Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.10.2018, Az. 10 AZR 278/17

10. Senat | REWIS RS 2018, 2527

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Gegenstand

Zulässigkeit der Berufung - Unterzeichnung der Berufungsbegründung - Fortführung einer unzulässigen Revision als zulässige Anschlussrevision


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2016 - 8 [X.] 1064/15 - unter Zurückweisung der Anschlussrevision des [X.] aufgehoben, soweit die Beklagte zur Zahlung von [X.] Euro nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 1. Juli 2012 und weiteren 7.183,13 Euro nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 1. Juli 2013 verurteilt wurde. Die Entscheidungsformel wird zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 30. September 2015 - 35 Ca 15904/13 - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über [X.]zahlungen für die Geschäftsjahre 2009 bis 2012.

2

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Bank in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Der Kläger war dort zuletzt als außertariflicher Angestellter beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag enthielt Regelungen über die Zahlung eines Bankbonus und eines Leistungsbonus „als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch“. Für deren Berechnung, Zahlung, Kürzung und Rückzahlung wurde auf die Vereinbarung über das [X.]system für die außertariflichen Beschäftigten der [X.] in ihrer jeweils gültigen Fassung verwiesen.

3

Für die Geschäftsjahre 2009 und 2011 erhielt der Kläger keinen [X.]. Im Juni 2011 zahlte die Beklagte ihm einen zuvor brieflich als „Variable Vergütung für das Geschäftsjahr 2010“ angekündigten Betrag in Höhe von 5.500,00 Euro brutto. Für das Geschäftsjahr 2012 erhielt er eine in der Gehaltsabrechnung als „[X.]. [X.]. [X.]“ bezeichnete Zahlung in Höhe von 2.520,00 Euro brutto.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stünden unmittelbar aus seinem Vertrag, jedenfalls aber aus betrieblicher Übung oder einer entsprechenden Gesamtzusage weitere [X.]zahlungen für die streitbefangenen Geschäftsjahre zu. Mit seinem Hilfsantrag macht er - seinen Hauptantrag jeweils übersteigende - [X.]ansprüche geltend, die er aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den jeweils einschlägigen, zwischen der Beklagten und dem bei ihr gebildeten Gesamtpersonalrat abgeschlossenen Dienstvereinbarungen herleitet.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn [X.] (sog. Leistungsboni) in Höhe von 64.381,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 21.672,65 Euro seit 1. Juli 2010, aus 11.151,01 Euro seit 1. Juli 2011, aus 24.998,96 Euro seit 1. Juli 2012 und aus 6.558,55 Euro seit 1. Juli 2013 zu zahlen;

        

2.    

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn Boni in Höhe von 91.380,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 12.100,00 Euro seit 1. Juli 2011, aus 57.718,00 Euro seit 1. Juli 2012 und aus 21.562,50 Euro seit 1. Juli 2013 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des [X.] am 9. November 2015 zugestellt worden. Nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 9. Februar 2016 ist beim [X.] am 9. Februar 2016 ein durch einen Telefaxdienst übermittelter, vom selben Tag datierender 30-seitiger Schriftsatz eingegangen. Er trägt auf Seite 1 das kanzleiinterne Zeichen „10463/pü-jk“ und schließt ebenso wie das am 15. Februar 2016 als Briefpost eingegangene Original des Schriftsatzes mit dem Abdruck des [X.] der Unterschrift des Rechtsanwalts [X.] über dem druckschriftlichen Zusatz „Dr. K P Rechtsanwalt“.

8

Mit am 14. Dezember 2016 verkündetem Urteil hat das [X.] die Beklagte unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung auf den Hilfsantrag verurteilt, dem Kläger für das Geschäftsjahr 2010 weitere 660,00 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Juli 2011 als [X.] zu zahlen. Für die Geschäftsjahre 2011 und 2012 hat es den [X.] in Höhe von 25.973,44 Euro und 7.183,13 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen von fünf Prozentpunkten seit dem 1. Juli des Folgejahres, stattgegeben. Die Revision hat das [X.] für beide Parteien zugelassen. Das Urteil wurde ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle auf dem Deckblatt am 10. Mai 2017 vollständig abgefasst und mit den Unterschriften sämtlicher Mitglieder der Kammer versehen der Geschäftsstelle übergeben. Es wurde den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 17. Mai 2017 und den Prozessbevollmächtigten des [X.] zwei Tage später zugestellt.

