Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2000, Az. 1 StR 613/99

1. Strafsenat | REWIS RS 2000, 2536

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[X.]/99vom11. April 2000in der [X.] zur versuchten schweren Brandstiftung u.a.- 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 11. April 2000 gemäß § 349Abs. 4 StPO beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Juni 1999 mit den Feststellungen aufge-hoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.]des [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur versuchtenschweren Brandstiftung sowie wegen versuchten Betruges zu einer Freiheits-strafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendetsich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die Sachrüge ge-stützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.[X.] Verurteilung des Angeklagten ist auf die Sachbeschwerde aufzuhe-ben; die Verfahrensrügen bedürfen keiner Erörterung.- 3 -1. Das [X.] hat festgestellt:a) Der Angeklagte war als Geschäftsführer der Firma [X.] in B. zuständig für die von dieser als Hauptpächterin geführtenGaststätten sowie für deren Unterverpachtung. Seit Mai 1995 war die [X.] Pächterin eines Lokals in dem [X.]in [X.].Das Lokal war wegen fehlender Rentabilität mehrfach unterverpachtet worden.Zuletzt bestand ein Pachtvertrag vom Mai 1997 mit Frau [X.]. - , deren Ehemann das Lokal als Bistro flK. fl führte. [X.] den Betrieb jedoch mangels Kostendeckung ein und räumte [X.] September 1997 das Lokal. Durch Anwaltsschreiben von diesem Taglehnte die Pächterin die Zahlung des [X.] von monatlich 19.592,50 [X.] und focht den gesamten Pachtvertrag wegen Sittenwidrigkeit an.Mit Schreiben vom gleichen Tag kündigte der Hauseigentümer [X.] mit der Firma [X.]; gleichzeitig bot [X.] einvernehmliche Aufhebung des Pachtvertrages gegen Übernahme [X.] für einen Betrag von 86.000 DM und Verrechnung auf die Pachtrück-stände von 110.000 DM an. Der Angeklagte, der zum 1. Oktober 1997 einenneuen Pächter in Aussicht hatte, lehnte das Angebot angesichts des [X.] Inneneinrichtung von 500.000 DM ab. Er hatte das Inventar des [X.] zuletzt angepaßt am 22. April 1997 - mit einer Versicherungssumme [X.] DM u.a. gegen Schäden durch Feuer und Einbruchsdiebstahl versi-chert. Auch bestand ab 1996 eine Mietverlustversicherung gegen [X.]. durch Brand, Blitzschlag und Explosion bis zu einer Höhe von 264.000DM.- 4 -Die finanzielle Situation der Firma [X.] war in dieser Zeitdesolat. Rechnungen konnten nicht bezahlt werden und die KreissparkasseB. drängte auf Rückführung des laufenden [X.]) Der Angeklagte entschloß sich deshalb, im Bistro einen Brand zu le-gen, um durch die Versicherungsleistungen die Liquidität des Unternehmenszurückzugewinnen. Den Brand wollte er nicht selbst legen. Er wandte sich an [X.], der früher in einer Diskothek der Firma beschäftigt war, mitdem Ansinnen, dieser möge den Brand legen oder legen lassen. Über [X.]erfuhr [X.]über die vom Angeklagten in Auftrag gegebeneBrandlegung. Weder [X.] noch [X.]wollten den Brand selbst legen.[X.]fragte [X.]. , ob er jemanden kenne, der bereit sein könnte,das Bistro anzuzünden. Dafür würden vom Auftraggeber 7.000 DM bezahlt.Über [X.]. erfuhr auch [X.]von dem Ansinnen und demausgesetzten [X.]. Beide wollten den Brand nicht selbst legen, [X.] jedoch wegen des Geldes an einer Teilnahme interessiert. [X.]. und [X.] zeigten [X.]und D. , den [X.]aus der [X.] kannte, das Bistro. [X.]gelang es schließlich [X.]für die ei-gentliche Brandlegung zu gewinnen.Am frühen Abend des 30. September 1997 trafen sich [X.],[X.], [X.] , [X.]