Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2012, Az. EnZR 105/10

Kartellsenat | REWIS RS 2012, 6450

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
[X.] 105/10
Verkündet am:

15. Mai 2012

Bürk

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Stromnetznutzungsentgelt V
BGB § 315
Die nach dem [X.] 2005 genehmigten [X.]e unterliegen der Billigkeitskontrolle nach §
315 Abs.
3 BGB. Der Maßstab billigen Er-messens wird durch die §§
21
ff. [X.] und die Vorschriften der Stromnetzentgelt-verordnung konkretisiert.
[X.], Urteil vom 15. Mai 2012 -
[X.] 105/10 -
[X.]

[X.]

-
2 -
Der Kartellsenat
des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 15. Mai
2012
durch den Präsidenten des [X.] Prof.
Dr.
Tolksdorf und die
Richter Dr. Raum, [X.], Dr.
Kirchhoff
und Dr.
Grüneberg

für Recht erkannt:

Die Revision
der Klägerin
gegen
das Urteil des 1.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg
vom 9.
November
2010 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

-
3 -
Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die gerichtliche Bestimmung des angemesse-nen Stromnetznutzungsentgelts
für den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis zum 31. Dezember 2006
und Rückzahlung zu viel
gezahlten Entgelts.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin) [X.] auf der Grundlage eines Rahmenvertrags vom 11.
April 2003
das Stromverteilernetz der [X.]n unter anderem im Zeitraum von [X.] bis Dezember 2006. Mit Schreiben vom 11. April 2003, mit dem sie der [X.]n den von ihr unterzeichneten Vertragstext zur Gegenzeich-nung zuleitete, erklärte die Klägerin, sie zahle die Entgelte nur vorläufig unter Vorbehalt ihrer energie-
und kartellrechtlichen Überprüfung und un-ter Vorbehalt ihrer Rückforderung. Nach
Ziffer 6.1 des Vertrages hatte
die Klägerin für die Nutzung des Netzes ein Entgelt gemäß der (nicht vorgelegten) "Anlage 3" zu zahlen. Nach Ziffer 6.2 des Vertrages durfte die [X.] die "[X.]e sowie alle anderen Entgelte nach Anlage 3" unter anderem "bei Novellierung der
zu Grunde
liegenden Ge-setze" anpassen. Der Entgeltberechnung für das 4. Quartal 2006 legte die [X.] das von der [X.]
gemäß §
23a [X.] für den Geltungszeitraum ab 1. Oktober 2006 genehmigte Preisblatt
zugrun-de.

Mit der Klage macht die Klägerin geltend, die von der [X.]n
verlangten Entgelte seien um mindestens 27% unbillig bzw. kartell-rechtswidrig überhöht. Sie hat beantragt,
das jeweils billige Netznut-zungsentgelt
einschließlich der Mess-
und Verrechnungsentgelte
für den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis zum 31. Dezember
2006
zu bestim-men und die [X.] zu verurteilen, an sie die Differenz zwischen den nach ihrer Behauptung
gezahlten Entgelten in Höhe von insgesamt 632.755,04

netto und dem gerichtlich bestimmten billigen Entgelt zu-1
2
3

-
4 -
züglich Umsatzsteuer nebst
Zinsen zu zahlen, hilfsweise die [X.] zu verurteilen, an sie Schadensersatz in Höhe des vom Gericht nach § 287 ZPO festgestellten Schadens durch die kartellrechtswidrig überhöhte Be-rechnung der Entgelte nebst Zinsen zu zahlen.

Die Vorinstanzen
haben
die Klage abgewiesen.
Mit der vom Beru-fungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt
die Klägerin
ihr Begehren
weiter.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Revision ist auch hinsichtlich des auf Schadensersatz wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens gerichteten Anspruchs
zulässig (§
543 Abs.
1 Nr.
1 ZPO).

