Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2011, Az. V ZB 14/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7204

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[X.]BESCHLUSS [X.] 14/10 vom 28. April 2011 in der [X.] - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 28. April 2011 durch [X.] Dr. [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] ([X.]) vom 8. Januar 2010 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000 •. Gründe: [X.] Der Betroffene ist [X.] Staatsbürger und lebte seit 28 Jahren in [X.]. Die beteiligte Behörde ordnete mit [X.] vom 20. Februar 2007 seine Ausweisung an, weil er unter anderem wegen Erwerbs von Heroin und gefährlicher Körperverletzung zu mehreren Freiheitsstrafen verurteilt [X.] war, deren Vollstreckung nicht (mehr) zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach Eintritt der Bestandskraft der Ausweisung betrieb sie die Beschaffung der [X.], die sich indessen länger hinzog und bis zu dem nachträglich vorgezogenen Ende der Strafhaft nicht mehr gelang. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht die [X.] von drei Monaten gegen den Betroffenen angeordnet. Das [X.] hat diese auf die Beschwerde des 1 - 3 - Betroffenen auf zwei Monate bis zum Ablauf des 31. Januar 2010 verkürzt, weil die Papiere inzwischen erteilt waren und die Abschiebung für den 26. Januar 2010 vorgesehen war und auch so durchgeführt wurde. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Feststellung beantragt, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des [X.]s ihn in seinen Rechten verletzt haben. I[X.] Das Beschwerdegericht stützt die [X.] auf § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.]. Es bestehe der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene der vorgesehenen Abschiebung entziehe. Der Betroffene habe sich vor seiner Abschiebung in Strafhaft befunden und keinen festen Wohnsitz. Er sei 1981 nach [X.] eingereist und nach der Zurückweisung seines Asylantrags Mitte 1982 untergetaucht. Er sei nicht bereit, die [X.] Rechtsordnung zu achten. Das belegten die Straftaten, die zu seiner Ausweisung geführt hätten. Er habe mehrfach falsche Personaldaten angegeben. Deshalb sei anzuneh-men, dass er sich ohne eine Inhaftierung der Abschiebung entziehen werde. Die Anordnung der Haft sei auch verhältnismäßig, weil die Ausländerbehörde die Abschiebung mit der größtmöglichen Beschleunigung betrieben hätte. 2 II[X.] Die nach Erledigung der Hauptsache mit dem gestellten Feststellungsan-trag statthafte (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - [X.], [X.] 2010, 150, 151 Rn. 10) Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist unbe-gründet. Die Anordnung der Abschiebungshaft ist rechtlich nicht zu [X.]. 3 - 4 - 1. Der Betroffene war auf Grund der bestandskräftig gewordenen [X.] nach §§ 53, 56 [X.] vollziehbar zur Ausreise verpflich-tet und auf Grund dieser Ausweisungsverfügung nach § 58 Abs. 3 Nr. 1 [X.] abzuschieben. 4 2. Rechtsfehlerfrei haben die Vorinstanzen den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.] angenommen. Nach ihren Feststellungen bestand bei Anordnung der Abschiebungshaft und der Zurückweisung der Beschwerde der begründete Verdacht, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen. Diese Feststellungen sind im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. 5 a) Der Betroffene meint, es hätten keine konkreten, verlässlichen [X.] dafür vorgelegen, dass er sich der Abschiebung entziehen wolle. Auf sein [X.] könne nicht abgestellt werden. Er habe im Mai 2008 selbst um die Durchführung der Abschiebung gebeten, an der Be-schaffung der Papiere aktiv mitgewirkt und erklärt, er werde sich mit seinem Übergangsgeld von 3.500 • in einer Pension einquartieren. Der Umstand, dass er keine aktiven familiären Bindungen habe, reiche allein nicht für die Anord-nung von [X.] aus. Sein Verhalten vor der Strafhaft könne den kon-kreten Verdacht, dass er sich nach dem Vollzug der Strafhaft der Abschiebung entziehen wolle, nicht begründen. Darauf abzustellen, unterstelle, dass die Strafhaft die ihr gesetzten Ziele verfehlt habe. 6 b) Diese Einwände stellen die Feststellungen der Vorinstanzen nicht in Frage. 7 - 5 - (1) Der begründete Verdacht, der Betroffene wolle sich dem Vollzug der Ausreisepflicht entziehen, ließ sich allerdings nicht auf sein [X.] stützen. Dieser Vorfall hatte im Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] keine Aussagekraft mehr. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung aber nicht allein auf diesen Vorfall, sondern - wie das Amtsge-richt - gleichwertig auch auf die strafrechtlichen Verurteilungen des Betroffenen und die mehrfache Angabe unrichtiger Personalien gestützt. Das trägt die ge-troffene Prognose. Aus den strafrechtlichen Verurteilungen ergibt sich, dass der Betroffene in hohem Maß unzuverlässig ist. Das ist insbesondere dem gegen ihn ergangenen Strafurteil des Amtsgerichts [X.]