Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.11.2013, Az. VI ZR 343/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1020

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI ZR 343/12
Verkündet am:

19. November 2013

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterinnen [X.] und von [X.] und den Richter Offenloch

für Recht erkannt:
Die Revisionen gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 22. Juni 2012 werden auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verurteilung zur Zahlung nur [X.] gegen Abtretung der Rechte aus den erworbenen Beteiligungen an der L.

-

AG
Nr. ..., Nr. ..., Nr. ...
und Nr. ...
bzw. aus der [X.] Anmeldung der Forderungen zur Insolvenztabelle erfolgt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger verlangt
von der Beklagten zu
1, einer Wirtschaftsprüfungs-
und Steuerberatungsgesellschaft mbH, und ihrem
Geschäftsführer, dem [X.] zu
2, einem Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer, Schadensersatz im Zusammenhang mit Kapitalanlagen bei Unternehmen der "[X.]".
Die Beklagte zu 1 war in den Jahren 1998 bis 2002 mit der Prüfung der Jahresabschlüsse von Gesellschaften der [X.] beauftragt, zu der auch die [X.] gehörte. Der Kläger zeichnete im Februar 2002 vier Beteiligungen als 1
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atypisch stiller Gesellschafter an der [X.]. Die Zeichnungssumme
betrug -
bezogen auf die Dauer der Vertragslaufzeit von 30 Jahren
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jeweils Insolvenzantrag.
Der Kläger verlangt von den Beklagten wegen seiner Zahlungen auf die t Zinsen und Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung, dass seinen Ansprüchen vorsätz-lich begangene unerlaubte Handlungen der Beklagten zugrunde liegen. Er stützt die Ansprüche auf angeblich inhaltlich falsche Äußerungen des Beklagten
zu 2, mit denen dieser die [X.] im Rahmen von Seminarveranstaltungen in den Jahren 1999 und 2000 auf [X.] und in [X.] vor [X.] zu positiv dargestellt habe und welche den Kläger, an den die Äußerungen weitergegeben worden seien, zur Zeichnung der Anlagen veranlasst hätten.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] der Klage stattgegeben und die [X.] als Gesamtschuldner verurteilt. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen beantragen die Beklagten, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht führt aus: Die Beklagten schuldeten dem Kläger als Gesamtschuldner Schadensersatz nach §
826 [X.] i.V.m. §§
31, 840
[X.]. Der Beklagte zu
2 habe unzutreffende Behauptungen über die Unternehmen der [X.] aufgestellt. Auf Veranstaltungen der [X.], an denen in [X.] Linie Mitarbeiter der Strukturvertriebe der [X.] teilgenommen hätten, 3
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habe er das Eigenkapital als "ausgezeichnet" dargestellt und die Aktien der [X.] [X.]en als "Blue Chips" bezeichnet. Dies impliziere, dass die [X.] aufgrund des besonderen Qualitätsmerkmals einer überragenden Eigenkapitalausstattung besonders wertvollen Unternehmen, typischerweise großen Aktiengesellschaften mit hoher Marktkapitalisierung, vergleichbar sei. Das Eigenkapital der [X.] habe jedoch demjenigen von solchen Unter-nehmen nicht ansatzweise entsprochen. Denn es habe sich nahezu ausschließ-lich aus Forderungen gegen die einzelnen atypisch
stillen Gesellschafter zu-sammengesetzt. Damit habe ein gebündeltes Risiko bestanden. Nach der Pra-xis der [X.] habe es außerdem im Belieben der Anleger gestanden, ob sie den eingegangenen Verpflichtungen nachgekommen seien oder nicht. Ein For-derungsmanagement habe nicht existiert. Der Beklagte zu
2 habe leichtfertig und damit sittenwidrig gehandelt, als er die fraglichen Aussagen getätigt habe. Einem Wirtschaftsprüfer mit den Kenntnissen des Beklagten zu
2 habe [X.] sein müssen, dass die Aussagen
inhaltlich falsch und geeignet gewesen seien, den Adressaten ein ganz übertrieben positives Bild von der wirtschaftli-chen Lage der [X.] zu vermitteln. Dem Beklagten zu
2 seien die Struktur des Eigenkapitals und das Fehlen eines effektiven Forderungsmanagements bekannt gewesen. Der Beklagte zu 2 habe auch vorsätzlich gehandelt. Ihm sei klar gewesen, dass seine Äußerungen zur exzellenten Eigenkapitalausstattung der [X.] und zum Charakter ihrer Aktien als "Blue Chips"
die Anleger er-reichen würden und geeignet seien, sie dadurch zur Zeichnung einer Anlage zu motivieren, da sie die wirtschaftliche Potenz der Unternehmensgruppe falsch einschätzten. Durch die Aussage der Zeugin J.
sei bewiesen, dass die [X.] des Beklagten zu
2 zur hervorragenden Eigenkapitalausstattung der [X.] für die Entscheidungen des [X.] für die Zeichnung der Anlagen kausal geworden seien. Die Beklagten schuldeten dem Kläger Schadensersatz -

