Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2012, Az. VI ZB 70/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2651

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 70/11
vom

2. Oktober 2012
in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der VI. Zivilsenat des [X.] hat am 2. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterin [X.], den Richter Pauge
und die Richterin von Pentz
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Be-schluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 30. November 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.
[X.]: 297

Gründe:
I.
Die Antragstellerin
nahm
die Antragsgegnerin
wegen einer Wort-
und Bildberichterstattung über die Fernsehsendung "[X.]"
in der Online-Ausgabe der B.
im Wege der einstweiligen Verfügung auf Veröffent-lichung einer Gegendarstellung in
Anspruch. Das [X.] gab dem Antrag statt und erlegte der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auf. Den Ge-genstandswert setzte das Gericht auf 10.000

st. In einem
weiteren
Verfah-ren
erwirkte die Antragstellerin
wegen der
gleichen Berichterstattung in der Publikation einer mit der Antragsgegnerin konzernrechtlich verbundenen
Ver-1
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3
-

lagsgesellschaft ebenfalls
eine auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung gerichtete einstweilige Verfügung.
In ihrem Kostenfestsetzungsantrag hat die
Antragstellerin
eine Vergütung in Höhe einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr.
3100 nebst Auslagenpauschale, Umsatzsteuer und Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von insgesamt 664,80

Die Rechtspflegerin beim [X.] hat dem Antrag
entsprochen. Hiergegen hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, die Verfolgung
der
auf identische Veröffentlichungen gestützten Gegendarstellungsansprüche in ge-trennten Verfahren sei rechtsmissbräuchlich und die hierdurch verursachten Mehrkosten nicht notwendig im Sinne des §
91 Abs.
1 Satz 1 ZPO. Die Antrag-stellerin
müsse sich so behandeln lassen, als habe
sie
beide Verlagsgesell-schaften
in einem Verfahren in Anspruch genommen. In diesem Fall wäre
ledig-lich eine Verfahrensgebühr aus den addierten Gegenstandswerten
der
beiden Einzelverfahren (40.000

in [X.] von insgesamt
1.419,19

angefallen,
die
nach dem Verhältnis der [X.] zueinander zu einem Viertel, d.h. in Höhe von 354,80

,
auf das vorliegende Verfahren entfalle. Hinzuzurechnen seien noch die [X.] in Höhe von 13

e-genden Verfahren nur ein Betrag in Höhe von 367,80

könne.
Die sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der vom Kammer-gericht
zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Be-gehren weiter.

2
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-

II.
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass der von der [X.] erhobene Einwand der rechtsmissbräuchlichen Rechtsverfolgung im Kostenfestsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden könne. Das [X.] diene lediglich dazu, die vom Prozessgericht ge-troffene Kostengrundentscheidung der Höhe nach auszufüllen und sei deshalb auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und die Beurteilung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten. Die Entscheidung zwischen den [X.] und komplizierter Rechtsfragen sei in diesem Verfah-ren nicht vorgesehen. Nach diesen Grundsätzen könne der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren nicht überprüfen, ob das Vorgehen einer [X.] gegen mehrere [X.]en oder das Vorgehen mehrerer [X.]en gegen eine [X.] in getrennten Verfahren rechtsmissbräuchlich sei. Bei dieser Frage gehe es nicht um die Ausfüllung einer konkreten Kostengrundentscheidung, sondern um die Kürzung der Erstattungsansprüche aufgrund umfangreicher materiell-rechtlicher Erwägungen, die die Entscheidungsmacht und die Entscheidungs-möglichkeiten des [X.] überschreite und in die Kompetenz des [X.] gehöre.

III.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Ihrer Statthaftigkeit steht nicht entge-gen, dass dem angefochtenen Beschluss ein Verfahren auf Erlass einer einst-weiligen Verfügung zugrunde liegt, in dem die Rechtsbeschwerde wegen des 3
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5
-

