Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2009, Az. 3 StR 566/08

3. Strafsenat | REWIS RS 2009, 4705

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] vom 5. März 2009 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten [X.]s von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 5. März 2009 gemäß § 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1, § 206 a Abs. 1 StPO beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird Urteil des [X.] vom 22. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt. Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstande-nen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten bewaffneten [X.]s von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung einer mit Strafbefehl des [X.] vom 31. Oktober 2007 verhängten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die hiergegen gerich-tete Revision des Angeklagten hat Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Einstellung des Verfahrens, da die Strafklage durch den genannten Strafbefehl verbraucht ist und somit ein Verfahrenshindernis besteht. 1 1. a) Mit Strafbefehl vom 31. Oktober 2007 erkannte das [X.] gegen den Angeklagten wegen fahrlässigen Führens eines Fahrzeugs un-ter dem Einfluss berauschender Mittel gemäß § 316 Abs. 1, 2 StGB auf eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 •; daneben wurde ihm die [X.] entzogen und eine Sperrfrist für deren Wiedererteilung angeordnet. Nach den Feststellungen des Strafbefehls befuhr der Angeklagte am 22. Juni 2007 2 - 3 - gegen 17.45 Uhr mit seinem PKW die [X.] in [X.]. Er schwankte beim Aussteigen aus dem PKW und konnte nur mittels eines Ausfallschritts einen Sturz verhindern. Verbale Auskünfte fielen verwaschen und "stolpernd" aus. Die ihm um 18.38 Uhr entnommene Blutprobe enthielt aufgrund vorangegangenen Betäubungsmittelkonsums Kokainabbauprodukte. b) Mit Anklageschrift vom 21. Februar 2008 wurde dem Angeklagten im hiesigen Verfahren vorgeworfen, in [X.] am 21. Juni 2007 und danach mit [X.] in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben und dabei einen Gegenstand mit sich geführt zu haben, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt gewesen sei. Danach erhielt der Ange-klagte am 21. Juni 2007 ca. 100 Gramm Heroin zum gewinnbringenden [X.]. Anlässlich einer Überprüfung am 22. Juni 2007 gegen 17.45 Uhr in der [X.] in [X.] wurden in seinem Besitz noch insgesamt 81,44 Gramm Heroin sowie ein Klappmesser mit zwei Klingen aufgefunden und sichergestellt. 3 c) Nach den Feststellungen des [X.]s konsumierte der [X.] und 22. Juni 2007 regelmäßig Kokain. Am Mittag des 22. Juni 2007 traf er sich mit einem Rauschgiftdealer und erhielt von diesem knapp 100 Gramm Heroin sowie ein Streckmittel. Der Angeklagte führte ein Filetiermesser mit zwei Klingen mit sich. Er fuhr zu der Wohnung seiner Bekannten [X.]und [X.]und überließ zumindest [X.] aus Freundschaft einen Teil des [X.]. [X.]bedeutete dem Angeklagten, dass er das restliche Rauschgift keinesfalls bei sich in der Wohnung lagern bzw. ansonsten übernehmen wolle. [X.] nahm der Angeklagte deshalb die restlichen 81,44 Gramm [X.] wieder an sich, verließ gegen 17.00 Uhr die Wohnung und begab sich zu seinem PKW. Auf eine entsprechende Bitte des [X.] nahm er diesen ein kurzes Stück mit. Der Angeklagte konnte sich beim Führen des Fahrzeugs 4 - 4 - kaum noch wach halten und fiel zwei Polizeibeamten auf. Diese überprüften ihn gegen 17.45 Uhr in der [X.] in [X.]; dabei fanden sie das in seiner [X.] mitgeführte Heroin sowie das Klappmesser. d) Das [X.] hat ausgeführt, die Rechtskraft des amtsgerichtlichen Strafbefehls stehe der Bestrafung des Angeklagten im hiesigen Verfahren nicht entgegen. Das [X.] liege nicht vor; es handele sich nicht um dieselbe Tat im materiellen oder prozessualen Sinne. Zwischen dem Fahren unter dem Einfluss berauschender Mittel nach § 316 StGB und dem [X.] bzw. der Abgabe von Betäubungsmitteln [X.] keine Tateinheit i. S. d. § 52 StGB. Die Betäubungsmitteldelikte seien schon vollendet gewesen, als der Angeklagte das Fahrzeug im Straßenverkehr geführt habe. Der weiter gegebene unerlaubte Besitz der Betäubungsmittel sei subsidiär und habe deshalb keine eigenständige Bedeutung. Die beiden Taten seien auch prozessual selbstständig, weil ein erkennbarer Beziehungs- und Be-dingungszusammenhang nicht gegeben sei. Der Angeklagte habe das [X.] nur gelegentlich der "Trunkenheitsfahrt" weiter mit sich geführt. 5 2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Strafbefehl des [X.] betrifft dieselbe Tat wie das vorliegende Verfahren; durch ihn ist deshalb Strafklageverbrauch hinsichtlich des Tatgeschehens eingetreten, das Gegenstand des landgerichtlichen Urteils ist. Der Angeklagte darf somit nach Art. 103 Abs. 3 GG wegen der von ihm begangenen Verstöße gegen das [X.] nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. 