Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2015, Az. X ARZ 115/15

X. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 10131

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X [X.]/15
vom
9.
Juni
2015
in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4
Die Bindungswirkung eines [X.] entfällt nicht schon dann, wenn das Gericht eine seine örtliche Zuständigkeit begründende Norm, auf die sich der Kläger nicht berufen hat, übersieht (Bestätigung von [X.], Beschluss vom 17.
Mai
2011

X
ARZ
109/11, NJWRR
2011, 1364).
[X.], Beschluss vom 9. Juni 2015 -
X [X.]/15 -
[X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat am
9.
Juni
2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Meier-Beck, die Richter [X.], Dr.
Grabinski und Hoffmann
sowie
die Richterin Dr.
Kober-Dehm
beschlossen:
Zuständig ist das [X.].
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen eines Mangels
einer von dieser erworbenen
Immobilie
in Anspruch. In der [X.] hat sie unter Hinweis auf die Belegenheit des Grundstücks in der [X.] ausgeführt, dass sie das [X.] [X.]
nach §
24 ZPO für örtlich zuständig halte.
Mit Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens hat das [X.] [X.] gegen eine Zuständigkeit am dinglichen Gerichtsstand für die geltend gemachten Ansprüche geäußert. Die Beklagte hat in der Klageerwide-rung die Zuständigkeit des [X.]s [X.] gerügt, da §
24 ZPO nicht einschlägig sei. Das [X.] [X.] hat sich daraufhin für örtlich unzu-ständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an das [X.] verwiesen. Dieses hat den Rechtsstreit zurückverwiesen. Es ist der [X.], der Verweisungsbeschluss
entfalte
keine Bindungswirkung.
Das [X.] [X.] hat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und das [X.] um Entscheidung über den Gerichtsstand
er-1
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3
-
3
-
sucht. Dieses hat die Sache gemäß §
36 Abs.
3 ZPO dem [X.]
vorgelegt.
Es
möchte das [X.] [X.] für zuständig erklären, sieht sich hieran jedoch durch den Beschluss des [X.] vom 17.
Mai
2011
(X
ARZ
109/11, NJW-RR
2011, 1364) und den Beschluss des [X.] [X.]s
vom 27.
Juli
2010 (1
AR
25/10, juris) gehindert.
II.
Die Vorlage ist zulässig.
Nach §
36 Abs.
3 ZPO hat ein [X.], wenn es bei der Be-stimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen [X.]s oder des [X.] abweichen will,
die Sache dem [X.] vorzulegen.
Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Das an sich nach §
36 Abs.
2 ZPO zur
Bestimmung des zustän-digen Gerichts berufene [X.]
Celle
möchte
seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde legen, dass der Verweisungsbeschluss des [X.] objektiv willkürlich
und mithin
nicht
bindend
sei, weil das ver-weisende Gericht sich nicht mit der Frage befasst habe, ob es gemäß §
29 ZPO örtlich zuständig ist.
Damit würde es von der Rechtsauffassung des [X.] und des [X.] [X.]s abweichen.
III.
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß §
36 Abs.
1 Nr.
6 ZPO liegen vor.
Die beiden mit der Sache befassten [X.]e haben sich im Sinne dieser Vorschrift bindend für unzuständig erklärt.
IV.
Zuständig zur Entscheidung über das Klagebegehren ist das Land-gericht [X.], da der
Verweisungsbeschluss des [X.]s [X.] ge-mäß §
281 Abs.
2 Satz
4 ZPO bindend
ist.
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5
6
7
8
-
4
-
1.
Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der [X.] Gerichtsbarkeit ist grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist. Dies folgt aus der Regelung
in §
281 Abs.
2 Satz
4 ZPO, wonach ein auf der Grundlage von §
281 ZPO ergangener Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das die Sache verwiesen wird, bindend ist. Die Bindungswir-kung entfällt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des §
281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter er-lassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als will-kürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhalt-lich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn der
Verweisungsbe-schluss bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden [X.] nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist ([X.], Beschluss vom 19.
Februar
2013

X
ARZ
507/12, NJW-RR
2013, 764 Rn.
7; Beschluss vom 17.
Mai
2011

X
ARZ
109/11, NJW-RR
2011, 1364
Rn.
9).
2.
Bei Anlegung dieses
Maßstabs
ist der
Verweisungsbeschluss des [X.]s [X.] nicht als willkürlich anzusehen, sondern entfaltet die im Gesetz vorgesehene Bindungswirkung.
a)
Zwar kann ein Verweisungsbeschluss als nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar zu beurteilen sein, wenn das verweisende Gericht eine seine Zuständigkeit begründende Norm nicht zur Kenntnis genommen oder
sich ohne weiteres darüber hinweggesetzt hat
([X.], Beschluss vom 10.
September 2002 -
X
ARZ
217/02, NJW
2002, 3634, 3635). Jedoch
ist eine Verweisung nicht stets
als willkürlich anzusehen, wenn das verweisende
Ge-richt sich mit einer seine Zuständigkeit begründenden Norm nicht befasst hat, etwa weil es die Vorschrift übersehen oder deren Anwendungsbereich unzutref-9
10
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-
5
-
fend beurteilt hat. Denn für die Bewertung als willkürlich genügt es nicht, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Es [X.] vielmehr zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen
([X.], Beschluss vom 9.
Juli
2002