/[X.] vom 18. Sep-tember 2006 zu entnehmen. Darin hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und die Aussetzung der Vollstre-ckung dieser Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt. Begründet hat es diese Entscheidung damit, dass der Betroffene die Bewährungsauflagen aus früheren Verurteilungen zu Freiheitsstrafen nicht eingehalten und den ihm aufgegebenen Kontakt zu seinem Bewährungshelfer nicht gehalten hat. Vor allem aber hat es festgestellt, dass sich der Betroffene durch die vorangegangenen Verurteilun-gen in keiner Weise hat beeindrucken lassen und letztlich —macht, was er willfi, wie es in dem Urteil heißt. 8 (2) Diesen Gesichtspunkt durften die Vorinstanzen auch nach dem [X.] der Strafhaft ihrer Prognose zugrunde legen. Ein Ziel des Strafvollzugs ist zwar nach § 2 Satz 1 [X.], den Gefangenen zu befähigen, künftig in [X.] Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Das besagt ohne zu-sätzliche Anhaltspunkte aber nicht, dass dieses Ziel durch den Vollzug auch erreicht worden ist. Hinzukommt, dass der Strafvollzug nach § 2 Satz 2 [X.] auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten dient. [X.] Anzeichen dafür, dass sich der Betroffene in der Strafhaft grundlegend 9 - 6 - verändert hätte und dem Vollzug der Ausweisung nicht mehr entziehen würde, lagen nicht vor. Der Betroffene hatte zwar seinen Angaben zufolge nach [X.] im Mai 2008 um deren baldigen Vollzug gebeten und an der Beschaffung der Papiere mitgewirkt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er allerdings noch etwa 18 Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen. Deshalb war sei-nem Verhalten nicht, jedenfalls nicht sicher zu entnehmen, dass er sich mit [X.] Rückkehr in seine Heimat abgefunden hatte. Es war ferner nicht erkennbar, dass der Betroffene in [X.] einen festen Bezugspunkt hatte oder be-gründen konnte, an dem er in dem für seine Abschiebung vorgesehenen Zeit-punkt angetroffen werden konnte. Daran änderte auch die erklärte Absicht des Betroffenen nichts, sich nach Entlassung aus der Haft in einer Pension einzu-mieten. 3. Entgegen der Ansicht des Betroffenen war die Anordnung der Siche-rungshaft auch verhältnismäßig. 10 a) Die Anordnung der [X.] kann zwar unverhältnismäßig sein, wenn die Behörde den Vollzug der Ausweisung nicht mit Nachdruck betrieben und insbesondere nicht die notwendigen Anstrengungen unternommen hat, die Ausweisung während einer Strafhaft durchzuführen (BayObLGZ 1991, 258, 260). Das aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Frei-heitsentziehungen (vgl. [X.] 46, 194, 195) ist auch schon während des Laufs der Drei-Monatsfrist des § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] zu beachten ([X.], Beschluss vom 18. August 2010 - [X.] 119/10, NVwZ 2010, 1575 [Ls.], [X.] bei juris). Es ist verletzt, wenn die Ausländerbehörde nicht alle not-wendigen Anstrengungen unternommen hat, um [X.] zu beschaffen, damit der Vollzug der Abschiebungshaft auf eine möglichst kurze Zeit be-schränkt werden kann (Senat, Beschlüsse vom 11. Juli 1996 - [X.] 14/98, 11 - 7 - [X.], 235, 239 und vom 10. Juni 2010 - [X.] 205/09, juris). Das Be-schwerdegericht darf die [X.] deshalb nur aufrechterhalten, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt und zwar, gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, mit der größtmöglichen Beschleuni-gung (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - [X.] 205/09, juris). b) Gemessen daran ist die Anordnung der [X.] nicht zu bean-standen. Die beteiligte Behörde hat die Ausweisung zu Beginn der Strafhaft [X.]. Sie hat kurz nach dem Eintritt der Bestandskraft ihrer Entscheidung die Beschaffung der [X.] betrieben. Anlass, schon vorher damit zu beginnen, hatte sie nicht, zumal der Betroffene bei Erlass des verwaltungsge-richtlichen Urteils noch nahezu zwei Jahre Strafhaft zu verbüßen hatte. Dass die [X.] Behörden in diesem langen Zeitraum zur Beschaffung der [X.] nicht in der Lage sein würden, war nicht vorherzusehen. Entge-gen der Ansicht des Betroffenen ist die verzögerte Sachbehandlung durch den ausländischen Staat den inländischen Behörden mangels Einwirkungsmöglich-keiten nicht anzulasten (Senat, Beschluss vom 25. März 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 22). 12 - 8 - [X.]Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die [X.] be-ruht auf § 128c Abs. 2, § 30 Abs. 2 KostO. 13 [X.] [X.] Schmidt-Räntsch

Stresemann Czub
Vorinstanzen: AG [X.] ([X.]), Entscheidung vom 03.12.2009 - 2 XIV 41/09 B - LG [X.], Entscheidung vom 08.01.2010 - 1 T 252/09 -

Meta

V ZB 14/10

28.04.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2011, Az. V ZB 14/10 (REWIS RS 2011, 7204)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7204

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