Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.11.2013, Az. VI ZR 344/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1066

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI ZR 344/12
Verkündet am:

19. November 2013

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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2

-

Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterinnen [X.] und von [X.] und den Richter Offenloch

für Recht erkannt:
Die Revisionen gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 22. Juni 2012 werden auf Kosten der [X.]n mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verurteilung zur Zahlung nur [X.] gegen Abtretung der
Rechte aus den erworbenen Beteiligungen Nr.
...; Nr. ...
und Nr. ...
an der L.

AG bzw. aus der entsprechenden Anmeldung der Forderungen zur Insolvenztabelle erfolgt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der [X.]n zu
1, einer Wirtschaftsprüfungs-
und Steuerberatungsgesellschaft mbH, und ihrem Geschäftsführer, dem [X.] zu
2, einem Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer, aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes Schadensersatz im Zusammenhang mit Kapitalanlagen bei Unternehmen der sogenannten [X.].
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Die [X.] zu 1 war in den Jahren 1998 bis 2002 mit der Prüfung der Jahresabschlüsse von Gesellschaften der [X.] beauftragt, zu der auch die [X.] gehörte. Die Klägerin und ihr Ehemann zeichneten im Dezember 2002 Beteiligungen als atypisch stille Gesellschafter an der L.
AG. Sie zeichneten und darüber hinaus
jeder für sich eine Rateneinlage über den Betrag von 45.000

n-trag.
Die Klägerin verlangt von den [X.]n wegen behaupteter Zahlungen auf die Beteiligungen Schadensersatz sowie die Feststellung, dass den [X.] der Klägerin vorsätzlich begangene unerlaubte Handlungen der [X.] zugrunde liegen. Sie stützt die Ansprüche auf angeblich inhaltlich fal-sche Äußerungen des [X.]n zu 2, mit denen dieser die [X.] im Rah-men von Seminarveranstaltungen in den Jahren 1999 und 2000 auf [X.] und in [X.] vor Vertriebsmitarbeitern zu positiv dargestellt habe und welche die Klägerin, an die die Äußerungen weitergegeben worden seien, zur Zeichnung der Anlagen veranlasst hätten.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläge-rin hat das [X.] der Klage in Höhe eines Teilbetrages von

sowie bezüglich des Fest-stellungsantrages
stattgegeben.
Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurück-
und die Klage abgewiesen.
Mit ihren vom Berufungsgericht zugelasse-nen Revisionen beantragen die [X.]n, die Klage abzuweisen.
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4

-

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht führt aus: Die [X.]n schuldeten der Klägerin als Gesamtschuldner Schadensersatz nach §
826 [X.] i.V.m. §§
31, 840
[X.]. Der [X.] zu
2 habe unzutreffende Behauptungen über die Unternehmen der [X.] aufgestellt. Auf Veranstaltungen der [X.], an denen in [X.] Linie Mitarbeiter der Strukturvertriebe der [X.] teilgenommen hätten, habe er das Eigenkapital als "ausgezeichnet" dargestellt und die Aktien der [X.] [X.]en als "Blue Chips" bezeichnet. Dies impliziere, dass die [X.] aufgrund des besonderen Qualitätsmerkmals
einer überragenden Eigenkapitalausstattung besonders wertvollen Unternehmen, typischerweise großen Aktiengesellschaften mit hoher Marktkapitalisierung, vergleichbar sei. Das Eigenkapital der [X.] habe jedoch demjenigen von solchen Unter-nehmen nicht ansatzweise entsprochen. Denn es habe sich nahezu ausschließ-lich aus Forderungen gegen die einzelnen atypisch stillen Gesellschafter zu-sammengesetzt. Damit habe ein gebündeltes Risiko bestanden. Nach der Pra-xis der [X.] habe es außerdem im Belieben der Anleger gestanden, ob sie den eingegangenen Verpflichtungen nachgekommen seien oder nicht. Ein For-derungsmanagement habe nicht existiert. Der [X.] zu
2 habe leichtfertig und damit sittenwidrig gehandelt, als er die fraglichen Aussagen getätigt habe. Einem Wirtschaftsprüfer mit den Kenntnissen des [X.]n zu
2 habe [X.] sein müssen, dass die Aussagen inhaltlich falsch und geeignet gewesen seien, den Adressaten ein ganz übertrieben positives Bild von der wirtschaftli-chen Lage der [X.] zu vermitteln. Dem [X.]n zu
2 seien die Struktur des Eigenkapitals und das Fehlen eines effektiven Forderungsmanagements bekannt gewesen. Der [X.] zu 2 habe auch vorsätzlich gehandelt. Ihm sei klar gewesen, dass seine Äußerungen zur exzellenten Eigenkapitalausstattung 5
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der [X.] und zum Charakter ihrer Aktien als "Blue Chips"
die Anleger er-reichen würden und geeignet seien, sie dadurch zur Zeichnung einer Anlage zu motivieren, da sie die wirtschaftliche Potenz der Unternehmensgruppe falsch einschätzten. Durch die Aussagen der Zeugen S. und [X.]
sei bewiesen, dass die Aussagen des [X.]n zu
2 zur hervorragenden Eigenkapitalausstattung der [X.] für die Entscheidung der Klägerin und ihres Ehemannes für die Zeichnung der Anlagen kausal geworden seien. Die
[X.]n schuldeten der Klägerin und ihrem Ehemann Schadensersatz im tenorierten Umfang. Die [X.] zu 1 habe nach §
31 [X.] für das deliktische Verhalten ihres Geschäfts-führers einzustehen.

