Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.05.2014, Az. VI ZR 153/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5254

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Verkündet am:
[X.]/13
27. Mai 2014

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 823 ([X.])
Bei der Deutung des Sinnes einer in einer Presseveröffentlichung enthaltenen Äußerung ist die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden.
[X.], Urteil vom 27. Mai 2014 -
[X.]/13 -
LG Berlin

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2014 durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin
[X.], [X.], die Richterin von [X.] und den Richter Offen-loch
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil
der 27. Zivilkammer des [X.] vom 26. Februar 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Freistellung von [X.] in Anspruch, die durch die außergerichtliche Geltendmachung eines Ge-gendarstellungs-
und Widerrufsanspruchs entstanden sein sollen.
Die Beklagte ist Verlegerin einer [X.] Tageszeitung,
die
Klägerin war Chefredakteurin einer anderen [X.] Tageszeitung. Mit der Klägerin
führten die Autoren des Buches "[X.]" ein Interview, das Eingang in das Buch finden sollte. Die Klägerin verweigerte in der Folgezeit aber die Au-torisierung des Interviews sowie ihr Einverständnis mit seinem Abdruck. Sie wies -
zeitlich nach der Verweigerung der Autorisierung
-
gegenüber den Auto-ren allerdings auch darauf hin, dass das Interview "gut transkribiert" sei.
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-

Die Beklagte berichtete in der Ausgabe vom 9. Oktober 2008 der von ihr verlegten Zeitung über diesen Vorgang unter voller Namensnennung der Kläge-rin wie folgt:
"[X.]

-Chefin lässt Buch stoppen

stoppen lassen, in dem sich ein Interview mit ihr befindet. Die Autoren s mit 26 [X.], die sie nach ihren professionellen Maßstäben und privaten Ansichten befragen. Über die Autorisierung des Gesprächs mit [X.] kam es zum Streit. Die -Chefredakteurin fühlte sich von den Autoren schlecht behandelt, wie sie im Gespräch mit dieser Zeitung sagte. Die Autoren wiederum [X.] darauf, dass M. die Abschrift des Gesprächs zunächst sogar gelobt habe und erst nach Monaten Probleme aufgetaucht seien. Strittig ist zwi-schen den Parteien die Frage, ob es der ausdrücklichen Autorisierung [X.]. bedurfte, um das Interview abdrucken zu können oder nicht. Das ist vor dem Hintergrund, dass die [Name der Zeitung, deren Chefredakteurin die Klägerin war]
vor fünf Jahren eine Kampagne gegen den [X.] bei [X.] betrieb, nicht ohne Pikanterie. Der Ver-"
Mit dem Vorwurf, die dem Artikel zu entnehmende Aussage, sie habe die Abschrift des Gesprächs zunächst gelobt
und erst nach Monaten seien [X.] aufgetaucht,
sei erweislich falsch,
weil sie,
zeitlich umgekehrt,
zuerst
die Autorisierung verweigert und erst dann die Transkription gelobt habe, nahm die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung und -
mit gesondertem Rechtsanwalts-schreiben vom 10. Oktober 2008
-
auf Widerruf sowie
Abdruck einer Gegendar-3
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stellung in Anspruch.
Die Beklagte gab die geforderte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich aber, die Gegendarstellung abzudrucken und den geforderten Widerruf zu erklären. Die Klägerin, die diese Ansprüche nicht weiterverfolgt
hat, nimmt die Beklagte nunmehr auf Freistellung von der Forderung ihrer [X.] Geltendmachung des Gegendarstellungs-
und des Widerrufsan-spruchs entstanden sein soll.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das
Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren wei-ter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe dem Grunde nach zwar ein Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen [X.] zu. Denn die Beklagte habe das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Die von der Klägerin vorliegend geltend gemachten Kos-ten stellten aber keinen ersatzfähigen Schaden i.S.d. §§
249 ff. BGB dar. Ein Anspruch auf Erstattung der für die Aufforderung zur Gegendarstellung angefal-lenen Kosten scheitere jedenfalls daran, dass die Beklagte zum Abdruck einer der beiden ihr zugeleiteten Versionen der Gegendarstellung nicht verpflichtet gewesen sei. Denn beide Versionen beschränkten sich nicht auf eine Erwide-rung auf die Ausgangsmitteilung. Die erste Version der Gegendarstellung sei darüber hinaus auch ihrem Umfang nach nicht angemessen. Erstattung der für 5
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die Aufforderung zum Widerruf angefallenen Kosten könne die Klägerin nicht verlangen, da die Beklagte lediglich die Äußerung eines [X.] wiedergegeben habe. In Betracht komme insoweit lediglich eine Distanzierung, die die Klägerin aber nicht verlangt habe.

