Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2006, Az. 5 StR 372/05

5. Strafsenat | REWIS RS 2006, 5729

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5 [X.] vom 11. Januar 2006 in der Strafsache gegen wegen Mordes u. a. - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 11. Januar 2006 beschlossen: Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 26. Januar 2005 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgeho-ben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das [X.] hat die Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit besonders schwerer [X.]stiftung sowie in weiterer Tateinheit mit [X.]stif-tung mit Todesfolge, mit Versicherungsmissbrauch und mit fahrlässiger Kör-perverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und zugleich die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die hiergegen gerichtete Re-vision der Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. [X.] Nach den Feststellungen des [X.] setzte die Angeklagte durch Verwendung von Brennspiritus, den sie im ersten Obergeschoss und im Erdgeschoss verteilt hatte, das von ihr, ihrem Lebensgefährten und ihrem Vater bewohnte Haus in [X.]. Durch den [X.] wurde ihr schwer [X.], bettlägeriger Vater, der Eigentümer des Hauses, getötet. Ihr Le-bensgefährte, der ihrem Vater zu Hilfe kommen wollte, konnte sich durch einen Sprung aus dem Fenster des ersten Stockes retten, erlitt aber hierbei - 3 - erhebliche Verletzungen. Die Angeklagte wollte durch den [X.] Zahlungen der Feuer- und Hausratsversicherung erlangen. Das [X.] stützt seine Überzeugungsbildung im Wesentlichen nur auf zwei aus einer Reihe von sechs einander widersprechenden [X.]. Es folgt dem Chemiker A , der das Vorhanden-sein von Spiritus aus dem chemischen Nachweis seiner drei Bestandteile oberhalb einer von ihm aus eigenen Erfahrungswerten hergeleiteten [X.] folgert. Hinsichtlich des Vorliegens einer zweiten [X.]stelle im Erdgeschoss bezieht sich das [X.] auf die Angaben des [X.], der aus dem Abbrand der Aluminiumverkleidung der [X.] auf einen zweiten [X.]ausbruch in deren unmittelbaren Umgebung schließt. I[X.] Die Ausführungen des [X.] zur Entstehung des [X.]es [X.] an einem Darstellungsmangel, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils nötigt. Das [X.] hat die einzelnen Sachverständigengutachten in den Urteilsgründen nur unzureichend erörtert. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist es bei der Bewertung voneinander abweichender Gutachten erforderlich, dass der [X.] die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen der Sach-verständigen im Urteil wiedergibt ([X.], 488). Er ist gehalten, die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen, an die die Schlussfolgerungen eines Gutachtens anknüpfen, und die Schlussfolgerungen selbst wenigstens inso-weit im Urteil mitzuteilen, als dies zum Verständnis der Gutachten und zur Beurteilung ihrer gedanklichen Schlüssigkeit für das Revisionsgericht erfor-derlich ist (BGHSt 8, 113, 118; 12, 311, 314 f.). - 4 - Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Dem [X.] lagen zu der zentralen Beweisfrage, ob die Angeklagte vorsätzlich unter Verwendung von Spiritus den [X.] herbeigeführt hat, meh-rere Sachverständigengutachten vor, die von der Strafverfolgungsbehörde noch im Ermittlungsverfahren, von der Angeklagten selbst oder später vom Gericht in Auftrag gegeben worden waren. Das [X.] teilt zu den [X.], denen es nicht folgt, lediglich punktuelle Einzelaussagen mit. Es bleibt offen, aufgrund welcher Überlegungen die jeweiligen Sachverständigen zu ihrem Ergebnis gelangt sind und welche Argumente den Schlussfolgerun-gen dieser Sachverständigen aus Sicht des [X.] entgegenstehen. Soweit aus den Urteilsgründen erkennbar ist, halten etliche der [X.] einen Schwelbrand für gegeben oder können einen solchen jedenfalls nicht ausschließen. Ein Schwelbrand könnte nach ihrer Auffassung durch eine heruntergefallene Zigarettenglut des häufig im Bett rauchenden späte-ren Tötungsopfers hervorgerufen worden sein. Welche Anknüpfungstatsa-chen und welche Begründungen diese Sachverständigen zu ihrem Ergebnis gelangen lassen, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Wenn das [X.] darauf abstellt, die anderen Sachverständigen hätten den [X.] später besichtigt, so ist dies schon deshalb nicht überzeugend, weil das [X.] sich andererseits zur Frage eines zweiten [X.]herdes auf die vor Ort getroffenen Erkenntnisse eines anderen Gutachters stützt, der die [X.]stelle ersichtlich ebenfalls wesentlich später [X.] möglicherweise zeitlich sogar als letzter der Sachverständigen [X.] in Augenschein genommen hat. Im Übrigen hätte zu der Frage, inwieweit die wohl unverändert gelassene [X.]stelle noch eine sachverständige Beurteilung ermöglicht hätte, [X.] die Auffassung der beteiligten Sachverständigen zu der Begutachtungs-tauglichkeit der [X.]stelle mitgeteilt werden müssen, wenn das [X.] gerade diesem Gesichtspunkt entscheidende Bedeutung beimisst. Die Ausführungen des [X.] zu dem Gutachten des [X.]sind noch aus einem weiteren Grunde rechtsfehlerhaft. Das [X.] folgt dem Sachverständigen, der aus dem Überschreiten einer - 5 - von ihm entwickelten Kappungsgrenze zu der festgestellten Quantität von Vergällungsmitteln auf die Verwendung von Spiritus schließt. Das [X.] erklärt nicht zureichend und für das Revisionsgericht nachvollziehbar, was unter —[X.] in diesem Zusammenhang zu verstehen ist. Es erläutert gleichfalls nicht, wie der Sachverständige diese —[X.] ermittelt hat. Die vom Sachverständigen A dargestellte Messmethode ist offensichtlich nicht standardisiert, weil sie auf seinen eigenen Erfahrungs-werten aufbaut. Dies schließt zwar nicht aus, dass auch einem solchen An-satz gefolgt werden könnte, erhöht aber andererseits die Darlegungsanforde-rungen an den Tatrichter, wenn er diesem Sachverständigen folgen will (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 Beweisergebnis 4). Um dem [X.] insoweit die Nachprüfung zu ermöglichen, hätte die Dauer und die [X.] genauer geschildert werden müssen. Zudem hätte es [X.] ergänzenden Erläuterung dazu bedurft, ob die wissenschaftliche Literatur bei einem Vorhandensein von Vergällungsmitteln, die einerseits bei der Pyro-lyse (also einem Holzbrand unter Ausschluss von Sauerstoff) entstehen [X.], andererseits aber auch im Spiritus vorhanden sind, in gleicher Weise quantitativ abgrenzt oder ob gegebenenfalls andere Indikatoren für die Fest-stellung der Verwendung von Spiritus herangezogen werden. Das [X.] hat sich mit der Auffassung der anderen Sachver-ständigen zu dieser Beweisfrage mit der Begründung nicht auseinander ge-setzt, diese seien keine Chemiker. Dies begegnet schon deshalb durchgrei-fenden Bedenken, weil nicht mitgeteilt wird, welche berufliche Qualifikation und welche Ausbildung die anderen Sachverständigen aufweisen. Bei einer in der [X.]ursachenforschung so zentralen und sich immer wieder stellen-den Frage, ob ein [X.] unter Verwendung eines [X.]beschleunigers ent-standen ist, hätte es einer Auseinandersetzung mit der Auffassung der ande-ren Sachverständigen bedurft, zumal die Methodik des Sachverständigen A ihrerseits nicht standardisiert ist. - 6 - Die übrigen Gesichtspunkte, die das [X.] für seine Überzeu-gung ausführt, wonach die Angeklagte den [X.] durch Spiritus gelegt habe, sind nicht so gewichtig, dass sich ein zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils nötigender Darstellungsmangel ausschließen ließe. Die Aussage des [X.], der Flammen aus dem Fenster des [X.] sah, hat für sich genommen keinen Beweiswert. Der Inhalt der Aussage bedarf vielmehr, wenn man die Beobachtungen dieses Zeugen überhaupt zur Grundlage für einen Rückschluss auf die [X.]entstehung nutzen will, der Sachverständigenbewertung. Insoweit können die Bekundungen des Zeugen eine Anknüpfungstatsache bilden, die in die Gesamtbewertung des Gesche-hens einzustellen ist. Deshalb hätte dieser Gesichtspunkt im Rahmen einer Darstellung sämtlicher Sachverständigenmeinungen erörtert und gewürdigt werden müssen. Soweit das [X.] in einem der abgehörten Gespräche der [X.] mit dem [X.]

einen die Angeklagte —besonders belas-tendenfi Umstand sieht, liegt auch insoweit ein Erörterungsmangel vor. Das [X.], das die Aussage der Angeklagten, auch bei fahrlässiger [X.]-stiftung leiste die [X.]versicherung, als besonders belastenden Umstand wertet, bezieht in seiner Begründung nicht mit ein, dass die Angeklagte be-reits vorher [X.] am Tage nach dem [X.] [X.] diesen ihrer Versicherung gemel-det hat und deshalb auch durch den Versicherungsmitarbeiter über die [X.] der [X.]versicherung im Falle einer nur fahrlässigen [X.]stif-tung hätte informiert sein können. - 7 - Da das Urteil bereits auf die Sachrüge aufzuheben war, bedarf es keines [X.] mehr auf die von der Angeklagten erhobene Aufklärungs-rüge zu der Frage, ob sie mit den später sichergestellten Schuhen nach dem [X.] nochmals das Innere des Hauses betreten hat. [X.] [X.] Raum [X.]

Meta

5 StR 372/05

11.01.2006

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2006, Az. 5 StR 372/05 (REWIS RS 2006, 5729)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5729

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