Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.12.2013, Az. AnwZ (Brfg) 68/13

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2013, 239

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Gegenstand

Verwaltungsrechtliche Anwaltssache: Passivlegitimation bei Klage gegen die Nichtaufnahme eines Tagesordnungspunkts für die Versammlung der Rechtsanwaltskammer


Tenor

Auf den Antrag des [X.] wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 15. Juli 2013 insoweit zugelassen, als die Klage gegen die Beklagte zu 2 abgewiesen worden ist.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1; im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Urteil im Berufungsverfahren vorbehalten.

Der Geschäftswert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage darüber, ob eine Verpflichtung des [X.] zu 1 in seiner Funktion als Präsident der [X.] zu 2 bestand, einen Antrag des [X.] auf die Tagesordnung der ordentlichen Kammerversammlung vom 20. April 2012 zu setzen. Der [X.] hat die Klage abgewiesen; hiergegen richtet sich der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung.

II.

2

Der nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 Vw[X.] statthafte Antrag des [X.] hat nur zum Teil Erfolg.

3

1. Der Antrag ist unbegründet, soweit der [X.] die gegen den [X.] zu 1 gerichtete Klage mangels Passivlegitimation abgewiesen hat; die diesbezüglich vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 Vw[X.]) liegen nicht vor.

Die Klage ist gegen die Rechtsanwaltskammer oder Behörde zu richten,

1. die den Verwaltungsakt erlassen hat oder zu erlassen hätte; für hoheitliche Maßnahmen, die berufsrechtliche Rechte und Pflichten der Beteiligten beeinträchtigen oder verwirklichen, gilt dies sinngemäß;

2. deren Entschließung Gegenstand des Verfahrens ist.

5

Bereits dieser Wortlaut spricht gegen die Annahme, eine Klage gegen die vom Präsidenten einer Rechtsanwaltskammer als Organ seiner Kammer nach §§ 85 Abs. 1, 87 Abs. 1 [X.] getroffene Entscheidung, den Antrag eines Kammermitglieds nicht auf die Tagesordnung zu setzen, sei nicht gegen die "Rechtsanwaltskammer", sondern gegen den Präsidenten persönlich als "Behörde" zu richten.

6

Einer solchen Annahme widerspricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17. Dezember 2008 (BT-Drucks. 16/11385, [X.]) heißt es:

"§ 112d Abs. 1 [X.]-E regelt künftig teilweise abweichend von dem nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 Vw[X.] geltenden Rechtsträgerprinzip, dass die Klagen wie bisher gegen die Behörden, also die Rechtsanwaltskammern (§ 37 Abs. 2 [X.]) oder die Justizverwaltungen zu richten sind. Dies gilt auch, wenn Organe der Rechtsanwaltskammern handeln. Die in § 112d Abs. 1 Nr. 2 [X.]-E genannten Entschließungen erfassen die Wahlen und Beschlüsse."

7

Nach dem Willen des Gesetzgebers sind mithin Klagen, auch wenn Organe der Rechtsanwaltskammern für diese gehandelt haben, gegen die Kammern zu richten.

8

Dies verdeutlicht auch § 112d Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Nach § 90 [X.] a.F. konnten Wahlen oder Beschlüsse des Vorstands, des Präsidiums oder der Versammlung der Kammer unter bestimmten Voraussetzungen für ungültig oder nichtig erklärt werden. Hierbei richtete sich der Antrag nach § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. gegen die Rechtsanwaltskammer und nicht gegen das betroffene Organ. Diese Fälle werden nunmehr von § 112d Abs. 1 Nr. 2 [X.] erfasst. Dass abweichend von der bisherigen Rechtslage die Klagen nicht mehr gegen die Kammer, sondern das betroffene Organ zu richten wären, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung gerade nicht.

9

Dementsprechend wird im Schrifttum nicht - auch nicht an den in der Zulassungsbegründung zitierten Fundstellen; dort wird nur die o.a. Gesetzesbegründung wiedergegeben - die Auffassung vertreten, die Klage sei beim Handeln eines Organs der Rechtsanwaltskammer nicht gegen diese, sondern gegen das Organ als "Behörde" zu richten (siehe nur [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 112d Rn. 5; [X.]/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 112d [X.], Rn. 3, 5, 9; [X.] in [X.]Prütting, [X.], 3. Aufl., § 112d Rn. 1, 3; Kleine-Cosack, [X.], 6. Aufl., § 112d Rn. 1).

Der [X.] hat deshalb zutreffend die Klage gegen den [X.] zu 1 mangels Passivlegitimation abgewiesen. Da die Rechtslage eindeutig ist, wirft der Fall auch keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten oder eine erst in einem Berufungsverfahren zu klärende Grundsatzfrage auf.

2. Soweit die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage abgewiesen worden ist, lässt der Senat die Berufung nach § 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 Vw[X.] zu. Nach § 5 Nr. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung ([X.]) der [X.] zu 2 ist ein Gegenstand auf die Tagesordnung der Kammerversammlung zu setzen, wenn dies von mindestens 25 Kammermitgliedern schriftlich beantragt wird. Den streitgegenständlichen Antrag des [X.] haben weitere 25 Kammermitglieder unterzeichnet. Der [X.] hat die Auffassung vertreten, dem Präsidenten der [X.] zu 2 stehe bei Anträgen nach § 5 Nr. 3 Satz 2 [X.] ein Prüfungsrecht dahingehend zu, ob diese einen Gegenstand betreffen, der vom Funktionsbereich der Kammer abgedeckt ist und damit in deren Zuständigkeit fällt; verneinenden Falls habe er die Aufnahme in die Tagesordnung abzulehnen. Der Kläger hat diese Auffassung mit beachtlichen Argumenten angegriffen. Bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung kann nicht ausgeschlossen werden, dass die von ihm angestrebte Berufung Erfolg hat.

III.

Das Verfahren wird als Verfahren über die Berufung des [X.] gegen die Beklagte zu 2 fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Kläger bedarf es nicht (§ 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5 Satz 5 Vw[X.]).

Rechtsmittelbelehrung:

Die Berufung ist durch den Kläger innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim [X.], [X.] 45a, 76133 [X.] einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die Rechtsmittelbelehrung in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 6 Vw[X.]).

Tolksdorf                        Roggenbuck                        Seiters

                   Martini                               [X.]

Meta

AnwZ (Brfg) 68/13

17.12.2013

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof München, 15. Juli 2013, Az: BayAGH I - 19/12, Urteil

§ 112d Abs 1 BRAO, § 113 Abs 1 S 4 VwGO, § 35 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.12.2013, Az. AnwZ (Brfg) 68/13 (REWIS RS 2013, 239)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 239

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