Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2004, Az. VI ZR 34/03

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3487

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] Verkündet am: 27. April 2004 [X.], Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: ja

[X.]R: ja

BGB § 823 Aa, [X.]; ZPO § 286 G Ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich einge-tretenen Art herbeizuführen, führt grundsätzlich zu einer Umkehr der objektiven Be-weislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden. Dafür reicht aus, daß der grobe Behandlungsfehler ge-eignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; nahelegen oder wahrschein-lich machen muß der Fehler den Schaden hingegen nicht.

[X.], Urteil vom 27. April 2004 - [X.]/03 - [X.]

LG Braunschweig - 2 -
Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2004 durch die Vorsitzende Richterin [X.], den Richter [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 16. Januar 2003 im Ko-stenpunkt, soweit nicht über die Kosten des [X.] zu 2 ent-schieden worden ist, und insoweit aufgehoben, als im Verhältnis zu den [X.] zu 1, 3, 4 und 5 zum Nachteil der Klägerin er-kannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: Die Klägerin begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen be-haupteter ärztlicher Behandlungsfehler. Nach einem Motorradunfall am 10. Mai 1998 wurde die Klägerin in das von der [X.] zu 1 betriebene Krankenhaus, in dem die [X.] zu 3 bis 5 als Ärzte tätig waren, eingeliefert. Es wurde festgestellt, daß sie sich einige Rippen, den dritten Lendenwirbelkörper und das Schulterblatt gebrochen hatte. Nicht bemerkt wurde, daß sie darüber hinaus eine Beckenringfraktur mit einem Sakrumkompressionsbruch rechts davongetragen hatte. Zunächst wurde ihr Bettruhe verordnet. Ab 11. Juni 1998 wurde die Klägerin mobilisiert. Eine Entla-stung durch Unterarmgehstützen erfolgte dabei nicht. Einen Tag nach Beginn der Mobilisierung verspürte sie Schmerzen beim Gehen, worauf sie die Schwe-stern und die behandelnden Ärzte hinwies. Die [X.] zu 3 bis 5 untersuch-ten die Klägerin zwar, veranlaßten jedoch keine Röntgenaufnahmen, so daß die Beckenringfraktur weiterhin nicht festgestellt wurde. Sie verordneten auch bei der weiteren Mobilisierung keine (Teil)entlastung durch Unterarmgehstützen. Am 17. Juni 1998 wurde die Klägerin entlassen. Wegen fortdauernder Be-schwerden begab sie sich anderweitig in ärztliche Behandlung. Im Rahmen die-ser Behandlung wurde am 3. Juli 1998 mit Hilfe einer Beckenübersichtsauf-nahme der Beckenringbruch diagnostiziert. Dieser Bruch ist mit einer leichten Verschiebung zusammengewachsen. In einem Gutachten des ärztlichen Dien-stes vom 17. Februar 1999 wurde eine nicht korrekte Ausheilung der Fraktur mit verbliebener Pseudarthrose festgestellt. Die Klägerin behauptet, es sei behandlungsfehlerhaft gewesen, daß die Beckenringfraktur nicht schon im Krankenhaus erkannt und mit der Mobilisie-rung nicht zugleich eine Teilentlastung angeordnet worden sei. Auf diese Be-- 4 - handlungsfehler sei die bei ihr festgestellte Pseudarthrose zurückzuführen. Als Folge der Fehlbehandlung leide sie außerdem unter ständigen Schmerzen u.a. in der rechten Leiste, der rechten [X.], beim Liegen und beim [X.] sowie unter einem Dranggefühl. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 20.451,68 • sowie die Feststel-lung, daß die [X.] als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr sämtliche nach dem 1. April 2000 entstehenden materiellen Schäden aus ihrer stationären Behandlung im Krankenhaus der [X.] zu 1 zu erstatten, soweit solche Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige [X.] sind. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Abwei-sung der Klage gegen den [X.] zu 2 richtete. Auf die Berufung der Kläge-rin hat es die [X.] zu 1, 3, 4 und 5 zur Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von 3.000 • nebst Zinsen verurteilt. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der diese den vollen Klageantrag gegen die [X.] zu 1, 3, 4 und 5 wei-terverfolgt. Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin könne von der [X.] zu 1 und von den [X.] zu 3 bis 5 die Zahlung eines [X.] in Höhe von 3.000 • verlangen. Den [X.] sei als Behandlungsfeh-- 5 - ler anzulasten, daß sie keine Röntgenaufnahme des Beckens anfertigen ließen, obwohl die Klägerin im Anschluß an die Mobilisierung über Schmerzen geklagt habe. Mit Hilfe dieser - medizinisch gebotenen - diagnostischen Maßnahme wäre die Beckenringfraktur nämlich festgestellt worden. [X.] wäre es schlechthin unverständlich und grob fehlerhaft gewesen, die Mobilisierung ohne Teilentlastung durch Unterarmgehstützen fortzusetzen. Als Folgen des [X.] habe die Klägerin vom Abend des zweiten Tages nach Beginn der Mobilisierung bis zur Feststellung des [X.] am 3. Juli 1998 unter vermeidbaren Schmerzen gelitten. Dazu habe sich der Heilungsprozeß ent-sprechend verzögert. Zwar könne die Klägerin nicht den Vollbeweis dafür füh-ren, daß diese Schadensfolgen auf den Behandlungsfehler zurückzuführen [X.]. Ihr kämen jedoch hinsichtlich der Ursächlichkeit Beweiserleichterungen nach den Grundsätzen zur Verletzung der Pflicht zur Erhebung und Sicherung medizinischer Befunde zugute, weshalb insoweit die Wahrscheinlichkeit der Verursachung für den [X.] ausreiche. Hingegen könne nicht festgestellt werden, daß das Nichterkennen der Beckenringfraktur nach Beginn der Mobilisierung zu weitergehenden negativen Folgen für die Klägerin geführt habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß es weder während der Bettlägerigkeit der Klägerin noch bei ihrer anschließenden Mobilisierung zu einer Verschiebung des [X.] gekommen sei. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte sich am [X.] nichts verändert, wenn die Beckenringfraktur bereits früher festgestellt und dementsprechend eine Teilentlastung durch Unterarmgehstützen bei Beginn der Mobilisierung angeordnet worden wäre. Zwar sei nicht völlig auszuschlie-ßen, daß der festgestellte Behandlungsfehler gewisse Auswirkungen auf den Heilungsverlauf und das [X.] gehabt habe. Dies sei im Ergebnis aber so unwahrscheinlich, daß auch unter Berücksichtigung der grundsätzlich möglichen Beweiserleichterungen nicht von einer Mitursächlichkeit des [X.] - [X.] für die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Folgen aus-gegangen werden könne. Allerdings scheide nach der Rechtsprechung des [X.] zum groben Behandlungsfehler eine mögliche [X.] nur dann aus, wenn es gänzlich unwahrscheinlich sei, daß der grobe Behandlungsfehler zu dem eingetretenen Körperschaden des Patienten geführt habe. Ein derartiger Grad an Unwahrscheinlichkeit werde hier nicht anzuneh-men sein, weil der Sachverständige einen Wahrscheinlichkeitsgrad von bis 90% dafür genannt habe, daß sich am Heilungsverlauf nichts verändert habe. [X.] müßten dem Patienten Beweiserleichterungen zur Kausalität auch dann, wenn die Voraussetzungen dafür grundsätzlich vorlägen, nicht [X.] zugebilligt werden. Außerdem müsse nicht stets die sehr weitgehende Form der Umkehr der (subjektiven) Beweislast zum Tragen kommen. Vielmehr gebe es auch Beweiserleichterungen unterhalb der Schwelle der Beweislastumkehr. Es liege in der Verantwortung des Tatrichters, im Einzelfall über die Zubilligung von Beweiserleichterungen sowie über deren Umfang, Qualität und jeweilige Reichweite zu entscheiden. Nach diesen Grundsätzen komme vorliegend eine Beweislastumkehr in der Kausalitätsfrage jedenfalls nicht für denjenigen Körperschaden in Betracht, der über vermeidbare Schmerzen und eine verzögerte Heilung in dem Zeitraum zwischen Beginn der Mobilisierung und Feststellung des [X.] hi-nausgehe. Dafür sei neben der vergleichsweise hohen Wahrscheinlichkeit, daß sich das verzögerte Erkennen des [X.] auf den weiteren Hei-lungsverlauf nicht ausgewirkt habe, der Umstand maßgeblich, daß die versäum-te Befunderhebung für die Aufklärung des Sachverhalts keine wesentlichen Schwierigkeiten herbeigeführt habe. Daß eine Beckenringfraktur des später festgestellten Typs schon beim Unfall entstanden sei, lasse sich auch aus den nachträglich angefertigten Röntgenaufnahmen feststellen. Unabhängig vom Zeitpunkt der Feststellung der Fraktur stehe fest, daß die konservative [X.] 7 - lung mit der tatsächlich erfolgten vierwöchigen Bettruhe eine zumindest gut ver-tretbare Behandlungsmethode gewesen sei. Schließlich komme es bei [X.] Frakturen in einer größeren Zahl der Fälle auch bei fehlerfreier Behandlung zur Ausbildung einer Pseudarthrose und zu einem für den Patienten unbefriedi-genden [X.]. Die Klägerin sei daher beweisfällig geblieben. [X.] unterhalb der Beweislastumkehr würden ihr angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit, daß sich bei früherem Erkennen der Fraktur und Mobilisierung unter Teilentlastung durch Unterarmgehstützen am späteren Hei-lungsverlauf nichts geändert hätte, nicht weiterhelfen.

