Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.06.2013, Az. 10 B 10/13, 10 B 10/13, 10 PKH 10/13

10. Senat | REWIS RS 2013, 4789

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Gegenstand

Wiedereinsetzung; unverschuldete Verhinderung; Wegfall des Hindernisses; Akteneinsicht


Gründe

1

1. Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil seine Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 [X.] i.V.m. § 114 ZPO).

2

2. Die [X.]eschwerde ist unzulässig, denn sie ist nicht rechtzeitig innerhalb der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 [X.] begründet worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann dem Kläger nicht gewährt werden.

3

2.1 Das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil des [X.] ist dem seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des [X.] am 14. März 2013 zugestellt worden, der auch am 15. April 2013 (einem Montag) eine [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben hat. Die Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 [X.] zur [X.]egründung der [X.]eschwerde ist mithin am 14. Mai 2013 abgelaufen. Der Schriftsatz zur [X.]egründung der [X.]eschwerde ist aber erst am Montag, den 10. Juni 2013 beim [X.]erufungsgericht eingegangen. Damit ist die Frist zur [X.]egründung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt.

4

2.2 Eine Wiedereinsetzung setzt nach § 60 Abs. 1 [X.] voraus, dass der [X.]etroffene ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten; das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wird ihm zugerechnet (§ 173 Satz 1 [X.] i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

5

2.2.1 Die Wiedereinsetzungsgründe, d.h. sämtliche Umstände, die für die Frage von [X.]edeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zu der Fristversäumnis gekommen ist, müssen bei einem Wiedereinsetzungsgesuch grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 [X.] dargelegt werden. Erforderlich ist eine rechtzeitige substanziierte und schlüssige Darstellung der für die unverschuldete [X.] wesentlichen Tatsachen ([X.]eschlüsse vom 6. Dezember 2000 - [X.]VerwG 2 [X.] - [X.] 310 § 60 [X.] Nr. 236 und vom 3. Februar 1993 - [X.]VerwG 6 [X.] - [X.] 310 § 60 [X.] Nr. 183).

6

2.2.2 Der nunmehrige Prozessbevollmächtigte hat zur [X.]egründung seines Wiedereinsetzungsantrags geltend gemacht, er sei ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die [X.]eschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen, denn er habe erst am 10. Mai 2013 Einsicht in die [X.] erhalten, die für die [X.]egründung der [X.]eschwerde erforderlich gewesen sei. Erst mit der Akteneinsicht sei das Hindernis weggefallen mit der Folge, dass er gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.] verpflichtet gewesen sei, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und die versäumte Rechtshandlung nachzuholen, mithin die [X.]eschwerde zu begründen. Dem sei er nachgekommen. Dieses Vorbringen rechtfertigt die Wiedereinsetzung nicht.

7

2.2.2.1 Das geltend gemachte Hindernis - Nichtgewährung von Akteneinsicht - ist nach dem Vorbringen des [X.] bereits am 10. Mai 2013 und damit vor Ablauf der [X.]egründungsfrist weggefallen. Entgegen der offenbar von dem Kläger vertretenen Rechtsauffassung, die sich so indes auch im Schrifttum findet (Kopp/[X.], [X.], 19. Aufl., § 60 Rn. 7), wird bei Wegfall eines Hindernisses noch innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht etwa von diesem Zeitpunkt an ohne Weiteres eine "Überlegungsfrist" von einem Monat entsprechend § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.] oder von geringerer Dauer in Lauf gesetzt; vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls - insbesondere die Schwierigkeit der [X.]eurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs - an, ob eine über die eigentliche Rechtsmittelfrist hinausreichende zusätzliche "[X.]eratungsfrist" einzuräumen ist ([X.]eschluss vom 16. Februar 1999 - [X.]VerwG 8 [X.] 10.99 - [X.] 310 § 60 [X.] Nr. 222 = NVwZ-RR 1999, 472; s.a. [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 60 Rn. 104).

8

Dass es dem Prozessbevollmächtigten des [X.] in den verbleibenden Arbeitstagen bis zum Fristablauf nicht möglich gewesen sein sollte, etwa aus der Einsicht in die [X.]ehörden- und Gerichtsakten gewonnene Zusatzinformationen so in die [X.]egründung der bereits eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde einzuarbeiten, dass eine den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 [X.] genügende [X.]eschwerdebegründung fristgerecht hätte eingereicht werden können, ist nicht ersichtlich oder vorgetragen.

9

2.2.2.2 Unabhängig davon liegt eine unverschuldete Verhinderung nicht schon stets dann vor, wenn ein Prozessbevollmächtigter innerhalb der Rechtsmittel(begründungs)frist eine von ihm für erforderlich gehaltene Akteneinsicht nicht hat nehmen können ([X.]eschluss vom 7. September 1976 - [X.]VerwG 7 [X.] 104.76 - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 75 = NJW 1977, 262). Der nunmehrige Prozessbevollmächtigte hat [X.] erst mit am 6. Mai 2013 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 3. Mai 2013 beantragt, die dann bereits am 10. Mai 2013 (einem Freitag nach einem gesetzlichen Feiertag) gewährt worden ist.

Soweit der Zeitpunkt des [X.] erst ca. eine Woche vor Fristablauf darauf zurückzuführen sein sollte, dass der Kläger während des Laufes der [X.]eschwerdebegründungsfrist die Prozessbevollmächtigten gewechselt und seinen derzeitigen Verfahrensbevollmächtigten beauftragt hat, muss sich der Kläger eine hierdurch bewirkte Verzögerung der [X.]egründung der bereits eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich zurechnen lassen. Es ist jedenfalls nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass der Wechsel der Verfahrensbevollmächtigten aus Gründen erfolgt ist, die dem Kläger ausnahmsweise nicht zuzurechnen sind.