II.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher [X.] stand. Die [X.]n haften der
Klägerin aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§
826, 840 Abs.
1, §
31 [X.].
1. Das Berufungsgericht hat das Verhalten des [X.]n zu
2 mit Recht als sittenwidrig im Sinne des §
826 [X.] qualifiziert.
a) Ob ein Verhalten als sittenwidrig anzusehen ist, ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. Senatsurteile vom 15.
Oktober 2013

VI
ZR 124/12, z.[X.].; vom 4.
Juni 2013

VI
ZR 288/12, VersR
2013, 1144 Rn.
14; vom 25.
März 2003

VI
ZR 175/02, [X.]Z
154, 269, 274
f., jeweils mwN).
b) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das [X.] aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. 6
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6

-

Senatsurteile vom 15.
Oktober 2013

VI
ZR 124/12, z.[X.].; vom 4.
Juni 2013

VI
ZR 288/12, VersR
2013, 1144 Rn.
14; vom 20. November 2012

VI
ZR 268/11, VersR
2013, 200 Rn.
25; [X.], Urteil vom 9.
Juli 2004

II
ZR 217/03, NJW
2004, 2668, 2670; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
826 Rn.
2
f.; [X.]/[X.], [X.], 72.
Aufl., § 826 Rn.
4, jeweils mwN). Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervor-ruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutre-ten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage [X.] Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. [X.] vom 15. Oktober 2013

VI
ZR 124/12, z.[X.].; [X.], Urteile vom 19.
Juli 2004

II
ZR 217/03, NJW
2004, 2668, 2670; vom 19.
Oktober 1987

II
ZR 9/87, [X.]Z 102, 68, 77
f.; [X.]/[X.], [X.], aaO, jeweils mwN).
c) Im Bereich der [X.] für unrichtige (Wert-)Gutachten und Testate kommt ein [X.] bei einer besonders schwer wiegenden Verlet-zung der einen Experten treffenden Sorgfaltspflichten in Betracht. Als sittenwid-rig ist
dabei zu beurteilen, dass der Auskunfterteilende aufgrund des Experten-status ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, selbst aber nicht im Mindesten den an einen Experten zu richtenden Maßstäben genügt (vgl. [X.]/[X.], [X.], Neubearb.
2009, §
826 Rn.
207 f.). Der Sittenver-stoß setzt ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten des Auskunftgebers voraus. Es genügt nicht ein bloßer Fehler des Gutachtens, sondern es geht da-rum, dass sich der Gutachter durch nachlässige Erledigung, z. B.
durch nach-lässige Ermittlungen oder gar durch Angaben ins Blaue hinein der Gutachten-aufgabe entledigt und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die ange-sichts der Bedeutung des Gutachtens für die Entscheidung Dritter als gewissen-los erscheint (vgl.
Senatsurteile vom 21.
April 1970 -
VI
ZR 246/68, [X.], 878, 879; vom 12.
Dezember 1978 -
VI
ZR 132/77, [X.], 283, 284; vom 10
-