6 Der Begriff der Tat i. S. d. Art. 103 Abs. 3 GG richtet sich nach der ver-fahrensrechtlichen Bestimmung des § 264 StPO (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 8) und ist somit als der geschichtliche sowie damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte Vorgang zu verstehen, auf welchen Anklage und [X.] - 5 - öffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Der materiell-rechtliche und der prozessuale Tatbegriff stehen indes nicht völlig [X.] nebeneinander. Vielmehr stellt ein durch den Rechtsbegriff der Tateinheit zusammengefasster Sachverhalt in der Regel auch verfahrensrechtlich eine einheitliche prozessuale Tat dar. Umgekehrt bilden mehrere im Sinne von § 53 StGB sachlichrechtlich selbstständige Handlungen grundsätzlich nur dann eine einheitliche prozessuale Tat, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußer-lich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zu Grunde liegenden [X.] unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch inner-lich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Abur-teilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs emp-funden würde (vgl. [X.], [X.]. vom 16. März 2006 - 2 BvR 111/06; BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 25, 45). Hieraus folgt: Die vom Angeklagten begangene Trunkenheitsfahrt (§ 316 Abs. 1, 2 StGB) und der von ihm gleichzeitig verwirklichte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) stehen - zumindest - im Verhältnis prozessualer Tatidentität im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Allerdings besteht zwischen diesen Delikten dann keine verfahrensrechtliche Identität, wenn das Mitsichführen der Betäubungsmittel in keinem inneren Beziehungs- bzw. Bedingungszusammenhang mit dem [X.] steht (vgl. [X.], 694, 695 zu § 24 a Abs. 2 StVG mit [X.]). Anders liegt dies aber, wenn die Fahrt gerade dem Transport der Drogen dient, also etwa den Zweck verfolgt, sie an einen sicheren Ort zu bringen. So war es hier: Der Ange-klagte war nach den Feststellungen des [X.]s aufgrund der Weigerung 8 - 6 - des [X.]gezwungen, das Rauschgift aus der Wohnung fortzuschaffen und an einen anderen Ort zu verbringen. Die Fahrt mit dem PKW diente deshalb primär dem Transport der Betäubungsmittel. Der somit gegebene innere Bezie-hungszusammenhang zwischen dem Führen des Kraftfahrzeugs und dem Be-sitz des [X.] wird auch nicht dadurch aufgelöst, dass der Angeklagte sich aus Gefälligkeit bereit erklärte, zunächst den [X.] zu einem bestimmten Ort in [X.] mitzunehmen. [X.] Zweck der Fahrt war vielmehr weiterhin das Verbringen des Rauschgifts weg von der Wohnung hin zu einem vermeint-lich sicheren Ort. Ob darüber hinaus in einem derartigen Fall zwischen der [X.] und dem [X.] nicht auch materiellrechtlich eine natürli-che Handlungseinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) gegeben ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Denn da die Aburteilung wegen der Trunkenheitsfahrt die Strafklage für den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ver-braucht hat, darf der Angeklagte auch nicht mehr wegen der Delikte bestraft werden, die nur mit diesem Verbrechen sachlichrechtlich in Tateinheit stehen und deshalb prozessual eine Tat bilden. Dies ist für das bewaffnete Sichver-schaffen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie die Abgabe ei-nes - den Grenzwert der nicht geringen Menge nicht erreichenden - Teils dieser Betäubungsmittel jedoch der Fall; denn diese beiden Straftaten werden durch den [X.] in nicht geringer Menge, der als Verbrechen (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) nicht als Auffangtatbestand im Wege der Subsidiarität hinter das Vergehen der Abgabe einer "geringen Menge" (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) aus der Gesamtmenge zurücktritt, zur Tateinheit verbunden (s. demgegenüber BGHSt 42, 162, 165 f.: keine Verknüpfung von Betäubungsmitteleinfuhr in nicht geringer Menge - § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG - und Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG - durch den [X.] - 7 - telbesitz in nicht geringer Menge, da dieser als subsidiär hinter die beiden ande-ren Verbrechenstatbestände zurücktritt). Dies hat im Ergebnis auch das [X.] nicht verkannt, das zutreffend Tateinheit zwischen dem bewaffneten [X.] der Betäubungsmittel und der Abgabe von Betäubungsmitteln angenommen hat. [X.] von [X.][X.]

Meta

3 StR 566/08

05.03.2009

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2009, Az. 3 StR 566/08 (REWIS RS 2009, 4705)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 4705

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 109/12 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Revisionsentscheidung bei Strafklageverbrauch nach Verurteilung …


3 StR 280/09 (Bundesgerichtshof)


4 StR 461/18 (Bundesgerichtshof)

Gesamtheit mehrerer Betäubungsmittel maßgeblich zur Bestimmung Grenzwertes der nicht geringen Menge


2 StR 85/12 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung eines betäubungsmittelabhängigen Straftäters in einer Entziehungsanstalt: Absehen von der Maßregelanordnung wegen fehlenden Therapiewillens des …


3 StR 357/15 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikt: Bewaffnetes Sichverschaffen von Betäubungsmitteln


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.