 2005. Nach seinem Ausscheiden bezog der Kläger Leistungen der Arbeitslosenversicherung.

7

Die Transfergesellschaft errechnete unter dem 21. September 2005 zunächst den sich aus einer Bruttoabfindung von 48.829,63 [X.] nach Abzug der Lohnsteuer ergebenden Nettobetrag. Diesen zahlte sie namens und im Auftrag der [X.] an den Kläger aus. Die Lohnsteuer führte sie an das Finanzamt ab. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass das Arbeitslosengeld des [X.] niedriger war als das der Berechnung zugrunde gelegte, berechnete die Transfergesellschaft eine neue Bruttoabfindung i[X.]v. 49.116,97 [X.] und den sich daraus nach Abzug der Lohnsteuer ergebenden Nettobetrag. Die Differenz des [X.] zahlte sie an den Kläger, die zusätzliche Lohnsteuer an das Finanzamt.

8

[X.]it Bescheid vom 24. Februar 2006 setzte das Finanzamt [X.] die vom Kläger für das [X.] zu zahlende Einkommensteuer auf 6.396,00 [X.] und den Solidaritätszuschlag auf 351,78 [X.] fest. Unter Berücksichtigung der vorab einbehaltenen Lohnsteuer erstattete es dem Kläger 3.320,08 [X.].

9

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die von ihr geschuldete Abfindung netto an ihn zur Auszahlung zu bringen. Er hat sich dabei auf die Auslegung der [X.] 2003 berufen und behauptet, dies entspreche auch Aussagen auf Arbeitgeberseite, die im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden bei der [X.] gemacht worden seien.

Nachdem er einen angekündigten Feststellungsantrag zurückgenommen hatte, hat der Kläger zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.440,00 [X.] netto nebst Zinsen zu zahlen. Das entsprach der auf den ursprünglich zugrunde gelegten Bruttobetrag der Abfindung entfallenden Lohnsteuer ohne Solidaritätszuschlag. Im Termin zur streitigen Verhandlung am 4. April 2007 hat der Kläger keinen Antrag stellen lassen. Daraufhin ist ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen. Gegen dieses hat der Kläger Einspruch eingelegt mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.801,31 [X.] netto, hilfsweise 1.946,47 [X.] netto nebst Zinsen zu zahlen. Er hat diese Forderung darauf gestützt, die Beklagte sei nach § 3 Nr. 6 der [X.] 2003 verpflichtet, eine Abfindung ua. in [X.]öhe der [X.] zwischen 85 % der Nettobeträge und dem Arbeitslosengeld der „[X.]“ zu zahlen. Der Einwand der [X.], sie sei nicht verpflichtet, für die mit dem Progressionsvorbehalt verbundenen steuerlichen Nachteile einzustehen, greife nicht. Die Entstehung der Steuern in der durch das Finanzamt festgesetzten [X.]öhe sei unvermeidlich gewesen und habe in die Ermittlung der Abfindung einfließen müssen. Ohne die Progression wäre - so sein weiterer Vortrag - eine Steuererstattung i[X.]v. 8.121,39 [X.] erfolgt. Unter Zugrundelegung der tatsächlichen Erstattung von 3.320,08 [X.] sei die Beklagte zur Zahlung eines Differenzbetrages von 4.801,31 [X.] verpflichtet. Unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts seien Steuern in [X.]öhe von 1.946,47 [X.] angefallen, die die Beklagte zu tragen habe.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 4. April 2007

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.801,31 [X.] netto nebst Zinsen i[X.]v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2006 zu zahlen,

        

hilfsweise

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.946,47 [X.] netto nebst Zinsen i[X.]v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Sie hält die Abfindung für richtig berechnet.

Das Arbeitsgericht hat dem zuletzt gestellten [X.]auptantrag entsprochen. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechterhalten. [X.]it seiner Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.].

I. Das Urteil des [X.] beruht auf einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensfehler. Der Rechtsstreit ist deshalb an das [X.] zurückzuverweisen (§ 557 Abs. 3 Satz 2, § 562 ZPO). Das [X.] hat übersehen, dass der Hauptantrag und dementsprechend der Inhalt des [X.] unbestimmt sind (§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).

1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dessen Voraussetzungen auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen sind (vgl. nur [X.] 28. Januar 1994 - V ZR 90/92 - zu I der Gründe, [X.]Z 125, 41), erfordert eine Klage „die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs“, da andernfalls unklar ist, über welchen Streitgegenstand sich eine Sachentscheidung verhält und damit der Umfang der Rechtskraft (§ 322 ZPO) des gerichtlichen Urteils nicht feststeht.