9

Die Beklagte wendet sich mit ihrer am 13. Juni 2017 beim [X.] eingegangenen Revision, die sie - nach Verlängerung der [X.] bis zum 17. August 2017 - mit am 14. August 2017 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz vom 9. August 2017 begründet hat, gegen ihre Verurteilung zu weiteren [X.]zahlungen für die [X.] und 2012. Die Revisionsbegründung wurde dem Prozessbevollmächtigten des [X.] am 21. August 2017 zugestellt.

Der Kläger verfolgt mit seiner Revision die weitere Verurteilung der Beklagten nach Maßgabe seiner zuletzt gestellten Anträge. Die vom 19. Juni 2017 datierende [X.] ist am selben Tag als [X.] beim [X.] eingegangen. Nach Verlängerung der Frist zur Revisionsbegründung bis Samstag, 19. August 2017, hat der Kläger mit am 21. August 2017 als [X.] eingegangenem und von Rechtsanwalt Dr. P handschriftlich unterzeichnetem Schriftsatz vom selben [X.] erhoben und „die Revision“ begründet.

Entscheidungsgründe

Die rechtzeitig innerhalb der nach § 74 Abs. 1 Satz 2 ArbGG am 14. Juni 2017 endenden Frist eingelegte Revision der Beklagten ist begründet (zu der Sechsmonatsfrist ab Verkündung des Berufungsurteils [X.] 15. Oktober 2013 - 3 [X.] - Rn. 6 f.). Sie führt im Umfang ihrer Einlegung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Verwerfung der Berufung des [X.] als unzulässig. Der Kläger hat seine Berufung nicht innerhalb der Berufungsfrist ordnungsgemäß begründet. Sein als [X.] zu behandelndes Rechtsmittel hat aus demselben Grund in der Sache keinen Erfolg.

I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, dass die Berufung des [X.] mit dem innerhalb der bis zum 9. Februar 2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist als [X.] eingegangenen Schriftsatz vom 9. Februar 2016 ordnungsgemäß iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO begründet wurde. Der Schriftsatz genügte nicht den Anforderungen des § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO.

1. Die Zulässigkeit der Berufung ist [X.] für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ([X.] 23. August 2017 - 10 [X.] - Rn. 13). War die Berufung des [X.] unzulässig, ist auf die Revision des Beklagten eine gleichwohl zu seinen Lasten ergangene Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung als unzulässig zu verwerfen (st. Rspr., vgl. etwa [X.] 26. April 2017 - 10 [X.] - Rn. 10).

2. Die Berufung des [X.] ist wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unzulässig (§ 520 ZPO). Der innerhalb der bis zum 9. Februar 2016 verlängerten Begründungsfrist als [X.] eingegangene Schriftsatz vom 9. Februar 2016 ist nicht von der ihn verantwortenden Person unterschrieben. Die in der vom Gericht erstellten Kopie des Schriftsatzes wiedergegebene faksimilierte Unterschrift des Rechtsanwalts Dr. P genügt nicht dem für bestimmende Schriftsätze zwingenden und unverzichtbaren Formerfordernis des § 130 Nr. 6 ZPO. Der Mangel konnte nicht nach § 295 Abs. 1 ZPO durch rügelose Einlassung geheilt werden.

a) Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist die Berufungsbegründung, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Für diesen gelten nach § 520 Abs. 5 ZPO die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze.

