Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.12.2022, Az. 2 WDB 7/22

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2022, 9120

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Gegenstand

Erfolgloser Antrag auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens


Leitsatz

1. Für das Ergehen eines Disziplinargerichtsbescheids bedarf es keiner ausdrücklichen Zustimmung des Wehrdisziplinaranwalts oder des Soldaten. Es genügt das Ausbleiben eines Widerspruchs.

2. Der nach Erlass eines Disziplinargerichtsbescheids eingelegte Widerspruch begründet keinen Wiederaufnahmegrund nach § 129 Abs. 1 Nr. 2 WDO analog.

Tenor

Die Beschwerde des früheren Soldaten gegen den Beschluss der 4. Kammer des [X.] vom 31. Mai 2022 wird zurückgewiesen.

Der frühere Soldat trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen.

Tatbestand

1

1. Mit seiner am 27. Juni 2022 erhobenen Beschwerde wendet sich der Ende 2020 aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit ausgeschiedene Soldat (Beschwerdeführer) gegen den ihm am 10. Juni 2022 zugestellten Beschluss der 4. Kammer des [X.] vom 31. Mai 2022. Mit ihm war sein Antrag auf Wiederaufnahme des von ihm unter dem [X.]. N 4 VL 43/19 geführten Wehrdisziplinarverfahrens als unzulässig verworfen worden (Verwerfungsbeschluss). Das [X.] begründet seinen - durch Nichtabhilfebeschluss bestätigten - Verwerfungsbeschluss im Wesentlichen damit, dass [X.] nicht vorlägen, insbesondere es an neuen erheblichen Tatsachen fehle. Der vom Beschwerdeführer für rechtswidrig erachtete [X.] vom 31. Mai 2021 ([X.]) sei auch nicht unter Verstoß gegen eine Prozessvoraussetzung erlassen worden, insbesondere liege kein fristgerecht erhobener Widerspruch vor.

2

2. Mit dem [X.] waren die Versorgungsbezüge des Beschwerdeführers gekürzt worden. Der [X.] war am 31. Mai 2021 zur Geschäftsstelle der Kammer gelangt, am 1. Juni 2021 abgesandt, dem Beschwerdeführer am 2. Juni 2021 und der [X.] am 18. Juni 2021 zugestellt sowie am 1. Juni 2021 an das besondere elektronische Anwaltspostfach des [X.] übermittelt worden.

3

a) Vor Ergehen des [X.]s hatte das [X.] dem Beschwerdeführer und - seinerzeit - Rechtsanwalt K im Februar 2021 unter Fristsetzung von zwei Wochen dessen Erlass angekündigt. Am 22. Februar 2021 monierte Rechtsanwalt S die Zustellung des Entwurfs des [X.]s an Rechtsanwalt K statt an ihn, worauf der Vorsitzende der Truppendienstkammer mit Schreiben vom 23. Februar 2021 klarstellend reagierte.

4

b) Unter dem 24. Februar 2021 hatte der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass nur Rechtsanwalt S sein Anwalt sei und ihn vertrete.

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c) Unter dem 8. April 2021 übermittelte das [X.] an Rechtsanwalt S über das besondere elektronische Anwaltspostfach unter dem Betreff "Ankündigung eines [X.]s" eine Ablichtung des Entwurfs des [X.]s (in der Rechtsanwalt K im Februar 2021 übermittelten Fassung) und setzte eine Einlassungsfrist von zwei Wochen. Unter dem 19. Mai 2021 teilte es Rechtsanwalt S mit, nachdem auf die Ankündigung keine Rückäußerung erfolgt sei, gehe es davon aus, dass dem nicht widersprochen werde.

6

3. Mit einem am 1. Juni 2021 über das besondere elektronische Anwaltspostfach übermittelten Schriftsatz hat Rechtsanwalt S seinen [X.] angezeigt und ausgeführt, er habe dem [X.] bereits im April 2021 telefonisch mitgeteilt, dass mit dem Ergehen des [X.]s kein Einverständnis bestehe. Ebenfalls unter dem 1. Juni 2021 stellte er ausdrücklich den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Er habe dem Erlass eines [X.]s nicht zugestimmt. Das Schreiben des Vorsitzenden vom 19. Mai 2021, welches erst am 28. Mai 2021 an seine alte [X.] zugestellt, ihm an seine Privatadresse nachgeschickt und dort am 1. Juni 2021 eingetroffen sei, habe ihm keine angemessene Reaktionszeit belassen.