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im tenorierten Umfang. Die Beklagte zu 1 habe nach §
31 [X.] für das delikti-sche Verhalten ihres Geschäftsführers einzustehen.

II.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprü-fung
stand. Die Beklagten haften dem Kläger
aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§
826, 840 Abs.
1, §
31 [X.].
1. Das Berufungsgericht hat das Verhalten des Beklagten zu
2 mit Recht als sittenwidrig im Sinne des §
826 [X.] qualifiziert.
a) Ob ein Verhalten als sittenwidrig anzusehen ist, ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. Senatsurteile vom 15.
Oktober 2013

VI
ZR 124/12, z.[X.].; vom 4.
Juni 2013

VI
ZR 288/12, VersR
2013, 1144 Rn.
14; vom 25.
März 2003

VI
ZR 175/02, [X.]Z
154, 269, 274
f., jeweils mwN).
b) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das [X.] aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. Senatsurteile vom 15.
Oktober 2013

VI
ZR 124/12, z.[X.].; vom 4.
Juni 2013

VI
ZR 288/12, VersR
2013, 1144 Rn.
14; vom 20. November 2012

VI
ZR 268/11, VersR
2013, 200 Rn.
25; [X.], Urteil vom 9.
Juli 2004

II
ZR 217/03, NJW
2004, 2668, 2670; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
826 Rn.
2
f.; [X.]/[X.], [X.], 72.
Aufl., §
826 Rn.
4, jeweils mwN). Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervor-ruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutre-6
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ten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage [X.] Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. [X.] vom 15. Oktober 2013