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24.
September 1991 -
VI
ZR 293/90, NJW 1991, 3282; [X.], Urteil vom 18.
Juni 1962 -
VII
ZR 237/60, [X.], 803, 804
f.; [X.]/[X.], aaO Rn.
213).
Diese anerkannten Grundsätze der [X.] sind zwar -
was auch das Berufungsgericht gesehen hat
-
im Streitfall nicht unmittelbar an-wendbar, weil dem [X.]n zu 2 nicht angelastet wird, ein unrichtiges (Wert-) Gutachten oder Testat erteilt zu haben. Sein Verhalten ist jedoch gleichwohl als sittenwidrig zu beurteilen. Denn der [X.] zu 2 stellte sich mit seinem Exper-tenstatus in den Dienst der von ihm geprüften kapitalsuchenden [X.] und lieferte den Vertriebsmitarbeitern irreführende Verkaufsargumente. Hierdurch setzte er sich rücksichtslos über die Interessen potentieller [X.] hinweg, die mit seinen Äußerungen zwangsläufig in Berührung kamen und [X.] auf seine berufliche Integrität und seine fachliche Autorität zur Grundlage ihrer Entscheidung machten (vgl. [X.]/[X.], aaO Rn.
210 und 214 zum Wertgutachten).
aa) Der Hinweis des [X.]n zu 2, die [X.] verfüge über ein "ausgezeichnetes Eigenkapital", das es
erlaube, ihre Aktien als "Blue Chips"
einzuordnen, war falsch und geeignet, die Adressaten über die wirtschaftliche Situation der Unternehmen der [X.] zu täuschen.
(1) Nach den [X.] Feststellungen des Berufungsgerichts hat der [X.] zu
2 im Rahmen von Veranstaltungen auf [X.] und in [X.] in den Jahren 1999 bzw. Anfang 2000 vor Vertriebsmitarbeitern der
[X.] Vorträge gehalten, in denen er insbesondere eine (im Vergleich zu [X.]) ausgezeichnete Eigenkapitalausstattung der von ihm ge-prüften Unternehmen der [X.] hervorhob und Aktien der [X.] mit "Blue Chips" verglich. Dadurch hat er einen Eindruck der Werthal-11
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tigkeit von Beteiligungen an diesen Unternehmen vermittelt, der objektiv unzu-treffend war. Denn für die Werthaltigkeit der Beteiligungen an Unternehmen der [X.] waren
nicht nur eine hohe Eigenkapitalquote entscheidend, sondern auch die vorhandenen Aktiva. Insoweit konnten die Unternehmen der [X.] in ihrer Kapitalqualität und Risikostruktur aber nicht ansatzweise mit "Blue Chip-Unternehmen" wie etwa großen Aktiengesellschaften mit hoher Marktkapitalisie-rung verglichen werden, welche typischerweise auf der Aktivseite die gesamte Vielfalt der Asset-Klassen des §
266 Abs.
2 HGB aufweisen. Das Aktivvermö-gen der [X.]-Unternehmen bestand demgegenüber -
auch nach dem ei-genen Vorbringen der [X.]n
-
nahezu ausschließlich aus den Forderungen gegen die einzelnen Anleger aus deren Beteiligung als atypisch stille Gesell-schafter. Das Anlagekapital stand den Unternehmen der [X.] auch nicht in liquider Form sofort zur Verfügung, sondern sollte von über 95
% der Anleger -
wiederum nach dem eigenen Vorbringen der [X.]n
-
in monatlich fällig werdenden, mehr oder weniger kleinen Raten über einen Zeitraum von bis zu 30
Jahren erbracht werden. Dabei wurde nach den Feststellungen des [X.] bei der [X.] ein ernsthaftes Forderungsmanagement nicht betrieben, vielmehr stand es in der Praxis im Belieben der Anleger, ob sie den eingegangenen
Zahlungsverpflichtungen nachkamen oder nicht. Auf der ande-ren Seite mussten sofort Vertriebsprovisionen gezahlt werden, welche sich [X.] an der gesamten Anlagesumme orientierten, obwohl die gezeichneten Beträge im Wesentlichen nur in relativ geringfügigen monatlichen Raten eingin-gen.
(2) Da auf der Aktivseite der Unternehmen im Wesentlichen lediglich noch nicht fällige Forderungen gegen die Anleger standen, deren Qualität mit der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der Anleger stand und fiel, hat das [X.] ferner mit Recht von einem "gebündelten Risiko" gesprochen.