Der Entscheidungssatz des angefochtenen Urteils enthält keinen Zusatz, der die dort zu Gunsten der Klägerin zugelassene Revision ein-schränkt. Die Eingrenzung des Rechtsmittels kann sich zwar auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben (vgl. [X.], Ur-teil vom 29. Januar 2003 -
XII [X.], [X.]Z 153, 358, 360 f.). Aus diesen muss dann aber mit ausreichender Klarheit hervorgehen, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer revisionsrechtlichen Nachprü-fung nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte ([X.], Urteile vom 12.
November 2004 -
V
ZR 42/04, NJW 2005, 894, 895 und vom 17.
Januar 2008 -
IX [X.], [X.], 748 Rn.
8, jeweils mwN). Dies kann hier entgegen der Revisionserwiderung nicht angenommen werden. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revi-sion in den Entscheidungsgründen zwar nur damit begründet, dass die 4
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-
5 -
Frage der Anwendbarkeit der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB trotz Genehmigung der Netzentgelte nach § 23a [X.] und die Frage der Beweislast von grundsätzlicher Bedeutung und höchstrichterlich nicht geklärt seien. Hiermit hat es aber lediglich den Anlass der [X.] mitgeteilt, ohne hinreichend klarzustellen, die revisionsrechtliche Nachprüfung auf diese Fragen
beschränken zu wollen.

B.

Die Revision hat keinen Erfolg, so dass sie zurückzuweisen ist.

I.

Das Berufungsgericht
hat zur Begründung seiner Entscheidung
([X.],
[X.], 233) im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe gegen die [X.] keinen Anspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung auf Rückzahlung des [X.]s
für das 4. Quartal 2006. Dem stünden die Regelungen des [X.], insbesondere § 23a Abs.
5 Satz 1 [X.], entgegen. In Anbetracht der Rechtsprechung des [X.] zur Mehrerlös-abschöpfung sei eine nachträgliche Überprüfung der vom Netzbetreiber bestimmten [X.]e nach § 315 Abs. 3 BGB regelmäßig ausgeschlossen, wenn der Netzbetreiber -
wie hier -
nur das nach §
23a [X.] 2005 genehmigte [X.] verlange. Mit dieser [X.] habe der Gesetzgeber ein Überprüfungsmonopol zugunsten der Regulierungsbehörden
im Interesse der Rechtssicherheit geschaffen. Dies ergebe sich zum einen aus § 111 Abs. 3 [X.], nach dem hinsicht-lich der Netzentgelte eine
Überprüfungskompetenz des Bundeskartell-amts nicht bestehe. Zum anderen folge dies aus § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr.
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-
6 -
Halbs. 2 [X.], wonach Entgelte, die die Obergrenzen einer dem be-troffenen Unternehmen erteilten Genehmigung nach § 23a [X.] nicht überschreiten, als sachlich gerechtfertigt
gelten.

Vorliegend sei jedenfalls eine individuelle Rückforderung ausge-schlossen. Nach der Rechtsprechung des [X.] lasse das Energiewirtschaftsrecht die zivilrechtlichen Regelungen nicht unberührt, sondern enthalte mit der periodenübergreifenden Saldierung nach §§
9, 11 [X.] analog ein spezielles Abwicklungsregime zur Abschöpfung der von dem Netzbetreiber vereinnahmten Mehrerlöse, das
sogar im Fall einer echten Bereicherung einem zivilrechtlichen Anspruch entgegen-stünde. Dies müsse erst recht gelten, wenn der Netzbetreiber [X.] Entgelte verlange.

Ein Bereicherungsanspruch der Klägerin bestehe aber auch dann nicht, wenn eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB zulässig
sei. In [X.] die Vermutung der Billig-keit, so dass der Netznutzer darzulegen habe, aus welchen Gründen er die genehmigten Entgelte für unbillig halte. Diesen Anforderungen sei die Klägerin nicht gerecht geworden. Sie begründe ihren Einwand überhöh-ter Entgelte allein mit der Höhe des Eigenkapitals von 40%, das über dem Durchschnitt liege. Dies sei nicht schlüssig, weil gerade die Frage der [X.] im Rahmen des Genehmigungsverfahrens detail-liert geprüft werde. Die sachgerechte Begrenzung der Eigenkapitalquote sei ein wesentliches Ziel des Genehmigungsverfahrens gewesen. Dies werde hier dadurch belegt, dass die [X.] in beiden Genehmigungs-verfahren Kostenkürzungen habe hinnehmen müssen.