7

4. Am 2. Juni 2021 hat das [X.] Rechtsanwalt S darauf hingewiesen, dass dieser nach dem Hinweis des seinerzeit zuständigen Vorsitzenden [X.] auf das Doppelvertretungsverbot das Mandat unter dem 2. Juli 2018 niedergelegt und der Beschwerdeführer erst mit Schreiben vom 10. April 2021 mitgeteilt habe, dass er durch ihn weiterhin vertreten werde. Das bis dahin bei der Kanzlei des Rechtsanwalts K geführte Mandat sei erst am 8. April 2021 niedergelegt worden. Der [X.] sei am 31. Mai 2021 sowohl an den Beschwerdeführer als auch an Rechtsanwalt S unter der bis dahin bekannten Anschrift versendet worden. Seit der Niederlegung des Mandats im Juli 2018 bis zum 1. Juni 2021 sei kein Schriftsatz von ihm zur Gerichtsakte gelangt und telefonische Rückrufbitten seien unbeantwortet geblieben. Das von ihm behauptete Gespräch mit dem Vorsitzenden im April 2021 habe es nicht gegeben. Es sei mit ihm nur am 22. Februar 2021 ein Telefonat geführt worden und zu diesem Zeitpunkt habe jedenfalls kein Mandatsverhältnis bestanden. Sein Schreiben vom 1. Juni 2021 werde als Widerspruch gegen den Erlass eines [X.]s verstanden.

8

5. Der Beschwerdeführer begründet seine Beschwerde im Wesentlichen damit, er habe dem [X.] durch Rechtsanwalt S unmissverständlich mitteilen lassen, dass ein [X.] nicht akzeptiert werde und unter dem 24. Februar 2021 Rechtsanwalt S ausdrücklich als seinen Verteidiger benannt. Was früher gegolten hätte, habe ab diesem Zeitpunkt keine Bedeutung mehr. Er sei nicht verpflichtet gewesen, mit Rechtsanwalt K zusammenzuarbeiten, zumal dieser schon Anfang 2019 aus der [X.] ausgeschieden sei und das Mandat niedergelegt habe. Das [X.] agiere in einem "wilden Schlingerkurs". Es habe den Erlass des [X.]s mehrfach angekündigt, dies unter dem 19. Mai 2021 noch einmal wiederholt und damit verdeutlicht, wegen des Schweigens des Beschwerdeführers nicht berechtigt zu sein, einen [X.] zu erlassen. Das rechtswidrige Agieren des [X.]s zeige sich auch im Zusammenhang mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Es sei ihm offensichtlich darauf angekommen, die Sache möglichst schnell zu erledigen und der Verteidigung Steine in den Weg zu legen. Auf der einen Seite operiere es drei Monate an der Frage, wer bevollmächtigt sei und wer wann welche Erklärungen abgegeben habe, auf der anderen Seite würden Entscheidungen dann so schnell erlassen, dass der Verteidigung keine Interventionschance verbleibe. Dies verletze ihn in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör.

Entscheidungsgründe

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1. Die Beschwerde ist zulässig.

Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist gegen Beschlüsse des [X.]s die Beschwerde an das [X.] zulässig, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Letzteres ist nicht der Fall. Zwar stehen [X.]e gemäß § 102 Abs. 2 Satz 2 [X.] einem rechtskräftigen Urteil gleich, womit deren Anfechtung durch ordentliche Rechtsmittel ausgeschlossen ist. Der Beschwerdeführer wendet sich jedoch nicht unmittelbar gegen den [X.], sondern gegen die Entscheidung des [X.]s, die auf § 129 [X.] gestützte Wiederaufnahme des durch - einem Urteil gleichstehenden - [X.] ([X.]/[X.], [X.], 8. Aufl. 2022, § 129 Rn. 3a [X.] m. § 102 Rn. 11; zum Strafverfahren vgl. § 410 Abs. 3 [X.]) abgeschlossenen wehrdisziplinargerichtlichen Verfahrens abzulehnen.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

a) Ein rechtskräftig abgeschlossenes gerichtliches Disziplinarverfahren, wie § 129 Abs. 1 Halbs. 1 [X.] es voraussetzt, liegt vor. Zwar wurde es nicht durch Urteil abgeschlossen, sondern durch [X.]. Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 2 [X.] steht dieser jedoch mit seiner Zustellung an den Soldaten einem rechtskräftigen Urteil gleich. Die Zustellung an den Soldaten, auf den die Norm maßgeblich abstellt, erfolgte am 2. Juni 2021.

