Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.03.2023, Az. 1 W-VR 2/23

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2023, 2199

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Gegenstand

Unbegründeter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung; Konkurrentenstreit um einen A 16-Dienstposten


Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Tatbestand

1

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz in einem Konkurrentenstreit um die Besetzung des nach der Besoldungsgruppe [X.] bewerteten Dienstpostens des ... im BA[X.] (...).

2

Der 1962 geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 2023. Er ist Stabsoffizier mit der Befähigung zum Richteramt (Stabsoffizier Recht). Zuletzt wurde er am 21. Februar 2002 zum Oberstleutnant befördert und mit Wirkung vom 1. November 2005 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe [X.] eingewiesen. Seit Oktober 2009 wurde er zunächst als Dezernatsleiter ... und sodann als Referatsleiter ... verwendet. Mit Dienstantritt zum 1. März 2021 wurde er auf den Dienstposten eines Stabsoffiziers zur besonderen Verwendung in diesem Referat versetzt.

3

Der 1974 geborene [X.] ist Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem 31. März 2036 enden. Im Mai 2009 wurde er zum Oberstleutnant ([X.]) befördert und mit Wirkung vom 1. November 2013 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe [X.] eingewiesen. Nach Verwendung auf verschiedenen Referentendienstposten im ... wurde er zum 1. Juli 2022 zum ... versetzt. Mit Verfügung vom 28. Juli 2022 (Nr. 2200359066) wurde der [X.] zum 1. August 2022 mit Dienstantritt am 29. August 2022 auf den streitgegenständlichen Dienstposten versetzt und in der Folge zum Oberst befördert.

4

Unter dem 4. März 2022 beantragte der Antragsteller seine Versetzung auf den streitgegenständlichen Dienstposten und legte mit [X.] vom 4. Juli 2022 Untätigkeitsbeschwerde ein.

5

Am 14. Juli 2022 entschied in Vertretung der Präsidentin die Vizepräsidentin des [X.], den streitgegenständlichen Dienstposten mit dem [X.]n zu besetzen.

6

Der Besetzungsentscheidung liegt die am 9. Juni 2022 getroffene Organisationsgrundentscheidung "Aufsteigende" zugrunde. Der Planungsbogen für das Auswahlverfahren weist folgende Hauptaufgaben des Dienstpostens aus:

"1. Steuern, Koordinieren und Überwachen der abteilungsübergreifenden fachlichen Informationssteuerung, der Terminüberwachung, des Berichtswesens sowie Sicherstellen der Qualitätssicherung bei ausgehenden Produkten.

2. Steuern, Koordinieren und Überwachen der abteilungsübergreifenden fachlich operativen Nutzung des [X.] sowie Entscheiden über den Einsatz/der Durchführung ONI.

3. Wahrnehmung des Beauftr [X.] mit dem besonderen Aufgabenbereich der Wahrung der militärischen Ordnung und Disziplin für die unterstellten militärischen Angehörigen der ... gem. vorl. [X.] BA[X.] sowie Ausüben der Disziplinarbefugnis nach Anordnung BMVg [X.] 1."

7

Im Anforderungsprofil werden die dienstpostenbezogenen Kriterien wie folgt aufgezählt:

"Ref BMVg mit nachrichtendienstlicher Schnittstellenfunktion und Bezug zu Sicherheitsbehörden/Nachrichtendiensten BMVg R oder SE

Führungserfahrung als Disziplinarvorgesetzter

Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem [X.] (wünschenswert)"

8

Ausweislich des [X.] wurden neben dem [X.]n 22 weitere Oberstleutnante darunter der Antragsteller mitbetrachtet, aber nicht in die vergleichende Betrachtung zwischen dem [X.]n und zwei weiteren Oberstleutnanten einbezogen. Die mitzubetrachtenden [X.] seien entweder nicht im Wesentlichen leistungsgleich mit dem bestbeurteilten Offizier im Kandidatenfeld oder würden das zwingende Kriterium der Führungserfahrung als Disziplinarvorgesetzter nicht erfüllen und kämen daher nicht in die engere Betrachtung. Der als bestgeeigneter zur Auswahl empfohlene [X.] wurde 2021 mit "A+" bewertet. In der Personalentwicklungsbewertung 2021 wurde ihm "[X.]" zugesprochen.