3. Die [X.]eschwerde hätte im Übrigen auch in der Sache keinen Erfolg gehabt.

3.1 Die Revision wäre nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) der Fragen zuzulassen gewesen:

"Welche Auswirkungen hat eine posttraumatische [X.]elastungsstörung des [X.]etroffenen auf eine stringente zeitliche Einordnung von zurückliegenden Ereignissen?"

und

"Welche Auswirkungen hat eine posttraumatische [X.]elastungsstörung des [X.]etroffenen auf eine nicht völlig widerspruchsfreie Aussage des [X.]etroffenen?"

Diese Fragen betreffen nicht einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugängliche Tatsachenfragen der Auswirkungen einer - als gegeben unterstellten - posttraumatischen [X.]elastungsstörung.

3.2. Die geltend gemachten Abweichungen des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des [X.]undesverwaltungsgerichts (Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 [X.]) hätten ebenfalls nicht zur Revisionszulassung geführt.

Die [X.]eschwerde benennt zwar Entscheidungen des [X.]undesverwaltungsgericht, von denen abgewichen worden sein soll ("[X.]eschlüsse vom [X.] - [X.]VerwG 1 [X.] 128.02 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 [X.] Nr. 326 vom [X.] - [X.]VerwG 1 [X.] 18.02 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 [X.] Nr. 319 vom 27.03.2000 - [X.]VerwG 9 [X.] 518.99 - [X.] 310 § 98 [X.] Nr. 60 vom 27.01.2000 - [X.]VerwG 9 [X.] 613.99 - [X.] 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 228 und vom 11.02.1999 - [X.]VerwG 9 [X.] 381.98 - [X.] 310 § 86 Abs. 2 [X.] Nr. 42"), bezeichnet aber nicht - wie nach § 133 Abs. 3 Satz 3 [X.] zur [X.]egründung der [X.] erforderlich - einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung unter anderem des [X.]undesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das bloße Aufzeigen einer - vermeintlich - fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung solcher Rechtssätze genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer [X.] nicht (vgl. [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 [X.] Nr. 26 = NJW 1997, 3328 und vom 8. März 2012 - [X.]VerwG 10 [X.] 2.12). So liegt es hier.

3.3 Die Revision wäre auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 [X.]) zuzulassen gewesen.

3.3.1 Soweit die [X.]eschwerde eine unzureichende Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 [X.]) durch das [X.]erufungsgericht rügt, weil es nicht von Amts wegen der Frage nachgegangen sei, ob der Kläger bei einer Rückkehr in den [X.] eine wesentliche Gesundheitsverschlechterung im Sinne einer existentiellen Gesundheitsgefahr droht und demzufolge die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 [X.] vorliegen, weil für eine bestehende posttraumatische [X.]elastungsstörung im Abschiebezielstaat keine ausreichenden [X.]ehandlungsmöglichkeiten gegeben seien, genügt das Vorbringen ebenfalls nicht den [X.]. Dazu muss die [X.]eschwerde entweder darlegen, dass bereits im Verfahren vor dem [X.] auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 - [X.]VerwG 10 C 11.07 - [X.]VerwGE 131, 186 = [X.] 451.902 Europ. [X.] u. Asylrecht Nr. 21 jeweils Rn. 13 m.w.N.). Keine dieser Voraussetzungen erfüllt die [X.]eschwerde. Namentlich fehlt es an Vorbringen zur Frage, aufgrund welchen Vorbringens sich dem [X.]erufungsgericht eine nicht nur drohende oder sich entwickelnde, sondern eine bestehende posttraumatische [X.]elastungsstörung aufdrängen musste, die zudem nicht auf Ereignisse im Herkunftsland zurückzuführen war, und ob bzw. in welchem Umfange eine als gegeben unterstellte posttraumatische [X.]elastungs- und nicht nur Anpassungsstörung mit welchem Erfolg zu einer ärztlichen [X.]ehandlung geführt hat und nach Art und Schwere weiterhin in einem Umfang behandlungsbedürftig ist, dass diese [X.]ehandlung im Herkunftsstaat nicht geleistet werden könne. Die mit der [X.]egründung der Nichtzulassungsbeschwerde eingereichten ärztlichen Unterlagen (Entlassungsbrief vom 29. Februar 2012 und [X.]escheinigung vom 22. März 2012) sind dem [X.]erufungsgericht nicht vorgelegt worden; nach ihrem Inhalt hätte sich eine weitere Sachaufklärung unabhängig vom Vorbringen des [X.] auch nicht aufgedrängt.

3.3.2 Die [X.]eschwerde bezeichnet auch nicht, aus welchen Gründen sich zu genau welchen entscheidungserheblichen Zweifelsfragen dem Oberverwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen, den Sachverständigen des [X.] zur Erläuterung des Gutachtens zu laden.

4. Von einer weiteren [X.]egründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 [X.]).

Meta

10 B 10/13, 10 B 10/13, 10 PKH 10/13

25.06.2013

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: PKH

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 26. Februar 2013, Az: A 4 A 702/08, Urteil

§ 60 Abs 1 VwGO, § 60 Abs 2 S 1 Halbs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.06.2013, Az. 10 B 10/13, 10 B 10/13, 10 PKH 10/13 (REWIS RS 2013, 4789)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4789

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