VI
ZR 124/12, z.[X.].; [X.], Urteile vom 19.
Juli 2004

II
ZR 217/03, NJW
2004, 2668, 2670; vom 19.
Oktober 1987

II
ZR 9/87, [X.]Z 102, 68, 77
f.; [X.]/[X.], [X.], aaO, jeweils mwN).
c) Im Bereich der [X.] für unrichtige (Wert-)Gutachten und Testate kommt ein [X.] bei einer besonders schwer wiegenden Verlet-zung der einen Experten treffenden Sorgfaltspflichten in Betracht. Als sittenwid-rig ist dabei zu beurteilen, dass der Auskunfterteilende aufgrund des Experten-status ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, selbst aber nicht im Mindesten den an einen Experten zu richtenden Maßstäben genügt (vgl. [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2009, §
826 Rn.
207 f.). Der Sittenver-stoß setzt ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten des Auskunftgebers voraus. Es genügt nicht ein bloßer Fehler des Gutachtens, sondern es geht da-rum, dass sich der Gutachter durch nachlässige Erledigung, z. B. durch nach-lässige Ermittlungen oder gar durch Angaben ins Blaue hinein der Gutachten-aufgabe entledigt und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die ange-sichts der Bedeutung des Gutachtens für die Entscheidung Dritter als gewissen-los erscheint (vgl.
Senatsurteile vom 21.
April 1970 -
VI
ZR 246/68, [X.], 878, 879; vom 12.
Dezember 1978 -
VI
ZR 132/77, [X.], 283, 284; vom 24.
September 1991 -
VI
ZR 293/90, NJW 1991, 3282; [X.], Urteil vom 18.
Juni 1962 -
VII
ZR 237/60, [X.], 803, 804
f.; [X.]/[X.], aaO Rn.
213).
Diese anerkannten Grundsätze der [X.] sind zwar -
was auch das Berufungsgericht gesehen hat
-
im Streitfall nicht unmittelbar an-wendbar, weil dem Beklagten zu 2 nicht angelastet wird, ein unrichtiges
(Wert-)Gutachten oder Testat erteilt zu haben. Sein Verhalten ist jedoch gleich-10
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wohl als sittenwidrig zu beurteilen. Denn der Beklagte zu 2 stellte sich mit sei-nem Expertenstatus in den Dienst der von ihm geprüften kapitalsuchenden [X.] und lieferte den Vertriebsmitarbeitern irreführende Verkaufsargumente. Hierdurch setzte er sich rücksichtslos über die Interessen potentieller Anlagein-teressenten hinweg, die mit seinen Äußerungen zwangsläufig in Berührung ka-men und diese im Vertrauen auf seine berufliche Integrität und seine fachliche Autorität zur Grundlage ihrer Entscheidung machten (vgl. [X.]/[X.], aaO Rn.
210 und 214 zum Wertgutachten).
aa) Der Hinweis des Beklagten zu 2, die [X.] verfüge über ein "ausgezeichnetes Eigenkapital", das es erlaube, ihre Aktien als "Blue Chips"
einzuordnen, war falsch und geeignet, die Adressaten über die wirtschaftliche Situation der Unternehmen der [X.] zu täuschen.
(1) Nach den [X.] Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte zu
2 im Rahmen von Veranstaltungen auf [X.] und in [X.] in den Jahren 1999 bzw. Anfang 2000 vor Vertriebsmitarbeitern der
[X.] Vorträge gehalten, in denen er insbesondere eine (im Vergleich zu [X.]) ausgezeichnete Eigenkapitalausstattung der von ihm ge-prüften Unternehmen der [X.] hervorhob und Aktien der [X.] mit "Blue Chips" verglich. Dadurch hat er einen Eindruck der Werthal-tigkeit von Beteiligungen an diesen Unternehmen vermittelt, der objektiv unzu-treffend war. Denn für die Werthaltigkeit der Beteiligungen an Unternehmen der [X.] waren
nicht nur eine hohe Eigenkapitalquote entscheidend, sondern auch die vorhandenen Aktiva. Insoweit konnten die Unternehmen der [X.] in ihrer Kapitalqualität und Risikostruktur aber nicht ansatzweise mit "Blue Chip-Unternehmen" wie etwa großen Aktiengesellschaften mit hoher Marktkapitalisie-rung verglichen werden, welche typischerweise auf der Aktivseite die gesamte Vielfalt der Asset-Klassen des §
266 Abs.
2 HGB aufweisen. Das Aktivvermö-12
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gen der [X.]-Unternehmen bestand demgegenüber -
auch nach dem ei-genen Vorbringen der Beklagten
-
nahezu ausschließlich aus den Forderungen gegen die einzelnen Anleger aus deren Beteiligung als atypisch stille Gesell-schafter. Das Anlagekapital stand den Unternehmen der [X.] auch nicht in liquider Form sofort zur Verfügung, sondern sollte von über 95