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Fehl geht die Rüge der Revision, es fehle an Feststellungen, dass "auch nur ein Anleger vom Verhalten eines anderen Anlegers erfuhr, der seine Einla-ge nicht beglich", weshalb im Hinblick auf die einseitige Mittelherkunft auch nicht von einem gebündelten Risiko gesprochen werden könne. Die Revisions-erwiderung weist mit Recht darauf hin, dass eine interne Abstimmung unter den Anlegern weder nach den [X.] noch nach der Lebenserfahrung erfor-derlich war, um die Gefahr zu begründen, dass Anleger in erheblicher Anzahl ihre Einlage nicht erbringen würden, weil die Stimmung insbesondere auf dem Kapitalmarkt etwa wegen negativer Pressemeldungen zum Nachteil der [X.] umschlagen konnte und etliche Anleger gleichzeitig, aber unabhängig voneinander veranlasst werden konnten, ihre Zahlungen einzustellen.
(3) Unerheblich ist auch der Einwand der Revision, dass sich einige Un-ternehmen der [X.] zum Zeitpunkt der Äußerungen des
[X.]n zu 2 auf [X.] und in [X.] kurz vor oder in der Gründungsphase befanden, denn nach den Feststellungen bezogen sich die Äußerungen generell auf die Unternehmen der [X.], die sich in ihrer Struktur vollständig geglichen hät-ten.
(4) Ohne
Erfolg rügt die Revision, der [X.] zu 2 habe nicht einge-räumt, sowohl auf Veranstaltungen für Mitarbeiter der [X.] auf [X.] im Jahr 1999 als auch in [X.] Anfang des Jahres 2000 neben Hinweisen auf ein besonderes Eigenkapital das Wort "Blue Chips" verwandt zu
haben. Die Beweiskraft dieser tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts wird -
entgegen der Auffassung der Revision
-
nicht gemäß §
314 Satz
2 ZPO durch die Bezugnahme auf das Sitzungsprotokoll vom 23.
April 2012 entkräftet, denn dem Protokoll ist nicht zu entnehmen, dass der [X.] zu
2 nur auf [X.] und nicht auch in [X.] den Begriff "Blue Chips" verwandt hat. Die protokollierte Äußerung des [X.]n zu
2, die Eigenkapitalfinanzierung habe er nicht nur 15
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auf [X.], sondern in jedem seiner Vorträge, die er vor Vermittlern gehalten habe, so vorgetragen, lässt die Auslegung zu, dass er auch in [X.] den Vergleich mit "Blue Chips" gezogen hat. Im Übrigen würde schon die einmalige Verwendung des Vergleichs mit "Blue Chips" auf [X.], welcher der streitge-genständlichen Beteiligung vorausgegangen ist, die Beurteilung des [X.] rechtfertigen.
Darüber hinaus hat sich das Berufungsgericht -
wie die Revision selbst sieht
-
auch auf Zeugenaussagen in einem der Parallelverfahren gestützt. So-weit die Revision diesbezüglich beanstandet, das Berufungsgericht habe die Aussage aus dem Parallelverfahren nur als Urkunde würdigen und keine [X.] zur persönlichen Glaubwürdigkeit abgeben dürfen, übersieht sie, dass das Parallelverfahren und das vorliegende Berufungsverfahren bei [X.] Einzelrichter anhängig gewesen sind und dieser die Zeugen im Parallel-verfahren selbst vernommen hat. Da auch die jeweiligen Prozessbevollmächtig-ten der Parteien in beiden Verfahren identisch waren und der vom Einzelrichter angekündigten Verwertung der Aussagen im vorliegenden Verfahren nicht wi-dersprochen haben, sind hinsichtlich der Verwertung der Aussagen keine Ver-fahrensfehler ersichtlich. Im Übrigen sind in die hier maßgebliche Beweiswürdi-gung des Berufungsgerichts zu den objektiven Falschangaben des [X.]n zu
2 keine Glaubwürdigkeits-,
sondern [X.] eingeflossen.
[X.]) Der [X.] nahm für die vorbezeichneten irreführenden Angaben -
wie bereits ausgeführt
-
seinen
Expertenstatus als Wirtschaftsprüfer und seine Stellung als Abschlussprüfer der Gesellschaften der [X.] in Anspruch. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde er den Vertriebsmitar-beitern als Wirtschaftsprüfer vorgestellt und referierte über Erkenntnisse, die er in seiner Funktion als Abschlussprüfer (angeblich) gewonnen hatte. Er rekla-mierte damit für sich nicht nur die Sachkunde und Seriosität, die einem Wirt-18
