Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.04.2013, Az. V R 28/11

5. Senat | REWIS RS 2013, 6223

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Gegenstand

Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung


Leitsatz

1. Für die Inanspruchnahme des Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG muss der Lieferer in gutem Glauben handeln und alle Maßnahmen ergreifen, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt .

2. Dabei sind alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände umfassend zu berücksichtigen. Danach kann sich die zur Steuerpflicht führende Bösgläubigkeit auch aus Umständen ergeben, die nicht mit den Beleg- und Buchangaben zusammenhängen .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) handelt mit PKWs und verkaufte im Streitjahr 2004 zwei PKWs an eine in [X.] ansässige GmbH (GmbH). Sie ging davon aus, dass die [X.]ieferung der beiden Fahrzeuge als innergemeinschaftliche [X.]ieferung nach [X.] steuerfrei sei.

2

Die Klägerin hatte die beiden PKWs im [X.] zum Verkauf angeboten. Die Geschäftsanbahnung erfolgte über eine Person, die sich als [X.] und damit als Geschäftsführer der GmbH ausgab und nach den Angaben in ihrem [X.] in [X.] im Inland ansässig war. Der dem Vertragsschluss vorausgegangene Kontakt erfolgte über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils [X.] Vorwahl. Bei Vertragsschluss lagen der Klägerin ein Auszug aus dem Handels- und Gesellschaftsregister für die GmbH mit Hinweis auf [X.] als Geschäftsführer sowie ein Schreiben mit Briefkopf der GmbH mit folgendem handschriftlichen Hinweis vor: "Vollmacht. Bitte Herrn [X.] Kfz-Brief und Schlüssel aushändigen. [X.] hat Kaufpreis in bar dabei." Das Schreiben war mit einer der Unterschrift auf dem [X.] für [X.] ähnlichen Unterschrift unterzeichnet. Mit dieser Unterschrift war weiter eine auf [X.] ausgestellte Vollmacht ohne Datum unterzeichnet. Die Klägerin verfügte auch über Kopien des auf [X.] ausgestellten [X.]es. Das [X.] bestätigte der Klägerin auf ihre Anfrage die Gültigkeit der für die GmbH erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die Klägerin übergab die beiden Fahrzeuge an [X.] Auf den [X.] versicherte [X.] mit Unterschrift, die beiden PKWs nach [X.] zu befördern. [X.] entrichtete den Kaufpreis bar. Der tatsächliche Verbleib der beiden PKWs ist nicht bekannt.

3

Im [X.] an eine Steuerfahndungsprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) davon aus, dass die beiden Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die GmbH sei bereits durch Gesellschafterbeschluss vom 18. September 1996 aufgelöst worden. Die tatsächliche Identität der beiden Personen, die sich als [X.] und [X.] ausgaben, könne nicht festgestellt werden, da die beiden der Klägerin vorgelegten [X.]e gefälscht gewesen seien. Da der tatsächliche Abnehmer nicht feststehe, seien die beiden [X.]ieferungen steuerpflichtig. Der [X.]inspruch gegen den [X.] 2004 hatte keinen [X.]rfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht ([X.]) mit dem in "[X.]ntscheidungen der Finanzgerichte" 2012, 279 veröffentlichten Urteil der Klage statt, da die [X.]ieferung der beiden PKWs steuerfrei sei. Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) seien nicht erfüllt. Zwar habe die Klägerin die formellen Nachweispflichten erfüllt. [X.]s sei jedoch unstreitig, dass die GmbH die beiden PKWs nicht gekauft habe. Der tatsächliche [X.]rwerber könne nicht festgestellt werden, da die für den [X.]rwerber handelnden Personen gefälschte [X.]e vorgelegt hätten. Gleichwohl sei die [X.]ieferung nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Klägerin habe die Fälschungen der [X.]e nicht erkennen können. Die Abweichungen hinsichtlich der Unterschriften seien bei laienhafter Prüfung gleichfalls nicht erkennbar gewesen. Im Hinblick auf die ihr vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin auch keine weiter gehenden [X.]rkundigungen über die GmbH einziehen müssen.