Der Klägerin stehe auch kein Schadensersatzanspruch gemäß Art.
102 Satz 2 Buchst. a AEUV (zuvor Art. 82 [X.]) [X.]. § 33 Abs.
3 Satz
1 GWB zu. Es
könne dahinstehen, ob eine Genehmigung der Netz-10
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-
7 -
nutzungsentgelte nach § 23a [X.] 2005 [X.]. § 111 Abs.
3 [X.] ei-ne kartellrechtliche Kontrolle nach [X.] Recht generell aus-schließe. Denn jedenfalls seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art.
102 Satz
2 Buchst.
a AEUV nicht erfüllt. Die Genehmigung der Entgelte spreche im Fall der [X.] aufgrund des Grades der Reglementierung gegen einen Missbrauch der Monopolstel-lung durch die [X.]. Die Klägerin habe diesen Anschein nicht er-schüttert.

II.

Diese
Beurteilung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

1. Entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts
sind allerdings die von der [X.]n verlangten [X.]e gemäß §
315 BGB auf ihre Billigkeit hin zu überprüfen.

a) Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Norm ist grund-sätzlich eine ausdrückliche oder konkludente rechtsgeschäftliche [X.], dass eine [X.] durch einseitige Willenserklärung den Inhalt ei-ner Vertragsleistung bestimmen kann ([X.], Urteil vom 18. Oktober 2005 -
KZR 36/04, [X.]Z 164, 336, 339 -
Stromnetznutzungsentgelt I; Urteil vom 18. Oktober 2011 -
KZR 18/10, WM
2012, 622
Rn. 12 mwN -
Stor-nierungsentgelt).

So liegt der Fall hier. Nach Ziffer 6.2 des Rahmenvertrages durfte die [X.] das [X.] unter anderem "bei Novellierung der zu Grunde
liegenden Gesetze" -
einseitig -
anpassen. Die Klägerin hat die [X.]e nur unter dem Vorbehalt der energie-
und kartellrechtlichen Überprüfung gezahlt, so dass über die Höhe des zu 13
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-
8 -
zahlenden Netzentgelts
keine einverständliche Einigung zustande ge-kommen ist.

b) Die Anwendung des § 315 BGB ist durch die Regelungen des [X.]es 2005 nicht ausgeschlossen.

aa) Das [X.] 2005 regelt in §
111 [X.] le-diglich das Verhältnis zum Gesetz gegen [X.]beschränkungen insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Doppelzuständigkeit von Regulierungs-
und Kartellbehörden. Danach erfolgt die Entgeltregulie-rung für Energieversorgungsnetze insoweit ausschließlich durch die [X.]. Zu dem Verhältnis der behördlichen Entgeltregulie-rung zur zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB besagt §
111 [X.] dagegen nichts.

bb) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung lässt sich die parallele Anwendbarkeit der Billigkeitskontrolle des § 315 Abs.
3 BGB neben den entgeltrelevanten Regelungen des [X.] nicht damit verneinen, dass § 23a [X.] ein [X.] für [X.]e durch die [X.] vorsieht, mit dem der Gesetzgeber -
wie sich aus § 111 Abs.
3 [X.] und auch § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Halbs. 2 [X.] ergebe -
ein Überprüfungsmonopol zugunsten der Regulierungsbehörden im Interesse der Rechtssicherheit habe schaffen wollen
(so aber auch
Bork,
[X.], 682, 684; [X.],
NJW 2006, 654, 655 f.; Säcker,
[X.], 114, 116; Schebstadt,
[X.], 157; Wolf,
[X.], 261, 262).