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schaftsprüfer als besonderen Standesregeln unterliegendem und unabhängi-gem Berufsträger allgemein zugewiesen werden (vgl. §
43 Abs.
1 [X.]). [X.] nahm er für sich darüber hinausgehend das besondere Vertrauen in [X.], das dem Abschlussprüfer im Hinblick auf seine gesetzlich vorgesehene Objektivität gegenüber der [X.] (vgl. zur Unparteilichkeit §
323 Abs.
1
HGB) sowie auf die im Rahmen der Prüfung gewonnenen
beson-deren Einblicke in die Struktur der [X.] entgegengebracht wird. Mit dieser Autorität ist es bereits schwer vereinbar, sich -
wie es der
[X.] zu 2 tat
-
in exponierter Position einseitig für die [X.] der [X.]sgruppe einzusetzen.
[X.]) Die Expertenäußerungen des [X.]n zu
2 vor den Vertriebsmitar-beitern der [X.] waren, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, darauf ausgerichtet, an die [X.] weitergegeben zu werden.
Soweit die Revision meint, das Berufungsgericht habe verfahrensfehler-haft im Rahmen seines [X.] Vortrag des [X.]n zu
2 nicht berücksichtigt, dass es bei den Veranstaltungen mit Mitarbeitern des Vertriebs lediglich darum gegangen sei, Anschuldigungen entgegenzutreten, die Dritte im Zusammenhang mit den Kapitalanlagestrategien der [X.] gegenüber der Staatsanwaltschaft erhoben hätten, kann ihr dies nicht zum Erfolg verhelfen. Denn selbst wenn dies zuträfe, hätte der [X.] zu
2 umso mehr Veranlas-sung gehabt, irreführende Äußerungen hinsichtlich der Qualität und Werthaltig-keit der Kapitalanlagen der [X.] zu unterlassen.
dd) Die Angaben des [X.]n zu 2 hatten
für die von den Mitarbeitern der Strukturvertriebe angesprochenen [X.] -
hier die
Klägerin und ihr Ehemann
-
große Bedeutung. Nach den Feststellungen des Berufungs-gerichts war bei den Beratungsgesprächen das hohe Eigenkapital immer ein 20
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maßgebendes Verkaufsargument, wobei sich der jeweilige Vertriebsmitarbeiter auf den [X.]n zu 2 berief.
ee) Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, dass dem [X.]n zu
2 klar war, dass seine Informationen gerade dazu bestimmt waren, an die [X.] weitergegeben zu werden. Ihm war auch ohne weiteres ersichtlich, dass seine Aussagen zur Eigenkapitalausstattung der [X.] jedenfalls grob unvollständig und damit irreführend waren.
2. Das Berufungsgericht hat
sich -
entgegen der Auffassung der [X.]
-
rechtsfehlerfrei die Überzeugung gebildet, dass die weitergegebenen Äu-ßerungen des [X.]n zu
2 zur Qualität und Bonität der Unternehmen der [X.] für die Anlageentscheidung im Streitfall kausal geworden sind.
a) Erfolglos rügt die Revision, das Berufungsgericht habe erforderliche Feststellungen zur Kausalität der Äußerungen des [X.]n zu
2 für die Anla-geentscheidung der Klägerin und ihres Ehemannes
nicht getroffen, weil im Be-reich der kapitalmarktrechtlichen Informationsdeliktshaftung auf einen konkreten Kausalitätsnachweis für den Willensentschluss des Anlegers nicht verzichtet werden könne. Das Berufungsgericht hat sich in tatrichterlicher Würdigung auf-grund der Zeugenaussagen
des maßgebenden Anlagevermittlers und des Ehemannes der Klägerin die Überzeugung gebildet, dass gerade der Hinweis des Vermittlers auf die Einschaltung eines Wirtschaftsprüfers und dessen Boni-tätsbekundungen in dem
geführten Beratungsgespräch
die erstrebte Wirkung erzielt hätten, die Klägerin und ihren Ehemann
zur Zeichnung der Anlagen zu veranlassen. Damit bedurfte es -
entgegen der Auffassung der Revision
-
keiner weitergehenden Feststellungen. Die von den [X.]n angeführten Entschei-dungen des [X.] in den sog. [X.] (vgl. etwa [X.], Urteile vom 3.
März 2008 -
II
ZR 310/06, [X.], 790 -
COMROAD VIII 23
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-