Die Berufung habe auch hinsichtlich des [X.] keinen [X.]. Da Folgen des Behand[X.] ausschließlich für die Zeit bis zum 3. Juli 1998 hätten festgestellt werden können, bestünden keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit künftiger materieller Schäden als Folge des [X.]. I[X.] Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. Ohne Rechtsfehler und von der Revision als ihr günstig nicht angegrif-fen hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß eine Abklärung der von der Klägerin nach Beginn der Mobilisierung geklagten Schmerzen durch eine Röntgenaufnahme hätte veranlaßt werden müssen, daß die Beckenring-fraktur bei dieser Untersuchung erkannt worden wäre und daß eine Fehlreakti-on auf diesen Befund, insbesondere eine Fortsetzung der Mobilisierung ohne gleichzeitige (Teil)Entlastung durch Unterarmgehstützen schlechthin unver-- 8 - ständlich und grob fehlerhaft gewesen wäre. Die Revision wendet sich auch nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, es sei zwar nicht [X.], daß der festgestellte Behandlungsfehler die Pseudarthrose und die weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin mitverursacht habe, dies sei jedoch unwahrscheinlich, wenn auch nicht gänzlich unwahrscheinlich. 2. Auf dieser Grundlage beanstandet die Revision jedoch zu Recht, daß das Berufungsgericht eine Beweislastumkehr hinsichtlich der ursächlichen Auswirkungen des Behand[X.] verneint hat. a) Das Berufungsgericht meint, aus der Rechtsprechung des erkennen-den Senats ergebe sich, daß es in der Verantwortung des Tatrichters im Einzel-fall liege, über die Zubilligung von Beweiserleichterungen sowie über Umfang und Qualität der eintretenden Beweiserleichterungen zu entscheiden. Das trifft jedoch in dieser Form nicht zu. b) Zwar hat der erkennende Senat verschiedentlich die Formulierung verwendet, daß ein grober Behandlungsfehler, der geeignet sei, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, für den Patienten —zu [X.] bis hin zur Umkehr der [X.] führen könne (vgl. Senats-urteile [X.] 72, 132, 133 f.; 85, 212, 215 f.; vom 16. Juni 1981 - [X.] ZR 38/80 - VersR 1981, 954, 955; vom 7. Juni 1983 - [X.] ZR 284/81 - [X.], 983, 984; vom 29. März 1988 - [X.] ZR 185/87 - [X.], 721, 722; vom 18. April 1989 - [X.] ZR 221/88 - [X.], 701 f.; vom 1. Oktober 1996 - [X.] ZR 10/96 - [X.], 362, 363). Insofern kommt jedoch dem Begriff "[X.]" gegenüber der Beweislastumkehr keine eigenständige Bedeutung bei. Soweit es in einigen Entscheidungen heißt (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1988 - [X.] ZR 217/87 Œ [X.], 80, 81; vom 26. Oktober 1993 - [X.] ZR 155/92 - [X.], 52, 53; vom 4. Oktober 1994 - [X.] ZR 205/93 - - 9 - [X.], 46, 47), daß das Ausmaß der dem Patienten zuzubilligenden [X.] im Einzelfall danach abzustufen sei, in welchem Maße we-gen der besonderen Schadensneigung des Fehlers das Spektrum der für den Mißerfolg in Betracht kommenden Ursachen verbreitert oder verschoben [X.] sei, betrifft dies die Schadensneigung des groben Behand[X.], also die Frage seiner Eignung, den Gesundheitsschaden des Patienten herbeizufüh-ren. Insoweit geht es um die Bewertung und beweisrechtlichen Konsequenzen eines groben Behand[X.] im konkreten Einzelfall.

