Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.01.2017, Az. 3 StR 278/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 17723

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Gegenstand

Gefährliche Körperverletzung und Vergewaltigung: Voraussetzungen der gemeinschaftlichen Begehung


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. März 2016

a) soweit es den Angeklagten [X.]betrifft,

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung, der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung, der Vergewaltigung in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sowie der räuberischen Erpressung schuldig ist;

b) soweit es den Angeklagten B.     betrifft,

aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung, der schweren räuberischen Erpressung, der räuberischen Erpressung in zwei tatmehrheitlichen Fällen sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur Vergewaltigung schuldig ist;

bb) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten B.      , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

3. Der Angeklagte [X.]hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat beide Angeklagten unter Freispruch im Übrigen der gefährlichen Körperverletzung (Fall II. 1. der Urteilsgründe), der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 2. der Urteilsgründe), der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 3. der Urteilsgründe), der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Vergewaltigung (Fall II. 4. der Urteilsgründe) sowie der räuberischen Erpressung (Fall II. 5. der Urteilsgründe) schuldig gesprochen. Es hat gegen den Angeklagten [X.]eine Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten sowie gegen den [X.]     eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die Angeklagten wenden sich mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilungen. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Im Fall II. 2. der Urteilsgründe hält der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des [X.]       materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

3

Nach den vom [X.] insoweit getroffenen Feststellungen beschoss [X.]den auf einem Pendlerparkplatz an ein Verkehrsschild gefesselten Geschädigten mit Kugeln aus einem [X.]. B.       stand dabei und "ließ das Geschehen billigend zu", weil auch er den Zeugen zu weiteren Zahlungen gefügig machen wollte.

4

Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte B.     sich nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 [X.] strafbar gemacht hat. Dieser hatte zwar ein Interesse daran, den Geschädigten zu weiteren Geldzahlungen zu veranlassen. Er beteiligte sich jedoch an der Körperverletzung nicht, sondern stand insoweit lediglich passiv in der Nähe. Die [X.] wurden allein von [X.]vorgenommen; ein Einfluss des B.      hierauf lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Allein der Umstand, dass B.      die [X.] des [X.]billigte, macht ihn insoweit nicht zum Mittäter.

5

Demgegenüber enthält der Schuldspruch zum Nachteil des Angeklagten [X.]im Ergebnis keinen Rechtsfehler. Allerdings verwirklichte dieser lediglich die Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 [X.], nicht aber, wie das [X.] rechtsfehlerhaft angenommen hat, auch diejenigen des § 224 Abs. 1 Nr. 4 [X.]. Die Angeklagten wirkten bei der Körperverletzung nicht bewusst zusammen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass B.     den [X.]aktiv physisch oder psychisch in einer Weise unterstützte, die sich als Demonstration von Eingriffsbereitschaft und damit als Erhöhung der tatbestandsspezifischen Gefahr darstellt (vgl. [X.], [X.], 64. Aufl., § 224 Rn. 11 f.).

6

2. Im Fall II. 3. der Urteilsgründe belegen die vom [X.] getroffenen Feststellungen für den Angeklagten [X.]lediglich eine Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung; der Angeklagte B.     hat sich nur wegen räuberischer Erpressung strafbar gemacht.

7

Danach schlug [X.]dem Geschädigten im Beisein des B.     und mit dessen Einverständnis mit der Faust in den Magen. B.      stand während des Schlages neben [X.]und sagte im [X.], der Geschädigte habe genug, es reiche.

8

Diesen Feststellungen sind die Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 4 [X.] ebenfalls nicht zu entnehmen. Auch hier liegt ein bewusstes, gefahrerhöhendes Zusammenwirken der beiden Angeklagten bei der Körperverletzung nicht vor. Es verbleibt deshalb insoweit für [X.]eine einfache Körperverletzung nach § 223 [X.]; B.      ist wegen eines Körperverletzungsdelikts nicht strafbar.

9

3. Im Fall II. 4. der Urteilsgründe ist der Angeklagte B.     nach den getroffenen Feststellungen lediglich der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur Vergewaltigung schuldig.

Nach den diesbezüglichen Feststellungen führte [X.]dem mit dem Oberkörper auf der Motorhaube eines Kraftfahrzeugs liegenden Geschädigten mehrfach einen Dildo in den After ein. Der Geschädigte, der starke Schmerzen erlitt, rief, [X.]solle aufhören, und versuchte, sich [X.]. Dies gelang ihm aber nicht, weil [X.]ihn festhielt. B.      trug das Vorgehen des [X.]mit und leuchtete diesem währenddessen mit der Taschenlampenfunktion seines Handys.

Diese Feststellungen belegen nicht eine gemeinschaftliche Begehung der Vergewaltigung nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] aF, der § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 [X.] nF entspricht; denn diese Vorschrift setzt ein aktives Zusammenwirken von mindestens zwei Personen als Täter voraus. Hierzu gilt:

Nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] aF ist das Regelbeispiel eines besonders schweren Falles der sexuellen Nötigung erfüllt, wenn die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird. Die Norm wurde durch das [X.] vom 1. Juli 1997 in das Strafgesetzbuch eingeführt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll strafschärfend wirken, dass bei der Mitwirkung mehrerer Personen die Abwehrchancen des Opfers geringer sind und es in solchen Fällen regelmäßig zu besonders massiven sexuellen Handlungen kommt (BT-Drucks. 13/2463, [X.]). Der Wortlaut der Vorschrift und dabei insbesondere der Ausdruck "gemeinschaftlich" nimmt Bezug auf die Regelung zur Mittäterschaft in § 25 Abs. 2 [X.]. Auch der Vergleich zu einerseits § 176a Abs. 2 Nr. 2 [X.] und andererseits § 224 Abs. 1 Nr. 4 [X.], die beide durch das Sechste Strafrechtsreformgesetz vom 26. Januar 1998 geschaffen wurden, belegt, dass für die Begehung des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] aF Täterschaft erforderlich ist und sonstige Formen der Teilnahme nicht ausreichen. Anders als in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] aF und § 176a Abs. 2 Nr. 2 [X.], die in gleicher Weise lediglich auf die "von mehreren" gemeinschaftlich begangene Tat abstellen, ist in § 224 Abs. 1 Nr. 4 [X.] geregelt, dass die Tat "mit einem anderen Beteiligten" gemeinschaftlich begangen wird. Damit unterscheidet sich der Wortlaut der Normen maßgeblich. Insbesondere aus diesem Grund lässt die Rechtsprechung bei § 224 Abs. 1 Nr. 4 [X.] das gemeinsame Wirken eines Täters und eines Gehilfen bei der Begehung einer Körperverletzung genügen (vgl. [X.], Urteil vom 3. September 2002 - 5 [X.], [X.]St 47, 383, 386), während sie bei § 176a Abs. 2 Nr. 2 [X.] ein jeweils täterschaftliches Verhalten verlangt (vgl. [X.], Urteil vom 10. Oktober 2013 - 4 StR 258/13, [X.]St 59, 28, 32). Vor dem Hintergrund des insoweit identischen Wortlauts besteht kein Anlass, hiervon bei der Auslegung des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] aF abzuweichen (im Ergebnis ebenso [X.] NStZ 1999, 377, 382; S/[X.], [X.], 29. Aufl., § 177 Rn. 24; [X.], [X.], 64. Aufl., § 177 Rn. 157; MüKo[X.]/[X.], 3. Aufl., § 177 Rn. 74; [X.], [X.], 12. Aufl., § 177 Rn. 225).

Danach scheidet die Begehung des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] aF für beide Angeklagten aus. Denn der Angeklagte B.      handelte bei sachgerechter Bewertung des Grades seines Interesses am Erfolg der Tat, dem Umfang seiner Tatbeteiligung sowie seiner objektiven Tatherrschaft und dem Willen hierzu nicht als Täter des [X.]. Vielmehr unterstützte er mit seinem Beitrag lediglich die Tat des Angeklagten [X.]. Er ist deshalb insoweit nur der Beihilfe zur Vergewaltigung (§ 177 Abs. 2 Nr. 1, § 27 Abs. 1 [X.]) schuldig (vgl. LK/Hörnle aaO, Rn. 220). Demgegenüber verbleibt es bei dem Angeklagten [X.]bei dem Schuldspruch der Vergewaltigung, da dieser die Voraussetzungen des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 [X.] als Täter verwirklichte.

4. Es ist in allen Fällen auszuschließen, dass ein neues Tatgericht weitergehende Feststellungen als die bisherigen treffen könnte. Der Senat ändert deshalb in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch jeweils selbst entsprechend ab. § 265 StPO steht nicht entgegen; denn die Angeklagten hätten sich auch bei einem entsprechenden Hinweis nicht anders als geschehen verteidigen können.

5. Die Änderung des Schuldspruchs beeinflusst bei dem Angeklagten [X.]den Strafausspruch nicht; dieser kann deshalb bestehen bleiben. Die [X.] hat die Jugendstrafe rechtsfehlerfrei nach [X.] zugemessen und dabei nicht darauf abgestellt, dass der Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe tateinheitlich zu der räuberischen Erpressung nach ihrer Würdigung eine gefährliche Körperverletzung statt wie zutreffend eine einfache Körperverletzung beging. Ebenso wenig ist es für das [X.] ein bestimmender Strafzumessungsgrund gewesen, dass der Angeklagte nach seiner Ansicht im Fall II. 2. der Urteilsgründe zwei Varianten des § 224 Abs. 1 [X.] und im Fall II. 4. der Urteilsgründe zwei Alternativen des § 177 Abs. 2 [X.] aF - statt jeweils richtigerweise eine Variante - beging.

6. Auch bei dem [X.]      weisen die Erwägungen des [X.]s zur Strafzumessung für sich genommen keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler auf. Jedoch sind der Unrechts- und Schuldgehalt der Taten dieses Angeklagten teilweise geringer, als die [X.] angenommen hat. Deshalb ist es nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass ein neues Tatgericht eine geringere Jugendstrafe verhängen wird. Die Sache bedarf daher insoweit neuer tatgerichtlicher Verhandlung und Entscheidung. Die aufgezeigten Rechtsfehler betreffen die festgestellten Strafzumessungstatsachen nicht; diese können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht wider-sprechen, sind möglich.

[X.]     

       

Schäfer     

       

Gericke

       

Spaniol     

       

[X.]     

       

Meta

3 StR 278/16

10.01.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stade, 7. März 2016, Az: 205 KLs 4/15

§ 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB, § 177 Abs 2 S 2 Nr 2 StGB vom 13.11.1998, § 177 Abs 6 S 2 Nr 2 StGB vom 04.11.2016, § 224 Abs 1 Nr 4 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.01.2017, Az. 3 StR 278/16 (REWIS RS 2017, 17723)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17723

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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