Dagegen spricht bereits, dass der Gesetzgeber in § 111 Abs.
1 Satz 1 [X.] zwar die §§ 19, 20 GWB ausdrücklich von der Anwendung ausnimmt, § 315 BGB aber nicht. Einer
Verdrängung der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle durch die behördliche Entgeltgenehmigung steht
aber 17
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-
9 -
vor allem
entgegen, dass sich die rein öffentlich-rechtliche Wirkung der Genehmigung auf das Verhältnis der Behörde zum Netzbetreiber [X.] ([X.], Urteil vom 5. Juli 2005 -
X [X.], NJW 2005, 2919, 2920, insoweit in [X.]Z 163, 321 nicht abgedruckt). Die [X.] wirkt nicht unmittelbar auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Netzbetreiber und dem Netznutzer ein, sondern bedarf noch der privat-rechtlichen Umsetzung. Die genehmigten Entgelte sind gemäß § 23a Abs.
2 Satz 2 [X.] Höchstpreise, die der Netzbetreiber nicht zwingend erheben muss, wenngleich nicht zu verkennen ist, dass dies praktisch regelmäßig der Fall sein dürfte. Stellt der Netzbetreiber einen geringeren Preis in Rechnung, muss er allerdings das Diskriminierungsverbot be-achten und darf -
abgesehen von den zulässigen Fällen individueller Netzentgelte z.B. gemäß § 24 Satz 1 Nr. 3 [X.] [X.].
§
19 [X.] -
nicht nur einzelne Netznutzer begünstigen.

Nichts anderes ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Halbs.
2 [X.]. Danach gelten Entgelte, die die Obergrenzen einer dem
betroffe-nen Unternehmen erteilten Genehmigung nach § 23a [X.] nicht
über-schreiten, als sachlich gerechtfertigt. Diese Vorschrift gilt aber nur im Rahmen des -
behördlichen -
Missbrauchsverfahrens. Sie soll als ex-post-Maßnahme an die [X.] anknüpfen und nicht zu dieser in Widerspruch stehen. Dies hat zwar auch zur Folge, dass ein Netznutzer einen -
individuellen -
Schadensersatzanspruch nach § 32 Abs.
3 und 4 [X.] nicht auf die Behauptung stützen kann, die geneh-migten Netzentgelte seien überhöht. Die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bleibt davon aber unberührt, weil ein darauf beruhen-der schuldrechtlicher Anspruch zu deliktischen Ansprüchen in An-spruchskonkurrenz steht.

cc) Ohne Erfolg beruft sich die Revisionserwiderung in diesem Zu-sammenhang darauf, dass bei der Billigkeitsprüfung nach §
315 Abs. 3 21
22

-
10 -
BGB die Maßstäbe des energiewirtschaftlichen Regulierungsrechts zu beachten sind.
Dies trifft zwar zu. Eine richterliche Inhaltskontrolle wird dadurch aber nicht ausgeschlossen.

Die Netzentgeltregulierung dient nach § 1 Abs. 2 [X.] den Zielen der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten [X.] bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas und der Sicherung eines lang-fristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Ener-gieversorgungsnetzen. Der Maßstab der Billigkeit in § 315 BGB ist zwar im Rahmen der Überprüfung von Netzentgelten kein individueller, son-dern muss aus der typischen Interessenlage des [X.] und den für dessen Ausgestaltung maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben
gewonnen werden (vgl.
[X.], Urteil vom 4. März 2008 -
KZR 29/06, [X.]/[X.] 2279 Rn. 21 -
Stromnetznutzungsentgelt III). Dies schließt aber die richterliche Inhaltskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB nicht grundsätzlich aus ([X.], Urteil vom 10. Oktober 1991 -
III ZR 100/90, [X.]Z 115, 311, 317).
Für sie verbleibt ein eigenständiger An-wendungsbereich, der es geboten erscheinen lässt, § 315 Abs. 3 BGB neben dem öffentlich-rechtlichen Energiewirtschaftsrecht anzuwenden (ebenso Dreher,
[X.], 103, 105). Nach § 315 BGB kann
etwa zu prüfen
sein, ob die Entgeltgenehmigung auf unrichtigen Tatsachenanga-ben des Netzbetreibers in den Antragsunterlagen beruht, deren Fehler-haftigkeit im Genehmigungsverfahren nicht aufgedeckt worden ist.