b) Ein Wiederaufnahmegrund nach § 129 Abs. 1 Nr. 2 [X.] besteht nicht.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob Tatsachen im Sinne des § 129 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nur solche sind, die das materielle und nicht auch das Prozessrecht betreffen ([X.], in: [X.]/[X.], [X.], 65. Aufl. 2022, § 359 Rn. 22; [X.], in: [X.], [X.], Stand Oktober 2022, § 359 Rn. 21; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 6. Aufl. 2019, § 359 Rn. 15; [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl. 2022, § 129 Rn. [X.]). Denn selbst wenn man entsprechend dem weiteren Wortlaut der Norm prozessuale Tatsachen wie die vom Soldaten behaupteten Widersprüche gegen den Erlass eines [X.] - im Rahmen eines Telefonats mündlich sowie am 1. Juni 2021 schriftlich - einbezieht, würde dies im vorliegenden Fall nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens führen. Weder bedurfte es einer ausdrücklichen Zustimmung des Soldaten zum Erlass eines [X.] (aa) noch liegen Widersprüche vor, die zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens veranlassen (bb).

aa) Anders als zum Teil vertreten (vgl. [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl. 2022, § 102 Rn. 7), bedurfte es keiner ausdrücklichen Zustimmung des Soldaten zum Ergehen des [X.]. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut steht dem Erlass eines [X.] nur ein Widerspruch entgegen. Dem entspricht, dass die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines [X.] des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung anderer Vorschriften ebenfalls vom "Ausbleiben eines Widerspruchs" binnen einer gerichtlich bestimmten Frist spricht (vgl. [X.]. 14/4660 S. 35) und der [X.]esgesetzgeber durch Regelungen wie § 59 Abs. 1 Satz 2 [X.] sogar von einer fingierten Zustimmung ausgeht (vgl. [X.], in: [X.], Disziplinarrecht in [X.] und Ländern, Stand Januar 2014, § 67 Rn. 11), wenn kein Widerspruch erfolgt.

bb) An rechtswirksamen Widersprüchen fehlt es.

aaa) Soweit es den behaupteten, im Rahmen eines Telefonats mündlich erhobenen Widerspruch betrifft, kann dahingestellt bleiben, ob er nicht ohnehin der Schriftform bedurft hätte; jedenfalls hat der Soldat den Nachweis dessen nicht "erbracht" im Sinne des § 129 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Die schlichte, ohne Angabe von Datum und Uhrzeit und auch nicht durch anwaltliche Versicherung aufgestellte Behauptung des Verteidigers, bereits im Rahmen eines Telefonats Widerspruch erhoben zu haben, erbringt nicht den Nachweis eines dem [X.] zum Zeitpunkt seiner Entscheidung subjektiv unbekannten (vgl. auch [X.], Beschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 Ws 211/04 - NStZ-RR 2005, 179 <180>) Widerspruchs als neuen Umstand im Sinne des § 129 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Dies gilt umso mehr, als der Vorsitzende der Truppendienstkammer allein ein Telefonat am 22. Februar 2021 erwähnt und - ungeachtet einer etwaigen Erklärung des aktuellen Verteidigers - zutreffend auf ein zu diesem Zeitpunkt nicht bestehendes Mandatsverhältnis hingewiesen hat, nachdem der aktuelle Verteidiger das Mandat im Juli 2018 zunächst niedergelegt hatte.

bbb) Der am 1. Juni 2021 schriftsätzlich erhobene Widerspruch begründet ebenfalls keinen Wiederaufnahmegrund.