X
ARZ
110/02, NJW-RR
2002, 1498; Beschluss vom 10.
Juni
2003

X
ARZ
92/03, NJW
2003, 3201). So hat der Senat die von ei-nem zuständigen Gericht ausgesprochene Verweisung als willkürlich und daher nicht bindend erachtet, weil sie darauf beruhte, dass das Gericht eine schon mehrere Jahre vor dem Verweisungsbeschluss erfolgte
Gesetzesänderung
nicht beachtet hatte,
die Verweisungen der in Rede stehenden Art gerade ver-hindern sollte
([X.], Beschluss vom 10.
September 2002

X
ARZ
217/02, NJW
2002, 3634, 3635).
Umgekehrt hat der Senat in dem vom vorlegenden [X.] in Bezug genommenen Beschluss vom 17.
Mai
2011 ent-schieden, dass ein
Verweisungsbeschluss nicht schon deshalb als unwirksam
anzusehen
ist, weil
das verweisende Gericht eine mögliche Zuständigkeit nach §
29 ZPO nicht geprüft hat. Er hat dies im damaligen Streitfall damit begründet, dass eine Befassung mit diesem Gerichtsstand
sich
nach den Umständen,
ins-besondere da
die Parteien die Frage des [X.] nicht thematisiert hat-ten, nicht derart aufgedrängt
habe, dass die getroffene Verweisungsentschei-dung als schlechterdings nicht auf der Grundlage von §
281 ZPO ergangen an-gesehen werden könne ([X.], NJW-RR
2011, 1364 Rn.
12).
Mit den gleichen Erwägungen hat das Brandenburgische [X.] in seinem Beschluss vom 27.
Juli
2010 angenommen, dass es für sich allein noch keine objektive Willkür darstelle, wenn das verweisende Gericht den Gerichtsstand des [X.] übersehen oder verkannt habe
(1
AR
25/10, juris Rn.
9).
Die Vorlage des [X.]s Celle gibt keinen Anlass, von den diesen Entscheidungen zugrunde gelegten Kriterien für die Beurteilung eines [X.] als willkürlich abzuweichen. Zwar hat das Gericht die 12
-
6
-
Frage seiner Zuständigkeit stets von Amts wegen zu prüfen
und dabei