dd) Für eine Anwendbarkeit des § 315 BGB neben den [X.] Vorschriften spricht auch die unterschiedliche Ausgestaltung der entsprechenden Verfahren unter besonderer [X.] eines effektiven Rechtsschutzes für die Netznut-zer.
23
24

-
11 -
(1) Eine Klage nach § 315 Abs. 3 BGB, das billige Entgelt durch das Gericht festsetzen zu lassen, kann der Netznutzer ohne weitere Vo-raussetzungen erheben. Die Klage führt zwingend zu einer Überprüfung des von dem Netzbetreiber festgesetzten Entgelts und gegebenenfalls zu einer Entgeltherabsetzung mit Wirkung ex tunc.

(2) Dagegen hat der Netznutzer nach dem [X.] unter Umständen keine Möglichkeit, sich gegen eine als zu hoch empfundene Entgeltforderung zu wehren.

Der Netznutzer hat keinen Rechtsanspruch, zu dem [X.] beigeladen zu werden, um bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die Entgeltfestsetzung zu seinen Gunsten beeinflussen zu können. Die
Beiladung
setzt nach § 66 Abs. 2 Nr. 3 [X.] voraus, dass der Netznut-zer eine Person oder Personenvereinigung ist, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden. Dafür reichen zwar erhebli-che wirtschaftliche Interessen aus ([X.], Beschluss vom 11.
November 2008 -
EnVR 1/08, [X.], 185 Rn. 17 -
citiworks). Die Überschrei-tung der [X.] wird aber regelmäßig zu verneinen sein, wenn nur eine verhältnismäßig geringfügige Entgeltabsenkung erreichbar ist. Darüber hinaus steht die (einfache) Beiladung im pflichtgemäßen Ermessen der Regulierungsbehörde, die bei ihrer Entscheidung -
wie auch im Fall der Klägerin, die in verschiedenen Genehmigungsverfahren einen Antrag auf Beiladung erfolglos gestellt hat -
das Interesse der [X.], d.h. das Bedürfnis der Konzentration und der Be-schleunigung, in den Vordergrund rücken kann, ohne dadurch die Rechte des Beiladungspetenten zu verletzen (vgl. [X.], Beschluss vom 7. No-vember 2006 -
KVR 37/05, [X.]Z 169, 370 Rn. 17 -
pepcom).
25
26
27

-
12 -
Der Netznutzer hat nach dem [X.] auch nur eingeschränkte Möglichkeiten, die -
ohne seine Anhörung
-
erteilte Netzentgeltgenehmigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Zwar scheitert seine Beschwerdebefugnis nach § 75 Abs. 2 [X.] nicht von vornherein daran, dass der Netznutzer am Verfahren vor der Regulierungsbehörde nicht beteiligt war. Die Vorschrift enthält nämlich keine abschließende Regelung. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein Dritter in erwei-ternder Auslegung des § 75 Abs. 2 [X.] befugt, gegen die in der Hauptsache ergangene Entscheidung Beschwerde einzulegen, wenn in seiner Person die subjektiven Voraussetzungen für eine Beiladung vor-liegen, sein Antrag auf Beiladung allein aus Gründen der [X.] abgelehnt worden ist oder er einen solchen Antrag nicht rechtzei-tig stellen konnte und er geltend machen kann, durch die Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen zu sein (Beschluss vom 11.
November 2008 -
EnVR 1/08, [X.], 185 Rn. 14 und 16 -
citi-works). Es stellt sich aber auch dann die Frage, ob durch die Entgeltge-nehmigung erhebliche wirtschaftliche Interessen des [X.] berührt werden.