. , [X.], [X.]und [X.] zu einerBesprechung. [X.] erklärte, die Brandlegung müsse noch in dieser [X.], es sei nur noch heute möglich. Man wolle sich [X.] ohne E. und[X.][X.] um Mitternacht in der Gaststätte flL. fl treffen, um [X.] als Brandbeschleuniger zu besorgen. Gegen 24.00 Uhr trafen sich[X.]. , [X.], [X.] , [X.] und [X.]in der genannten [X.] -Mit dem Pkw des [X.] beschafften sie gemeinsam Benzin. [X.]. ,[X.]und [X.]fuhren kurz nach 3.00 Uhr in die Nähe des [X.]) Das in einem Kanister befindliche Benzin wurde in die Gaststätte [X.] und im Bereich der Theke ausgeschüttet. Welche der an der Brandstif-tung beteiligten Personen das Benzin in die Gaststätte verbrachte, ist nicht [X.]. [X.] entzündete das enstandene [X.]. Es kam [X.] starken, explosionsartigen Verpuffung, durch welche der Großteil der [X.] geriet. Der aus einem Holzrahmen mit Türenbestehende Windfang wurde aus seinem Rahmen gerissen und samt der Türauf die Straße geschleudert. [X.]fing selbst Feuer, konnte die [X.] an der gesamten Kleidung und seinen Haaren brennend verlassen, be-vor er bewußtlos zusammenbrach. Er erlitt an rund 60 % der [X.]) Das Bistro war von der [X.] aus über zwei Eingänge zu [X.]. Ursprünglich bestand ein direkter Zugang in den Gastraum durch eineverglaste Eingangstür und eine dahinter liegende [X.]. Die Ein-gangstür war am 19. Juli 1997 durch Unbekannte schwer beschädigt worden.Bis zur Begehung der Tat war die Alarmanlage nicht mehr funktionsfähig. Eswurde deshalb an der dahinter liegenden hölzernen [X.] ein Schloßangebracht; der Ehemann der Pächterin [X.]. verfügte dazu über [X.]. Der Angeklagte hatte für dieses Schloß keinen Schlüssel.Ein zweiter Zugang in das Bistro führte über die Haupteingangstür desGebäudes [X.] und eine vom Treppenhaus begehbare Seitenein-gangstür. Zu dieser [X.] hatte der Angeklagte einen Schlüssel.- 6 -2. Der Angeklagte bestreitet den Tatvorwurf. Das [X.] hat ange-nommen, der Zeuge [X.]sei mit Hilfe des Angeklagten durch die [X.] und die [X.] in das Bistro gelangt. [X.] dazu keine Gewalt anwenden müssen. flOb [X.]über einen zu beidenTüren passenden, vom Angeklagten stammenden Schlüssel verfügte oder obder Angeklagte, der sich zu dieser Zeit schlafend in seiner Wohnung in [X.]befand, dafür gesorgt hatte, daß die Türen durch eine andere Person geöffnetwurden, konnte nicht geklärt [X.] [X.] stützt seine Überzeugung von der Schuld des Ange-klagten im wesentlichen auf vier Umstände: Auf die finanzielle Lage des Ange-klagten, auf die kurz vor der Brandlegung erfolgte Anpassung der [X.], auf die Bekanntschaft mit dem Zeugen [X.] undauf die Aussage des [X.] [X.]. Soweit die Überzeugungsbil-dung auf der Aussage des Zeugen [X.]und auf Feststellungen zur [X.] durch den Angeklagten stützt, begegnet sie durchgreifenden [X.] Nach den Urteilsgründen hat sich [X.] in der Hauptverhandlung zuder entscheidenden Frage, wie er in das Innere des Lokals gekommen [X.] eindeutig geäußertfl. Einerseits will er das Lokal fldurch die Lokalein-gangstür, also über die unverschlossene [X.]fl, betreten haben. Ande-rerseits hat er angegeben, er sei durch [X.] in das Lokal [X.] -Die Annahme, der Angeklagte habe [X.] über diese flweiße Türfl Zugangzum Inneren des Lokals verschafft, entbehrt einer hinreichenden Grundlage.Die [X.] hat nicht verkannt, fldaß es gegen die Anstifterschaftdes Angeklagten sprechen würde, wenn [X.] den direkten Lokaleingang unddie [X.] benutzt hätte, nachdem die Beweisaufnahme keine Anhalts-punkte ergeben hat, daß sich der Angeklagte auch nur zeitweise im Besitz ei-nes der für diese Tür ausgegebenen Schlüssels befunden [X.] auch die Aussagen des [X.] insgesamt mit großer Vorsicht gewürdigt,weil aufgrund des traumatischen Ereignisses mit einer teilweisen Amnesie undnachträglichen Rekonstruktionen gerechnet werden müsse. Auch habe er hin-sichtlich der Vortatphase und zum Inbrandsetzen des Gemisches