2. Diesen Anforderungen entspricht die Klage hinsichtlich des [X.] nicht. Aus dem Sachvortrag des [X.] ergibt sich nicht, was er mit dem Antrag geltend macht, eine ihm zustehende Nettoabfindung - worauf seine Rechtsausführungen schließen lassen - oder - worauf seine zuletzt als maßgeblich in das Verfahren eingeführte Berechnung des [X.] hindeutet - den Ausgleich von Nachteilen bei der Steuerprogression. Bei beidem handelt es sich jedoch um unterschiedliche Gegenstände.

Verlangt ein Arbeitnehmer einen Nettobetrag, so geht es darum, ob der Arbeitgeber im Innenverhältnis verpflichtet ist, den Arbeitnehmer von Abzügen, hier der im [X.] (§§ 38 ff. EStG) einzubehaltenden Steuern, freizustellen ([X.] 25. Juni 2002 - 9 [X.] - zu I 1 a der Gründe, [X.]E 101, 351). Der Arbeitgeber hat bei einer Nettolohnvereinbarung den gesamten vereinbarten Betrag an den Arbeitnehmer auszukehren, die hierauf entfallenden Abzüge selbst zu tragen und den für die Berechnung der Abzüge maßgeblichen Bruttobetrag durch „Abtastung“ bzw. Iteration zu ermitteln (vgl. [X.] 29. September 2004 - 1 [X.] - zu II 1 b aa der Gründe, EzA EStG § 42d Nr. 2).

Demgegenüber betrifft die Steuerprogression die Frage, mit welchem Steuersatz das steuerpflichtige Einkommen zu versteuern ist (§ 32a EStG). Sie führt dazu, dass der Prozentsatz der Steuerpflicht umso höher ist, je höher das zu versteuernde Einkommen ist. Bezieht ein Steuerpflichtiger - wie der Kläger - auch Leistungen der Arbeitslosenversicherung, kommt zudem der Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG zum Tragen. Diese Leistungen sind zwar ihrerseits nicht steuerpflichtig, sie sind jedoch bei der Ermittlung des Steuersatzes, der auf steuerpflichtige Einnahmen zu zahlen ist, zu berücksichtigen. Der erhöhte Steuersatz wirkt sich nicht im [X.] durch den Arbeitgeber aus, sondern erst im Rahmen der jährlichen Veranlagung zur Einkommensteuer, zu deren Beantragung der Arbeitnehmer verpflichtet ist (§ 46 Abs. 2 Nr. 1, § 38a Abs. 1 Satz 1 EStG; vgl. zur Systematik [X.] 25. Juni 2002 - 9 [X.] - zu I 1 b bb (1) der Gründe, [X.]E 101, 351 sowie 20. Mai 1999 - 6 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 91, 358).

3. Das [X.] hat nicht geklärt, ob der Kläger mit dem Hauptantrag entsprechend einer Nettolohnvereinbarung eine restliche Abfindungszahlung in Höhe der im [X.] einbehaltenen Lohnsteuer - bzw. einen Teilbetrag hiervon - geltend macht oder ob er den Ausgleich der mit dem Progressionsvorbehalt verbundenen Nachteile begehrt. Das führt jedoch nicht zur Abweisung des [X.] als unzulässig in der Revisionsinstanz. Nachdem die mangelnde Angabe des Gegenstandes des Anspruchs bislang in den Tatsacheninstanzen keine Rolle gespielt hat, ist dem Kläger die Möglichkeit zu geben, nach einer Zurückverweisung die notwendigen Klarstellungen vorzunehmen. Denn das [X.] hätte den Hauptantrag ohne Hinweis nach § 139 ZPO nicht als unzulässig abweisen dürfen (vgl. [X.] 20. Februar 1997 - I ZR 13/95 - zu II 3 der Gründe, [X.]Z 135, 1).

4. Da über den Hauptantrag nicht entschieden werden kann, stellt sich die Frage einer Entscheidung über den Hilfsantrag nicht.

II. Für das weitere Verfahren im Falle der Zulässigkeit des [X.] weist der Senat auf Folgendes hin:

Maßgeblich für die Berechnung des Anspruchs des [X.] sind - wie es auch in § 10 des [X.] niedergelegt ist - die [X.] sowie der am selben Tag abgeschlossene Sozialplan. Dabei handelt es sich um kollektive Regelungen, deren Auslegung auch dem Revisionsgericht obliegt. Maßgeblich ist auf den im Wortlaut zum Ausdruck gelangten Willen der Betriebsparteien abzustellen. Zudem ist der von diesen beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen, soweit diese in den Regelungen des Sozialplans bzw. der Betriebsvereinbarung ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. [X.] 21. Februar 2008 - 6 [X.] - Rn. 65 f.). Danach schuldet die Beklagte dem Kläger die Abfindung nach § 3 Nr. 6 [X.] als Nettobetrag. Sie ist jedoch nicht verpflichtet, aufgrund des Progressionsvorbehalts entstehende Nachteile auszugleichen.