Dem Gebot effektiven Rechtsschutzes genügt es schließlich auch nicht, dass der Netznutzer bei der zuständigen Regulierungsbehörde die Einleitung eines Missbrauchsverfahrens nach § 30
[X.] oder nach § 31 [X.] anregen kann. Unabhängig davon, dass es im pflichtgemäßen Ermessen der Regulierungsbehörde steht, ein Missbrauchsverfahren einzuleiten, gelten nach § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Halbs. 2 [X.] Entgel-te, die die Obergrenzen einer dem betroffenen Unternehmen erteilten Genehmigung nach § 23a [X.] nicht überschreiten, als sachlich ge-rechtfertigt, so dass der Netznutzer in einem solchen Verfahren gerade nicht die Überprüfung der Netzentgeltgenehmigung erreichen kann.

28
29
30

-
13 -
ee) Der Anwendung des § 315 BGB zugunsten des [X.], der eine entsprechende Klage vor dem Zivilgericht erhoben hat, steht nicht entgegen, dass die [X.]e nach § 21 Abs. 1 [X.] für alle Netznutzer in gleicher Weise zu berechnen sind.
Dies hat der Senat für die Kontrolle von [X.]en für
das vor Inkrafttre-ten des [X.]es 2005 geltende Recht entschieden
(Urteil vom 18. Oktober 2005 -
KZR 36/04, [X.]Z 164, 336, 341 -
Strom-netznutzungsentgelt I; Urteil vom 7. Februar 2006 -
KZR 8/05, [X.]/E
DE-R 1730 Rn.
13 -
Stromnetznutzungsentgelt II; Urteil vom 4. März 2008 -
KZR 29/06, [X.]/[X.] 2279 Rn. 20 f. -
Stromnetznutzungsent-gelt III). Für das [X.]
2005 gilt dies ebenfalls. Denn auch hier ist das Rechtsverhältnis zwischen dem Netzbetreiber und dem Netznutzer durch §
20 [X.] zivilrechtlich ausgestaltet. Damit ist die Anwendung des §
315 BGB eröffnet. Dass diejenigen Netznutzer, die keine Klage nach §
315 Abs. 3 BGB erhoben haben, gegebenenfalls ein höheres Entgelt zahlen müssen als die klagenden Netznutzer, steht dem nicht entgegen (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 2011 -
KZR 18/10, WM
2012, 622
Rn.
22 -
Stornierungsentgelt).

ff) Schließlich kann -
wie der Senat mit Urteil vom 20. Juli 2010 ([X.] 23/09, [X.], 1959 Rn. 17 -
Stromnetznutzungsentgelt IV) entschieden hat -
die Anwendbarkeit des § 315 BGB auch nicht im [X.] auf die Rechtsprechung des Senats zur sogenannten Mehrerlösab-schöpfung (vgl. Senatsbeschluss vom 14. August 2008 -
KVR 39/07, [X.], 323 Rn. 5 ff. -
Vattenfall) verneint werden.

2.
Danach sind die Entgelte für die Netznutzung gemäß § 315 Abs.
1 BGB nach billigem Ermessen festzusetzen.
Entgegen den Angrif-fen der Revision hat das Berufungsgericht die von der [X.]n ver-langten Netzentgelte zu Recht nicht als unbillig und damit unverbindlich angesehen.
31
32

-
14 -

a) Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Netzbetreiber die Billigkeit der von ihm
verlangten Entgelte darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen; dies gilt auch im [X.], wenn der [X.] die Entgelte nur unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Nachprü-fung gezahlt hat
(vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 2010 -
[X.] 23/09, [X.], 1959 Rn.
26
ff. -
Stromnetznutzungsentgelt
IV). So liegt der Fall auch hier. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung
hatte der
von der Klägerin mit Schreiben vom 11.
April
2003
erklärte Vorbehalt nicht nur eine eingeschränkte -
nämlich auf den Ausschluss des §
814 BGB bezogene -
Bedeutung, sondern war umfassend
zu verstehen. Ein im Zusammenhang mit der Billigkeitskontrolle nach §
315 BGB erklärter Vorbehalt dient typischerweise dazu, die einseitige Leistungsbestimmung umfassend zu überprüfen und an der Darlegungs-
und Beweislast des [X.] nichts zu ändern.