% der Anleger -
wiederum nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten
-
in monatlich fällig werdenden, mehr oder weniger kleinen Raten über einen Zeitraum von bis zu 30
Jahren erbracht werden. Dabei wurde nach den Feststellungen des [X.] bei der [X.] ein ernsthaftes Forderungsmanagement nicht betrieben, vielmehr stand es in der Praxis im Belieben der Anleger, ob sie den eingegangenen
Zahlungsverpflichtungen nachkamen oder nicht. Auf der ande-ren Seite mussten sofort Vertriebsprovisionen gezahlt werden, welche sich [X.] an der gesamten Anlagesumme orientierten, obwohl die gezeichneten Beträge im Wesentlichen nur in relativ geringfügigen monatlichen Raten eingin-gen.
(2) Da auf der Aktivseite der Unternehmen im Wesentlichen lediglich noch nicht fällige Forderungen gegen die Anleger
standen, deren Qualität mit der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der Anleger stand und fiel, hat das [X.] ferner mit Recht von einem "gebündelten Risiko" gesprochen.
Fehl geht die Rüge der Revision, es fehle an Feststellungen, dass "auch nur ein Anleger vom Verhalten eines anderen Anlegers erfuhr, der seine Einla-ge nicht beglich", weshalb im Hinblick auf die einseitige Mittelherkunft auch nicht von einem gebündelten Risiko gesprochen werden könne. Die Revisions-erwiderung weist mit Recht darauf hin, dass eine interne Abstimmung unter den Anlegern weder nach den [X.] noch nach der Lebenserfahrung erfor-derlich war, um die Gefahr zu begründen, dass Anleger in erheblicher Anzahl ihre Einlage nicht erbringen würden, weil die Stimmung insbesondere auf dem 14
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Kapitalmarkt etwa wegen negativer Pressemeldungen zum Nachteil der [X.] umschlagen konnte und etliche Anleger gleichzeitig, aber unabhängig voneinander veranlasst werden konnten, ihre Zahlungen einzustellen.
(3) Unerheblich ist auch der Einwand der Revision, dass sich einige Un-ternehmen der [X.] zum Zeitpunkt der Äußerungen des Beklagten zu 2 auf [X.] und in [X.] kurz vor oder in der Gründungsphase befanden, denn nach den Feststellungen bezogen sich die Äußerungen generell auf die Unternehmen der [X.], die sich in ihrer Struktur vollständig geglichen hät-ten.
bb) Der Beklagte zu
2 nahm für die vorbezeichneten irreführenden An-gaben -
wie bereits ausgeführt
-
seinen
Expertenstatus als Wirtschaftsprüfer und seine Stellung als Abschlussprüfer der Gesellschaften der [X.] in [X.]. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde er den [X.] als Wirtschaftsprüfer vorgestellt und referierte über [X.], die er in seiner Funktion als Abschlussprüfer (angeblich) gewonnen [X.]. Er reklamierte damit für sich nicht nur die Sachkunde und Seriosität, die ei-nem Wirtschaftsprüfer als besonderen Standesregeln unterliegendem und un-abhängigem Berufsträger allgemein zugewiesen werden (vgl. §
43 Abs.
1 [X.]). Vielmehr nahm er für sich darüber hinausgehend das besondere Ver-trauen in Anspruch, das dem Abschlussprüfer im Hinblick auf seine gesetzlich vorgesehene Objektivität gegenüber der [X.] (vgl. zur Unpar-teilichkeit §
323 Abs.
1
HGB) sowie auf
die im Rahmen der Prüfung gewonne-nen
besonderen Einblicke in die Struktur der [X.] entgegen-gebracht wird. Mit dieser Autorität ist es bereits schwer vereinbar, sich -
wie es der Beklagte zu 2 tat
-
in exponierter Position einseitig für die Vertriebsinteres-sen der [X.]sgruppe einzusetzen.
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cc) Die Expertenäußerungen des Beklagten zu
2 vor den Vertriebsmitar-beitern der [X.] waren, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, darauf ausgerichtet, an die [X.] weitergegeben zu werden.
Soweit die Revision meint, das Berufungsgericht habe verfahrensfehler-haft im Rahmen seines [X.] Vortrag des Beklagten zu