durch §
574 Abs.
1 Satz 2, §
542 Abs.
2 Satz 1 ZPO begrenzten Instanzenzugs auch im Fall ihrer Zulassung ausgeschlossen ist ([X.], Beschluss vom 27.
Feb-ruar 2003 -
I
ZB 22/02, [X.]Z 154, 102, 103 f.). Diese Begrenzung gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren, das als selbständige [X.] mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet ist ([X.], Beschlüsse vom 6. April 2005 -
V
ZB 25/04, [X.], 2233; vom 19. April 2007 -
I
ZB 47/06, [X.], 999 Rn.
8; vom 6. Dezember 2007 -
I
ZB 16/07, [X.], 2040 Rn.
6).
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des [X.] ist der von der Antragsgegnerin
erhobene Einwand, die Antragstellerin
habe
durch das Erwirken von gleichlautenden
und auf identische Veröffentlichungen
gestützten
Unterlassungsverfügungen
in ge-trennten Verfahren ungerechtfertigt
Mehrkosten verursacht, im [X.] zu berücksichtigen.
a) Es erscheint allerdings fraglich, ob die Erstattungsfähigkeit der durch die getrennte Geltendmachung der Gegendarstellungsansprüche entstandenen erhöhten Rechtsanwaltsgebühren mit der Begründung verneint werden kann, dass diese Kosten
nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig im Sinne des §
91 Abs.
1 Satz
1 ZPO
gewesen seien (vgl.
[X.], Beschluss vom 8. Juli 2010 -
V
ZB 153/09, NJW-RR 2011, 230 Rn.
14 für den Fall einer An-fechtungsklage mehrerer Kläger gegen denselben Beschluss der [X.]; [X.], [X.] 2011, 536; [X.], [X.] 2003, 1381, 1382; [X.], [X.] 1972, 522, 523; [X.]/Wache in [X.], [X.] ZPO, §
91 Rn.
119 (Stand: April 2012)). Denn die [X.] richtet sich nicht nach §
91 Abs.
1 Satz
1 ZPO, sondern nach §
91 Abs.
2 Satz 1 Halbs.
1 ZPO. Nach dieser Bestimmung sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsie-genden [X.] in allen Prozessen zu erstatten. Die Norm bildet
insofern eine 6
7
-
6
-

Ausnahme, als sie für ihren Anwendungsbereich von der grundsätzlich gebote-nen Prüfung der Notwendigkeit entstandener Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entbindet (vgl. [X.], Beschlüsse vom 2. November 2011
-
XII
ZB 458/10, NJW 2012, 459 Rn.
35; vom 26. April 2005 -
X
ZB 17/04, [X.], 2317; vom 27. März 2003 -
V
ZB 50/02, juris Rn.
6; vom 4. Februar 2003 -
XI
ZB 21/02, NJW 2003, 1532, jeweils mwN; [X.], [X.], 1301, 1302; [X.]/Giebel, 3.
Aufl., §
91 Rn.
47; [X.] in [X.], aaO, §
104 Rn.
22
(Stand: April 2012), jeweils mwN). Diese Frage kann indes offen bleiben.
b) Denn der
Einwand der Antragsgegnerin ist im Kostenfestsetzungsver-fahren jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zu berück-sichtigen.
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] und des [X.] unterliegt jede Rechtsausübung -
auch im Zi-vilverfahren
-
dem aus dem Grundsatz von [X.] und Glauben abgeleiteten Missbrauchsverbot ([X.], Beschlüsse vom 10. Mai 2007 -
V
ZB 83/06, [X.]Z 172, 218 Rn.
13 f.; vom 2. Mai 2007 -
XII
ZB 156/06, [X.], 2257 Rn.
12
f.; Urteil vom 19. Dezember 2001 -
VIII
ZR 282/00, [X.]Z 149, 311, 323; [X.], NJW 2002, 2456, jeweils mwN). Als Ausfluss dieses auch das gesamte [X.] beherrschenden Grundsatzes ist die Verpflichtung jeder Prozesspartei anerkannt, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wah-rung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann dazu führen, dass das [X.] als rechts-missbräuchlich zu qualifizieren ist und die unter Verstoß gegen [X.] und Glau-ben zur Festsetzung angemeldeten Mehrkosten vom Rechtspfleger im Kosten-festsetzungsverfahren abzusetzen sind ([X.], Beschlüsse vom 31. August 8
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-
7
-

2010 -
X
ZB 3/09, NJW 2011, 529 Rn.
10; vom 2. Mai 2007 -
XII
ZB 156/06, aaO Rn.
12
ff.; KG, [X.] 2002, 172, 173; 2000, 414, 415; [X.], [X.] 2001, 427, 428; [X.], [X.] 2001, 105; [X.]/Giebel, aaO Rn.
41, 48, 110; [X.]/[X.], ZPO, 9.
Aufl., §
91 Rn.
9; [X.]/Wache in [X.], aaO, §
91 Rn.
152 (Stand: April 2012); [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 70.
Aufl., §
91 Rn.
140; von [X.]/[X.], [X.], 20.
Aufl., Rn.
[X.]; vgl. auch [X.] vom 1. März 2011 -
VI
ZR 127/10, [X.], 184).
bb) So kann es als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der [X.] die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die dadurch entstanden sind, dass er einen oder mehrere gleichartige, aus einem einheitlichen Lebens-vorgang erwachsene Ansprüche gegen eine oder mehrere Personen ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen verfolgt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Mai 2007 -
XII
ZB 156/06, [X.], 2257 Rn.
13; [X.], [X.] 1982, 602; 2002, 486; 2011, 648, 649; KG, [X.] 2002, 172, 173; 2000, 414, 415; [X.], [X.] 2001, 105 f.; [X.], [X.] 2001, 427, 428). Gleiches gilt für [X.] in Bezug auf Mehrkosten, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevoll-mächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend iden-tischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen den-
oder dieselben Antragsgegner vorgegangen sind (vgl. [X.] Frank-furt am Main, [X.] 1974, 1599; [X.], [X.] 2001, 427, 428; [X.], [X.] 2001, 105 f.; KG, [X.] 2000, 414, 415; 2002, 172, 173; [X.]/Giebel, aaO Rn.
110; [X.]/[X.], aaO; [X.]/Wache in [X.], aaO Rn.
119.8 (Stand: April 2012)).
10
-
8
-