Der Maßstab der Billigkeit in § 315 BGB ist im Rahmen
der Über-prüfung von Netzentgelten kein individueller, sondern muss aus der typi-schen Interessenlage des Netznutzungsverhältnisses und den für dessen Ausgestaltung maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben gewonnen werden (vgl. [X.], Urteil vom 4. März 2008 -
KZR 29/06, [X.]/[X.] 2279 Rn.
21 -
Stromnetznutzungsentgelt III). Dieser Maßstab wird -
entspre-chend der Rechtsprechung des Senats zum [X.] 1998 (vgl. hierzu Ur-teil
vom 18. Oktober 2005 -
KZR 36/04, [X.]Z 164, 336, 341 -
Strom-netznutzungsentgelt I; Urteil
vom 7. Februar 2006 -
KZR 8/05, [X.]/[X.] 1730 Rn. 13 -
Stromnetznutzungsentgelt II; Urteil
vom 20. Juli 2010 -
[X.] 23/09, [X.], 1959 Rn.
32
f. -
Stromnetznutzungsent-gelt
IV) -
durch §§
21 ff. [X.] konkretisiert. Danach wird das Ermessen in mehrfacher Hinsicht gebunden. Neben der Beachtung des -
hier nicht relevanten -
Diskriminierungsverbots muss sich die Entgeltbildung daran orientieren, dass die Regulierung einer möglichst sicheren, preisgünsti-33
34

-
15 -
gen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen lei-tungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas (§ 1 Abs. 1 [X.]) und darüber hinaus der Sicherstellung eines wirksa-men und unverfälschten [X.] (§
1 Abs. 2 [X.]) dienen soll.
Die Entgelte für den Netzzugang müssen unter anderem angemessen sein (§ 21 Abs. 1 [X.]) und dürfen keine Kosten oder Kostenbestand-teile enthalten, die sich ihrem Umfang nach im Wettbewerb nicht einstel-len würden (§ 21 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Sie müssen die in der Strom-netzentgeltverordnung bzw. Gasnetzentgeltverordnung enthaltenen Re-gelungen zur Ermittlung der Entgelte einhalten.

Danach kommt es für die Beurteilung, ob die Entgeltfestsetzung
des
Netzbetreibers
der Billigkeit entspricht, darauf an, inwiefern das ge-forderte Netzentgelt der
Deckung der Kosten des Netzbetriebs und der
Erzielung eines im vertretbaren Rahmen bleibenden Gewinns dient. Es obliegt dabei dem
Netzbetreiber, im Einzelnen vorzutragen und gegebe-nenfalls zu beweisen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die ihm
nach seiner
Kalkulation durch den Netzbetrieb in dem maßgeblichen Zeitraum entstanden sind, abzudecken waren und welchen Teil seiner Einnahmen
er
zur Bildung von Rücklagen, zur Finanzierung von Investi-tionen oder zur Verzinsung des Eigenkapitals mit dem berechneten Preis erzielen wollte (vgl. [X.], Urteil
vom 20.
Juli 2010 -
[X.] 23/09, [X.], 1959 Rn.
33
mwN -
Stromnetznutzungsentgelt
IV).

Nach Inkrafttreten des [X.] 2005 kann sich der Netzbetreiber zur Darlegung der Billigkeit der von ihm verlangten Netzentgelte
-
in einem ersten Schritt -
auf die Entgeltgenehmigung nach § 23a [X.] stützen. Diese stellt aufgrund der engen Vorgaben der [X.] nach den energiewirtschaftsrechtlichen Vorschriften und der damit verbundenen Prüftiefe durch die (neutralen) Regulierungsbehörden ein gewichtiges In-diz für die Billigkeit und Angemessenheit der genehmigten Entgelte dar
35
36

