Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.11.2018, Az. XII ZB 217/17

12. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 1133

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Gegenstand

Personenstandssache: Geburtseintrag für ein in Ägypten geborenes Kind; inzident zu prüfende Vorfrage der Anerkennung der in Ägypten erfolgten Privatscheidung der Eltern


Leitsatz

Die sich in einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren stellende Vorfrage der Anerkennung einer im Ausland erfolgten Privatscheidung ausländischer Staatsangehöriger ist inzident zu prüfen. Die vorherige Durchführung eines zulässigen Anerkennungsverfahrens kann von den Beteiligten insoweit nicht verlangt werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 4 gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 4. April 2017 wird zurückgewiesen.

Das [X.] ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über den Geburtseintrag für das betroffene Kind, das im August 2011 in [X.] geboren wurde.

2

[X.] (Beteiligte zu 2) ist [X.] Staatsangehörige und lebt in [X.]. Sie war mit einem [X.]n Staatsangehörigen verheiratet. Im Mai 2006 entband sie diesen von seinen Pflichten ihr gegenüber, erklärte zur Beurkundung durch den [X.]n Standesbeamten den Verzicht auf Unterhaltsansprüche sowie den gestundeten Teil der [X.] und bat ihren Ehemann, die Verstoßungsformel auszusprechen. Dieser erklärte darauf die Verstoßung. Nach den Feststellungen des [X.] stellte der Standesbeamte die unwiderrufliche Scheidung der Ehe fest, welche im Mai 2006 im Scheidungsregister eingetragen wurde.

3

Der Beteiligte zu 1, der die [X.] Staatsangehörigkeit besaß und 2008 die [X.] Staatsangehörigkeit erworben hat, hat im November 2012 die Vaterschaft zu dem Kind anerkannt. Er und die Kindesmutter haben die Nachbeurkundung der Geburt beantragt, welche vom Standesamt (Beteiligter zu 3) abgelehnt worden ist. Auf Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 hat das Amtsgericht das Standesamt angewiesen, die Beurkundung der Geburt nicht aus dem Grund abzulehnen, dass der Familienstand der Mutter nicht nachgewiesen sei. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Standesamtsaufsicht (Beteiligte zu 4) zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

5

1. Nach Auffassung des [X.], dessen Entscheidung in [X.] 2018, 24 veröffentlicht ist, steht der Anerkennung der Vaterschaft nicht die - vom [X.]n Recht (§ 1594 Abs. 2 BGB) und [X.]n Recht übereinstimmend vorgesehene - [X.] aufgrund gesetzlicher Vaterschaft des Ehemanns der Mutter entgegen. Denn der Nachweis über die Scheidung der Ehe sei erbracht worden.

6

Einer vorherigen Entscheidung der [X.] gemäß § 107 FamFG bedürfe es hierfür nicht. Sogenannte Heimatstaatenentscheidungen bedürften nach § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht der Anerkennung durch die zuständige Landesjustizverwaltung. Über deren Anerkennung habe die damit befasste [X.] Verwaltungsbehörde oder das [X.] Gericht inzident selbst zu befinden.

7

[X.] und ihr damaliger Ehemann seien [X.] Staatsangehörige. Die Scheidung sei in [X.] vor einer zur Mitwirkung zuständigen Stelle erfolgt und dort registriert worden. Zweifel an der Wirksamkeit der allein [X.]m Recht unterliegenden Scheidung bestünden nicht.

8

Gegen eine inzidente Anerkennung spreche nicht, dass der Kindesmutter grundsätzlich das Verfahren nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG offenstehe. Zwar sei dieses bei ausländischen [X.], die unter - irgendeiner - Beteiligung einer Behörde oder eines Gerichts erfolgten, durchaus möglich. Jedoch sei ein entsprechendes Verfahren nicht zwingend erforderlich, sondern stehe dem - geschiedenen - ausländischen Ehegatten lediglich fakultativ zur Verfügung.

9

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht haben die Instanzgerichte das Standesamt angewiesen, die Beurkundung der Geburt nicht aus dem Grund abzulehnen, dass der Familienstand der Mutter nicht nachgewiesen ist.

Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 PStG kann, wenn ein [X.] im Ausland geboren ist, der [X.] auf Antrag im Geburtenregister beurkundet werden. Antragsberechtigt sind nach § 36 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 PStG bei einer Geburt vor allem die Eltern des Kindes sowie das Kind selbst. Im Fall der wirksamen Anerkennung der Vaterschaft durch einen [X.]n Staatsangehörigen ergibt sich die [X.] Staatsangehörigkeit des betroffenen Kindes - bei Anerkennung nach der Geburt auch rückwirkend - aus §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.] FamRZ 2014, 449 Rn. 10 mwN; [X.] Urteil vom 25. Oktober 2017 - [X.] AS 1278/16 WA - juris Rn. 38 f.).

In diesem Zusammenhang ist die Wirksamkeit der ausländischen Privatscheidung als Vorfrage inzident zu prüfen.

a) Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, dass sich das [X.] Recht (§ 1594 Abs. 2 BGB) und das [X.] Recht hinsichtlich der durch Anerkennung begründeten Vaterschaft insoweit entsprechen, als nach beiden Rechtsordnungen aus der gesetzlichen Vaterschaft des mit der Mutter des Kindes verheirateten Mannes gegenüber der Anerkennung durch [X.] eine Sperrwirkung folgt. Die insoweit zum [X.]n Recht getroffenen Feststellungen sind von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen worden. Da auf dieser Grundlage beide hier in Betracht kommenden Rechtsordnungen zum selben Ergebnis gelangen, konnte das Beschwerdegericht offenlassen, welche Rechtsordnung gemäß Art. 19 [X.]BGB Anwendung findet.

b) Das Beschwerdegericht hat seiner Entscheidung in zulässiger Weise zugrunde gelegt, dass die Ehe der Kindesmutter vor Geburt des Kindes wirksam geschieden wurde. Zur Beurteilung dieser Vorfrage bedurfte es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keines vorgeschalteten [X.] gemäß § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG.

aa) Der Durchführung eines [X.] hätte allerdings noch nicht entgegengestanden, dass es sich bei der in [X.] vollzogenen Scheidung um eine sogenannte Privatscheidung handelt.