1. Entgegen der Ansicht des [X.] schuldet die Beklagte die Abfindung als Nettoabfindung, nicht als Bruttoabfindung. Die Beklagte ist daher verpflichtet, durch Übernahme der im [X.] ermittelten Lohnsteuer die Auszahlung des [X.] an den Kläger sicherzustellen.

a) Grundsätzlich schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer [X.] ([X.] 21. Juli 2009 - 1 [X.] - Rn. 14, [X.] 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 4). Der Arbeitgeber ist zwar gegenüber den Finanzbehörden im Rahmen der ihm obliegenden Haftung Gesamtschuldner mit dem Arbeitnehmer (§ 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG). Im Innenverhältnis ist aber in der Regel allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung ([X.] 29. September 2004 - 1 [X.] - zu II 1 b aa der Gründe, EzA EStG § 42d Nr. 2). Der Arbeitnehmer muss daher grundsätzlich auch steuerlich berechtigte Abzüge hinnehmen ([X.] 24. Juni 2003 - 9 [X.] [X.] 2 c aa der Gründe, [X.]E 106, 345). Die [X.] folgt für Abfindungen, die - wie hier - ein Arbeitgeber an den Arbeitnehmer als Entschädigung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlt, aus § 34 Abs. 2 Nr. 2 iVm. § 24 Nr. 1 Buchst. b und § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG.

Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gilt dann etwas anderes, wenn sich das aus den für das Arbeitsverhältnis geltenden Regelungen ergibt (vgl. [X.] 21. Juli 2009 - 1 [X.] - Rn. 15, [X.] 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 4), denn das Steuerrecht sagt nichts darüber aus, welche Partei des Arbeitsverhältnisses zivilrechtlich verpflichtet ist, die Steuer wirtschaftlich zu tragen (vgl. [X.] 1. Februar 2006 - 5 [X.] - Rn. 17, [X.] EStG § 40a Nr. 4 = [X.] 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2). Ob ein [X.] zu zahlen ist, muss durch Auslegung der maßgeblichen Regelungen ermittelt werden ([X.] 21. November 1985 - 2 [X.] - zu II 4 e der Gründe, [X.] Nr. 2). [X.] sind nicht die Regel, sondern die Ausnahme ([X.] 19. Februar 2008 - 3 [X.] - Rn. 25, [X.] [X.] § 1 Nr. 52 = EzA [X.] § 1 Betriebliche Übung Nr. 9). Sie müssen einen entsprechenden Willen klar erkennen lassen ([X.] 29. September 2004 - 1 [X.] - zu II 1 b aa der Gründe, EzA EStG § 42d Nr. 2). Das gilt auch, wenn es - wie hier - um die Auslegung einer Betriebsvereinbarung geht ([X.] 27. April 2000 - 6 [X.] 754/98 - zu 3 a der Gründe).

b) Danach haben die Betriebsparteien hier eine Nettoabfindung vereinbart.

aa) Für den Abfindungsanspruch des [X.] ist § 3 Nr. 6 Buchst. a [X.] maßgeblich. Der Kläger ist erst mit Ablauf der Befristung bei der Transfergesellschaft ausgeschieden. Er hatte bei seinem Ausscheiden am 30. November 2005 das 53. Lebensjahr vollendet, da er am 1. Juli 1950 geboren wurde, und ein Recht auf Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres (§ 237 Abs. 1 SGB VI).

bb) Nach § 3 Nr. 6 Buchst. a [X.] erhält der Kläger eine Abfindung, die bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente die Differenz zwischen 85 % der Nettobeträge von [X.] und dem Arbeitslosengeld sowie näher bezeichnete Nachteile in der Altersversorgung ausgleichen soll. Eine ausdrückliche Regelung, ob der so errechnete Betrag brutto oder netto zu leisten ist, enthält die [X.] 2003 nicht. Das unterscheidet diese Vorschrift von der Bestimmung über den Mindestbetrag der Abfindung, bei dem ausdrücklich vorgesehen ist, dass er in Höhe von 10.000,00 Euro brutto zu zahlen ist. Eine ausdrückliche Bruttoregelung enthält auch Buchst. b der genannten Vorschrift hinsichtlich des Zuschlags für jedes unterhaltsberechtigte Kind. Gleichwohl ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 6 Buchst. a [X.] als auch aus dessen Sinn und Zweck, dass der zugunsten des [X.] errechnete Betrag netto zu zahlen ist.