9

Mit Bescheid vom 9. August 2022 lehnte das [X.] den [X.] ab. Ausgewählt worden sei ein mit "A+" bewerteter, leistungsstärkerer Kandidat, gegen den sich der mit "C+" bewertete Antragsteller nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG nicht habe durchsetzen können.

Unter dem 18. August 2022 beschwerte sich der Antragsteller gegen die Auswahlentscheidung. Mit [X.] vom 21. September 2022 legte er Untätigkeitsbeschwerde ein.

Mit [X.] vom 10. Januar 2023 hat der Antragsteller Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Er macht geltend, die Entscheidung sei durch eine unzuständige Stelle getroffen worden. Der Anordnungsgrund folge aus dem Umstand, dass der [X.] auf dem streitgegenständlichen Dienstposten seit mehr als sechs Monaten Dienst leiste und drohe, einen uneinholbaren Erfahrungsvorsprung zu erlangen. Der [X.] erfülle anders als er selbst eine zwingende Voraussetzung für eine Führungsverwendung im [X.] nicht, weil er entgegen Abschnitt 3.3. Nr. 309 und Abschnitt 6.3 Fußnote 1 des Zentralerlasses ([X.]) [X.]/4 nicht über eine Vorverwendung im [X.] verfüge. Soweit eine Vorverwendung im [X.] bei [X.] gegeben sein sollte, basiere die Auswahlentscheidung auf einem Ermessensfehlgebrauch. Wegen seiner Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 31. März 2023 liege eine besondere Eilbedürftigkeit vor.

Der Antragsteller beantragt,

die Versetzung des [X.]n auf den Dienstposten BA[X.] - ... ([X.]) im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig rückgängig zu machen,

dem [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, dem [X.]n jedwede Führungsaufgabe innerhalb der BA[X.]-Abteilung ... zu übertragen.

Das [X.] beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der [X.] habe den streitgegenständlichen Dienstposten am 29. August 2022 angetreten. Ein Anordnungsgrund bestehe erst sechs Monate später. Der [X.] käme im Übrigen wegen seiner Beförderung zum Oberst für eine neue Auswahlentscheidung nicht mehr in Betracht. Der Antragsteller habe zudem keinen Anordnungsanspruch. Die Auswahlentscheidung sei rechtmäßig. Der [X.] erfülle die zwingenden Kriterien des Anforderungsprofils und sei nach der aktuellen Regelbeurteilung besser bewertet als der Antragsteller. Dass dieser gegen seine Beurteilung Beschwerde erhoben habe, sei mangels aufschiebender Wirkung des Rechtsbehelfes unerheblich. Ob der [X.] über eine Vorverwendung im [X.] oder die Ausbildung zum [X.]-Stabsoffizier verfüge, sei ohne Belang. Beides werde vom Anforderungsprofil nicht gefordert. Dies widerspreche nicht dem [X.] [X.]/4. Dieser erlaube eine Einsteuerung von [X.] auf allen Ebenen, auch auf Führungsverwendungen ab [X.]. Der streitgegenständliche Dienstposten sei organisatorisch für Dauer- und für [X.] geöffnet. Der [X.] habe in seiner Verwendung als Stabsoffizier des Abteilungsleiters ... Einblick in Vorgänge aller Abteilungen des BA[X.] erhalten und die notwendigen Erfahrungen und Kompetenzen für die streitgegenständliche Verwendung erworben.

Der [X.] hat keinen eigenen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 123 VwGO statthafte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, für den das [X.] als Gericht der Hauptsache (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO) zuständig ist und der sich auch durch die Besetzung des streitgegenständlichen Dienstpostens mit dem Beigeladenen und dessen Beförderung zum Oberst nicht erledigt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 29. November 2018 - 1 WB 44.17 - juris Rn. 16), ist unbegründet. Für die begehrte einstweilige Anordnung fehlt ein Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