c) Das hat der erkennende Senat in zahlreichen neueren Entscheidun-gen verdeutlicht und dabei klargestellt, daß es der Sache nach um die Umkehr der Beweislast geht und daß deren Verlagerung auf die [X.] im Hinblick auf die geringe Schadensneigung des Fehlers nur ausnahmsweise dann ausgeschlossen ist, wenn der [X.] zwischen grobem Behandlungsfehler und Schaden gänzlich bzw. äußerst unwahrscheinlich ist (vgl. Senatsurteile [X.] 129, 6, 12; 138, 1, 8; vom 24. September 1996 - [X.] ZR 303/95 - [X.], 1535, 1536; vom 1. Oktober 1996 - [X.] ZR 10/96 - [X.], 362, 364; vom 27. Januar 1998 - [X.] ZR 339/96 - [X.], 585, 586; vom 27. Juni 2000 - [X.] ZR 201/99 - [X.], 1282, 1283). d) Bei dieser Betrachtungsweise kann der Formulierung —[X.] bis hin zur [X.] nicht die Bedeutung zukommen, die das Berufungsgericht ihr beilegen will. Vielmehr führt ein grober Behandlungs-fehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbei-zuführen, grundsätzlich zu einer Umkehr der objektiven Beweislast für den ur-sächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem [X.]. Dafür reicht aus, daß der grobe Behandlungsfehler geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; nahelegen oder wahrscheinlich machen muß der Fehler den Schaden hingegen nicht (vgl. Senatsurteile [X.] - 10 - 85, 212, 216 f.; vom 24. September 1996 - [X.] ZR 303/95 - aaO - jeweils m.w.[X.]; vom 1. Oktober 1996 - [X.] ZR 10/96 - aaO; [X.] vom 3. Mai 1994 - [X.]0/93 - [X.], 1067). Deshalb ist eine Verlagerung der Beweislast auf die [X.] nur ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründende [X.] äußerst un-wahrscheinlich ist (vgl. Senatsurteile [X.] 129, 6, 12; 138, 1, 8; vom 24. September 1996 - [X.] ZR 303/95 - aaO; vom 1. Oktober 1996 - [X.] ZR 10/96 - aaO; vom 27. Januar 1998 - [X.] ZR 339/96 - aaO; vom 27. Juni 2000 - [X.] ZR 201/99 - aaO). Gleiches gilt, wenn sich nicht das Risiko verwirklicht hat, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen läßt (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 1981 - [X.] ZR 38/80 - aaO) oder wenn der Patient durch sein [X.] eine selbständige Komponente für den Heilungserfolg vereitelt hat und dadurch in gleicher Weise wie der grobe Behandlungsfehler des Arztes dazu beigetragen hat, daß der Verlauf des [X.] nicht mehr [X.] werden kann (vgl. KG, [X.], 928 mit [X.] des Senats vom 19. Februar 1991 - [X.] ZR 224/90; [X.], [X.], 459 mit [X.] des Senats vom 20. Januar 1998 - [X.] ZR 161/97). Das Vorliegen einer derartigen Ausnahmekonstellation hat [X.] der Arzt zu beweisen (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 1981 - [X.] ZR 38/80 - aaO; vom 28. Juni 1988 - [X.] ZR 217/87 - aaO; [X.], Festschrift für Geiß, [X.], 431). e) Liegen die oben dargestellten Voraussetzungen für eine [X.] vor, so darf sich der Tatrichter nicht darauf beschränken, dem Patienten statt der vollen Beweislastumkehr lediglich abgestufte Beweiserleichterungen zu gewähren, die im übrigen - wie das Berufungsgericht erkennt - der durch den Behandlungsfehler geschaffenen Beweisnot nicht abhelfen könnten. Diese Be-trachtungsweise trägt auch den im Schrifttum geäußerten Bedenken Rechnung, daß ein "Ermessen" des Tatrichters bei der Anwendung von [X.] - 11 - dem Gebot der Rechtssicherheit zuwiderlaufen würde. Nach diesem müssen der Rechtssuchende bzw. sein Anwalt in der Lage sein, das [X.] in tat-sächlicher Hinsicht abzuschätzen. Des weiteren würde die Gleichheit der Rechtsanwendung infolge richterlicher Willkür gefährdet sein (vgl. Laumen, NJW 2002, 3739, 3741 m.w.