II.
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Entgegen der Auffassung der Revision unterliegt das Berufungsurteil nicht wegen unterbliebener Wiedergabe der [X.] der Aufhebung.
Zutreffend ist freilich, dass ein Berufungsurteil, das das Berufungsbegeh-ren nicht erkennen lässt, nach ständiger Rechtsprechung des [X.] in der Revisionsinstanz bereits aus diesem Grund aufzuheben ist (Senats-urteil vom 30. September 2003 -
VI
ZR 438/02, [X.]Z 156, 216, 217 f.; [X.], Urteile vom 25. Mai 2011 -
IV
ZR 59/09, [X.], 1005 Rn.
8 f.; vom 13.
Januar 2004 -
XI
ZR 5/03, NJW-RR 2004, 573 f.; vom 22. Dezember 2003
-
VIII
ZR 122/03, NJW-RR 2004, 494; vom 26. Februar 2003 -
VIII
ZR 262/02, [X.]Z 154, 99, 100 f.). Es bedarf dabei
aber nicht zwingend einer wörtlichen Wiedergabe der [X.]. Vielmehr reicht es aus, wenn dem Beru-fungsurteil das Berufungsbegehren mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden kann ([X.], Urteil vom 25. Mai 2011 -
IV
ZR 59/09, [X.], 1005
Rn.
10). Dies ist vorliegend (noch) der Fall.
Im Berufungsurteil wird ausgeführt, das angefochtene Urteil sei zu bestä-tigen, weil das Amtsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen habe, denn die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freistellung 7
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von den geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Diese [X.] und das gleichzeitige Fehlen jeglicher Anhaltspunkte im [X.], dass die Klägerin [X.] mehr oder weniger als in erster Instanz gefordert haben könnte, lassen einen noch hinreichend sicheren Schluss darauf zu, dass die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren, das sich aus den vom Be-rufungsurteil in Bezug genommenen tatbestandlichen Feststellungen des amts-gerichtlichen Urteils ergibt, in zweiter Instanz unverändert weiterverfolgt hat.
2. In der Sache steht der Klägerin der geltend gemachte Freistellungsan-spruch bereits dem Grunde nach nicht zu.
a)
Ein Anspruch aus §
823 Abs.
1 BGB i.V.m. Art.
2 Abs.
1, Art.
1 Abs.
1 GG besteht nicht. Es fehlt bereits an einem Eingriff in das allgemeine Persön-lichkeitsrecht der Klägerin.
aa) Zu den Schutzgütern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zählt die [X.] Anerkennung des Einzelnen. Es umfasst den Schutz des Einzelnen vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 -
VI
ZR 332/09, [X.], 66 Rn.
21 mwN; [X.], Beschluss
vom 16. Oktober 2013 -
XII
ZB 176/12, NJW 2014, 61 Rn.
28). Ob eine Äußerung eine solche Eignung besitzt, hängt davon ab, welcher Aussagegehalt ihr zukommt. Bei der mithin notwendigen Sinndeu-tung, die in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unter-liegt (vgl. nur Senatsurteile vom 3. Februar 2009 -
VI
ZR 36/07, [X.], 555 Rn.
12;
vom 11. März 2008 -
VI
ZR 189/06, [X.], 695 Rn.
11; vom 22. November 2005 -
VI
ZR 204/04,
VersR 2006, 382 Rn.
14; jeweils mwN),
ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen
ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext heraus-gelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. Senatsurteile 11
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vom 22. September 2009 -
VI
ZR 19/08, [X.], 1545 Rn.
11; vom 11. März 2008 -
VI
ZR 7/07, [X.], 793 Rn.
20; vom 28. Juni 1994 -
VI
ZR 252/93, [X.], 1120, 1121; [X.], NJW 2013, 217 Rn.
20 jeweils mwN).
[X.]) Danach ist die angegriffene Berichterstattung nicht geeignet, sich [X.] auf das Bild der Klägerin in der Öffentlichkeit auszuwirken. Zwar mag es zutreffen, dass der von der Klägerin beanstandete Satz isoliert betrachtet den Eindruck vermittelt, die Klägerin habe sich widersprüchlich verhalten, indem sie die Veröffentlichung eines von ihr ursprünglich für gut befundenen Beitrags plötzlich aus nicht weiter
nachvollziehbaren Motiven verhindert habe, was auf die -
gerade in der beruflichen Position der Klägerin
-
negativen Charakterei-genschaften der Unzuverlässigkeit und der Wankelmütigkeit hindeuten könnte. Im Gesamtzusammenhang des Artikels tritt dieser Aussagegehalt aber völlig in den Hintergrund. Aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsempfängers (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994 -
VI [X.], [X.]Z 128, 1, 6
mwN) ist
Gegenstand des Artikels die
-
zunächst neutrale
-
Darstellung
eines Streits über die Autorisierung des von der Klägerin gegebenen Interviews. Hierzu wer-den dem Leser die unterschiedlichen Positionen der Klägerin einerseits
und der Autoren des Buches "[X.]"
andererseits mitgeteilt. Daran [X.] wird darauf
hingewiesen, dass sich die Klägerin mit ihrem Verhalten in [X.] zu einer von "ihrer"
Zeitung betriebenen "Kampagne gegen den [X.] bei [X.]"
setzt. Hierin liegt der eigentliche
im Arti-kel gegenüber der Klägerin erhobene
Vorwurf. Er knüpft alleine daran an, dass die Klägerin durch die Verweigerung der
Autorisierung eines von ihr gegebenen Interviews dessen Veröffentlichung verhindert hat, sie sich also, wenn es um sie persönlich geht, in einer Weise verhält, die
gerade
von "ihrer"
Zeitung im Rah-men einer "Kampagne"
kritisiert wurde. Dieser Vorwurf ist aber völlig unabhän-gig von der
Frage, in welcher zeitlichen Reihenfolge sie einerseits die [X.] verweigert und andererseits die Transkription gelobt hat.
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b) Da der streitgegenständlichen Äußerung ein die Klägerin herabwürdi-gender Aussagegehalt nicht entnommen werden kann, scheidet auch ein [X.] aus §
823 Abs.
2 BGB i.V.m. §
186 StGB aus.
Galke
[X.]
[X.]

von [X.]
Offenloch

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 05.10.2012 -
22 C 259/11 -

LG Berlin, Entscheidung vom 26.02.2013 -
27 [X.]/12 -

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Meta

VI ZR 153/13

27.05.2014

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.05.2014, Az. VI ZR 153/13 (REWIS RS 2014, 5254)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5254

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 153/13

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