Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.05.2017, Az. IV ZR 499/14

4. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10801

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Gegenstand

Kapitallebensversicherung nach altem Recht: Verwirkung des über die Jahresfrist hinaus fortbestehenden Widerspruchsrechts durch zwischenzeitliche Erkundigung des Versicherungsnehmers nach der Reichweite des Versicherungsschutzes


Tenor

Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 21. Dezember 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5.970,04 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden [X.]) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Kapitallebensversicherung.

2

Diese wurde aufgrund eines Antrags [X.], der zum Beruf unter anderem den Hinweis "Soldat auf [X.]" enthielt, mit Vertragsbeginn zum 1. Oktober 1998 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a [X.] a.F.) abgeschlossen. Im November 2007 kündigte [X.] den Vertrag und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 10. März 2010 erklärte [X.] unter anderem den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F.

3

Mit der Klage verlangt [X.] Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.] (insgesamt 5.970,04 €).

4

Nach Auffassung [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7

I. Dieses hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Es könne dahinstehen, ob d. [X.] ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sei. Jedenfalls sei der Vertrag gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.

8

II. Die Revision ist begründet.

9

1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. [X.] mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag ist infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.

Der Versicherer belehrte d. [X.] - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Sowohl die maßgebliche Belehrung im Versicherungsschein als auch die in § 3 der dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kapitallebensversicherung ist drucktechnisch nicht im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. hervorgehoben. Auf die Belehrung in dem Versicherungsantrag kommt es - anders als die Revisionserwiderung meint - nach ständiger Senatsrechtsprechung nicht an (vgl. Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - [X.], juris Rn. 11; vom 17. Juni 2015 - [X.], juris Rn. 12; vom 10. Juni 2015 - [X.], juris Rn. 12 m.w.N.). Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.

Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 19. Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.] - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

b) Die Ausübung des Widerspruchsrechts mehr als zehn Jahre nach Vertragsbeginn ist hier - entgegen der Revisionserwiderung - nicht ausnahmsweise deshalb verwirkt, weil sich d. [X.] im März 2005 telefonisch und nachfolgend nochmals schriftlich beim Versicherer erkundigt hatte, ob er auch für einen anstehenden Auslandseinsatz als Personenschützer Versicherungsschutz genieße. Mangels ordnungsgemäßer Belehrung konnte der Versicherer nicht davon ausgehen, dass d. [X.] wusste, dass er sich vom Vertrag auch hätte lösen können. Der Versicherer konnte daher die Anfragen d. [X.] nicht als eine Bestätigung seines Interesses am Fortbestand des Versicherungsvertrages verstehen sondern wegen seiner Unkenntnis von dem Widerspruchsrecht nur als reine Bitte um Information.

c) Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, steht auch die Kündigung dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).

2. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).

Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46) und dabei auch die Vorgaben der Senatsurteile vom 29. Juli 2015 ([X.], [X.], 1101 Rn. 36 ff.; [X.], [X.], 1104 Rn. 34 ff.) sowie vom 11. November 2015 ([X.], [X.], 33 Rn. 32 ff.) zu beachten haben.

[X.]     

       

Harsdorf-Gebhardt     

       

Lehmann

       

Dr. Brockmöller     

       

Dr. Bußmann     

       

Meta

IV ZR 499/14

17.05.2017

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 21. Dezember 2012, Az: 11 U 185/11

§ 5a Abs 2 S 4 VVG vom 21.07.1994, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.05.2017, Az. IV ZR 499/14 (REWIS RS 2017, 10801)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10801

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