b) Als bestimmender Schriftsatz muss die Berufungsbegründung von einem beim [X.] nach § 11 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 und Satz 4 ArbGG vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und eigenhändig unterschrieben sein, § 130 Nr. 6 ZPO (vgl. [X.] 5. August 2009 - 10 [X.] - Rn. 17; [X.] 30. Januar 2018 - II ZR 238/16 - Rn. 9). Eine solche Unterschrift stellt sicher, dass der Unterzeichner die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernimmt ([X.] 27. Februar 2018 - [X.] - Rn. 16). Bei der Übermittlung eines Schriftsatzes durch einen Telefaxdienst tritt an die Stelle der grundsätzlich zwingenden Unterschrift auf der Urkunde die Wiedergabe dieser Unterschrift in der bei Gericht erstellten Kopie (vgl. [X.] 5. August 2009 - 10 [X.] - Rn. 21). Die Prüfung der für eine Unterschrift erforderlichen Merkmale kann vom Revisionsgericht selbständig vorgenommen werden ([X.] 25. Februar 2015 - 5 [X.] - Rn. 17, [X.]E 151, 66).

c) Die auf der [X.] wiedergegebene faksimilierte Unterschrift unter dem Schriftsatz vom 9. Februar 2016 entspricht diesen Anforderungen nicht. Ein [X.] ist keine eigenhändige Unterschrift der den Schriftsatz verantwortenden Person iSv. § 130 Nr. 6 ZPO (so bereits mit ausführlicher Begründung [X.] 5. August 2009 - 10 [X.] - Rn. 18 ff.; vgl. auch [X.] 18. März 2015 - XII ZB 424/14 - Rn. 15; 26. Oktober 2015 - [X.] ([X.]) 25/15 - Rn. 20).

aa) Das Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift kann ausnahmsweise unschädlich sein, wenn - ohne Beweisaufnahme - aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass es sich bei dem Schriftsatz nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernimmt und diesen auch bei Gericht einreichen will (vgl. [X.] 25. Februar 2015 - 5 [X.] - Rn. 22, [X.]E 151, 66; [X.] 26. März 2012 - II ZB 23/11 - Rn. 9).

bb) Anders als eine leer gebliebene Unterschriftszeile, die auf ein Versehen zurückzuführen sein kann (vgl. [X.] 4. Oktober 1984 - VII ZR 342/83 - zu 1 c bb der Gründe, [X.]Z 92, 251), erlaubt das Vorhandensein eines faksimilierten Signums unter einem Schriftsatz regelmäßig den Schluss, dass derjenige, mit dessen Namenszug der dem Gericht zugeleitete Schriftsatz gestempelt wurde, bei der Fertigstellung und Absendung des Schriftsatzes nicht anwesend war. Die Annahme, er habe gleichwohl die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen und diesen auch bei Gericht einreichen wollen, liegt daher in einem solchen Fall fern. Umstände, die im Streitfall darauf schließen lassen, dass der als [X.] eingegangene Schriftsatz vom 9. Februar 2016 gleichwohl von dem klägerischen Prozessbevollmächtigten verantwortet und mit dessen Wissen und Willen dem [X.] zugeleitet wurde, sind nicht gegeben.

(1) Schon aufgrund der durch den Stempel hervorgerufenen Abwesenheitsvermutung bieten weder die Verwendung des Briefbogens seiner Kanzlei noch die maschinenschriftliche Wiedergabe seines Namens am Ende des Schriftsatzes eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft des Prozessbevollmächtigten des [X.]. Auch dessen Wille, am 9. Februar 2016 durch einen Telefaxdienst eine Berufungsbegründung in den Rechtsverkehr zu bringen, ist daher nicht zu erkennen (zu der Unterzeichnung mit einer unleserlichen „Linienführung“ [X.] 25. Februar 2015 - 5 [X.] - Rn. 23, [X.]E 151, 66).

(2) Der Schriftsatz ist dem [X.] nicht zusammen mit einem vom Prozessbevollmächtigten des [X.] unterschriebenen Begleitschreiben übermittelt worden. Innerhalb der Berufungsbegründungsfrist sind auch keine Abschriften des Schriftsatzes beim [X.] eingereicht worden, die mit einer Unterschrift oder zumindest mit einem handschriftlich vollzogenen Beglaubigungsvermerk des Prozessbevollmächtigten versehen waren. Selbst das am 15. Februar 2016 als Briefpost eingegangene Original des Schriftsatzes trägt anstelle der Unterschrift allein den faksimilierten Schriftzug „Dr. P“.