5

Hiergegen wendet sich die Revision des [X.], mit der es Verletzung materiellen Rechts rügt. [X.]s fehle an einer Bevollmächtigung für die Person, die sich als [X.] ausgegeben habe. Die Belegunterlagen seien nicht schlüssig. Die Unterschriften auf den Rechnungen wichen von der auf dem [X.] ab. Das Gültigkeitsdatum auf dem Ausweis der [X.] sei erkennbar unzutreffend. Wer tatsächlicher Abnehmer gewesen sei, habe nicht ermittelt werden können.

6

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Wie das [X.] zutreffend festgestellt habe, habe sie gutgläubig gehandelt. Dem [X.]ieferanten dürfe nicht generell das Risiko von Betrugshandlungen des [X.]rwerbers auferlegt werden. [X.]in kollusives Zusammenwirken mit dem Abnehmer liege nicht vor. Dem Verkäufer könne zwar die Steuerfreiheit versagt werden, wenn er nicht seinen Nachweispflichten nachkomme oder er wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des [X.]rwerbers verknüpft gewesen sei und der Verkäufer nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um eine eigene Beteiligung an dieser Steuerhinterziehung zu verhindern. Dabei seien aber auch Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Sie habe aber den Beleg- und [X.] vollständig erbracht, ohne dass sich aus den Beleg- und Buchangaben Unstimmigkeiten oder Hinweise auf eine Umsatzsteuerhinterziehung durch den [X.]rwerber ergeben hätten. [X.]s stelle sich die Frage, welche weiteren Pflichten sie zu erfüllen habe. Maßnahmen ins Blaue hinein könnten vernünftigerweise nicht verlangt werden. Um den Sorgfaltspflichten zu genügen, müsse es ausreichen, sich von der Unternehmereigenschaft durch Nachweis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu überzeugen. Daher sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren. Sie habe auch keine weiteren Maßnahmen treffen können, aufgrund derer sie festgestellt hätte, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Dies gelte nicht nur für die mittlerweile übliche Kommunikation durch email, sondern auch für die Kontaktaufnahme durch Telefon oder Telefax, da sich Rufumleitungen unproblematisch einrichten ließen. Gleiches gelte für eine Kontaktaufnahme auf dem Postweg. International tätige Unternehmen böten zudem häufig eine Kommunikation über eine lokale Telefonnummer an. [X.] sei als Geschäftsführer im Inland ansässig gewesen. [X.]s sei unverhältnismäßig, von ihr den Beweis der tatsächlichen [X.]xistenz des Geschäftspartners zu verlangen.

Entscheidungsgründe

9

I[X.] Die Revision des [X.] ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Lieferungen der Klägerin sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. [X.]. § 6a UStG steuerfrei sein.

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige [X.]sgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der [X.] zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] (Richtlinie 77/388/[X.]). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach

"die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der [X.] versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

b) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der [X.] (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

c) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/[X.]. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]). Danach sind die zuständigen Behörden des [X.] nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt ([X.]-Urteil vom 27. September 2007 [X.], [X.] u.a., Slg. 2007, [X.], dritter Leitsatz).

d) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtiger Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) Folgendes:

aa) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt ([X.]-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, [X.]E 225, 264, [X.], 511, unter [X.]).

bb) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die [X.] bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind ([X.]-Urteile in [X.]E 225, 264, [X.], 511, unter [X.], und vom 12. Mai 2011 V R 46/10, [X.]E 234, 436, [X.], 957, unter I[X.]1.c).

cc) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Voraussetzung ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt ([X.]-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, [X.]/NV 2005, 81, Leitsatz 2, und in [X.]E 234, 436, [X.], 957, unter I[X.]4.b).

2. Im Streitfall ist die Lieferung der beiden PKWs nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

a) Die Steuerfreiheit kann nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch genommen werden, da die Beleg- und Buchangaben hinsichtlich der dort als Abnehmer aufgeführten GmbH unzutreffend sind. Die GmbH hat die beiden Fahrzeuge nicht er-worben, da keine für sie handlungsbefugte Person, sondern ein Unbekannter unter ihrem Namen tätig war, der sich als Ge-schäftsführer der GmbH ausgab.

b) Es steht auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da der Verbleib der beiden Fahrzeuge ungeklärt ist.

c) Schließlich kommt entgegen dem Urteil des [X.] auch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Die Klägerin hat zwar auf unrichtige Abnehmerangaben vertraut. Sie hat aber nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

aa) [X.] und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des [X.] nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, [X.]E 225, 198, [X.], 876, unter [X.], und [X.]-Beschluss vom 22. Dezember 2011 V R 29/10, [X.]E 236, 242, BStBl II 2012, 441, unter [X.]). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) führt (vgl. z.B. Urteile des [X.] vom 3. März 1966 II ZR 18/64, [X.], 193, unter [X.], und vom 11. Mai 2011 VIII ZR 289/09, [X.], 346, unter I[X.]1.a), bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht. Abnehmer war daher die Person, die sich als [X.] ausgab.