(1) Zwar handelt es sich um eine neue Tatsache, die dem Gericht bei seiner Entscheidung nicht bekannt gewesen ist im Sinne des § 129 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Denn der [X.] gelangte bereits am 31. Mai 2021 und somit vor Eingang des Widerspruchs zur Geschäftsstelle. Bei einer Entscheidung, die außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht und nicht verkündet wird, ist sie zwar regelmäßig erst dann unabänderbar, wenn ihn die Geschäftsstelle an eine Behörde oder Person außerhalb des [X.] hat und eine Abänderung tatsächlich unmöglich ist. Hiervon sind jedoch Beschlüsse ausgenommen, die unmittelbar die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung herbeiführen. Sie sind bereits dann erlassen, wenn sie mit der Unterschrift des Richters versehen in den Geschäftsgang gegeben werden (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Mai 2011 - 3 [X.] - NStZ 2011, 713 <713>; [X.], Beschluss vom 1. März 2021 - 2 Ss ([X.]) 6/21 - NStZ-RR 2021, 222 <222>; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 65. Aufl. 2022, Vor § 33 Rn. 9). Der [X.] überträgt diese Wertung auf den [X.], der nach § 102 Abs. 2 Satz 2 [X.] unanfechtbar in Rechtskraft erwächst. Da die Entscheidung des Vorsitzenden über den [X.] somit jedenfalls mit dem Zugang zur Geschäftsstelle am 31. Mai 2021 ergangen war, bildete der Eingang des Widerspruchs am 1. Juni 2021 eine neue Tatsache.

(2) Diese Tatsache war indes nicht mehr erheblich im Sinne des § 129 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

(2.1) Dies folgt nicht bereits daraus, dass der Widerspruch von einem dazu nicht (mehr) befugten Verteidiger eingelegt worden wäre. Die vom [X.] gegenüber Rechtsanwalt S im Hinblick auf das Verbot der Mehrfachverteidigung nach § 146 [X.] geäußerten Bedenken hatte es nicht durch einen Zurückweisungsbeschluss nach § 146a Abs. 1 Satz 1 [X.] abschließend festgestellt; erst durch eine solche förmliche Entscheidung wären dessen Verteidigungsbefugnisse verloren gegangen ([X.], in: [X.]/[X.], [X.], 65. Aufl. 2022, § 146a Rn. 1). Die am 2. Juli 2018 erklärte Mandatsniederlegung war zudem - wie bereits angesprochen - dadurch gegenstandslos geworden, dass der Beschwerdeführer unter dem 24. Februar 2021 erklärt hatte, Rechtsanwalt S vertrete ihn weiterhin.

Im Hinblick darauf hat das [X.] die (erneute) Ankündigung eines [X.] auch zutreffend an Rechtsanwalt S adressiert, der ausweislich der Vollmacht vom 6. Juli 2018 (dort Nr. 4) gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.] m. § 145a Abs. 1 Satz 1 [X.] als ermächtigt galt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Beschwerdeführer in Empfang zu nehmen. Die Ankündigung durfte auch über das besondere elektronische Anwaltspostfach erfolgen, da der durch Art. 7 Nr. 17 des Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz 2008 - [X.] 2008) vom 31. Juli 2008 ([X.] 1629) in § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] eingefügte Verweis auf § 55a VwGO dessen Abs. 7 einschließt. Aus ihm folgt (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 27. Aufl. 2021, § 55a Rn. 18; [X.], Beschluss vom 17. März 2020 - 5 E 108/19 - LKV 2020, 558), dass es im Ermessen der Verwaltungsgerichte (vgl. [X.], Beschluss vom 17. März 2020 - 5 E 108/19 - LKV 2020, 558 <559>) und - wegen der Verweisungsnorm des § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] - somit auch der [X.] steht, Mitteilungen an Rechtsanwälte in deren besonderes elektronisches Anwaltspostfach zu übermitteln. Hierbei verpflichtet der durch Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 12. Mai 2017 ([X.] 1121) eingeführte § 31a Abs. 6 [X.] Rechtsanwälte dazu, gerichtliche Zustellungen und Mitteilungen zur Kenntnis zu nehmen (passive Nutzungspflicht; vgl. [X.], Beschluss vom 19. September 2019 - 5 Ta 94/19 - NZA-RR 2019, 659 Rn. 15). Zwar liegt kein Empfangsbekenntnis (§ 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.] m. § 37 Abs. 1 [X.], § 175 Abs. 1 ZPO) des Rechtsanwalts S darüber vor, dass die mit richterlicher Verfügung vom 8. April 2021 unter Fristsetzung ausgesprochene Ankündigung des [X.] bei ihm eingetroffen ist; dieser hat deren Eingang über das besondere elektronische Anwaltspostfach indes weder in seinen Schriftsätzen vom 1. Juni 2021 noch in seiner Beschwerdebegründung in Abrede gestellt. Dem entspricht, dass er in der Beschwerdebegründung - wie dargelegt, in der Sache unzutreffend - ausführt, allein das Schweigen zur Ankündigung eines [X.] stehe dem Erlass eines [X.] entgegen.