13

-

und vom 4.
Juni 2007 -
II
ZR 173/05, [X.], 1560 -
COMROAD V) betreffen anders gelagerte Fälle, denen falsche ad-hoc-Mitteilungen zugrunde lagen, bei denen keine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass eine dadurch [X.] kausal war für die getroffenen Anlageentscheidungen. Im Streitfall haben die Klägerin und ihr Ehemann
ihre Anlageentscheidung nicht nur aufgrund einer von ihnen behaupteten, durch eine falsche ad-hoc-Mitteilung ausgelösten Anlagestimmung getroffen, sondern aufgrund einer persönlichen Beratung durch einen Anlagevermittler, der sich die irreführenden Äußerungen des [X.]n zu
2 über ein besonderes Eigenkapital unter
Vergleich mit hoch-wertigen großen Unternehmen zu Nutze machte.
Die Revision wendet gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts erfolglos ein, das Berufungsgericht habe nicht einmal für erwähnenswert gehal-ten, dass die Aussagen der Zeugen S. und [X.] insofern voneinander abwichen, als der Zeuge S. entgegen der Aussage des Zeugen [X.] gerade nicht bestätigt habe, etwas vom [X.]n zu 2 erfahren zu haben; vielmehr hätten ihm seine Vorgesetzten von den Aussagen des [X.]n zu 2 berichtet. Die Beweiswür-digung des Berufungsgerichts ist damit jedoch nicht unvollständig. Ein [X.], zu dem das Berufungsgericht hätte Stellung nehmen müssen, liegt nicht vor. Dass dem Zeugen [X.] zunächst nur von seinen Vorgesetzten über die [X.] des [X.]n zu 2 berichtet wurde, schließt nicht aus, dass der Zeuge [X.] gegenüber potentiellen Anlegern behauptet hat, die Vorträge des [X.]n zu
2 selbst gehört zu haben. Im Übrigen hat der Zeuge [X.] angegeben, dass er dem [X.]n zu 2 mehrfach zugehört habe und sich mit der zeitlichen Abfolge hinsichtlich der Zeichnung der Anlagen durch die Klägerin und ihren Ehemann im Jahr 2002 "etwas schwer tue".
b) Soweit die Revision meint, dass die Klägerin und ihr Ehemann
die An-lagen vielleicht auch dann gezeichnet hätten, wenn die Aussagen zur Eigenka-26
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14

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pitalqualität nicht gemacht worden wären, betrifft dies einen Einwand rechtmä-ßigen Alternativverhaltens, für den die [X.]n darlegungs-
und beweisbelas-tet sind. Die Revision zeigt hierzu jedoch keinen -
vom Berufungsgericht über-gangenen
-
Sachvortrag der [X.]n auf, der den Einwand ausfüllen könnte.
3. Ohne Erfolg zieht die Revision schließlich einen Schaden der Klägerin und
ihres Ehemannes und den [X.] mit den Äuße-rungen des [X.]n zu
2 in Zweifel.
a) In Fällen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwir-kung durch das
sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss dieser
sich auch von einer "ungewollten"
Ver-pflichtung wieder befreien können. Schon eine solche Verpflichtung kann einen gemäß § 826 [X.] zu ersetzenden Schaden darstellen. Insoweit bewirkt die Norm einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2004