Somit liegen unrichtige Angaben des Abnehmers vor, auf denen die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit durch die Klägerin beruhte, da die Person, die sich als [X.] ausgab, eine Lieferung an die GmbH unter der dieser Gesellschaft in [X.] erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vortäuschte.

bb) Die Klägerin hat nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt.

(1) Nach dem [X.]-Urteil vom 6. September 2012 [X.]/11, [X.] ([X.] 2012, 796 [X.]. 48 ff.) muss der Lieferer in gutem Glauben handeln und alle Maßnahmen ergreifen, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Rdnr. 48), ist es, wenn eine Steuerhinterziehung der Erwerberin vorliegt, gerechtfertigt, das Recht der Verkäuferin auf Mehrwertsteuerbefreiung von ihrer Gutgläubigkeit abhängig zu machen (Rdnr. 50) und sind alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände der Rechtssache umfassend zu beurteilen, um festzustellen, ob der Lieferer in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die von ihm vernünftigerweise verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass er sich aufgrund des getätigten Umsatzes nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat (Rdnr. 53). Nichts anderes ergibt sich aus der [X.]-Rechtsprechung, soweit diese darauf abstellt, dass der Unternehmer "Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit" durchführt ([X.]-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, [X.], 753, unter I[X.]3.c bb), da das nationale Recht richtlinienkonform und dabei die [X.]-Rechtsprechung [X.] auszulegen ist.

Danach kann sich die zur Steuerpflicht führende Bösgläubigkeit auch aus Umständen ergeben, die nicht mit den Beleg- und Buchangaben zusammenhängen. Dementsprechend hat der [X.] bereits entschieden, dass ungewöhnliche Umstände wie z.B. ein Barverkauf hochwertiger Wirtschaftsgüter mit "Beauftragten" ohne Überprüfung der Vertretungsmacht nicht bereits für sich allein die Anwendung von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ausschließen, sondern bei der Würdigung zu berücksichtigen sind, ob der Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat ([X.]-Urteil in [X.]E 225, 264, [X.], 511, Rz 69).

(2) Im Streitfall wurde der Kontakt zum Abschluss der [X.], die den beiden Lieferungen zugrunde lagen, nicht über den Geschäftssitz der GmbH angebahnt. Insoweit lag auch kein sonstiger Bezug zu dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit der GmbH vor. Der Kontakt zum Abnehmer erfolgte vielmehr auf der [X.] ausschließlich über ein Mobiltelefon und ein Telefaxgerät mit jeweils [X.] Vorwahl. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Klägerin aufgrund dieser Umstände am Vorliegen einer Geschäftsbeziehung zu einer in [X.] ansässigen Gesellschaft zweifeln müssen. Ohne dass im Streitfall darüber zu entscheiden ist, welche Anforderungen hieran im Einzelnen zu stellen sind, hätte die Klägerin nur dann mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt, wenn sie bei Anbahnung einer erstmaligen Geschäftsbeziehung zur GmbH zumindest auch den Kontakt über deren Geschäftssitz in [X.] gesucht hätte. Hierfür bestand auch im Hinblick auf das Vorliegen von Bargeschäften über hochwertige Wirtschaftsgüter Veranlassung. Da die GmbH aufgrund ihrer Liquidation keinen Geschäftsbetrieb unterhielt, hätte die Klägerin feststellen können, dass keine Bestellungen der GmbH vorlagen. Auf die Frage, ob die Klägerin die Fälschung der beiden Personalausweise und von Unterschriften erkennen konnte, kam es somit nicht mehr an.

Meta

V R 28/11

25.04.2013

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 17. Juni 2011, Az: 1 K 3069/09 U, Urteil

§ 6a Abs 4 UStG 1999, § 17a UStDV 1999, Art 28c EWGRL 388/77, § 177 BGB, § 179 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.04.2013, Az. V R 28/11 (REWIS RS 2013, 6223)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6223

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