2 nicht berücksichtigt, dass es bei den Veranstaltungen mit Mitarbeitern des Vertriebs lediglich darum gegangen sei, Anschuldigungen entgegenzutreten, die Dritte im Zusammenhang mit den Kapitalanlagestrategien der [X.] gegenüber der Staatsanwaltschaft erhoben hätten, kann ihr dies nicht zum Erfolg verhelfen. Denn selbst wenn dies zuträfe, hätte der Beklagte zu
2 umso mehr Veranlas-sung gehabt, irreführende Äußerungen hinsichtlich der Qualität und Werthaltig-keit der Kapitalanlagen der [X.] zu unterlassen.
dd) Die Angaben des Beklagten zu 2 hatten
für die von den Mitarbeitern der
Strukturvertriebe angesprochenen [X.] -
hier den Kläger
-
große Bedeutung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war bei den Beratungsgesprächen das hohe Eigenkapital immer ein maßgebendes [X.], wobei sich der jeweilige Vertriebsmitarbeiter auf den Beklagten zu 2 berief.
ee) Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, dass dem Beklagten zu
2 klar war, dass seine Informationen gerade dazu bestimmt waren, an die [X.] weitergegeben zu werden. Ihm war auch
ohne weiteres ersichtlich, dass seine Aussagen zur Eigenkapitalausstattung der [X.] jedenfalls grob unvollständig und damit irreführend waren.
2. Das Berufungsgericht hat sich -
entgegen der Auffassung der [X.]
-
rechtsfehlerfrei die Überzeugung gebildet, dass die weitergegebenen Äu-18
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ßerungen des Beklagten zu
2 zur Qualität und Bonität der Unternehmen der [X.] für die Anlageentscheidung im Streitfall kausal geworden sind.
a) Erfolglos rügt die Revision, das Berufungsgericht habe erforderliche Feststellungen zur Kausalität der Äußerungen des Beklagten zu
2 für die Anla-geentscheidung des
[X.]
nicht getroffen, weil im Bereich der [X.] auf einen konkreten Kausalitätsnachweis für den Willensentschluss des Anlegers nicht verzichtet werden könne. Das Be-rufungsgericht hat sich in tatrichterlicher Würdigung aufgrund der Zeugenaus-sage der Ehefrau des [X.] die Überzeugung gebildet, dass gerade der Hin-weis der
Vermittler auf die Einschaltung eines Wirtschaftsprüfers und dessen Bonitätsbekundungen in dem geführten Beratungsgespräch
die erstrebte Wir-kung erzielt hätten, den
Kläger zur Zeichnung der Anlagen zu veranlassen. Damit bedurfte es -
entgegen der Auffassung der Revision
-
keiner weiterge-henden Feststellungen. Die von den Beklagten angeführten Entscheidungen des [X.] in den sog. [X.] (vgl. etwa [X.], Urteile vom 3.
März 2008 -
II
ZR 310/06, [X.], 790 -
COMROAD VIII und vom 4.
Juni 2007 -
II
ZR 173/05, [X.], 1560 -
COMROAD V) betreffen anders gelagerte Fälle, denen falsche ad-hoc-Mitteilungen zugrunde lagen, bei denen keine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass eine dadurch ausgelöste An-lagestimmung kausal war für die getroffenen Anlageentscheidungen. Im [X.] hat der Kläger seine
Anlageentscheidung nicht nur aufgrund einer von ihm
behaupteten, durch eine falsche ad-hoc-Mitteilung ausgelösten Anlagestim-mung getroffen, sondern aufgrund einer persönlichen Beratung durch [X.],
die
sich die irreführenden Äußerungen des Beklagten zu
2 über ein besonderes Eigenkapital zu Nutze machten.
b) Soweit die Revision meint, dass der
Kläger die Anlagen vielleicht auch dann gezeichnet hätte, wenn die Aussagen zur Eigenkapitalqualität nicht ge-23
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macht worden wären, betrifft dies einen Einwand rechtmäßigen Alternativver-haltens, für den die Beklagten darlegungs-
und beweisbelastet sind. Die [X.] zeigt hierzu jedoch keinen -
vom Berufungsgericht übergangenen
-
Sachvor-trag der Beklagten auf, der den Einwand ausfüllen könnte.
3. Ohne Erfolg zieht die Revision schließlich einen Schaden des
[X.]
und den [X.] mit den Äußerungen des Beklagten zu
2 in Zweifel.
a) In Fällen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwir-kung durch das
sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss dieser sich auch von einer "ungewollten"
Ver-pflichtung wieder befreien können. Schon eine solche Verpflichtung kann einen gemäß § 826 [X.] zu ersetzenden Schaden darstellen. Insoweit bewirkt die Norm einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2004