objektiv [X.] gesagt. Bei der Erinnerung des Zeugen [X.]an eine weiße Türhandele es sich aber um eine [X.], die nicht verfälscht sein kön-ne.Diesen Schluß kann der Senat nicht nachvollziehen.Die Aussage des Zeugen [X.] zu dem von ihm benutzten [X.] in den Urteilsgründen nur in Auszügen mitgeteilt. Auch fehlen Ausführun-gen zur Genese und zur Entwicklung der Aussage. Dies wäre angesichts einervon der [X.] zur Begründung ihrer Überzeugung herangezogenenteilweisen Amnesie bei dem Zeugen und der gerade den Angeklagten bela-stenden [X.] geboten gewesen. Der Senat kann nach den [X.] nicht überprüfen, ob die [X.] zu Recht eine Amnesie an-genommen hat und warum der Aussage des Zeugen nicht zu folgen war, er seidurch die Lokaleingangstür und die [X.] gegangen. Ebenso kann der- 8 -Senat nicht überprüfen, ob es tatsächlich Anhaltspunkte für die den Angeklag-ten belastende [X.] gab. Die Urteilsgründe lassen besorgen, die[X.] könnte ihre Überzeugungsbildung auf eine in der Hauptverhand-lung vorgebrachte Erinnerungslücke gestützt haben, ohne tatzeitnahe Verneh-mungen und tatzeitbezogene Einzelheiten zu berücksichtigen. In diesem Fallwürde es sich bei der Amnesie und der [X.] [X.] die nach den [X.] von keinem psychiatrischen Sachverständigen bestätigt wordenist - um ein nicht beweiskräftiges, sekundäres Phänomen handeln (vgl. [X.]/ [X.], Psychiatrische Begutachtung 3. Aufl. [X.]). Dies legt nahe, daßder Teil der Aussage, nach der der Brandleger [X.] durch die Lokalein-gangstür und die offene [X.] in das Bistro gelangt ist, was den Ange-klagten entlastet hätte, im Rahmen einer Gesamtbewertung der Zeugenaussa-ge nicht ausreichend gewürdigt worden ist.2. Unabhängig von der Frage, durch welche Tür der Zeuge [X.] indas Innere des Bistro gelangt ist, verdeutlichen die Urteilsgründe auch nicht,auf welchem Weg der Angeklagte den Auftrag an den Brandleger [X.]erteilthat. Die Feststellungen zu den Gesprächen, in denen der Angeklagte den ent-sprechenden Auftrag an den Zeugen [X.]und dieser an die vom [X.] gehörten [X.], [X.]. , [X.], [X.] und [X.] weiter-gegeben hat, und durch die der Zeuge [X.] dafür gewonnen worden ist,den Brand zu legen, belegen die Auftragserteilung bisher nicht. Nach den [X.] flteiltefl der Angeklagte dem Zeugen [X.] flsein Ansinnen mitfl,einen Brand zu legen und setzte eine Belohnung von mindestens 7.000 [X.]. Der von der [X.] gehörte Zeuge [X.] flerfuhr von der in [X.] gegebenen Brandlegungfl. Es ist nicht näher festgestellt, daß [X.]auch vom Auftrag des Angeklagten wußte. [X.] flfragtefl den [X.] -[X.]. , ob dieser jemanden kenne, der zur Brandlegung bereit sei. Über[X.]. flerfuhrfl der Zeuge [X.] flvon dem Ansinnen der [X.] der ausgesetzten [X.] Die Urteilsgründe enthalten auch hin-sichtlich der Zeugen D. , [X.] und [X.], die von [X.]ange-sprochen wurden, keinen Hinweis darauf, daß diese davon Kenntnis hatten,daß ihr Auftraggeber der Angeklagte war. Insbesondere ergeben die [X.] zu den Treffen der Zeugen bei der [X.]. fl und im [X.] keine Einzelheiten über Gespräche oder Absprachen, denen der [X.] entnehmen kann, daß die Beteiligten davon wußten, daß der Brand im [X.] des Angeklagten gelegt werden [X.] -3. Da das [X.] seine Überzeugung nicht nur auf das [X.] Interesse des Angeklagten an der Brandlegung gestützt hat, sondern auchauf die Aussage des Zeugen [X.] und die Umstände der Erteilung des [X.]s an ihn abhebt, muß die Sache insgesamt neu verhandelt werden.[X.] Boetticher [X.] ist beim [X.]ausgeschieden. [X.] Schluckebier

Meta

1 StR 613/99

11.04.2000

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2000, Az. 1 StR 613/99 (REWIS RS 2000, 2536)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 2536

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