(3) Das auf Seite 1 des Schriftsatzes abgedruckte Kürzel „[X.]“ neben dem kanzleiinternen Aktenzeichen erlaubt schon deshalb keinen sicheren Rückschluss darauf, dass Rechtsanwalt Dr. P ihn sowohl inhaltlich verantwortet hat als auch in den Rechtsverkehr bringen wollte, weil er erstinstanzlich auch - von ihm unterschriebene - Schriftsätze mit dem [X.] „mpü-[X.]“ bei Gericht eingereicht hat.

3. Die mangelhafte Form der Berufungsbegründung konnte nicht durch rügelose Einlassung der Beklagten geheilt werden (§ 295 Abs. 2 ZPO). Unabhängig davon, ob die Beklagte Kenntnis von der Fristversäumung hatte - was offenbar durch die Verwendung des [X.] verhindert werden sollte -, sind die Vorschriften über die Zulässigkeit von Rechtsmittelschriften, namentlich die Wahrung von [X.], grundsätzlich einer Heilung unzugänglich (vgl. [X.] 30. Januar 2018 - II ZR 238/16 - Rn. 12 mwN). Auf ihre Befolgung kann nicht durch rügeloses Verhandeln in Kenntnis des Mangels verzichtet werden.

a) Rechtsmittel- und [X.] dienen der Rechtssicherheit, dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Rechtspflege und nicht zuletzt dem Schutz der anderen [X.] ([X.] 18. April 2007 - 1 [X.]/07 - Rn. 22, [X.]K 11, 48; für die Berufungsfrist [X.] 25. Februar 2015 - 5 [X.] - Rn. 28, [X.]E 151, 66). Auch bei [X.] kann es nicht der Gegenpartei überlassen werden, ob Mängel, mögen sie die Form der Rechtsmittelbegründungsschrift, ihren vorgeschriebenen Inhalt oder sonstige Voraussetzungen der Fristwahrung betreffen, zu berücksichtigen sind ([X.] 30. Januar 2018 - II ZR 238/16 - Rn. 12 mwN). Das gilt insbesondere für die Unterschrift oder deren Wiedergabe auf der bei Gericht erstellten Kopie als nach § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO zwingende Wirksamkeitserfordernisse einer formgültigen Berufungsbegründung ([X.] 30. Januar 2018 - II ZR 238/16 - aaO).

b) Ohne Erfolg verweist der Kläger darauf, dass es sich bei § 130 Nr. 6 ZPO lediglich um eine Sollvorschrift handele und das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift „nicht mehr zeitgemäß“ sei.

aa) Die eigenhändige Unterschrift auf dem Original eines bestimmenden Schriftsatzes stellt am wirkungsvollsten sicher, dass der Berechtigte das Schreiben autorisiert hat. Der Zugang zu Gericht wird dadurch nicht unzumutbar erschwert ([X.] 18. April 2007 - 1 [X.]/07 - Rn. 22, [X.]K 11, 48).

bb) Die Formulierung „sollen enthalten …“ im Eingangshalbsatz von § 130 ZPO ist bezüglich des [X.] in Nr. 6 als „müssen“ zu interpretieren. In Kenntnis der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] hat der Gesetzgeber auch bei Änderungen des Gesetzes keinen Anlass gesehen, ein anderes Verständnis auszudrücken. Vielmehr hat er bei der [X.] in [X.] getretenen Änderung des § 130 Nr. 6 ZPO in der Gesetzesbegründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Neufassung der Vorschrift das Unterschriftserfordernis für Schriftsätze beibehalte ([X.] 25. Februar 2015 - 5 [X.] - Rn. 27 mwN, [X.]E 151, 66). Wird ein Schriftsatz dem Gericht durch einen Telefaxdienst übermittelt, besteht auch keine technische Notwendigkeit, eine Faksimile-Unterschrift genügen zu lassen ([X.] 18. März 2015 - XII ZB 424/14 - Rn. 15).

c) Eine „Heilung durch nachträgliche ‚Bestätigung‘“, wie sie der Kläger für möglich hält, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine bereits abgelaufene Frist durch nachträgliche Heilung nicht mehr gewahrt werden kann (vgl. [X.] 3. März 2004 - IV ZR 458/02 - zu 2 a der Gründe).