[X.]; [X.], Beweismaß und Beweislast im Zivil-prozeß S. 21, 26; [X.], Arzthaftung, S. 468 f.; [X.], Handbuch der Beweislast, 2. Aufl., § 823 Anhang [X.] II Rdn. 3; Laufs-Uhlenbruck, Hand-buch des [X.], § 110 Rdn. 3). Deshalb erfolgt die Zuweisung des Risikos der Klärung eines entscheidungserheblichen Tatbestandsmerkmals und damit die Verteilung der objektiven Beweislast in abstrakt-genereller Form. Sie muß vor dem Prozeß grundsätzlich feststehen und kann auch während des [X.] nicht ohne weiteres vom Gericht nach seinem Ermessen verändert werden (vgl. [X.], NJW 1979, 1925; Laumen, NJW 2002, aaO). Eine flexible und angemessene Lösung wird im Arzthaftungsprozeß im Einzelfall dadurch ge-währleistet, daß dem Tatrichter die Wertung des [X.] als grob fehlerhaft vorbehalten ist, wobei er freilich die Ausführungen des medizini-schen Sachverständigen zugrundezulegen hat (vgl. Senatsurteile [X.] 138, 1, 6 f.; vom 3. Juli 2001 - [X.] ZR 418/99 - VersR 2001, 1116 f. und vom 29. Mai 2001 - [X.] ZR 120/00 - VersR 2001, 1030 f. jeweils m.w.[X.]). f) Diese dargestellten Grundsätze gelten nicht nur für den Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen einem groben Behandlungsfehler und dem eingetretenen Gesundheitsschaden, sie gelten entsprechend für den Nachweis des Kausalzusammenhangs bei einem einfachen Befunderhebungsfehler, wenn - wie im vorliegenden Fall - zugleich auf einen groben Behandlungsfehler zu schließen ist, weil sich bei der unterlassenen Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, daß sich dessen Verkennung als fundamental oder die [X.] auf ihn als grob fehlerhaft darstellen würde, d.h. für die zweite Stufe der vom Senat [X.] 12 - wickelten Beweiserleichterungen nach einem einfachen Befunderhebungsfehler (vgl. dazu Senatsurteile [X.] 132, 47, 52 ff.; vom 6. Juli 1999 - [X.] ZR 290/98 [X.], 1282, 1283; vom 29. Mai 2001 Œ [X.] ZR 120/00 Œ aaO; vom 8. Juli 2003 - [X.] ZR 394/02 Œ VersR 2003, 1256, 1257; vom 23. März 2004 - [X.] ZR 428/02 - zur [X.] vorgesehen - jeweils m.w.[X.]; [X.], aaO, [X.], 432 ff.; [X.], Festschrift für [X.], [X.], 334 ff.). Ist das Verkennen des gravierenden Befundes oder die [X.] auf ihn gene-rell geeignet, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizufüh-ren, tritt also - wenn nicht ein [X.] zwischen dem ärztli-chen Fehler und dem Schaden äußerst unwahrscheinlich ist - grundsätzlich ei-ne Beweislastumkehr ein. In einem derartigen Fall führt nämlich bereits das - nicht grob fehlerhafte - Unterlassen der gebotenen Befunderhebung wie ein grober Behandlungsfehler zu erheblichen Aufklärungsschwierigkeiten hinsicht-lich des [X.]. Es verhindert die Entdeckung des wahrscheinlich [X.] Befundes und eine entsprechende Reaktion darauf mit der Folge, daß hierdurch das Spektrum der für die Schädigung des Patienten in Betracht kommenden Ursachen besonders verbreitert oder verschoben wird ([X.], aaO, [X.]).
g) So verhält es sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch im vorliegenden Fall. Der (einfache) Befunderhebungsfehler der [X.] hat die gebotene und zur Vermeidung des eingetretenen Schadens geeignete Reaktion auf die Beckenringfraktur verhindert und damit die Aufklärung des hypothetischen weiteren Krankheitsverlaufs, der für die Klägerin erheblich [X.] hätte sein können, erschwert. Mithin hätte sich ohne das Fehlverhalten der [X.] gezeigt, ob bei der Klägerin auch bei fehlerfreier Behandlung des [X.] Dauerfolgen in Form einer Pseudarthrose und von [X.] Schmerzen aufgetreten wären. - 13 - II[X.]
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuver-weisen.

[X.]

Pauge Zoll

Meta

VI ZR 34/03

27.04.2004

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2004, Az. VI ZR 34/03 (REWIS RS 2004, 3487)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3487

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