[X.], [X.]Z 161, 361, 367
f.).
Bereits deshalb sind auch -
entgegen der Auffassung der Revision
-
in diesem Zusammenhang die Gründe, die letztendlich zur Insolvenz der Unter-nehmen der [X.] geführt haben, unerheblich. Der gemäß §
249 Abs.
1 [X.] begründete Anspruch eines Anlegers auf Rückgängigmachung der [X.], die ihm unter Verletzung seines wirtschaftlichen Selbstbestimmungs-rechts aufgedrängt wurde, geht nicht verloren, wenn sich die Anlage aus Grün-den nachteilig entwickelt, die vom Gegenstand der Fehlinformation verschieden sind (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Juli 1993 -
II
ZR 194/92, [X.]Z 123, 106, 113 f.). Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die von der Klägerin und ihrem Ehemann
erworbenen Beteiligungen weder so hochwertig noch so [X.] waren, wie sie der [X.] zu 2 beschrieben hatte, sind die Klägerin und 28
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ihr Ehemann
bereits durch die Zeichnung der Anlagen unmittelbar geschädigt worden.
b) Nach diesen Grundsätzen ist die Rüge der Revision,
das Berufungs-gericht habe nicht festgestellt, dass das Eigenkapital der [X.] nicht ausgereicht habe oder gar negativ gewesen sei, ebenso unerheblich wie die weiteren [X.] fehlender Feststellungen des Berufungsgerichts bezüglich der Durchsetzbarkeit der Forderungen gegen die Anleger.
4. Letztendlich ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts, dass der [X.] zu 2 Kenntnis von den die Sittenwidrigkeit prägenden Um-ständen sowie [X.] hatte.
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war dem [X.]n zu
2 klar, dass seine Äußerungen als Wirtschaftsprüfer zur exzellenten Eigen-kapitalausstattung der [X.] und zum Charakter ihrer Aktien als "Blue Chips" die Anleger erreichen würden und geeignet waren, sie dadurch zur Zeichnung einer Anlage zu motivieren, indem sie die wirtschaftliche Potenz der Unternehmensgruppe falsch einschätzten.
b) Darüber hinaus besaß er auch [X.]. § 826 [X.] setzt insoweit keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Zieles voraus, sondern es genügt bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehal-tenen Schadensfolgen, wobei dieser nicht den konkreten Kausalverlauf und den genauen Umfang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfassen
muss; es reicht dabei jede nachteilige Einwirkung auf die Vermö-genslage einschließlich der sittenwidrigen Belastung fremden Vermögens mit einem Verlustrisiko aus (vgl. etwa [X.], Urteil vom 13.
September 2004 -
II
ZR 276/02, [X.], 2150, 2155).
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-

Da der [X.] zu 2 seine Äußerungen bei Vorträgen und [X.] mit Vertriebsmitarbeitern getätigt hat, nahm er billigend in Kauf, dass die von ihm gegebenen Informationen auch im Vertrieb zur Bewerbung der [X.] verwandt werden, um Interessenten zur Zeichnung einer Anlage zu veranlassen, die nicht den erweckten Vorstellungen entsprach. Soweit die [X.] dies anders sehen will, setzt sie lediglich in revisionsrechtlich unzulässi-ger Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts, ohne relevante Verfahrensfehler aufzuzeigen. Da der Schaden -
wie oben ausgeführt
-
bereits in dem Erwerb der Beteiligung liegt, musste sich der bedingte Vorsatz des [X.]n zu
2 lediglich darauf beziehen, dass seine unzutreffenden Äußerungen als Abschluss-
und Wirtschaftsprüfer und das ihm entgegengebrachte Vertrauen des Publikums für die [X.] ursächlich werden konnten. Dies war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
5. Das Berufungsgericht hat auch mit Recht und insoweit von der [X.] unangegriffen eine Haftung der [X.]n zu
1 für das deliktische Verhalten ihres Geschäftsführers nach §
31 [X.] bejaht, weil der [X.] zu
2 die haf-tungsbegründenden Äußerungen nicht als Privatperson, sondern zur Erläute-rung der im Rahmen der Abschlussprüfungen gewonnenen Erkenntnisse und damit in Ausübung seiner Organstellung getätigt hat.
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-

6. Nach alledem ist die Revision der [X.]n zurückzuweisen, [X.] mit der
Maßgabe, dass die Verurteilung zur Zahlung nur [X.] ge-gen Abtretung der Rechte aus den erworbenen Anlagen bzw. aus der Anmel-dung ihrer Forderungen zur Insolvenztabelle erfolgt.
Galke
[X.]
[X.]

von [X.]
Offenloch

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.08.2009 -
321 O 395/08 -

O[X.], Entscheidung vom 22.06.2012 -
13 [X.]/09 -

37

Meta

VI ZR 344/12

19.11.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.11.2013, Az. VI ZR 344/12 (REWIS RS 2013, 1066)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1066

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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