c) Nach dem von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen [X.] der Antragsgegnerin, das mangels entsprechender Feststellungen
des [X.]
im Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellen ist, erweist sich das [X.] der Antragstellerin, soweit es auf die Erstat-tung der durch die getrennte Rechtsverfolgung entstandenen Mehrkosten ge-richtet ist, als rechtsmissbräuchlich. Danach hatte
die Antragstellerin die An-tragsgegnerinnen wegen der identischen Berichterstattung in
der Online-Ausgabe der B.
einerseits und der Printausgabe der B. a.
S.
andererseits
mit jeweils gleichlautenden Schreiben vom 15. Juni 2010 und anschließend mit je-weils gleichlautenden Verfügungsanträgen
beim [X.] Berlin auf [X.] einer Gegendarstellung in Anspruch genommen.
Sachliche Gründe für eine getrennte Geltendmachung der gleichgerichteten Ansprüche auf [X.] einer Gegendarstellung in der Online-Veröffentlichung einerseits und in dem Printmedium andererseits sind weder ersichtlich noch dargetan.
Insbesondere vermag
der Umstand, dass sich die jeweiligen Ansprüche aus unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen ergeben, eine getrennte Rechtsverfol-gung nicht zu rechtfertigen. Die Notwendigkeit der Prüfung verschiedener, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichender Anspruchsgrundlagen steht einer einheitlichen Bearbeitung und verfahrensrechtlichen Zusammenfassung
der Ansprüche durch den Anwalt
nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom [X.] -
VI
ZR 64/10, [X.], 121 Rn.
13). Auch begründet die Akten-bearbeitung und Abwicklung eines Verfahrens, in dem ein Antragsteller gleich-gerichtete Ansprüche aus einem einheitlichen Lebensvorgang gegen zwei An-tragsgegnerinnen verfolgt, keine erhöhten Anforderungen, die eine getrennte Rechtsverfolgung als sachgemäß erscheinen lassen könnten (vgl. [X.], Urteil vom 17. November 2005 -
I
ZR 300/02, NJW-RR 2006, 474, Rn.
21).
3. Der angefochtene Beschluss war aufzuheben und die Sache zur [X.] an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit es die 11
12
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-

erforderlichen Feststellungen treffen kann (§
577 Abs.
4 Satz 1 ZPO). Sollte sich das [X.] als rechtsmissbräuchlich erweisen, müsste sich die Antragstellerin
kostenrechtlich so behandeln lassen, als habe sie
ein einziges Verfahren gegen die beiden Antragsgegnerinnen als Streitgenossen geführt (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Mai 2007 -
XII
ZB 156/06, juris Rn.
6 (in-soweit nicht in [X.], 2257
abgedruckt); KG, [X.] 2000, 414, 416; 2002, 172, 174; [X.], [X.] 2001, 105; MünchKomm-ZPO/Giebel, aaO, §
91 Rn.
110; [X.] in [X.], aaO, §
104 Rn.
25 (Stand: April 2012)). Sie
könnte die Kosten der Rechtsverfolgung dann nicht
in voller Höhe erstattet verlangen, sondern nur anteilig im Verhältnis der [X.] der Einzelverfahren zum -
gemäß §
22 Abs.
1 RVG ermittelten
-
(fiktiven) Gesamtgegenstandswert eines einheitlichen Verfahrens (vgl. KG, [X.] 2002, 172, 174).

Galke
[X.]
[X.]

Pauge
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.09.2010 -
27 O 492/10 -

KG Berlin, Entscheidung vom 30.11.2011 -
2 W 210/10 -

Meta

VI ZB 70/11

02.10.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2012, Az. VI ZB 70/11 (REWIS RS 2012, 2651)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2651

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