worauf das vorlegende [X.] auch zutreffend hinweist -
den vorgetrage-nen Sachverhalt unter allen in Frage kommenden Gesichtspunkten zu würdigen sowie
gegebenenfalls nicht vorgetragene, für die Zuständigkeit relevante Um-stände aufzuklären (vgl. [X.]/Vollkommer, ZPO, 30.
Aufl., §
12 Rn.
13).
Bejah-te man jedoch in Fällen, in denen ein Gericht sich nicht mit einer seine Zustän-digkeit
begründenden Norm befasst hat, die
Willkürlichkeit des [X.] allein deshalb, weil
das Gericht es unterlassen habe, den von den Parteien unterbreiteten Sachverhalt von Amts wegen nach Anhaltspunkten für eine eigene Zuständigkeit zu erforschen, ohne das Vorliegen zusätzlicher
Um-stände, die über das bloße Übersehen oder Verkennen einer Zuständigkeits-norm hinausgehen,
zu verlangen, wie etwa, dass die nicht beachtete Norm [X.] den Zweck hat, Verweisungen der in Rede stehenden Art zu unterbinden oder sich eine Befassung mit der zuständigkeitsbegründenden Norm den Um-ständen nach aufgedrängt hat, liefe dies darauf hinaus, dass letztlich auch auf einfachen Rechtsfehlern beruhende [X.] als nicht bindend anzusehen wären. Dies stünde
nicht im Einklang mit
der in §
281 Abs.
2 Satz
2 ZPO normierten Unanfechtbarkeit von [X.]n, die
im [X.] der [X.] das Verfahren verzögernde und verteuernde [X.]sstreitigkeiten vermeiden
soll. Dementsprechend ist
auch ein
sach-lich zu Unrecht ergangener
Verweisungsbeschluss
und die diesem
zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich
jeder Nachprüfung entzogen ([X.], NJW
2002, 3634).
b)
Der Umstand, dass das [X.] [X.] sowohl im Verwei-sungsbeschluss als auch in dem zuvor erteilten Hinweis die Frage nach seiner örtlichen Zuständigkeit nur unter dem Gesichtspunkt des dinglichen Gerichts-stands (§
24 ZPO) erörtert und insoweit verneint hat, ohne eine mögliche [X.] am Gerichtsstand des [X.] (§
29 ZPO) in Erwägung zu 13
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7
-
ziehen, macht den Verweisungsbeschluss zwar fehlerhaft, begründet aber nicht den Vorwurf der Willkür.
aa)
Der Schadensersatzanspruch wegen eines Mangels der [X.] folgt aus dem auf Übereignung einer mangelfreien Sache gerichteten Erfül-lungsanspruch und ist beim Grundstückskauf am selben Ort wie dieser, nämlich am Ort der Belegenheit des Grundstücks, zu erfüllen ([X.]/Vollkommer, ZPO, 30.
Aufl., §
29 Rn.
25 Stichwort: Kaufvertrag; [X.] Beschluss vom 24.
Sep-tember
1987 -
I
ARZ
749/86, juris).
Danach ergab sich eine Zuständigkeit des [X.]s [X.] aus §
29 Abs.
1 ZPO, so dass die Voraussetzungen für den Erlass des [X.] nach §
281 Abs.
1 Satz
1 ZPO nicht vorlagen.
bb)
Da die Klägerin Gewährleistungsansprüche aus einem Grundstücks-kaufvertrag geltend macht
und
in der Klageschrift auf die Belegenheit des Grundstücks hingewiesen hat, mag eine Prüfung der Zuständigkeit aufgrund von §
29 ZPO zwar nahegelegen haben. Eine Befassung mit dem Gerichts-stand des [X.]
drängte sich aber
nicht derart auf, dass die getroffene Verweisungsentscheidung als schlechterdings nicht auf der Grundlage von §
281 ZPO ergangen angesehen werden kann. Die Klägerin hat zwar die Bele-genheit des von der Beklagten erworbenen Grundstücks als maßgeblichen An-knüpfungspunkt
für die örtliche Zuständigkeit des von ihr angerufenen Gerichts angegeben. Sie hat
die Zuständigkeit dieses Gerichts aber
lediglich unter dem Gesichtspunkt des dinglichen Gerichtsstands gemäß §
24 ZPO in Betracht [X.]. Weder sie noch die Beklagte haben die Frage nach dem
Erfüllungsort für die geltend gemachten Ansprüche thematisiert
und die Belegenheit des Grundstücks damit in Verbindung
gebracht. Dass das
[X.] [X.] diese Frage
nicht von sich aus aufgegriffen
hat, stellt vor dem Hintergrund, dass die Klägerin nicht einen auf das Grundstück bezogenen [X.], 14
15
-
8
-
sondern einen auf Geldzahlung gerichteten Gewährleistungsanspruch einge-klagt hat, und im Hinblick darauf, dass eine Leistung
nach §
269 Abs.
1 BGB im Regelfall
an dem Ort zu erbringen ist, an dem der Schuldner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seinen Wohnsitz hat, lediglich einen einfachen Rechtsfehler dar, lässt die getroffene Entscheidung aber nicht als nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen.
c)
Die Bindungswirkung des [X.] entfällt auch nicht deshalb, weil die Klägerin den [X.] nur aufgrund des unzu-treffenden Hinweises des [X.]s [X.] auf seine
fehlende [X.] gestellt hat. Ein auf einem einfachen Verfahrensfehler beruhender Verwei-sungsbeschluss ist
grundsätzlich bindend, wenn den Parteien vor der Verwei-sung rechtliches Gehör gewährt worden ist ([X.], Beschluss vom 19.
Februar
2013

X
ARZ
507/12, NJW-RR
2013, 764 Rn.
9). Die anwaltlich

16
-
9
-

vertretene Klägerin hatte
mit der Nachfrage des [X.]s [X.], ob Verweisung beantragt werde, vor der Verweisung des Rechtsstreits Gelegen-heit erhalten, auf eine sich gegebenenfalls aus anderen Vorschriften ergebende Zuständigkeit des [X.]s [X.] hinzuweisen.
Meier-Beck
[X.]
Grabinski

Hoffmann
Kober-Dehm
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 24.02.2015 -
4 AR 2/15 -

Meta

X ARZ 115/15

09.06.2015

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ARZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2015, Az. X ARZ 115/15 (REWIS RS 2015, 10131)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10131

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

2 SAF 9/18

Zitiert

X ARZ 115/15

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x

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