-
16 -
(vgl. [X.], Urteil vom 20. Juli 2010 -
[X.] 23/09, [X.], 1959 Rn.
41 ff.
-
Stromnetznutzungsentgelt
IV; Urteil vom 8. November 2011 -
[X.] 32/10, [X.], 63 Rn. 25). Es obliegt dann dem Netznutzer, im [X.] darzulegen, aus welchen Gründen die behördlich genehmigten Netzentgelte überhöht sein sollen, und die indizielle Wirkung der [X.]. Gelingt ihm dies, muss der Netzbetrei-ber seine Kostenkalkulation vorlegen und im Einzelnen näher erläutern.
In diesem Rahmen wird der Tatrichter zu prüfen haben, ob im Hinblick auf die Genehmigungsunterlagen eine Anordnung zu deren Vorlage nach § 142 ZPO in Betracht kommt (vgl. dazu [X.], Urteil vom 26. Juni 2007 -
XI ZR 277/05, [X.]Z 173, 23 Rn. 20).

b) Nach diesen Maßstäben hat die [X.] -
wie das Berufungs-gericht zu Recht ausgeführt hat -
ihrer Darlegungslast genügt, weil sie sich zum Nachweis der Billigkeit der von ihr verlangten Netzentgelte auf die Netzentgeltgenehmigung
stützen konnte.

Dagegen hat die Klägerin keine substantiierten Einwendungen er-hoben, die die Indizwirkung der Entgeltgenehmigung erschüttern konn-ten. Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der Klägerin, die von der [X.]n verlangten Netzentgelte seien allein deshalb überhöht, weil die Höhe des Eigenkapitals der [X.]n von 40% über dem [X.] liege, als unsubstantiiert angesehen. Dagegen ist revisionsrecht-lich nichts zu erinnern. Es fehlt vor
allem
an einer konkreten Darlegung der Klägerin, inwieweit die [X.] als zuständige Regulie-rungsbehörde die angesetzte Eigenkapitalquote nicht auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft hat.
Die sachgerechte Begrenzung der Eigenkapi-talquote auf das notwendige Maß ist -
was unter anderem §§ 6, 7 [X.] zeigen -
ein wesentliches Ziel der [X.] und war im Rahmen der ersten Genehmigungsverfahren einer der [X.] zwischen Netzbetreibern und Regulierungsbehörden (vgl. dazu 37
38

-
17 -
nur
[X.], Beschluss vom 14. August 2008 -
KVR 42/07, [X.]/E
DE-R 2395 Rn.
29
ff. -
Rheinhessische Energie).

Unsubstantiiert ist auch der weitere Einwand der Klägerin, von der Billigkeit der Entgelte könne auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Genehmigung der [X.]n als Netzbetreiberin Spielräume be-lasse, deren Ausschöpfung zu kontrollieren sei. Insoweit fehlt
es an der Darlegung konkreter Einzelheiten.

Aufgrund dessen kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht nach § 142 ZPO eine Vorlegung der Genehmigungsunterlagen der [X.]n in Erwägung gezogen hat.
Hierfür bestand aufgrund des
-
nicht substan-tiierten -
Vorbringens
der Klägerin kein Anlass.

39
40

-
18 -
3. Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht auch einen Schadensersatzanspruch
der Klägerin aus §
33 Abs. 3 Satz 1 GWB [X.]. Art. 82 Satz 2 Buchst. a [X.]V (nunmehr: Art. 102 Satz 2 Buchst. a AEUV)
zu Recht verneint. Dafür fehlt es bereits -
aus den oben zu [X.] b dargelegten Gründen -
an der substantiierten Darlegung eines missbräuchlichen Verhaltens der [X.]n, für das gemäß Art. 2 Satz 1 VO ([X.]) Nr. 1/2003 die Klägerin als Anspruchstellerin darlegungs-
und beweispflichtig ist.
Die
[X.]
kann sich auch im Rahmen des [X.] auf die Indizwirkung der behördlichen Entgeltge-nehmigung berufen.

Tolksdorf

Raum

Strohn

Kirchhoff

Grüneberg
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.04.2010 -
36 O 246/09 -

[X.], Entscheidung vom 09.11.2010 -
1 [X.] -

41

Meta

EnZR 105/10

15.05.2012

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2012, Az. EnZR 105/10 (REWIS RS 2012, 6450)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6450

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