[X.], [X.]Z 161, 361, 367).
Bereits deshalb sind auch -
entgegen der Auffassung der Revision
-
in diesem Zusammenhang die Gründe, die letztendlich zur Insolvenz der Unter-nehmen der [X.] geführt haben, unerheblich. Der gemäß §
249 Abs.
1 [X.] begründete Anspruch eines Anlegers auf Rückgängigmachung der [X.], die ihm unter Verletzung seines wirtschaftlichen Selbstbestimmungs-rechts aufgedrängt wurde, geht nicht verloren, wenn sich die Anlage aus Grün-den nachteilig entwickelt, die vom Gegenstand der Fehlinformation verschieden sind (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Juli 1993 -
II
ZR 194/92, [X.]Z 123, 106, 113 f.). Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die von dem
Kläger erwor-benen Beteiligungen weder so hochwertig noch so risikoarm waren, wie sie der 25
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Beklagte zu 2 beschrieben hatte, ist der
Kläger bereits durch die Zeichnung der Anlagen unmittelbar geschädigt worden.
b) Nach diesen Grundsätzen ist die Rüge der Revision, das Berufungs-gericht habe nicht festgestellt, dass das Eigenkapital der [X.] nicht ausgereicht habe oder gar negativ gewesen sei, ebenso unerheblich wie die weiteren [X.] fehlender Feststellungen des Berufungsgerichts bezüglich der Durchsetzbarkeit der Forderungen gegen die Anleger.
4. Letztendlich ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts, dass der Beklagte zu 2 Kenntnis von den die Sittenwidrigkeit prägenden Um-ständen sowie [X.] hatte.
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war dem Beklagten zu
2 klar, dass seine Äußerungen als Wirtschaftsprüfer zur exzellenten Eigen-kapitalausstattung der [X.] und zum Charakter ihrer Aktien als "Blue Chips" die Anleger erreichen würden und geeignet waren, sie dadurch zur Zeichnung einer Anlage zu motivieren, indem sie die wirtschaftliche Potenz der Unternehmensgruppe falsch einschätzten.
b) Darüber hinaus besaß er auch [X.]. §
826 [X.] setzt insoweit keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Zieles voraus, sondern es genügt bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehal-tenen Schadensfolgen, wobei dieser nicht den konkreten Kausalverlauf und den genauen Umfang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfassen muss; es reicht dabei jede nachteilige Einwirkung auf die Vermö-genslage einschließlich der sittenwidrigen Belastung fremden Vermögens mit einem Verlustrisiko aus (vgl. etwa [X.], Urteil vom 13.
September 2004 -
II
ZR 276/02, [X.], 2150, 2155).
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Da der Beklagte zu 2 seine Äußerungen bei Vorträgen und [X.] mit Vertriebsmitarbeitern getätigt hat, nahm er billigend in Kauf,
dass die von ihm gegebenen Informationen auch im Vertrieb zur Bewerbung der [X.] verwandt werden, um Interessenten zur Zeichnung einer Anlage zu veranlassen, die nicht den erweckten Vorstellungen entsprach. Soweit die [X.] dies anders sehen will, setzt sie lediglich in revisionsrechtlich unzulässi-ger Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts, ohne relevante Verfahrensfehler aufzuzeigen. Da der Schaden -
wie oben ausgeführt
-
bereits in dem Erwerb der Beteiligung liegt, musste sich der bedingte Vorsatz des Beklagten zu
2 lediglich darauf beziehen, dass seine unzutreffenden Äußerungen als Abschluss-
und Wirtschaftsprüfer und das ihm entgegengebrachte Vertrauen des Publikums für die [X.] ursächlich werden konnten. Dies war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
5. Das Berufungsgericht hat auch mit Recht und insoweit von der [X.] unangegriffen eine Haftung der Beklagten zu
1 für das deliktische Verhalten ihres
Geschäftsführers nach §
31 [X.] bejaht, weil der Beklagte zu
2 die haf-tungsbegründenden Äußerungen nicht als Privatperson, sondern zur Erläute-rung der im Rahmen der Abschlussprüfungen gewonnenen Erkenntnisse und damit in Ausübung seiner Organstellung getätigt hat.
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6. Nach alledem ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen, [X.] mit der Maßgabe, dass die Verurteilung zur Zahlung nur [X.] ge-gen Abtretung der Rechte aus den erworbenen Anlagen bzw. aus der Anmel-dung ihrer Forderungen zur Insolvenztabelle erfolgt.
Galke
[X.]
[X.]

von [X.]
Offenloch

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.05.2010 -
328 O 318/09 -

O[X.], Entscheidung vom 22.06.2012 -
13 [X.] -

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Meta

VI ZR 343/12

19.11.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.11.2013, Az. VI ZR 343/12 (REWIS RS 2013, 1020)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1020

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