(1) Nach dem Wortlaut der Vorschrift soll die Abfindung die dort näher bezeichneten Nachteile „ausgleichen“. Anders als bei der Regelung für Mitarbeiter, die noch nicht das 53. Lebensjahr vollendet haben und deshalb nicht rentennah sind - dort ist lediglich eine Abfindungsformel vereinbart -, ist der von den Betriebsparteien gewollte Zweck der Abfindung, nämlich die genannten Nachteile auszugleichen, ausdrücklich und besonders hervorgehoben. In erster Linie berücksichtigt die Regelung den Unterschied zwischen 85 % des Nettoeinkommens nach [X.] und dem Arbeitslosengeld. Das zielt auf den Ausgleich eines sich netto errechnenden Nachteils. Die Bestimmung legt daher nicht lediglich fest, dass sich die Abfindung nach den in ihr genannten Berechnungsgrundlagen errechnet. Sie soll vielmehr eine bestimmte Nettovergütungsdifferenz ausgleichen. Das kann nur so geschehen, dass dem Arbeitnehmer der Nettodifferenzbetrag tatsächlich verbleibt. Dies erfordert die Zahlung der Abfindung als Nettobetrag.

(2) Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 4 Nr. IV 2 des Sozialplans vom 2. Dezember 2003. Diese nach dem dreiseitigen Vertrag geltende Regelung besagt lediglich, dass die Auszahlung nach den zum Fälligkeitszeitpunkt geltenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu erfolgen hat. Auch wenn eine Nettovereinbarung getroffen ist, bedarf es einer Regelung darüber, welche Vorschriften einschlägig sind, um die Auszahlung als Nettobetrag sicherzustellen. Nur so kann der entsprechende Bruttobetrag ermittelt werden.

(3) Es spricht nicht entscheidend gegen den Charakter der Leistung als Nettoabfindung, dass einige der Berechnungsfaktoren, insbesondere die Regelung über den Ausgleich von Nachteilen bei der Betriebsrente sowie die vergleichsweise heranzuziehende Regelung über die Mindestabfindung auf [X.] abstellen. Mit der Regelung soll sichergestellt werden, dass in jedem Fall die Differenz zwischen 85 % der Nettobeträge von [X.] und dem Arbeitslosengeld ausgeglichen wird. Ein Vergleich mit der brutto geschuldeten Mindestabfindung ist ohne Weiteres möglich. Auch bei der Auszahlung eines [X.] ist immer der sich daraus ergebende Bruttobetrag zu errechnen, um die vom Arbeitgeber zu tragende Steuerlast zu ermitteln.

2. Hingegen finden sich in den genannten Regelungen keinerlei Hinweise darauf, dass die Beklagte verpflichtet sein soll, [X.] - mögen sie durch den Progressionsvorbehalt oder aus sonstigen Gründen entstehen - auszugleichen. Dagegen spricht schon, dass nach § 3 Nr. 6 Buchst. b [X.] 2003 auch bei der Berechnung des der Abfindung zugrunde liegenden [X.] individuelle Umstände, die durch die Eintragung eines Steuerfreibetrages beim [X.] Berücksichtigung gefunden haben (dazu § 39a EStG), keine Rolle spielen sollen. Es wäre systemwidrig, würden die Betriebsparteien derartige individuelle Umstände und dadurch entstehende Nachteile im Zusammenhang mit der jährlichen Festsetzung der Einkommensteuer bei der Berechnung der Abfindung berücksichtigen wollen.

3. Das [X.] wird, soweit es noch darauf ankommen sollte, auch zu klären haben, was Gegenstand und Grund des [X.] sind. Weitere Hinweise hierzu erscheinen nicht veranlasst.

III. Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

    für den wegen Ablaufs der Amtszeit
an der Unterschrift verhinderten
ehrenamtlichen Richter Hauschild
Gräfl    

        

    Schmidt    

        

        

Meta

3 AZR 615/08

27.07.2010

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hagen (Westfalen), 19. September 2007, Az: 2 Ca 2326/06, Urteil

§ 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 139 ZPO, § 77 Abs 2 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.07.2010, Az. 3 AZR 615/08 (REWIS RS 2010, 4429)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4429


Verfahrensgang

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Az. 3 AZR 615/08

Bundesarbeitsgericht, 3 AZR 615/08, 27.07.2010.


Az. 15 Sa 1867/07

Landesarbeitsgericht Hamm, 15 Sa 1867/07, 24.04.2008.


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Referenzen
Wird zitiert von

5 Sa 446/17

12 Sa 602/13

10 Sa 621/13

7 Sa 452/11

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