II. Das Rechtsmittel des [X.] ist einheitlich als [X.] zu behandeln. In der Sache hat es keinen Erfolg.

1. Die Revision des [X.] ist unzulässig. Sie ist nicht rechtzeitig eingelegt worden.

a) Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 ArbGG beginnt die einmonatige Revisionsfrist (§ 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Berufungsurteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

b) Das am 14. Dezember 2016 verkündete Urteil des [X.]s wurde dem Kläger am 19. Mai 2017 zugestellt. Die [X.] war bereits am 15. Mai 2017 - einem Montag - abgelaufen. Die erst am 19. Juni 2017 als [X.] beim [X.]arbeitsgericht eingegangene Revisionsschrift ist danach nicht innerhalb der Revisionsfrist beim [X.]arbeitsgericht eingegangen.

2. Die [X.] ist nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 554 Abs. 1, Abs. 2 ZPO statthaft. Der Revisionsbeklagte kann sich im Verfahren vor dem [X.]arbeitsgericht der Revision anschließen, auch wenn - wie im Streitfall - die Revisionsfrist bereits verstrichen ist.

a) Die Anschließung erfolgte am [X.] der Revisionsbegründung und damit fristgerecht (§ 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

b) Die [X.] wurde auch fristgerecht begründet (§ 554 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Dass in der Anschlussschrift „die Revision“ begründet wird, ist unschädlich. Auch im Verfahrensrecht gilt der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Prozesshandlung in eine zulässige und wirksame Prozesshandlung umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen [X.]willen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht ([X.] 18. März 2014 - 3 [X.] - Rn. 16, [X.]E 147, 291).

3. Die unzulässige Revision des [X.] bildet mit der [X.] ein einheitliches Rechtsmittel, über das einheitlich zu erkennen ist. In der Sache hat die [X.] keinen Erfolg, weil bereits die Berufung des [X.] gegen das Urteil des Arbeitsgerichts unzulässig ist.

a) Legt eine [X.] gegen eine Entscheidung mehrfach Rechtsmittel ein, so handelt es sich um dasselbe Rechtsmittel. Das gilt auch für die Revision und die [X.]. Das Revisionsgericht hat zu prüfen, ob eines der in verschiedener Form eingelegten Rechtsmittel zu einer sachlichen Überprüfung des Urteils führen kann. Wenn es diese Frage bejaht, hat es eine Sachentscheidung zu treffen ([X.] 27. Februar 2018 - [X.]/17 - Rn. 27). Das gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - das [X.] unzulässig war und erst zu einem späteren Zeitpunkt als Anschlussrechtsmittel fortgeführt wird ([X.] 26. September 2012 - IV ZR 204/11 - Rn. 14).

b) Die [X.] ist unbegründet, weil die Berufung des [X.] gegen das Urteil des Arbeitsgerichts unzulässig ist. Es war bereits im Berufungsverfahren kein Raum für eine Entscheidung über die materielle Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche.

III. [X.] und der Revision hat der Kläger zu tragen, § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das rechtskräftige Obsiegen in der Berufungsinstanz in Höhe von 660,00 [X.] ist verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst.

        

    Gallner    

        

    Schlünder    

        

    Brune    

        

        

        

    Merkel    

        

    [X.]    

                 

Meta

10 AZR 278/17

24.10.2018

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 30. September 2015, Az: 35 Ca 15904/13, Urteil

§ 130 Nr 6 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.10.2018, Az. 10 AZR 278/17 (REWIS RS 2018, 2527)

Papier­fundstellen: NJW 2019, 698 REWIS RS 2018, 2527

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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