Nach der noch zu Art. 7 § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] ergangenen Rechtsprechung des Senats fallen [X.] im Anerkennungsverfahren jedenfalls dann unter den Begriff der Entscheidungen, wenn daran eine ausländische Behörde entsprechend den von ihr zu beachtenden Normen in irgendeiner Form, und sei es auch nur registrierend, mitgewirkt hat (Senatsbeschluss [X.], 34 = FamRZ 1982, 44, 45). Da mit der Übernahme der Regelung in § 107 FamFG insoweit keine inhaltliche Änderung verbunden war, gilt dies unverändert für die bestehende Rechtslage.

Dem steht auch die Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 20. Dezember 2017 - FamRZ 2018, 169 - Sahyouni) nicht entgegen. Denn der [X.] hat nur zur Anwendbarkeit der Verordnung ([X.]) Nr. 1259/2010 ([X.]) entschieden und eine solche unter Berücksichtigung der Verordnung ([X.]) 2201/2003 ([X.]) verneint. Dies steht einer Anerkennung im Verfahren nach § 107 FamFG nicht im Weg.

bb) Die Durchführung des [X.] war hier jedoch nicht zwingend.

Vereinzelt wird in Rechtsprechung und Literatur angenommen, dass das Anerkennungsverfahren im Fall von [X.] auch bei [X.] gemäß § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG vorrangig durchgeführt werden müsse und sich eine Inzidentfeststellung der Wirksamkeit der Scheidung verbiete ([X.] FamRZ 2017, 360; [X.] FamRZ 2005, 989; [X.]/[X.] ZPO 32. Aufl. § 107 FamFG Rn. 7).

Das trifft indes nicht zu. Der Gesetzgeber hat in § 107 Abs. 1 FamFG eine differenzierende Regelung getroffen, welche im Heimatstaat der Ehegatten durchgeführte [X.] vom obligatorischen Anerkennungsverfahren ausnimmt. Während nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG Entscheidungen nur anerkannt werden, wenn die Landesjustizverwaltung festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen, hängt die Anerkennung nach § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht von einer Feststellung der Landesjustizverwaltung ab, wenn ein Gericht oder eine Behörde des Staates entschieden hat, dem beide Ehegatten zur [X.] angehört haben. Eine unterschiedliche Bedeutung des Begriffs der Entscheidung in § 107 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 FamFG besteht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde (vgl. auch [X.] FamRZ 2005, 989) nicht. Vielmehr schließt eine Einbeziehung von [X.] in die Anerkennung von Entscheidungen nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG notwendigerweise auch eine Einbeziehung in den Anwendungsbereich von § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG ein.

Allein die allgemeine Zielsetzung des [X.], welche in der Vermeidung der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht, rechtfertigt es nicht, die beiden Tatbestände gemäß § 107 Abs. 1 FamFG entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung gleichzustellen. Ob ein Anerkennungsverfahren durchgeführt wird, unterliegt in Fällen des § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG der freien Entscheidung der geschiedenen Ehegatten als Antragsberechtigten. Anders als in Fällen nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG besteht mithin kein Zwang zur Durchführung des [X.], so dass den Beteiligten auch eine Inzident-Entscheidung über die Anerkennung nicht verweigert werden darf. Dass dabei die Standesämter mitunter schwierige Fragen des ausländischen Rechts beurteilen müssen, ist nicht ungewöhnlich. Das Gesetz erwartet dies auch in anderen Zusammenhängen (vgl. Senatsbeschluss [X.], 59 = [X.], 1251 Rn. 22) und trägt bestehenden Schwierigkeiten dadurch Rechnung, dass es den Standesämtern die Befugnis einräumt, in Zweifelsfällen nach § 49 Abs. 2 PStG eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.

cc) Das Beschwerdegericht hat entsprechend diesen Maßstäben die Vorfrage der Scheidung inzident geprüft und auf die Scheidung, die keinen Auslandsbezug aufgewiesen hat, zutreffend das [X.] Recht angewendet. Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, das Beschwerdegericht habe keine Feststellungen zur Scheidung und deren Registrierung getroffen, ist unbegründet. Denn die notwendigen Feststellungen ergeben sich aus der angefochtenen Entscheidung. Sie beruhen auf der Urkunde über die Scheidungserklärung und dem Auszug aus dem [X.]n Scheidungsregister, die vom Beteiligten zu 1 vorgelegt worden sind. Weitere auf die Anwendung des ausländischen Rechts bezogene Beanstandungen hat die Rechtsbeschwerde nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich (vgl. auch Senatsurteil BGHZ 160, 332 = FamRZ 2004, 1952, 1955).

Dose     

      

[X.]     

      

[X.]

      

Guhling     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZB 217/17

28.11.2018

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 4. April 2017, Az: 1 W 447/16, Beschluss

§ 107 Abs 1 S 2 FamFG, § 36 Abs 1 S 1 Halbs 1 PStG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.11.2018, Az. XII ZB 217/17 (REWIS RS 2018, 1133)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 230-231 NJW 2019, 931 REWIS RS 2018, 1133

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 299/18

XII ZB 320/17

XII ZB 158/18

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