(2.2) Die gesetzte Widerspruchsfrist war auch nicht unangemessen (vgl. [X.], [X.] 2002, 232 <236 ff.>). Sie gewährleistete mit zwei Wochen ausreichend rechtliches Gehör, zumal die Ladungsfrist in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten zwei (§ 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und bei wehrdienstgerichtlichen Streitigkeiten eine Woche (§ 103 Abs. 2 Halbs. 1 [X.]) beträgt.

(2.3) Ebensowenig ist der Widerspruch deshalb unerheblich, weil er nicht binnen der dem Soldaten unter dem 8. April 2021 gesetzten Frist von zwei Wochen, die somit gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.] m. § 43 Abs. 1 Halbs. 1 [X.] am 23. April 2021 ablief, beim [X.] eingegangen ist. Denn die Frist ist keine Präklusionsfrist. Dies hätte eine Art. 19 Abs. 4 [X.] und Art. 2 Abs. 1 [X.] m. Art. 20 Abs. 3 [X.] berührende Rechtswegerschwerung zur Folge, für die es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft hätte. Dies gilt umso mehr, als mit dem Ergehen eines [X.] der Anspruch auf mündliche Verhandlung nach Art. 6 [X.] unmittelbar berührt wird (BVerwG, Beschluss vom 28. September 2021 - 2 [X.] 2.21 - BVerwGE 173, 290 Rn. 12; zu den Ausnahmen: [X.]/[X.], in: [X.]/[X.]/Marauhn, [X.]/[X.], 3. Aufl. 2022, [X.]. 14 Rn. 132). Die richterliche und durch § 102 Abs. 1 Satz 2 [X.] vorausgesetzte Frist bildet mithin lediglich eine Sperrfrist, innerhalb derer der [X.] nicht ergehen darf.

(2.4) Ist ein [X.] bereits im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.] m. § 33 Abs. 2 [X.] erlassen, ist ein danach erhobener Widerspruch indes nicht mehr erheblich im Sinne des § 129 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Denn nach dem Erlass einer verfahrensrechtlichen Entscheidung können keine Prozesserklärungen mehr abgegeben werden (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Mai 2011 - 3 [X.] - NStZ 2011, 713 für Rücknahmen). Es würde dem mit einem [X.] verfolgten Sinn und Zweck des [X.] zuwiderlaufen, einem nach seinem Erlass erhobenen Widerspruch noch Bedeutung beizumessen. Einem nach ordnungsgemäßer Fristsetzung und erst nach Ergehen des [X.] eingelegten Widerspruch im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens Bedeutung beizumessen, würde in der Sache zu einem ordentlichen Rechtsbehelf führen, den das Gesetz ausdrücklich ausschließt.

3. [X.] folgt aus § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 5 Satz 2 [X.].

Meta

2 WDB 7/22

22.12.2022

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WDB

vorgehend Truppendienstgericht Nord, 31. Mai 2022, Az: N 4 WL 01/21, Beschluss

§ 102 Abs 2 S 2 WDO 2002, § 129 Abs 1 Nr 2 WDO 2002, § 129 Abs 2 Nr 2 WDO 2002, § 59 Abs 1 S 2 BDG, § 67 Abs 2 BDG, § 146 StPO, § 146a Abs 1 S 1 StPO, § 55a Abs 7 VwGO, § 31a Abs 6 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.12.2022, Az. 2 WDB 7/22 (REWIS RS 2022, 9120)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9120

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3 StR 72/11

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