Zwar kann sich nach der Rechtsprechung des Senats in [X.] um die Besetzung eines Dienstpostens ein Anordnungsgrund daraus ergeben, dass ein rechtswidrig ausgewählter Bewerber auf dem Dienstposten einen Erfahrungsvorsprung erlangt, der im Fall des Obsiegens des Antragstellers in der Hauptsache bei einer erneuten Auswahlentscheidung zu berücksichtigen wäre. Ein insoweit beurteilungsrelevanter Erfahrungsvorsprung und damit ein Anordnungsgrund ist anzunehmen, wenn zwischen dem Dienstantritt des ausgewählten Bewerbers auf dem strittigen Dienstposten und der (noch zu treffenden) gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache ein Zeitraum von deutlich mehr als sechs Monaten liegt (stRspr, vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. April 2010 - 1 [X.] 2.10 - [X.] 310 § 123 VwGO Nr. 28 Rn. 20 f. und vom 19. Dezember 2011 - 1 [X.] 5.11 - [X.]E 141, 271 Rn. 29 f.). Da der Beigeladene ausweislich der Versetzungsverfügung vom 28. Juli 2022 (Nr. 2200359066) am 29. August 2022 den Dienst auf dem streitgegenständlichen Dienstposten angetreten hat, ist die Spanne von sechs Monaten vorliegend zwar überschritten.

In der vorliegenden Fallkonstellation folgt jedoch kein Anordnungsgrund aus Vorteilen, die der Beigeladene durch die Verwendung auf dem streitgegenständlichen höherwertigen Dienstposten in einem neuen Auswahlverfahren gegenüber dem Antragsteller erlangen könnte. Denn der Antragsteller tritt mit dem 31. März 2023 in den Ruhestand und wird daher nach vorläufiger Einschätzung im späteren Hauptsacheverfahren keine neue Auswahlentscheidung mit seiner Beteiligung erreichen können, selbst wenn die angegriffene Auswahlentscheidung seinen Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt haben sollte.

Der Antragsteller trägt zwar vor, dass seine Versetzung in den Ruhestand noch nicht bestandskräftig sei, bestreitet deren Wirksamkeit aber nicht und trägt auch nicht vor, dass er ein zu einem Suspensiveffekt führendes Rechtsmittel eingelegt hätte. Gemäß § 23 Abs. 6 Satz 2 WBO i. V. m. § 43 Abs. 1 SG hat die Beschwerde gegen die Beendigung des Dienstverhältnisses eines Berufssoldaten durch Versetzung in den Ruhestand keine aufschiebende Wirkung. Dass er aber gegen diese ein Rechtsmittel eingelegt hat, dessen aufschiebende Wirkung er durch ein erfolgreiches Eilverfahren beim zuständigen Verwaltungsgericht erreicht hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Mithin ist nach gegenwärtiger Sach- und Rechtslage davon auszugehen, dass sich mit dem Ablauf des 31. März 2023 jedenfalls sein [X.] im Hauptsacheverfahren erledigen wird. Denn nach dem Eintritt in den Ruhestand fehlen dem Antragsteller das Rechtsschutzinteresse und die Antragsbefugnis für einen [X.], weil er im Falle einer Neubescheidung nicht mehr im aktiven Dienst steht und daher auch nicht mehr zum Kandidatenfeld für die Besetzung des Dienstpostens gehören kann. Rechtsschutz kann er in diesem Fall bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses im Wege des [X.] erreichen. Um diesen Antrag auf Feststellung einer Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruches zu sichern bzw. nicht wiedergutzumachende unzumutbare Nachteile durch die Dauer des Hauptsacheverfahrens zu verhindern, bedarf es der beantragten einstweiligen Anordnung nicht. Der Antragsteller kann seine Position im Hauptsacheverfahren nicht dadurch stärken, dass er vor seinem eigenen unmittelbar bevorstehenden Dienstzeitende eine Vakanz des streitgegenständlichen Dienstpostens erreicht, die ihm selbst keinen rechtlichen Vorteil verschafft, aber dem öffentlichen Interesse an einer Besetzung bestehender Dienstposten im [X.] schadet. Ausreichender Rechtsschutz kann vor diesem Hintergrund auch im Hauptsacheverfahren erlangt werden, auf das der Antragsteller zumutbar verwiesen werden kann.

Der Beigeladene, der keinen eigenen Sachantrag gestellt hat, trägt die ihm entstandenen Aufwendungen selbst.

Meta

1 W-VR 2/23

31.03.2023

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 23a Abs 2 S 1 WBO, § 123 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.03.2023, Az. 1 W-VR 2/23 (REWIS RS 2023, 2199)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2199

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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